Protocol of the Session on April 11, 2017

Vielleicht sagen Sie uns in der nächsten Runde, wie offene Räume und demokratische Strukturen auch für Muslime entstehen können. Es müssen Räume und Strukturen sein, in denen sich die Menschen, die zu uns flüchten, wohlfühlen. Wenn Sie uns das erzählen könnten, wären Sie schon ein ganzes Stück vorangekommen.

Aber ich glaube nicht, dass es Ihnen darum geht. Sie wollen ausschließlich eine Angstdebatte führen. Dafür stehen wir LINKE nicht zur Verfügung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Auf Herrn Richter, Fraktion DIE LINKE, folgt Herr Homann, SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen eine starke Demokratie. Unsere Demokratie und unsere Freiheiten zu beschützen erfordert auf der einen Seite, die Probleme und die Gefahren klar zu benennen. Auf der anderen Seite gilt auch das Gebot der Sachlichkeit. Notwendig sind der Verzicht auf Stigmatisierung und auf das Schüren von Angst.

Wenn wir heute über die Gefahr durch radikale Islamisten diskutieren, dann ist es ein Gebot der Fairness, die Feststellung voranzustellen, dass wir über eine kleine Minderheit von Muslimen in Sachsen sprechen. Die übergroße Mehrheit der Muslime in Sachsen hält sich an die Regeln und bemüht sich um Integration. Ihnen gilt unsere Unterstützung.

Stigmatisierung ist übrigens nicht nur ungerecht, sondern – Herr Hütter, jetzt genau hinhören! – mit Stigmatisierung spielen Sie radikalen Islamisten auch in die Hände. Sie machen es ihnen besonders einfach, indem Sie stigmatisieren. Deshalb werden wir heute differenziert und mit Respekt diskutieren – so, wie es sich gehört.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer unsere demokratischen Werte infrage stellt – egal, aus welcher Motivation –, der hat mit unserem entschiedenen Widerstand zu rechnen. Das gilt auch für radikale Islamisten.

Diese Koalition folgt deshalb einem sehr klaren Grundsatz: Wir setzen auf ein Gleichgewicht aus Repression auf der einen Seite und Prävention auf der anderen Seite. Diese Koalition kann anhand vieler Beispiele belegen, dass wir mit dem Ziel der Stärkung der Sicherheit in diesem Land einiges auf den Weg gebracht haben. Dabei reden wir nicht nur von mehr Personal und vom Polizeilichen Abwehrzentrum gegen Extremismus und Terrorismus. Das Verhindern von Anschlägen zeigt, dass unsere Sicherheitsarchitektur im Grundsatz funktioniert. Das ist aber nicht der Hauptpunkt; denn wir sprechen von einer kleinen Minderheit, für die wir die repressiven Mittel in aller Entschiedenheit brauchen.

(Carsten Hütter, AfD: Immer schön kleinreden! Das ist ganz wichtig!)

Herr Hütter, wir wollten uns doch ausreden lassen. Zumindest haben Sie das gefordert.

Der Hauptpunkt ist die Prävention. Wir haben die Frage zu beantworten: Wie können wir verhindern, dass radikale Islamisten vor allem junge Menschen für ihre Zwecke instrumentalisieren? Ich sage bewusst „instrumentalisie

ren“. Ich glaube, die beste Prävention ist eine gute Integrationspolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dies hat diese Koalition zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht. Wir haben Programme aufgelegt, mit denen wir soziale Arbeit fördern. Mit anderen Programmen unterstützen wir die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Wir zeigen, dass wir bereit sind, die Herausforderung der Integration in Sachsen anzunehmen.

Wir tun aber noch ein Zweites im Sinne der Prävention – es wurde schon erwähnt –: In einer großartigen Zusammenarbeit zwischen der Ministerin für Integration und Gleichstellung, Petra Köpping, dem Innenminister, Herrn Ulbig, und dem Justizminister, Herrn Gemkow, haben wir es geschafft, eine gemeinsame Deradikalisierungsstrategie auf die Beine zu stellen. Im Rahmen des Demokratiezentrums im Freistaat Sachsen wollen wir mit einem breiten Beratungsangebot helfen, wenn irgendwo Beratungsbedarf besteht.

(Carsten Hütter, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Nein, danke. – Wenn Beratungsbedarf besteht zu den Fragen, was passiert eigentlich bei mir im Verein, was passiert eigentlich bei mir in der Familie, dann sind wir da, um diese zu beantworten. Damit haben wir einen wichtigen Grundstein gelegt und eine zusätzliche Möglichkeit im Rahmen unseres Präventionsangebots auf den Weg gebracht.

