Protocol of the Session on May 17, 2017

on die Altersvorsorge für mich und meine Mitarbeiter einpreisen. Wenn ein Solo-Selbstständiger kommt, der das nicht macht, dann haben wir ungleichen Wettbewerb. – Schon um diesen zu vermeiden, das heißt, damit es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt, müssen wir die Pflicht zur Altersvorsorge verlangen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Unternehmer sind die Leistungsträger. Deswegen ist es gut, dass wir uns auch mit deren sozialer Absicherung befassen. Wir haben anständige Alterssicherungssysteme.

Bitte zum Ende kommen.

Wir müssen es schaffen, dass wirklich alle Selbstständigen in eine Altersvorsorge einzahlen, dass sie sich mit dem Thema Altersvorsorge befassen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Vieweg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, einer Volkswirtschaft geht es gut, wenn Erwerbstätigkeit nicht nur von abhängig Beschäftigten geleistet wird, sondern auch von Menschen, die Unternehmertum einbringen, von Menschen, die selbstständig unterwegs sind. Sich in die Selbstständigkeit aufzumachen und Gründergeist zu leben ist für mich auch Ausdruck eines Grundvertrauens in unsere Gesellschaft und unsere gesellschaftlichen Institutionen.

Die Selbstständigen machen es sich nicht leicht. Sie kennen die Risiken, vor allem das Risiko des sozialen Abstiegs, aber auch die Chancen; dazu gehört die Möglichkeit, die eigene unternehmerische Idee umzusetzen, sich selbst zu verwirklichen und ein ordentliches Einkommen zu erzielen.

Aus diesem Grund, sehr geehrte Frau NeuhausWartenberg, kann ich Ihren Ansatz nachvollziehen, heute hier diese Aktuelle Debatte zu führen. Diese ist richtig und wichtig. Ich bin bei vielen Ansätzen, die Sie hier erklärt haben, was Handlungsfelder auf Bundesebene anbelangt, sehr nahe bei Ihnen.

Schwierig finde ich allerdings, hier wieder die Ost-WestDebatte aufzumachen, die mehr spaltet, als sie eint. Hier hätte ich mir von Ihnen mehr erwartet. Mir drängt sich ein ganz anderer Verdacht auf: Ich denke, Sie wollen als LINKE mit dieser Aktuellen Debatte Ihren wiederentdeckten Anspruch, eine Regional- bzw. Ost-Partei zu sein, auf ganz scheinheilige Art und Weise verwirklichen.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Setzen Sie sich doch einmal mit dem Thema auseinander!)

Kürzlich waren es die Rentnerinnen und Rentner, heute sind es die Selbstständigen – und da frage ich Sie: Was kommt als Nächstes?

(Widerspruch der Abg. Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)

Es gibt noch viele Bevölkerungsgruppen, die auf Ihre sozialen Wohltaten warten, das sage ich zu Ihnen als einer, der von 1991 bis 2014 selbstständig war. Anderthalb Jahrzehnte als Solo-Selbstständiger – heute würde man Freelancer dazu sagen, den Begriff kannte ich damals noch nicht –, und glauben Sie mir, ich habe mit vielen, vielen Berufskollegen gesprochen, aus BadenWürttemberg, aus Nordrhein-Westfalen, auch aus anderen Bundesländern. Wir hatten alle die gleichen Herausforderungen. Es ging um Chancen, wie wir unsere Unternehmeridee umsetzen können. Es ging darum, wie das beim Kunden ankommt und in welchen Netzwerken wir arbeiten. Wir haben auch darüber gesprochen, was die Krankenversicherung macht: Kannst du dir eine Altersvorsorge leisten? Kannst du dich nach 14 Stunden Maloche noch um deine Familie kümmern? Wir hatten in Ost und West die gleichen Herausforderungen. Aus diesem Grund ist mir schon früher Ihre Ost-West-Debatte auf den Wecker gefallen, und das tut sie nach wie vor, weil ich glaube, das ist für Sie eine Sackgasse. Ich würde mir wünschen, dass Sie das sein ließen.

