Protocol of the Session on April 12, 2017

Jetzt haben wir bei der Diskussion im Bundesrat etwas gemerkt: dass die Westländer uns keinen Sonderrabatt mehr einräumen. Die Zeiten nach dem Motto „Ihr könnt euch die Rosinen heraussuchen“ sind vorbei. Sie haben deutlich gesagt und dies auch durchgestimmt: Wenn ihr die Rentenangleichung Ost-West wollt, dann gibt es für die jetzigen Arbeitnehmer keinen Aufwertungsfaktor mehr. Ich finde das persönlich sehr traurig und bin nicht froh darüber, weil wir damit Lasten in die Zukunft verlagern. Aber das ist die Situation.

Schauen wir uns das Gesamtpaket Rente an: Was ist in dieser Wahlperiode – es ist ja ein bundespolitisches Thema – alles gelaufen? Als Union lag uns im Jahr 2013 eine Sache ganz besonders am Herzen: die Mütterrente. Wir wollen, dass diejenigen, die Kinder haben – sie bringen ja die Generation hervor, die die Rente verdienen –, auch entsprechend gewürdigt werden. Deshalb haben wir die Mütterrente eingeführt. Um ein Beispiel zu geben: Meine Großmutter hat 200 Euro pro Monat mehr bekommen.

Wenn Altersarmut zutrifft und wenn wir über niedrige Renten sprechen, dann reden wir von Frauen, und es ist gerade für Frauen ein wichtiger Punkt gewesen, dass es diese Mütterrente gibt. Wir haben weniger das Problem bei den Frauen, die ihre Kinder nach 1992 bekommen haben. Bei ihnen gibt es diese 3 Punkte. Wir hatten das Problem bei jenen Frauen, die ihre Kinder vor 1992 bekommen haben und nur ein Drittel dieses Anspruchs hatten.

Was ist noch passiert? Wir haben eine Verbesserung bei der Erwerbsminderungsrente. Rente hat ja auch die Verantwortung, dass jemand, der krank ist und ausscheidet – früher hat man gesagt: wenn er invalid ist –, dann trotzdem noch über die Runden kommt. Wenn jemand ausgeschieden ist, beispielsweise mit 50 Jahren, dann hat man bei der Rentenberechnung so getan, als hätte er bis 60 Jahre gearbeitet. Wir haben gesehen, dass es nicht

mehr gereicht hat, um eine anständige Rente zu haben, mit der man über dem Grundsicherungsniveau liegt. Demzufolge hat man die sogenannte Zurechnungszeit erhöht, zunächst auf 62 Jahre und jetzt auf 65 Jahre. Ich denke, das ist richtig. Denn Rente muss auch vor Krankheit schützen, damit man, wenn man erkrankt, über die Runden kommt.

Wir haben noch andere Punkte – es fehlt die Zeit, darauf einzugehen – wie die Verbesserung der Reha-Leistungen oder die Rente mit 63, die anzusprechen wären.

Wenn wir über das Thema Rente sprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann muss man fragen: Wo sind die Prioritäten in der Politik? Politik kann nicht alles. Politik ist kein Wunschkonzert, bei dem man sich alles heraussuchen kann.

Das geht bei den LINKEN, denn bei ihnen ist das Berechnen nicht so die Grundrechenart, die man unbedingt beherrschen muss.

(Widerspruch von den LINKEN)

Bei Ihnen fällt ja alles vom Himmel, was Geld betrifft. Das ist bei uns etwas komplizierter. Wir sind der Ansicht, dass der Staat nur das ausgeben kann, was er auch einnimmt.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Das ist Verantwortung!)

Das gilt auch bei der Rentenversicherung.

(Zurufe von den LINKEN)

Also, wo sind die Prioritäten? Da haben wir noch Hausaufgaben für die Zukunft mitzunehmen, die wir besprochen haben und über die auch schon diskutiert worden ist.

Ich will Ihnen sagen, was für mich die Hauptpriorität ist, an der wir arbeiten müssen, wenn wir über das Thema Rente sprechen. Meine Priorität ist: Wer sein Leben lang in diesem Land gearbeitet hat, der muss am Lebensende mehr haben als jemand, der nie gearbeitet hat.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Das ist der Punkt, an dem wir darüber nachdenken müssen, ob das richtig ausgesteuert ist.

(Jörg Urban, AfD: Dann macht mal was!)