Die Frage, die damit noch steht, lautet: Wie können wir verhindern, dass radikale Islamisten Gebetsräume für ihre Zwecke missbrauchen? – Auch die SPD-Fraktion blickt mit Sorge auf die Aktivitäten der Muslimbruderschaft.

Aber die eigentliche Strategie muss darin bestehen, dass wir die anständigen Muslime in Sachsen als unsere Partner begreifen und mit ihnen gemeinsam für unsere Demokratie werben. Es hat Sinn, mit ihnen zusammenzuarbeiten, um auf diesem Weg ausreichend Gebetsräume zu organisieren. Damit graben wir zum Beispiel den Muslimbrüdern das Wasser ab, und wir geben ihnen keinen Spielraum für ihre Politik.

Ich komme zum Abschluss, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sachsen ist in dieser Auseinandersetzung im Grundsatz gut aufgestellt. Wir haben die entsprechenden Sicherheitsstrukturen. Wir bieten Prävention durch gute Integrationspolitik. Wir verfügen über eine eigene Deradikalisierungsstruktur. Wir sind stets um einen fairen Umgang bemüht. Das ist aus meiner Sicht die Hauptsache.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der Staatsministerin Petra Köpping)

Kollege Homann hatte für die SPD-Fraktion das Wort. – Für die Fraktion GRÜNE schließt sich Herr Kollege Lippmann an.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über ein sehr sensibles Thema. Lassen Sie mich vorausschicken: Natürlich ist es auch für uns GRÜNE ein massives Problem, wenn es in Deutschland Orte gibt, in denen unter dem Deckmantel der Religionsausübung gegen Andersgläubige gehetzt wird, zu Gewalt aufgerufen wird oder Menschenrechte infrage gestellt werden. Dies gilt grundsätzlich, egal, um welche Religion oder Glaubensgemeinschaft es geht. Für uns ist klar: Wir brauchen Wachsamkeit gegen antidemokratische und antipluralistische Umtriebe in unserer Gesellschaft.

Aber in Richtung des Initiators der heutigen Aktuellen Debatte: Eine Partei, in der nicht nur antiislamische, sondern zunehmend auch antisemitische Tendenzen einen neuen Hort gefunden zu haben scheinen, sollte sich in der Frage der Religionsausübung eher schweigend verhalten und erst im eigenen Laden kehren, bevor sie hier solche stigmatisierenden Debatten anzettelt.

Wir müssen bei dieser Debatte die Kirche im Dorf lassen. Warum debattieren wir heute über dieses Thema? Weil es in unserer Gesellschaft eine Parallelwelt mit einer eigenen Auffassung von Wirklichkeit und einer Abschottung von der Realität gibt. Diese Parallelwelt heißt Landesamt für Verfassungsschutz. Der „Sächsischen Zeitung“ und auch dem MDR war bereits zu entnehmen, dass man sich Sorgen wegen des zunehmenden Einflusses der Muslimbruderschaft in Sachsen macht. Das ist so weit okay. Über Organisationen wie die Begegnungsstätte SBS würden derzeit massiv Gebäude gekauft, um Moscheen oder Begegnungsstätten für Muslime einzurichten. Herr Innenminister, Ihr Verfassungsschutzchef wird mit den Worten zitiert: „Die gehen mit einem Haufen Geld durchs Land und kaufen Liegenschaften.“

Tatsächlich ist es aber nicht so, dass die Sächsische Begegnungsstätte durch die Lande zieht und massiv Liegenschaften kauft. Meyer-Plath verwendet die Mehrzahl, obwohl er es besser weiß. Der SBS hat keine umfassende Zahl von Liegenschaften gekauft. Eine Vielzahl der Räumlichkeiten ist gemietet. Ich kann nur sagen, Herr Innenminister: Fake News vom Verfassungsschutz. Ich habe mal wieder das Gefühl, dass wir in einer Debatte sind, bei der die Politik beim Verfassungsschutz nach dem Motto stigmatisierende Übertreibung beim Thema Einfluss der Muslimbruderschaft auf der einen Seite oder gnadenlose Untertreibung, wenn es beispielsweise um den Einfluss von Neonazis und deren Liegenschaftsankauf in der Vergangenheit ging, auf der anderen Seite geht.

