Protocol of the Session on June 22, 2017

(Beifall bei den LINKEN)

Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

Reibungslosen Start ins Schuljahr sichern

durch eine solide Schuljahresvorbereitung

Drucksache 6/9752, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion DIE LINKE. Danach folgen CDU, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Ich erteile nun Frau Abg. Falken das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Unterrichtsversorgung für das neue Schuljahr 2017/2018 ist bis heute nicht gesichert. Wir als LINKE sehen auch nicht, dass sie bis zum Beginn des Schuljahres gesichert werden wird. „Wieder“ muss man sagen; denn es ist nicht das erste Jahr, sondern es ist seit vielen Jahren so.

Das Versagen der Staatsregierung sieht man im Freistaat Sachsen an jeder einzelnen Schule. Frau Staatsministerin Kurth, Sie haben vor fünf Jahren das Amt als Kultusministerin von Herrn Wöller übernommen mit dem Ziel, Lehrermangel in Sachsen zu beseitigen. Von Jahr zu Jahr wird die Situation an den sächsischen Schulen schwieriger und komplizierter; sie führt zunehmend in die Katastrophe.

Ihre eigenen Worte, Frau Staatsministerin, waren in den letzten Jahren: „Es reicht gerade so mit dem Unterricht.“ „Es ist ganz dolle auf Kante genäht.“ Und: „In diesem Jahr wird es wohl so sein, dass es nicht ausreichen wird, den Unterricht abzusichern.“

Unterricht fällt seit Jahren in Größenordnungen aus. Die Lehrpläne im Freistaat Sachsen können nicht mehr umfänglich erfüllt werden. Das Schönreden muss hier und heute endlich ein Ende haben. Sagen Sie klar, Frau Staatsministerin, was auf Schülerinnen und Schüler, auf Lehrerinnen und Lehrer und auf Eltern im kommenden Schuljahr zukommen wird.

Schauen wir uns die konkrete Situation an: An der 117. Grundschule hier in Dresden – Sie alle haben es sicherlich gelesen, genauso wie ich – hat die Schulleiterin festgelegt, dass für das kommende Schuljahr noch Deutsch, Mathematik und Sachkunde wenigstens bis Dezember unterrichtet werden; alle anderen Unterrichtsstunden fallen aus. Warum? Zwei Lehrer scheiden aus. Eine geht in Rente und die andere geht in die Elternzeit. Die Seiteneinsteiger, keine ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer – – Herr Ministerpräsident, ich glaube es wäre

wichtig, wenn Sie zuhören würden. – Die Seiteneinsteiger, keine ausgebildeten Grundschullehrer, kommen erst im Dezember und damit ist der Unterricht nicht abzusichern. Klassenzusammenlegungen sind wie jedes Jahr auch dieses Jahr wieder an der Tagesordnung. Bisher hat man sich sehr bemüht – Herr Wöller hat damals großen Wert darauf gelegt –, dass Klassenzusammenlegungen nicht von der 1. zur 2. Klasse durchgeführt werden. In diesem Jahr wird auch das passieren. In Pirna ist so ein Beispiel.

Die Eltern in Eilenburg sind wegen der Klassenbildung ganz stark im Protest. Sie haben das in den Medien sicherlich vernommen. Am Gymnasium in Niesky ist die Klassenbildung folgendermaßen: Für die neuen 5. Klassen sind 59 Schülerinnen und Schüler angemeldet. Der Schulleiter hat zu den Elternvertretern gesagt, es werden nur zwei Klassen gebildet, das heißt eine 5. Klasse mit 30 Schülern und eine Klasse mit 29 Schülern. Die Frage der Eltern war: Warum machen wir denn das? Die Antwort: Wir haben keine Lehrer für das Gymnasium an unserer Schule.