Nun haben wir hier eine Frage, die auf Bundesebene zu klären ist. Hier sind Handlungsfelder zu beschreiben und ich sage: Wir in Sachsen machen unsere Hausaufgaben ordentlich. Wenn wir auf den Trend schauen – und die Zahlen kennen Sie –, folgt der Sachsentrend dem in der gesamten Republik. 202 000 Selbstständige 2014, haben Sie gesagt, das sind 24 100 weniger als 2006. Die Ursachen hierfür sind genauso vielfältig wie die Selbstständigkeit. Zwei davon möchte ich beschreiben.

Zum Ersten brauchen wir eine neue Kultur des Scheiterns in Sachsen. Heute ist es so, dass du einen Makel hast, wenn du als Selbstständiger scheiterst. Du bist gesellschaftlich abgeschrieben. Es ist aber keine Schande zu scheitern, es ist kein Makel in der Biografie. Du brauchst Möglichkeiten und Regeln, wie du als Selbstständiger wieder aufstehen kannst. An die Regeln musst du dich halten, aber auf die Regeln musst du dich auch verlassen können.

Zum Zweiten brauchen wir im Freistaat eine neue Gründerkultur. Auch hier macht die Staatsregierung ihre Hausaufgaben. Ich erinnere an den Sächsischen Gründerinnenpreis der Staatsministerin Petra Köpping. Ich erinnere an das Erfolgsmodell FutureSAX des Staatsministers Martin Dulig. Ich erinnere an unseren gemeinsamen Beschluss zur Kultur- und Kreativwirtschaft. Selbst der Ministerpräsident ist mit eigenen Gründerinnen-Initiativen unterwegs. Das zeigt, dass wir die Gründer in Sachsen wertschätzen. Wir erfüllen unsere Aufgabe. Wir erkennen an, dass es eine wichtige Aufgabe ist, heute im Freistaat solo-selbstständig zu sein. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir als Koalition und auch als Staatsregie

rung unsere Hausaufgaben machen. Gleichwohl gibt es Ungerechtigkeiten, aber diese gelten für Ost und West.

In der zweiten Runde würde ich gern –

Bitte zum Schluss kommen!

– auf einige Herausforderungen eingehen, die in den nächsten Jahren vor uns liegen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Martin Dulig)

Die AfD-Fraktion, bitte. Frau Abg. Wilke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht um die soziale Absicherung der Selbstständigen in Sachsen. Das ist ein Widerspruch in sich. Wie das Wort „Selbstständige“ schon sagt, handelt es sich hier um selbst Stehende, also auf eigenen Füßen stehende Akteure unseres Wirtschaftslebens. Deren soziale Absicherung ist also eigentlich nicht unsere Sache. Sie liegt in deren eigener Verantwortung und sollte dort auch bleiben.

Leider ist das ein frommer Wunsch. In der Realität hat praktisch jeder zweite Kleinstunternehmer keine ausreichende Alterssicherung. Das birgt Risiken für die Betroffenen wie auch für die Gesellschaft. Nun ist das Leben aber immer mit Risiken behaftet, für alle; denn auch die Rente ist weder sicher, noch schützt sie vor Altersarmut, auch nicht die Zwangsversicherten mit ihrem staatlich verordneten Kettenbriefsystem, denn Generationenverträge, denen künftige Generationen fehlen, sind gescheitert.

Der privaten Vorsorge geht es nicht besser. Die Nullzinspolitik der EZB mit der erwünschten Inflation zerstört alle Vorsorgekonzepte. Da hilft auch keine Flucht in Sachwerte wie Immobilien, Aktien oder Gold, denn wo wirtschaftliche Unvernunft regiert, gibt es keinen Schutz vor Werteverfall oder Altersarmut, jedenfalls nicht für die Masse der Bevölkerung, ob selbstständig oder abhängig beschäftigt. Jeder halbwegs Vernünftige, der sich den Risiken der Selbstständigkeit aussetzt, weiß das.

