Protocol of the Session on April 12, 2017

Der Rentenwert Ost lag 2015 immer noch 7,5 % unter dem Niveau der alten Bundesländer. Dass Sie sich bei diesem Thema vor der Verantwortung drücken wollen und schlicht auf die Bundesregierung verweisen, ist völlig inakzeptabel.

(Beifall bei den LINKEN – Hannelore Dietzschold, CDU: Das ist auch ein Bundesgesetz!)

Gerade ein Blick auf die Zahlbeträge bei den Ost-Renten macht deutlich, dass Sie hier endlich tätig werden müssen; denn im Zugang bei den männlichen Neurentnern im Osten beträgt der Durchschnitt nur 888 Euro monatlich. In den alten Bundesländern sind es 925 Euro. Frauen sind sogar noch schlechter dran. Da waren es im Zugang nur 801 Euro. Das wiederum – da komme ich auf den Anfang zurück – ist das Ergebnis Ihrer Politik hier im Land, aber auch im Bund, meine Damen und Herren.

Lassen Sie uns an dieser Stelle noch einen kleinen historischen Exkurs wagen: Für die vormalige DDR war es geradezu charakteristisch, dass die Bevölkerung eine hohe und dauerhafte Erwerbsbeteiligung aufwies.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Eine kontinuierliche Vollzeitbeschäftigung zwischen dem Schulabschluss bis zum Renteneintrittsalter war üblich. Dies galt übrigens auch für Frauen.

Doch bevor Sie gleich wieder auf die Barrikaden steigen – Herrn Schreiber höre ich schon –: Diese Erkenntnis stammt nicht von mir, sondern von der Bundeszentrale für politische Bildung.

(Patrick Schreiber, CDU: Ich habe nur eine Frage gestellt!)

Wer das noch immer nicht wahrhaben will: Das, meine Damen und Herren, ist der Grund, warum Frauen und

Männer in Ostdeutschland im Bestand durchschnittlich eine höhere Rente als in Westdeutschland erhalten.

Herr Krauß, um noch einmal auf Ihre Äußerungen in der Debatte vom 1. Februar einzugehen, dass man in der DDR weniger verdiente als im Westen: Ja, das stimmt. Eines haben Sie aber unterschlagen: dass mit den steigenden Löhnen nach der Wende auch die Kosten für Wohnraum, Strom und allgemeine Lebenshaltung massiv angestiegen sind. Wenn Sie das einmal mit den Preisen in der DDR vergleichen,

(Unruhe bei der CDU)

wird vielleicht sogar Ihnen ein Licht aufgehen, warum damals so relativ niedrige Löhne und Renten zum Leben reichten.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist ja schon frech! – Alexander Krauß, CDU: Die Renten haben damals nicht zum Leben gereicht!)

Während Sie hier bläken, nutze ich die Zeit zum Trinken.

(Die Rednerin greift zum Wasserglas. – Christian Piwarz, CDU: Prost!)

Danke schön. – Deshalb wurden und werden die Löhne in den neuen Bundesländern höher gewertet, um sie an Westlöhne anzupassen und eine Gleichbehandlung zu erreichen.

Die Renteneinheit bis auf 2025 hinausschieben zu wollen ist schlicht unverantwortlich. Damit schicken Sie bis 2025 unzählige Menschen in die Altersarmut, weil davon ausgegangen werden kann, dass sich die durchschnittlichen Zahlbeträge bei den Rentenzugängen weiter nach unten entwickeln werden. Die Angleichung muss jetzt komplett durch Steuermittel finanziert werden, damit die Rentenkassen nicht noch mehr durch Ihre Fehlentscheidungen belastet werden.

(Beifall bei den LINKEN)

Wären Sie Ihrer Verantwortung auch auf der sächsischen Landesebene früh und rechtzeitig nachgekommen, für die schnellstmögliche Angleichung der Lebensverhältnisse zu sorgen, und hätten Sie sich in den letzten 25 Jahren für die Angleichung der Löhne intensiver eingesetzt, dann wären die heutige Steuerfinanzierung und der sogenannte Finanztransfer für diese Aufgabe unnötig und deutlich niedriger.