Wir als Union haben das Konzept der Lebensleistungsrente, wo wir das hineingeschrieben haben. Die SPD nennt das Solidarrente, aber vom Grundsatz her ist es das Gleiche. Wir sind uns in der Zielrichtung einig, dass die Lebensleistung gewürdigt wird.

Ich will Ihnen einmal ein Beispiel aus meiner Bürgersprechstunde von vor zwei Wochen nennen. Da kommt ein Mann zu mir und sagt: Ich habe jetzt 47 Jahre gearbeitet; ich habe Elektromotoren hergestellt. Jetzt, nach 47 Jahren, bekomme ich eine Rente von 700 Euro. Er war also nicht 20 Jahre lang arbeitslos oder sonst irgendetwas, sondern er hat 47 Jahre lang durchgängig gearbeitet und

bekommt eine Rente von 700 Euro. Und da muss ich ihm sagen: Der Grundsicherungsanspruch – also was jemand im Durchschnitt erhält gegenüber jemandem, der nie gearbeitet hat – liegt bei uns in Sachsen bei 727 Euro.

Ich finde, das ist nicht gerecht. Jemand, der Leistung gebracht und in die Rentenversicherung eingezahlt hat, muss am Lebensende mehr haben als jemand, der nur im Unterhemd zum Fenster hinausgeschaut hat.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)

Ich möchte nicht zu einer Einheitsrente kommen – es ist eine linke Idee, dass jeder das Gleiche bekommt –, sondern dass nach Arbeitsleistung qualifiziert wird. Deshalb müssen wir dahin kommen, dass derjenige, der sein Leben lang gearbeitet hat, eine Rente hat, die über dem Grundsicherungsniveau liegt.

Wir haben noch andere Punkte, aber es fehlt mir die Zeit, darauf einzugehen. Ein Beispiel ist das Thema SoloSelbstständige. Es gibt ja auch parteiübergreifende Diskussionen darüber, dass wir dafür sorgen müssen, dass jeder in die Rentenversicherung einzahlt. Wenn wir uns die Grundsicherung anschauen, dann wissen wir: Die Hälfte, die in der Grundsicherung derzeit ankommen, sind ehemalige Selbstständige, die keine ausreichende Altersvorsorge haben und dann in die sozialen Sicherungssysteme rutschen.

(Horst Wehner und Nico Brünler, DIE LINKE, melden sich zu Zwischenfragen.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Wehner?

Ja, bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Vielen Dank, Herr Krauß! Wenn Sie Ihr Beispiel aus der Bürgersprechstunde hier zitieren, können Sie mir dann erklären, warum jemand, wenn er 47 Jahre gearbeitet hat, nur eine Rente von 700 Euro bekommt? Woran könnte das liegen?

Das ist ganz einfach: Das liegt natürlich an dem, was er eingezahlt hat. Das liegt an seinem Gehalt, was er vorher hatte. Wenn das Gehalt niedrig ist, dann hat er auch einen niedrigen Rentenanspruch.

(Zuruf des Abg. Mirko Schultze, DIE LINKE)

Wir können sagen, dass, wenn jemand heute – um noch ein anderes Beispiel zu nennen – 47 Jahre alt ist, 10 Euro Stundenlohn hat, noch 20 Jahre arbeitet und dann insgesamt einmal 47 Jahre durchgängig gearbeitet hat, er dann auf eine Rente von 653 Euro kommt. Das ist also unterhalb des Grundsicherungsniveaus. Ich finde, egal, wie viel man verdient hat: Es muss einen Unterschied geben zwischen jemandem, der die ganze Zeit gearbeitet hat, und jemandem, der das nicht gemacht hat.

(Jörg Urban, AfD, steht am Mikrofon.)

Das ist unabhängig davon – was auch richtig ist –, dass derjenige, der viel in die Rentenversicherung eingezahlt hat, eine höhere Rente erhält. Auch das ist ein Grundprinzip, was ich richtig finde; denn das drückt diesen Leistungsgedanken aus.

Es gibt noch mehr Zwischenfragen, zum Beispiel von Herrn Brünler.

Bitte schön; okay.

