Wir hatten einen Gesetzentwurf der Staatsregierung, der so breit und so öffentlich wie noch wie zuvor irgendein Gesetzentwurf diskutiert worden ist, und zwar auf Veranlassung der Staatsregierung. Das fand ich sehr spannend.
Dann hatten wir ein Parlament, das gesagt hat: Okay, wenn es unsere Aufgabe ist, die Hinweise, Anregungen und Ideen der Leute aus dem Verteidigungsprozess aufzunehmen, dann kommen wir dieser Aufgabe auch nach und stellen 52 Änderungsanträge. Diese Zahl kann man als eine Niederlage verstehen. Ich verstehe sie eher als wirklich positives Signal aus diesem Parlament heraus. Diese Aufgabe, die wir alle miteinander haben, so ernst zu nehmen, dass sie bei einem so großen und so viel diskutierten Gesetz in 52 Änderungsanträgen mündet, ist kein Armutszeugnis, sondern im Gegenteil: Es ist eine gute Leistung, die wir alle gemeinsam miteinander vollbracht haben.
Deswegen habe ich immer gesagt: Dieser Gesetzentwurf ist ein Gemeinschaftswerk, in das sowohl die Perspektiven der Staatsregierung als auch die Perspektiven der Fraktionen in diesem Landtag – weil: wir reden alle miteinander – Eingang gefunden haben. Vor allem sind aber die Perspektiven derer eingeflossen, die am Ende mit dem Gesetz umgehen: Eltern, Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen. Diese Perspektiven sind in hohem Maße berücksichtigt worden.
Das geschah auch in Form von Kompromissen, das ist klar. Aber so muss es doch auch sein, wenn man verschiedene Interessen hat. Die Interessen von Schülern und Lehrern sowie von Kultus- und Finanzpolitikern sind nicht immer deckungsgleich. Wenn man verschiedene Interessen hat, muss man schauen, wie man diese zusammenbringt, sodass am Ende für jeden etwas Gutes dabei herauskommt und die Lösung ein sinnvoller Weg sein kann. Das ist uns gelungen. Es ist ein Gemeinschaftswerk, dabei bleibe ich, und das halte ich für gut.
Ich will zwei, drei Punkte ansprechen, die uns in dem Gesetzentwurf besonders wichtig waren, und ich will auch erklären, warum sie uns wichtig sind. Inhaltlich haben wir schon viel gehört. Die Umsetzung des Schulschließungsmoratoriums und die Sicherheit besonders für die Schulstandorte im ländlichen Raum waren uns sehr wichtig. Wir haben gesagt: Natürlich braucht Schule Kontinuität. Das ist nicht nur eine Strukturfrage, sondern das ist vor allem – darüber können wir dann wieder herzlich streiten – längeres gemeinsames Lernen, das es
natürlich gäbe, wenn wir nicht in den Zwängen der Regierung stecken würden. Aber dann gäbe es vielleicht kein anderes Schulgesetz. Wenn die SPD nicht in den Zwängen der Regierung stecken würde, dann gäbe es viele andere Dinge, von denen wir heute schon gehört haben, nicht.
Kontinuität und Stabilität sind nicht nur eine Frage von Schulstrukturen, sondern auch eine Frage, ob die Schule überhaupt vorhanden ist, vorhanden bleibt und somit eine Sicherheit hat, auch wenn die Schülerzahlen sinken bzw. steigen. Das ist uns gelungen, indem wir die Schulen im ländlichen Raum mit einer besonderen Bestandsfestigkeit ausgestattet haben. Das wird uns auch gelingen – da bin ich zuversichtlich –, wenn wir die Berufsschulnetzplanung aus einer Hand bekommen und dort gemeinsam mit dem Landesausschuss für berufliche Bildung ein Netz schaffen, das ähnlich stabil ist und den Auszubildenden in den nächsten Jahren Sicherheit bezüglich ihrer Ausbildung am Wohnort gibt.
Ich will einen dritten Punkt nennen. Schule ist: Da gehen Menschen hin, lernen etwas, kommen wieder heraus und haben etwas in den Kopf bekommen. Das schreibt man in ein Gesetz, die Wissensvermittlung. Ich glaube, es ist uns gut gelungen, ein ganzheitliches Bild von Schule in dieses Gesetz zu bringen. Wir reden nicht nur von Unterricht, wir reden nicht nur von Lehrkräften, sondern wir reden auch von Ganztagsangeboten, die jetzt im Gesetz verankert sind. Wir reden auch von Schulsozialarbeit, die jetzt als integraler Bestandteil des Systems Schule, insbesondere der Oberschule, im Gesetz verankert ist. Wir reden über Praxisberater, deren Tätigkeit fortgeführt und ausgebaut werden muss. Wir reden auch über einen neuen Erziehungs- und Bildungsauftrag, der besagt: Lernen und Wissen sind keine Dinge, die allein von Fakten abhängen, sondern die Schule ist auch ein Ort für Persönlichkeitsbildung.