(Alexander Krauß, CDU: Das ist dummes Gequatsche!)

Das können Sie übrigens ebenso auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung nachlesen – das dumme Gequatsche.

(Alexander Krauß, CDU: Ihr dummes Gequatsche ist, weshalb die Löhne niedriger sind!)

Falls Sie mir nicht glauben wollen, setzen Sie sich wenigstens ordentlich hin und fläzen Sie hier nicht so herum!

Herr Krauß, ich bitte um etwas Mäßigung.

Zum zweiten Anliegen unseres Antrages:

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Bei der Aufhebung der diskriminierenden Wirkung des Rentenüberleitungsgesetzes geht es uns nicht um – ich zitiere – „jedes Unglück oder jede Ungerechtigkeit, die man empfindet“, wie Herr Krauß im Plenum am 01.02. meinte, sondern um die Beendigung der nach wie vor bestehenden Benachteiligung von Menschen im Osten, die sich Tag für Tag auf deren Leben negativ auswirkt.

Es geht zum Beispiel um die vor dem 01.01.1992 geschiedenen Frauen. Inzwischen hat selbst der Frauenrechtsausschuss der Vereinten Nationen am 21. Februar 2017 in Genf die Bundesregierung aufgefordert, ihre zu DDR-Zeiten erworbenen Rentenansprüche endlich anzuerkennen. Waren 1990 noch über 800 000 Frauen betroffen, sind es mittlerweile nur noch 300 000. Zahlreiche Petitionen dazu wurden einfach weggewischt, und das, obwohl jedem klar ist, dass gerade diese Frauen ganz besonders stark unter Altersarmut leiden. Eine bundesgesetzliche Regelung zur Anerkennung ihrer Rentenansprüche blieb bis heute aus.

Ihre jahrelange Untätigkeit an dieser Stelle hat dazu geführt, dass diese Frauen in die Altersarmut geschickt wurden, nur weil ihre zu DDR-Zeiten erworbenen Rentenansprüche nicht anerkannt werden. Es ist keine Ungerechtigkeit, die man dabei empfindet, sondern es ist ein ganz reales persönliches Schicksal, das Sie, meine Damen und Herren, einfach so in Kauf nehmen. Das ist nicht nur einfach unsozial, sondern es ist Unrecht.

(Beifall bei den LINKEN)

Des Weiteren geht es uns um die Klärung der rentenrechtlichen Situation und der fortbestehenden Benachteiligung ehemaliger Beschäftigungsgruppen aus der DDR, wie Ballettmitglieder und Künstler, Bergleute in der Veredlung von Bodenschätzen, Beschäftigte des Gesundheits- und Sozialwesens, pflegende Angehörige und Eltern, Land- und Forstwirte, Handwerker oder andere Selbstständige oder deren Familienangehörige, Spitzensportler, mitreisende Ehepartner bei Auslandseinsätzen, Angehörige der wissenschaftlichen, medizinischen, pädagogischen, technischen und künstlerischen Intelligenz, Angehörige des öffentlichen Dienstes der Armee, der Polizei und des Zolls, die ihre Tätigkeit nach 1990 fortgesetzt haben, –

(Alexander Krauß, CDU: Vor allem die Stasi- Leute, die Ihnen besonders am Herzen liegen!)

Hören Sie doch mal bis zum Ende zu!

(Zuruf von der CDU)

Keine Ahnung, was Sie nehmen, aber die Hälfte davon würde mir reichen.

(Beifall bei den LINKEN)

Angehörige der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post der DDR.

Es geht uns auch um alle nach 1936 geborenen Personen, die bis zum 9. November 1989 aus der DDR ausreisten, flüchteten, abgeschoben oder ausgesiedelt wurden, und um die Anrechnung deren rentenrechtlichen Ansprüche, gemäß Fremdenrentengesetz.