Bei der Bildungsagentur Bautzen – die Zahlen kennen Sie – sollen nur zwölf Gymnasiallehrer eingestellt werden, es haben sich aber 21 Gymnasiallehrer beworben und darüber hinaus auch noch Seiteneinsteiger. Sie fahren mit dieser Vorgehensweise, Frau Staatsministerin Kurth, auch noch die Schulart Gymnasium an die Wand, und zwar ganz gewaltig. 100 Einstellungen für ganz Sachsen für das Gymnasium bei 593 Bewerbungen! Ja, Sie wollen die Gymnasiallehrer an die Oberschule kriegen. Das kann ich sogar verstehen, aber Mangel verwalten, wo Sie wissen, dass das nicht funktionieren wird, führt zu der Forderung, die wir ganz klar hier stellen wollen, dass Sie das bitte zukünftig in dieser Form lassen. Sie haben seit drei Jahren dieses Verfahren mit den Förderschullehrern versucht und es hat wirklich nicht funktioniert. Die Gymnasiallehrer werden abwandern, und Sie haben auch noch die nächste Schulart an die Wand gefahren.

Machen wir ein weiteres Beispiel. Im letzten Jahr wurden am Gymnasium keine Musik- und Kunstlehrer eingestellt. In diesem Jahr werden sie gebraucht. Dieses Jahr stellen wir Seiteneinsteiger für Musik und Kunst am Gymnasium ein. Was ist denn das für eine Planung? In Leipzig, wo es bisher immer hieß, wir haben genügend Lehrer, weil hier der Grundschulbereich und auch die anderen Schularten ausgebildet werden, sind in diesem Jahr nur 30 % der Einstellungen an den Grundschulen eigenständig ausgebildete Grundschullehrer und 70 % Seiteneinsteiger und Gymnasiallehrer.

Auf den Anfang kommt es an! Sie werden sich erinnern, dass wir im Parlament schon lange sehr ausführlich darüber debattiert haben. Was die Kinder an der Grundschule nicht vermittelt bekommen, können sie in den nachfolgenden Jahren nicht mehr aufholen.

Wir haben ein weiteres Problem – der Staatssekretär hat es uns neulich im Ausschuss erklärt –: Wir haben zurzeit 9 641 Schülerinnen und Schüler in den DaZ-Klassen, also

in den Vorbereitungsklassen. Wenn Sie die Klassen jetzt aber vollstopfen, haben wir für das kommende Schuljahr keine Möglichkeit, diese Kinder und Jugendlichen erfolgreich in die Schulen zu integrieren. Das kann doch unmöglich Ihr Ziel sein! Wir müssen in den Klassen Platz lassen, damit auch diese Schülerinnen und Schüler in der besonderen Situation, in der sie sind, aufgenommen werden können.

(Beifall bei den LINKEN)

Ein weiteres Beispiel, und Frau Staatsministerin, ich kann Ihnen das wirklich nicht ersparen, Sie haben uns erklärt, jeder bekommt ein Einstellungsangebot. Ja, zum Teil hat das sogar gestimmt, aber wer das nicht angenommen hat, ist auch in diesem Jahr wieder durch das Sieb gefallen, so wie in den letzten Jahren immer. Wir haben das im Schulausschuss wieder und wieder debattiert. Wieder gibt es Lehrerinnen und Lehrer, die nach einem Angebot nicht noch einmal eingeladen worden sind, um mit ihnen zu reden, ob sie auch bereit wären, an einer anderen Schule zu arbeiten. Es gibt auch Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat Sachsen, die sich im März beworben haben und bis zur vergangenen Woche noch kein Angebot hatten.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel. In der letzten Woche gab es eine Gesprächsrunde mit circa 25 Gymnasiallehrern in Leipzig, die sich von sich aus bereit erklärt haben, an der Oberschule zu arbeiten. Sie sollten einzeln begründen, warum sie denn als Gymnasiallehrer geeignet sind, an der Oberschule zu arbeiten. In so einer Gruppe! Unverschämt! Frechheit! Sie kamen sich vor wie Bittsteller. Sie waren bei mir und haben sich sofort beschwert. Sie kamen sich vor wie Bittsteller, die betteln müssen, dass sie an einer Oberschule unterrichten dürfen. Eigentlich müsste es genau umgekehrt sein.

Diese handwerklichen Fehler, die zurzeit bei uns passieren, obwohl wir jeden einzelnen Lehrer brauchen, sind eine Katastrophe. Zum Schluss der Veranstaltung haben sie alle einen Arbeitsvertrag für die Oberschule vorgelegt bekommen, den sollten sie unterschreiben, ohne dass die Bildungsagentur ihnen gesagt hat, an welche Schule sie kommen. Das hat natürlich nicht stattgefunden. Wenn diese Gymnasiallehrer aus irgendeinem Bundesland noch ein Angebot bekommen, sind sie weg, egal, was sie hier an Angeboten bekommen oder nicht.