Die Schule ist ein Ort, an dem junge Menschen etwas für ihr Leben mitnehmen, an dem nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch Charakterbildung erfolgt. Das ist eine gemeinsame Aufgabe, die zum einen die Lehrkräfte und zum anderen das Personal, das wir zusätzlich an den Schulen haben – Stichworte Schulsozialarbeit, GTA –, gemeinsam lösen.
Wir haben die Position der Eltern und der Schüler gestärkt. Dabei rede ich nicht nur von den Mitwirkungsthemen und darüber, dass die Schulkonferenz jetzt mehr entscheiden kann und vor allem eine sichere Grundlage
hat. Wir haben die Position der Eltern und der Schüler in zwei wesentlichen Punkten gestärkt, nämlich dort, wo es darum geht, den Bildungsweg selbst zu wählen: zum einen bei der Bildungsempfehlung. Hier kommen wir endlich dem verfassungsgemäßen Recht der Eltern nach, den weiteren Bildungsweg des Kindes selbst zu bestimmen. Zum anderen haben wir die gleiche Stärkung des Elternwahlrechts bei dem Thema Inklusion, indem es keine Förderschulpflicht mehr gibt und die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, einen Rechtsanspruch auf eine inklusive Beschulung an der Regelschule zu erhalten.
Ich komme zum letzten Punkt. Ich habe hier schon oft über den Begriff „Ermöglichungsgesetz“ gesprochen. Wir möchten gern, dass die Schulen mehr Eigenverantwortung und mehr Freiheit erhalten. Wir haben diesen Gedanken in vier Punkten durchtragen können: ob das jetzt die Möglichkeit ist, von der vorgegebenen Stundentafel abzuweichen, ob das die Möglichkeit ist, in der Oberschule auf die Differenzierung in Haupt- und Realschule zu verzichten, ob das die Möglichkeit ist – es klingt etwas sperrig –, mit pauschalisiertem Lehrer-Arbeitsvermögen selbst an der Schule zu entscheiden: Mache ich den Leistungskurs noch, obwohl es eigentlich zu wenig Anmeldungen dafür gibt, wenn ich das irgendwie anders ausgleiche, oder nicht?
Das alles sind Möglichkeiten, die das Gesetz den Schulen bietet und wo pfiffige Schulleiterinnen und Schulleiter in Abstimmung mit ihren Lehrern und den Eltern sowie den Schülern so viel gestalten können, wie es in Sachsen niemals zuvor möglich war. Ich halte das für einen sehr guten Weg, den wir diesbezüglich einschlagen. Es ist ein Weg hin zu mehr dezentraler Verantwortung vor Ort, hin zu einem Bildungssystem, bei dem die Akteure entscheiden und dabei von der Verwaltung unterstützt werden. Es ist aber auch ein Geist, der gelebt werden muss sowohl von den Schulen als auch von der Schulaufsicht. Das ist völlig klar.
Insofern hat Kollege Bienst absolut recht, wenn er sagt: Die Umsetzung und die eigentliche Arbeit beginnen jetzt, weil es jetzt darum geht, die Feinheiten – ich denke, dabei wird auch der Schulausschuss ein Wort mitzureden haben – der Rechtsvorschriften und der nachgeordneten Verordnungen so zu stricken, dass Schulen diese Möglichkeiten nutzen können.
Wir haben immer gesagt, dass wir die Oberschule in besonderer Weise stärken wollen. Wenn ich mir das alles anschaue, was wir jetzt aufs Papier gebracht haben und was hoffentlich mit Leben erfüllt werden wird: die GTAs, die in der Oberschule einen besonderen Ausgabensatz haben, die Schulsozialarbeit, die an der Oberschule garantiert ist, die Einzügigkeit mit einer abgesenkten Klassenstärke im ländlichen Raum exklusiv für die Oberschulen in dieser Größe, die pädagogischen Freiheiten, die Campuslösungen, die wir ermöglichen – und jetzt mache ich noch einen kleinen Schlenker zum Lehrerpaket –, und die schulscharfe Ausschreibung – damit kann man in zwei, drei, vier, fünf Jahren eine Oberschule in
Sachsen machen, wenn ich es richtig auf den Weg bringe, die schulpreisverdächtig ist. Das sage ich jetzt mal so keck. Hier kann ich Konzepte umsetzen, mit denen ich eine tatsächliche Bildungsreform mache. Eine Reform mache ich doch nicht mit einem Gesetzestext.
