Protocol of the Session on June 21, 2017

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Es wird keine Einsparungen geben? – Unruhe)

Befugnisnormen gelten im Gefahrenabwehrrecht, um aktuellen Gefahren entgegenzutreten. Es geht hier nicht um eine allgemeine Überwachung der Bevölkerung. Ich kann Ihnen nur empfehlen, Herr Lippmann, Ihr Trauma vor dem Orwell’schen Überwachungsstaat nicht an der realen Sicherheitslage zu therapieren.

Im Übrigen, Herr Stange: Das Geschehen am Breitscheidplatz in Berlin kann man nicht als Terroranschlag sehen? Das muss man als Terroranschlag sehen!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Grundrechte sind zu gewährleisten, das ist so. Das Gewaltmonopol des Staates ist auszuüben. Das alles muss in einer vernünftigen Balance stehen. Aber originäre Aufgabe des Staates bleibt der Schutz der Bürger. Wir opfern nicht die Grundrechte auf dem Altar der Sicherheit.

(Zurufe von den LINKEN: Doch!)

Deswegen trete ich auch Ihrer Angst- und Übertreibungsdebatte entgegen. Vielleicht hat das ja auch etwas mit der Therapie zu tun, der Ihre Partei noch unterliegt – mit Fantasien des MfS- und Überwachungsstaates.

(Vereinzelt Lachen bei der AfD)

Hier geht es um eine Bewertung von Maß und Mittel. Hier geht es darum, dass es die Möglichkeit geben muss, auf Gefährdungssituationen mit chirurgischen Maßnahmen reagieren zu können, aber nicht darum, eine Fantasie in die Welt zu tragen, wonach jeder Bürger an jeder Ecke überwacht, ausgespäht und ausgewertet wird.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Damit zum zentralen Punkt der Diskussion, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Vereinbarung der Innenminister, Gesetzeslücken in den Polizeigesetzen der Länder zu schließen und die Polizeigesetze mittels eines Musterpolizeigesetzes zu harmonisieren, ist doch genau der richtige Ansatz, der gewählt worden ist. Vielleicht ärgern Sie sich, dass nicht Sie auf diese Idee gekommen sind und auf diese Forderung.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das erzählen wir seit Jahren!)

Wir wollen uns effektiv gegen den internationalen Terrorismus zur Wehr setzen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn wir aber schon an der Bürokratie der Polizeigesetze scheitern, wie sollen wir dann dieser Gefährdungssituation tatsächlich begegnen?

(Zuruf des Abg. Carsten Hütter, AfD)

Insofern ist die Anpassung ein notwendiger Schritt, auch wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von den LINKEN, hinter den Beschlüssen der IMK das Aufflackern des Polizei- und Überwachungsstaates sehen. Aber das steht vielleicht im Kontext mit Ihren historischen Erfahrungen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Immer hilfreich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das hat nichts, aber auch gar nichts mit der Aufgabe der Souveränität des sächsischen Parlaments, dieses Hohen Hauses zu tun, sondern das ist ein wesentlicher Beitrag in dem bewussten, eigenen Entscheiden dieses Hauses und der Staatsregierung, die durch die Mehrheit dieses Hauses getragen wird, sich einem Prozess anzuschließen und ihn aktiv mit zu betreiben und genau diese Harmonisierung der Polizeigesetze der Länder herbeizuführen, damit wir an den einzelnen Landesgrenzen eben keine Barrieren mehr haben – die den Terroristen völlig egal sind. Wir müssen die entsprechenden Eingriffsnormen und Eingriffsbefugnisse haben.

Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes vertrauen darauf, dass die Behörden das Bestmögliche leisten, um für Ihre Sicherheit Sorge zu tragen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage – –

Zumindest für die CDUFraktion nehme ich in Anspruch, dass wir dieses Vertrauen in dieser Debatte nicht aufs Spiel setzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Lippmann?

Frau Präsidentin, ich gestatte – mit Unterbrechung der Redezeit – gern.

Bitte.

Dann gebe ich dem Kollegen Hartmann kurz einmal die Gelegenheit zum Durchatmen – vielen Dank, Frau Präsidentin.

Ich habe eine Zwischenfrage zu Ihrer Musterpolizeigesetzvorstellung. Ich habe eben schon gesagt: Unter der Position eines Musterpolizeigesetzes könnten wir uns, glaube ich, sogar gemeinsam vereinen. Jetzt haben Sie aber wieder gesagt, es dürfe an der Landesgrenze keinerlei Unterschiede zwischen den Polizeigesetzen mehr geben. Herr Kollege Hartmann, wäre es aus Ihrer Sicht – was wir als GRÜNE natürlich ablehnen – dann nicht konsequent, die Zuständigkeit für das Polizeirecht dann doch gleich dem Bund zu übertragen? Dann haben Sie diese Probleme nämlich nicht.

Ich beginne mit der Beantwortung und danke für die Gelegenheit, Stellung zu beziehen.

Erstens. Wir stehen ganz klar für die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland. Wir scheuen keine Mühen, sich der Debatte in der Verantwortung von 16 Bundesländern und dem Bund zu stellen. Insoweit werden wir immer und konsequent einer Vereinheitlichung der Polizei in der Zuständigkeit des Bundes entgegentreten. Das ist Sache der Länder. Gleichwohl – und das ist der schwierige, aber richtige, konsequente, mühlselige Weg – geht es – da haben Sie mich missverstanden oder mich missverstehen wollen – nicht um die hundertprozentige Vereinheitlichung. Es geht darum, dass wir bei Gefahrenabwehrmaßnahmen entsprechende Koordinierungs- und Steuerungsprozesse nicht an Landesgrenzen aufgeben müssen.