Trotzdem – gemeinsam ist allen der Optimismus, dass man es persönlich schon irgendwie schaffen werde und bis zum Ernstfall noch viel Wasser die Elbe herunterfließen würde. Das weiß natürlich auch Andrea Nahles. Wie jeder Bankrotteur in unserer SolarWorld lässt auch unsere Arbeitsministerin – und mit ihr die SPD – keinen Trick aus, um den Moment der Wahrheit hinauszuzögern.

Damit sind wir beim konkreten Anlass für diese Debatte: Frau Nahles will jetzt die Selbstständigen zwangsversichern. Das bringt neue Einnahmen zum Stopfen der jetzt schon entstandenen Löcher, aber um den Preis von noch mehr ungedeckten Verpflichtungen. Der Wahnsinn hat also Methode. Man will die Wirtschaft bei den Lohnnebenkosten stärker zur Kasse bitten. Bei den Krankenkassenbeiträgen für die Kleinstunternehmer – wir hörten es,

ist es jetzt schon so. Sie werden nicht nur mit dem doppelten Krankenkassenbeitrag auf einen fiktiven Sockelertrag belastet, sondern sollen nun auch noch mit einer Zwangsversicherung beglückt werden. Bedenkt man, dass viele dieser Selbstständigen vom normalen Arbeitsmarkt in diese Rolle gedrängt werden, kann man sich leicht vorstellen, dass viele zunächst noch nicht einmal den Mindestlohn erwirtschaften können.

Meine Damen und Herren! Der Weg in die Selbstständigkeit ist schwer. Ich habe es selbst erfahren. Machen wir es diesen Mutigen nicht noch schwerer!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE Herr Zschocke, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Arbeitswelt verändert sich rasant und selbstständige Tätigkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung, zum Beispiel dadurch, dass Dienstleistungen reorganisiert werden, dass outgesourct wird, dass Produktionsprozesse aufgespalten werden. Auch die Digitalisierung führt zu völlig neuen Formen der Selbstständigkeit. Es gibt die sogenannten Internetnomaden, die mit sehr wenig Kapital völlig zeit- und ortsunabhängig arbeiten. Das sind neue Trends, die einerseits sehr chancenreich sind, gerade in kreativen Branchen bietet das viele neue Perspektiven, aber andererseits birgt dieser Wandel hohe Risiken – die Vorredner haben darauf hingewiesen –, insbesondere durch brüchige Erwerbsbiografien mit teilweise schlimmen Konsequenzen durch schlechte Absicherung bei Krankheit, Alter oder Erwerbsunfähigkeit.

Im Dienstleistungssektor, im Gesundheits- und Pflegesektor, aber auch in der Bauwirtschaft gibt es Bereiche, wo Beschäftigte oft unfreiwillig in die Selbstständigkeit gedrängt werden. Im Internet entstehen regelrechte virtuelle Arbeitsmärkte. Da ist die Gefahr unsteter und niedriger Einkommen sehr groß. Die zusätzlichen Mittel, die erwirtschaftet werden müssen, um die eigene Absicherung zu gewährleisten, können nicht aufgebracht werden. Da verwundert es nicht, dass immer mehr Selbstständige in prekären Verhältnissen leben und akut armutsgefährdet sind.

Die sozialen Sicherungssysteme, so wie wir sie jetzt haben, passen längst nicht mehr zu dieser sich wandelnden Arbeitswelt und vor allem zu diesen neuen Erwerbsbiografien. Bei der Krankenversicherung zeigt es sich besonders, wie das überkommene Verständnis von Selbstständigkeit den Gesundheitsschutz bedrohen kann und zu wirklich unangemessen hohen Beiträgen führt. Kleine Selbstständige schaffen es eben nicht, diese Beiträge zu zahlen. Ihnen wird ein Mindesteinkommen unterstellt, das sie gar nicht erzielen. Das ist ausgeführt worden.