Wenn wir über Bildungsreformen reden, dann reden wir über pädagogische Konzepte, und wir beschließen doch mit einem Gesetzestext keine pädagogischen Konzepte. Wir müssen die Voraussetzung für die Schulen schaffen, dass sie ihre pädagogischen Konzepte auch wirklich umsetzen können.
Ich denke, das haben wir mit den Themen Stabilität, Freiheit, Eigenverantwortung und Sicherheit halbwegs gut hinbekommen. Deswegen freue ich mich, dass wir jetzt am Ende eines langen Prozesses sind und über ein zustimmungsfähiges Gemeinschaftswerk, wenn es dann so weit ist, abstimmen lassen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Dass das Schulgesetz nicht der große Wurf ist, haben wir gerade gehört. Darauf möchte ich jetzt nicht eingehen, das wird nachher Frau Kersten machen.
Ich möchte ein Stück weit auf die Entstehungsgeschichte eingehen. Es hat Anfang 2015 seinen Lauf genommen. Wir als AfD haben uns damals überlegt, dass wir als Allererstes an die Betroffenen herantreten wollen, nämlich an die Lehrer und Direktoren, und hatten dazu einen Brief an alle Schulen geschickt in der Hoffnung, dass wir dort in einen Dialog treten können.
Wir sind dazu vom Kultusministerium relativ schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden, indem es eine Anweisung an die Schulen gab, dass das mit uns nicht stattfinden solle, also nicht nur mit uns, sondern generell nicht mit Parteien.
Wir haben dann ein Gespräch mit Frau Kurth geführt – ein sehr angenehmes Gespräch –, in dem Frau Kurth uns erklärt hat, warum das so nicht funktioniert. Das habe ich zwar bis heute nicht verstanden, weil ich der festen Überzeugung bin, dass man mit den Leuten, die letztendlich von dem Gesetz betroffen sind, in den Dialog treten muss.
Aber eines hat Frau Kurth an der Stelle verstanden, nämlich wie wichtig es ist, dass man in einen Dialog tritt; denn wenige Monate später gab es diese Bürgerforen – es waren neun Stück an der Zahl –, in denen genau das passiert ist.
Doch, doch! Natürlich! – Man ist mit Bürgern, mit Lehrern und mit Direktoren ins Gespräch gekommen. Am Ende gab es über tausend Hinweise zu diesem Schulgesetz, die zum Teil auch in das Gesetz eingepflegt worden sind.
Das fand ich ganz gut. An der Stelle möchte ich mich noch einmal in aller Deutlichkeit bedanken, dass das in dieser Form stattgefunden hat.
Aber weiter. Es ist von Anfang an relativ viel Druck aufgebaut worden, damit das Gesetz tatsächlich bis Ende 2016 verabschiedet werden konnte. Man ist da nur so durchgesprungen. Es gab vier Anhörungen, eine davon zum längeren gemeinsamen Lernen. Bei dieser Anhörung ist herausgekommen, dass der Großteil der Sachverständigen für ein längeres gemeinsames Lernen gewesen ist. Es hat leider Gottes keinen Eingang gefunden. An der Stelle habe ich mich ein Stück weit gefragt: Warum lade ich mir Sachverständige ein, warum höre ich die an und gebe dafür Geld aus,
wenn ich dann auf die Meinung, die dort zutage gefördert wurde, pfeife? – Aber gut, das mag halt so sein.
Aber weiter. Es gab im Oktober bzw. im November eine Ausschusssitzung, in der die Behandlung des Schulgesetzes kurzfristig von der Tagesordnung genommen worden ist. Warum dies geschah, ist uns bis zum heutigen Tage nicht plausibel erklärt worden, außer mit der lapidaren Aussage, dass es noch Gesprächsbedarf gebe.
Das hat Ende des Jahres nicht dazu geführt, dass es eine Abstimmung gegeben hat. Deshalb sitzen wir auch heute hier zusammen. Es hat Anfang dieses Jahres einen sehr umfangreichen Antrag der Koalition mit sehr vielen Änderungsanträgen gegeben.
Dabei habe ich mich gefragt, wie vorher dazu die Abstimmungsergebnisse gewesen sind. Aber geschenkt!
Was für mich aber viel schlimmer war, ist: Dass wir hier im Plenum nur zum Teil konstruktiv zusammenarbeiten, ist das eine, aber dass wir im Ausschuss nicht wirklich konstruktiv zusammenarbeiten, hat die letzte Ausschusssitzung gezeigt. In dieser Ausschusssitzung ist durch diese Änderungsanträge relativ schnell durchgegangen worden. Vielleicht ist das so.