Herr Krauß, Sie haben gesagt: Ihnen ist es wichtig, dass Menschen, die jahrelang gearbeitet haben, letztlich auch eine auskömmliche Rente und mehr bekommen als Menschen, die nicht ihr Leben lang gearbeitet haben. Nun geht es ja bei unserem Antrag darum, die Lebensleistung von Menschen zu würdigen, die eben auch in der ehemaligen DDR ihr Leben lang gearbeitet haben. Verstehe ich Sie in Ihrer Interpretation richtig, dass die Arbeit damals in der DDR in Ihren Augen letztlich nicht wirklich als Leistung zu sehen ist?

Das haben Sie vielleicht missverstanden. Ganz im Gegenteil bin ich der Meinung, dass diese Leistung genauso, wie wenn sie in Westdeutschland erbracht worden wäre, zu würdigen ist.

Wenn wir eine große Errungenschaft bei der Wiedervereinigung hatten, dann ist es doch die, dass die Rentner deutlich besser gestellt worden sind, weil die Partei, der Sie angehören, bis 1989 das Sagen hatte und dafür gesorgt hat, dass die Renten zu DDR-Zeiten enorm niedrig waren und die Lebensleistung nicht angerechnet worden ist. Deshalb ist jeder Rentner nach der Wende, von Ihren Stasi-Freunden einmal abgesehen, dankbar für die Wiedervereinigung, da die Rente deutlich höher ist als zu DDR-Zeiten.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Urban?

Ja, bitte schön.

Bitte.

Herr Krauß, Sie haben sehr eindrücklich beschrieben, dass man heute mit 10 Euro Stundenlohn selbst mit einer sehr langen Lebensarbeitszeit am Ende unter der Grundsicherung ankommt. Denken Sie nicht, dass Ihre Partei, die CDU, an diesen Zuständen auch ein Stück weit Verantwortung hat? Denn dass das so sein wird, konnte man schon vor zehn Jahren durchrechnen. Das ist keine neue Erkenntnis, die wir erst seit gestern haben.

Ich weiß nicht, ob die Erkenntnis übermäßig neu ist. Ich weise nur darauf hin, dass die Rente natürlich auszutarieren ist, und sie hat sehr viel damit zu tun, wie viele Menschen in die Rentenversiche

rung einzahlen. Es gibt verschiedene Stellhebel: Man kann die Rentenhöhe, das Rentenniveau definieren und schauen, wie viel eingezahlt wird. Für die Rentenversicherung brauche ich Menschen, die in die Rentenversicherung einzahlen.

Wenn wir seit den 1970er-Jahren mehr Sterbefälle als Geburten haben und die Geburtenrate bei 1,4 Kindern je Mann und je Frau liegt und wir eigentlich bestandserhaltend mindestens 2,1 Kinder je Mann und je Frau brauchten, dann ist es klar, dass es mit der Rente immer schwieriger wird – bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung.

In den 1960er-Jahren hat man seine Rente sieben Jahre lang erlebt, jetzt erlebt man sie 18 Jahre lang. Das kostet logischerweise mehr Geld und ist auch richtig so. Aber so einfach zu sagen, man habe das nicht erkannt, ist etwas dürftig. Die Rentenkonstruktion ist schon schwierig, und wir können den Menschen natürlich nicht verordnen: Ihr müsst alle fünf Kinder haben, weil das unser Rentensystem rettet. Das wird leider nicht funktionieren.

Ich möchte in meinem Redebeitrag fortfahren. Wenn dann noch Bedarf besteht, kann ich vielleicht nochmals darauf eingehen. Dann wäre das in Ordnung. Aber wir wollen ja auch noch einmal tiefer in den Antrag einsteigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den LINKEN, Sie sprechen vom „Versorgungsunrecht – Ost“. Ich möchte darauf hinweisen – das sollten wir uns einmal vor Augen führen –, wie es zu DDR-Zeiten mit der Rente war. Frau Kollegin Schaper hat, wissbegierig wie sie ist, bei der Bundeszentrale für politische Bildung sehr viel nachgelesen, deshalb möchte ich noch ein Zitat von der Bundeszentrale einbringen, das sie vergessen hat vorzutragen, denn es beschreibt, wie das Rentensystem zu DDR-Zeiten war. Zitat Bundeszentrale für politische Bildung zur Alterssicherung in der DDR: „Die Alterssicherung bedeutete nicht mehr als eine Grundsicherung. Rentner waren oft gezwungen, auch nach der Altersgrenze weiterzuarbeiten.“ – Das ist ein Zitat, und ich glaube, es ist eine richtige Beschreibung, wie es war.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)