Nehmen wir die Seiteneinsteiger. Frau Staatsministerin, auch Sie wissen, dass das Schuljahr dieses Jahr am 07.08. beginnt. Warum stellen Sie die Seiteneinsteiger erst zum 01.07. und zum 01.09. ein? Sie werden doch, wenn Sie den dreimonatigen Crash-Kurs machen, den sie unbedingt brauchen – Sie wissen, dass ich noch anders darüber denke, aber ich nehme es mal so an, wie es ist –, uns im August fehlen, im September, im Oktober und im November. Das Beispiel an der Grundschule in Dresden habe ich Ihnen gerade vorgeführt. Die fehlen, die sind gar nicht da! Was sollen denn die Lehrer machen? Was wird mit dem Unterricht, der dann gar nicht gehalten werden kann? Ich fordere Sie auf, Frau Staatsministerin, uns das heute zu sagen. Sie können die Schulleiter nicht komplett

alleinlassen. Sie müssen die Probleme mit ihnen beraten, Sie müssen Festlegungen treffen, die auch umgesetzt werden, und nicht so ein Wischiwaschi.

Nächstes Beispiel. Die Seiteneinsteiger, die ab 01.07. zur Fortbildung gehen, haben am Dienstagabend dieser Woche per Mail eine Einladung bekommen, damit sie heute Nachmittag, am Donnerstag zu einem Vorbereitungsgespräch gehen können, um die Qualifikation ab 01.07. durchzuführen. Ich bitte Sie! Das kann doch nicht unser Ernst sein. Wir wollen sie hier halten, wir wollen sie qualifizieren und weiterentwickeln. Wir brauchen in der Situation, in der wir jetzt sind, zwingend Plätze für berufsbegleitende Weiterbildung. Die losen an den Schulen! An meiner Schule in Wiederitzsch sind drei Seiteneinsteiger im Grundschulbereich, die im letzten Jahr eingestellt worden sind. Keine Gymnasiallehrer! Die haben einen Platz bekommen, und der Schulleiter hat mich gefragt: Frau Falken, was soll ich denn jetzt machen? Ich habe einen Platz und drei Seiteneinsteiger. Er hat gelost, weil er nicht wusste, wie er es machen sollte. Einer hat es geschafft, der hat gewonnen und ist jetzt in der Ausbildung. Die anderen beiden nicht. Es gibt große Probleme, den Unterricht an der Grundschule vernünftig durchzuführen. Nicht dass der etwa aus Leipzig ist, nee, der fährt nach Dresden, aber das lasse ich jetzt mal außen vor.

1 400 Einstellungen für das neue Schuljahr, 865 Stellen sind bereits besetzt. Täglich hören wir, ich zumindest, dass Lehrerinnen und Lehrer vor Antritt des Dienstes mit Unterschrift des Vertrages wieder gekündigt haben, weil sie woanders eine bessere oder andere Möglichkeit haben, als Lehrer einzusteigen. Das sind alles gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, keine Seiteneinsteiger. Bei den Seiteneinsteigern wissen wir ja, wenn wir sie so behandeln, wie ich das gerade vorgetragen habe, haben sie keine Chance, ernsthaft in den Beruf hineinzukommen.

Nehmen wir das Maßnahmenpaket. Ich habe nicht so viel Zeit, ich kann das nur mit einem Punkt machen.

(Geert Mackenroth, CDU: Gott sei Dank!)