Bei den Personengruppen der Ballettmitglieder, Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialwesens, pflegenden Angehörigen und Mitreisenden handelt es sich größtenteils um Frauen. Frauen erhalten im Durchschnitt schon immer wesentlich geringere Renten als Männer. Da hilft auch die Mütterrente wenig, die ja angeblich die Zeiten der Kinderbetreuung anerkennen sollte, bei der aber unterschieden wird, wo und wann das Kind geboren wurde. Wenn wir über Anerkennung der Leistungen der Frauen reden, dann müssen wir auch deren Verdienste bei der Rentenberechnung berücksichtigen und im wahrsten Sinne des Wortes wertschätzen.

Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, beseitigen Sie die vielfältigen Ungerechtigkeiten aus dem Rentenüberleitungsgesetz und setzen gleichzeitig ein dringend notwendiges Zeichen, dass Ihnen die Lebens- und Arbeitsleistung, die Erwerbsbiografien der Frauen und Männer in Sachsen etwas wert sind.

Meine Fraktion bittet Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen. Zum einen, damit wenigstens ein Teil der Menschen, die 1990 in Rente gegangen sind, eine realistische Chance erhalten, die Renteneinheit bis spätestens zum Jahr 2018 noch zu erleben. Zum anderen, damit alle durch das Rentenüberleitungsgesetz diskriminierten und benachteiligten Personengruppen Gerechtigkeit bei den von Ihnen erarbeiteten Rentenansprüchen und Anwartschaften erfahren.

Machen Sie nicht wieder den Fehler der Kohl‘schen Politik, das Aussitzen fortzusetzen! Setzen Sie nicht auf die biologische Lösung! Ja, das wird sehr viel Geld kosten, aber wer den Wehretat um mehrere Milliarden aufstocken kann, ohne mit der Wimper zu zucken, ist gefordert, diese Mittel im Interesse der Menschen sinnvoll umzuverteilen.

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe der Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU, und Dirk Panter, SPD)

Für die CDUFraktion Herr Krauß, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Thema Rente, Rentenangleichung Ost-West – wo stehen wir? Die Rente ist im Osten bei 94 % von dem, was es im Westen für die gleiche Lebensleistung gibt. Bei 94 % sind wir. Das Ziel

der Koalition auf Bundesebene ist es, bis 2024 auf 100 % aufzuschließen.

Ein Vergleich dazu: Wir sind bei den Gehältern bei 83 %. Es gibt also noch eine Lücke. Übrigens kann der Staat nicht festlegen und einfach sagen: Ab morgen gibt es 100 % bei den Löhnen – so gern wir das machen würden. Wie gesagt, die Rentenangleichung Ost-West ist de facto beschlossen und kommt. Aber sie hat einen Pferdefuß, und darauf haben wir in diesem Haus häufig hingewiesen.

Dieser Pferdefuß trifft die Menschen, die bei uns, im Freistaat Sachsen, derzeit arbeiten; denn deren Rentenanwartschaft wird derzeit aufgewertet. Sie bekommen eine höhere Rentenanwartschaft als jemand, der im Westen arbeitet. Sie ist um 12 % höher. Das Durchschnittseinkommen liegt bei einem Vollzeitbeschäftigten im Osten bei circa 2 900 Euro. Er bekommt derzeit die gleiche Rentenanwartschaft wie jemand, der im Westen

3 400 Euro verdient. Ihm geht es also besser. Das muss auch so sein, da – ich habe es vorhin gesagt – die Gehälter bei uns niedriger sind.

Jetzt haben wir bei der Diskussion im Bundesrat etwas gemerkt: dass die Westländer uns keinen Sonderrabatt mehr einräumen. Die Zeiten nach dem Motto „Ihr könnt euch die Rosinen heraussuchen“ sind vorbei. Sie haben deutlich gesagt und dies auch durchgestimmt: Wenn ihr die Rentenangleichung Ost-West wollt, dann gibt es für die jetzigen Arbeitnehmer keinen Aufwertungsfaktor mehr. Ich finde das persönlich sehr traurig und bin nicht froh darüber, weil wir damit Lasten in die Zukunft verlagern. Aber das ist die Situation.