Prompt passiert das, was zu erwarten war: Die AfD springt auf und versucht, das Thema auszuschlachten. Herr Wippel, ich konnte lesen, dass Sie die SBS deshalb bereits verbieten wollen. An Sie gleich die Frage: Wann wollten Sie zuletzt eine rechtsextreme Organisation

verbieten? Das würde mich mal grundsätzlich interessieren.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Für uns GRÜNE gilt ganz klar Artikel 19 der Sächsischen Verfassung: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Die Gebetsräume, die in Sachsen eingerichtet werden, dienen vorrangig den Gemeinden vor Ort für den sozialen, kulturellen und religiösen Austausch und eben dem gemeinsamen Gebet. Kollege Hartmann hat gerade darauf hingewiesen, dass das nicht unumstritten ist. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die SBS durchaus transparent mit ihren Begegnungsstätten umgeht. Es gibt den Tag der offenen Moschee und Veranstaltungen, die Nicht-Muslimen offen stehen. Der Mitbegründer der Sächsischen Begegnungsstätte gab umfassende Interviews und Stellungnahmen ab. Es ist also auch nicht so, dass hier vollständig klandestin operiert wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen! 10 000 Muslime leben in Sachsen. Da muss man sich fragen, welche Bestrebungen die Staatsregierung unternimmt, dieser Religion ihren Platz in der Gesellschaft einzuräumen, anstatt stets zu behaupten, der Islam gehöre nicht zu Sachsen. Warum gibt es keine Überlegungen, einen Staatsvertrag mit den muslimischen Verbänden zu schließen, um Regelungen zum Verhältnis von Land und Religionsgemeinschaften zu schließen? Ich nehme auch sonst zu wenige Bestrebungen der Staatsregierung wahr, die ein Zugehen der Gesellschaft auf muslimische Verbände befördern. Das wäre vor dem Hintergrund der geäußerten Kritik notwendig, um die demokratischen und liberalen Kräfte unter den Muslimen zu stärken.

(Mikrofonausfall)

Herr Präsident, das Mikro ist ausgefallen.

Die Redezeit bekommen Sie dann draufgeschlagen, Herr Kollege.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich würde Sie bitten, dass Sie bei der Redezeit jetzt etwas großzügiger sind.

Sie hatten zwar nur noch 45 Sekunden, ich gebe Ihnen aber wegen der außergewöhnlichen Umstände zwei Minuten.

Herr Präsident, das ist aber ein Angebot!

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Vielen Dank für die Großzügigkeit, ich werde sie aber nicht brauchen. Zum Schluss bleibt mir noch eine wesentliche Feststellung, die auch schon von Kollegen gemacht worden ist: Wir brauchen darüber hinaus eine wirksame Prävention gegen Radikalisierung. Ich muss in Richtung der AfD-Fraktion feststellen, die heute diese Aktuelle

Debatte beantragt hat, Sie haben vor zwei Monaten unseren Antrag für ein wirksames Präventionsprogramm in Bezug auf radikalen Islamismus – welche Überraschung – abgelehnt. Ich konstatiere: Es gibt in diesem Haus Fraktionen, die bestrebt sind, Probleme zu lösen, und es gibt die AfD, die immer dann, wenn es konkret wird und um eines ihrer angstschürenden Themen geht, den Schwanz einzieht. Natürlich! Ihre größte Angst ist, dass die vermeintlichen Probleme, die Sie tagtäglich populistisch ausschlachten, eines Tages tatsächlich gelöst würden. Dann würde die Basis Ihrer angstgeleiteten Politik endlich mal wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen.

Mehr gibt es zu dieser Aktuellen Debatte, die in ihrer Grundtendenz durchschaubar ist, nicht zu sagen.

Vielen Dank, auch für die Interaktion mit diesem Mikro hier vorn.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das war Herr Kollege Lippmann, Fraktion GRÜNE. Wir sind jetzt am Ende der ersten Rednerrunde angekommen. Wir hoffen jetzt, dass wir mit unseren beiden Ersatzmikrofonen fortfahren können.

(Uwe Wurlitzer, AfD, steht am Mikrofon.)

Jetzt sehe ich Bedarf an einer Kurzintervention. Herr Kollege Wurlitzer, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Lippmann, wir haben einen ähnlichen Antrag gestellt, und zwar das Ablehnen jedweder Gewalt. Den haben Sie hier im Haus alle abgelehnt. Also kommen Sie jetzt nicht um die Ecke, dass wir einen Ihrer Anträge abgelehnt hätten. Sie haben das im Vorfeld auch schon einmal gemacht. Und wenn Sie gerade dabei sind, dann brauchen Sie das auch nicht so populistisch auszuschlachten. – Vielen Dank.