Das Maßnahmenpaket ist eine Katastrophe. Da haben Sie sich gemeinschaftlich „tolle“ Sachen ausgedacht. Ich würde das anders machen, aber ist egal. Ich nehme mal das, was Sie gemacht haben. Die Zulagen kriegt derjenige, der danach fragt und darauf besteht. Wer nicht danach fragt, kriegt sie nicht. Fertig. Sie treffen sich beide an derselben Schule. Das Problem ist vom Lehrerbedarf identisch, der eine hat die Zulage und der andere nicht. Das geht so nicht, Leute! Da muss es klare Regelungen aus dem Kultusministerium geben, wie Zulagen verteilt werden. 4 000 zusätzliche Schüler müssen untergebracht werden. Ich sage bewusst „untergebracht werden“, denn im Moment sind wir in einer Phase, in der gilt: Hauptsache, wir finden Personen, die dann vor der Klasse stehen – egal wie. Jetzt können wir auch noch Bachelors einstellen, die nicht einmal einen Lehrerabschluss haben, sondern die irgendetwas mit einem Bachelorabschluss studiert haben.

In dieser Situation kommen Herr Unland, Herr Tillich um die Ecke und erklären, wir müssten Lehrerstellen streichen. Haben Sie eigentlich irgendeine Vorstellung davon, was da an den Schulen losgeht, wenn man solche Sachen hört? Zumal gerade Herr Unland dafür mitverantwortlich ist, dass wir in dieser Misere stecken, weil im Bildungsbereich zunehmend – in den letzten 15 Jahren extrem – gespart worden ist. Das ist eine absolute Katastrophe.

(Zuruf von der CDU: Unfug!)

Das ist überhaupt kein Unfug.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

Es gab den Vorschlag der LINKEN, doch eine Ausgleichszahlung zum Beamtenverhältnis zu leisten. Das haben wir oftmals diskutiert, seit Jahren. Was machen wir jetzt? Um die Bayern wird geworben, und da wird – sicherlich nicht nur für die Bayern – ernsthaft über eine Ausgleichszahlung zum Beamtenverhältnis nachgedacht. Sie kommen immer zu spät. Vor vier, fünf Jahren hätten wir das machen müssen; aber jetzt ist es doch einfach zu spät. Die Bayern kommen gar nicht mehr, die haben sich nämlich alle schon beworben. Das ginge frühestens im nächsten Jahr.

Sie haben festgelegt, dass es eine schulscharfe Einstellung geben soll. Die jungen Leute sollen wissen, wohin sie gehen dürfen. Gibt es nicht! Sogar im Einstellungserlass steht „20 %“. Nichts – die Ministerin sagt, das machen wir nächstes Jahr. Andere Bundesländer machen das seit Jahren. Das funktioniert, sogar geradezu hervorragend.

Jetzt, Herr Schiemann, sind Sie da. Heute habe ich einen Anruf von einem jungen Mann mit sorbischer Muttersprache erhalten. Er hat das erste Staatsexamen nicht ganz geschafft; ihm fehlt eine Prüfung.

(Unruhe)

Ja was denn: Brauchen wir Lehrer oder brauchen wir keine? – Ihm fehlt also eine Prüfung. Er hat sich in Bautzen beworben und ist abgelehnt worden: Weder als Seiteneinsteiger noch als Grundschullehrer kann er eingestellt werden. Was hat er gemacht? Er hat sich in Dresden beworben. In der Bildungsagentur Dresden hat man gesagt: Wir würden Sie gern nehmen, aber wir dürfen nicht. Sie gehören ja zu Bautzen.

(Lachen der Abg. Marion Junge, DIE LINKE)

So viel dazu. Das Kultusministerium und die sächsischen Bildungsagenturen sind nicht mehr handlungsfähig angesichts dessen, was im Freistaat Sachsen zurzeit an den Schulen passiert. Frau Staatsministerin Kurth, Sie sind nicht die geeignete Person, die diese Aufgabe im Freistaat Sachsen bewältigen kann.

(Widerspruch bei der CDU)

Sie sind es nicht.

(Zuruf von der CDU: Sie auch nicht, Frau Falken!)

Sie haben bewiesen, dass Sie diese Aufgabe nicht lösen können.

(Beifall bei den LINKEN – Unruhe bei der CDU)

Wir fordern Sie hier und heute auf, von diesem Amt zurückzutreten

(Oh-Rufe von der CDU – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

und einen neuen Start zu ermöglichen, um diese Aufgaben in Sachsen mit mehr Durchsetzungsfähigkeit lösen zu können.

(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Nur Behauptungen, ohne einen Nachweis zu erbringen! – Lebhafte Unruhe)