Das führt dazu, dass wir angefangen bei der Frage von TKÜ-Maßnahmen auch über die Frage des Datenaustausches, der Informationen über die Biografie, der entsprechenden Eingriffsbefugnisse, möglicherweise auch die Harmonisierung der Terrorbekämpfung, über einheitliche Standards der Bewaffnung reden, zumindest über Ermächtigungsregelungen, die eine einheitliche Bewaffnung ermöglichen, um keine künftigen Barrieren aufzubauen. Im Zweifel ist es im Rahmen eines Unterstützungseinsatzes auf der Grundlage der derzeit geltenden Rechtslage noch nicht einmal bei den Polizeieinheiten des Bundes zulässig, eine entsprechende schwere Bewaffnung zu führen, solange die landesrechtlichen Bestimmungen das nicht vorsehen. Genau um diese Harmonisierungsmaßnahmen geht es. Um es ganz klar zu sagen: Wir wollen uns in Eigenverantwortung in der Länderzuständigkeit geschlossen der Bekämpfung des Terrorismus stellen. – Ende der Beantwortung.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Herr Gebhardt.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Hartmann, Sie haben mich jetzt doch noch einmal dazu herausgefordert, eine Frage zu stellen.

Können Sie bitte die Frage beantworten, an welcher Stelle es durch bürokratische Hemmnisse – in den verschiedenen Behörden – am 7./8. Oktober gescheitert ist, den in Chemnitz vermuteten al-Bakr zu finden? An welcher Stelle haben uns irgendwelche Hemmnisse daran gehindert, des Mannes in Sachsen habhaft zu werden?

Jetzt haben Sie mich aber enttäuscht. Das war weder eine Herausforderung, noch hat es jetzt von großer Expertise gezeugt. Aber vielleicht sollten Sie das lieber Herrn Stange überlassen.

Aber, erstens. Der Fall al-Bakr ist nicht die Frage, an der ich abschließend die Herausforderungen der Sicherheitsarchitektur ableite. Dieser Einzelfall ist denkbar ungeeignet, um die grundsätzlichen Steuerungsmaßnahmen zu ergreifen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Bei al-Bakr hat es funktioniert!)

Sie haben eine Frage gestellt. Vielleicht geben Sie mir Gelegenheit, diese zu beantworten. Das könnte für Ihren Erkenntnisprozess hilfreich sein. Wenn Sie koreferieren wollen, müssen Sie keine Fragen stellen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Es zeigt zumindest eine mangelende Kinderstube, respektive die Enttäuschung Ihrer Eltern über das Versagen in Erziehungsbemühungen.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und der AfD)

Aber ich versuche es noch einmal mit der Beantwortung: Der Fall al-Bakr zeigt, dass wir bei der Steuerung der Bekämpfung des Terrorismus Handlungsbedarf haben. Er ist als Beispiel untauglich, Bürokratiestrukturen hervorzuheben; es sei denn eine, nämlich die Frage, an welcher Stelle der Generalbundesanwalt – das ist meine ganz persönliche Einschätzung – von sich aus hätte beurteilen müssen, dass wir von einer akuten Terrorlage ausgehen und das Verfahren an sich ziehen müssen. Das ist noch eine andere Frage.

(Beifall bei der CDU)

Aber es geht im Grundsatz darum, dass wir im Datenaustausch der Länder über die Frage von Eingriffsbefugnissen, Eingriffsnormen – das kann Ihnen Herr Stange genau erklären, auch in einer Fraktionssitzung, das kann erhellend wirken – eine Harmonisierung brauchen, um eine entsprechende Steuerung herbeizuführen. Es geht nicht um den rein theoretischen Informationsaustausch, sondern um die Eingriffsnorm im Gefahrenabwehrrecht.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das beantwortet meine Frage nicht! Genau bei al-Bakr hat es funktioniert!)

Bitte keine Zwiesprache führen! Wenn Sie noch eine Anfrage stellen wollen, frage ich Herrn Hartmann, ob er sie beantworten möchte.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Der will ja nicht! Der kann ja nicht!)

Vielleicht müssten Sie die Fragestellung üben. Dann reden wir aneinander vorbei. Aber das ist nicht das erste Mal, dass das so ist.

Zurück zum Thema: Wir werden die Sicherheitsarchitektur und das Vertrauen der Bevölkerung nicht infrage stellen. Sicherheit ist ein zentrales Gut und ein zentraler Pfeiler für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Dafür übernimmt unser Innenminister in seiner Rolle als Vorsitzender der IMK gerade die Verantwortung. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es darum gehen, den Herausforderungen des internationalen Terrorismus mit entsprechenden Steuerungen auch im Polizeigefahrenabwehrrecht entgegenzutreten, weil die Bürger zurecht darauf bauen, dass wir in diesem Land die Sicherheit gewährleisten. Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille – Freiheit versus Sicherheit –, und es muss einen vernünftigen Ausgleich beider Fragen geben; denn es gibt keine Sicherheit und keine Freiheit ohne das andere.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Gibt es noch Redebedarf bei der SPD-Fraktion? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Die AfD? – GRÜNE? – Es gibt insgesamt keinen Redebedarf mehr. – Doch, Herr Stange. Bitte schön.