Diese ganzen nicht mehr zeitgemäßen sozialen Sicherungen sind mehrfach schädlich. Zum einen schwächt das die

Bereitschaft, unternehmerisches Risiko zu übernehmen und den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen, auch wenn man eine sehr gut funktionierende Geschäftsidee hat. Die unzulängliche Absicherung vor Altersarmut führt später auch zu hohen öffentlichen Kosten bei der Grundsicherung oder in der Sozialhilfe.

Aber gerade in Sachsen brauchen wir ja die innovative Kraft von Gründerinnen und Gründern. Wer den Schritt in die Selbstständigkeit wagt, braucht auch Sicherheit bei der Gesundheitsversorgung und im Renten- und Pflegebereich. Da braucht es Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, die auch für geringverdienende Selbstständige finanzierbar sind. Es braucht auch Beitragsflexibilität: dass man zum Beispiel in guten Zeiten höhere Beiträge vor- oder nachzahlen kann, damit man sich in schlechten Zeiten selbst entlasten kann.

Wir müssen vielleicht auch einmal über branchenspezifische Mindesthonorare reden, analog zum Mindestlohn, der eben nur für abhängig Beschäftigte gilt.

Im Gesundheitssystem ist eine gerecht finanzierte Bürgerversicherung notwendig, in die alle einzahlen – dann aber auch auf gleich hohem Niveau behandelt werden. Wir GRÜNE legen dazu schon seit Jahren ganz konkrete Konzepte vor. Das alles werden wir aber nicht hier im Landtag entwickeln können. Auf Landesebene können wir uns vor allem dafür starkmachen, dass es eine gut funktionierende Wirtschaft mit gesunden Unternehmen gibt. Die heute hier diskutierten Fragen der sozialen Absicherung müssen eben auch von landespolitischen Maßnahmen im Bereich der Wirtschaftsförderung flankiert werden.

Unternehmen, wenn sie mit attraktiven Produkten und Dienstleistungen stabil funktionieren, stellen eine wichtige Voraussetzung für die Eigenversorgung durch Selbstständigkeit dar. Da geht es auch um den Zugang zu Kapital für Investitionen; da geht es zum Beispiel um den Zugang zu Wagniskapital, etwa bei Start-ups in innovativen Branchen.

Wir können auf Landesebene dazu beitragen, das Unternehmerbild zu verbessern, weil das, wie Herr Krauß ausgeführt hat, eben keine räudigen Wölfe sind. Die Mehrzahl der Unternehmer sind Menschen, die Verantwortung für sich, für Angestellte, für Familien übernehmen. Diese Verantwortungsübernahme spiegelt sich aber eben oft nicht im Einkommen wider.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Wenn man sich die Statistiken anschaut, dann sieht man ja, dass deren Einkommen im Durchschnitt unter dem Einkommen von unselbstständig Beschäftigten liegt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir beginnen wieder mit der Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Sodann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte in dieser Runde doch noch auf einen speziellen Wirtschaftsbereich schauen, in dem die Solo-Selbstständigen und die geringfügig Beschäftigten besonders stark ausgeprägt sind, nämlich in der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Mit weit mehr als 250 000 Unternehmen deutschlandweit, Umsätzen von 146 Milliarden Euro und 1,6 Millionen Erwerbstätigen steht diese Branche nach der Automobilindustrie und dem Maschinenbau auf Platz 3 der Bruttowertschöpfungskette. Laut einer IHK-Umfrage von 2014 gibt es in Sachsen allein 26 000 solcher Unternehmen. Die Zahl dürfte noch etwas höher liegen, da nur Unternehmen in Betracht kamen, die bei der IHK gemeldet sind, und uns leider noch keine neueren, belastbaren Zahlen vorliegen. Denn die Fortschreibung des Kultur- und Kreativwirtschaftsberichts hier in Sachsen lässt auf sich warten, Herr Dulig.