Protocol of the Session on February 2, 2017

Um sich dieses Themas anzunehmen, bedarf es einer grundlegenden Strategie, belastbarer Zahlen und einer Gefahrenanalyse, um ein effektives Programm auflegen zu können. Ja, auch wir möchten den Fokus auf den politisch und religiös geprägten Extremismus richten. Nicht ohne Grund haben wir dies in den letzten Haushaltsverhandlungen mittels Antrag gefordert, der leider von allen anderen Fraktionen abgelehnt worden ist.

Wenn ich mir Ihren Antrag anschaue, werte GRÜNE, so ist die Stoßrichtung die richtige, aber Ihr Antrag geht an der Realität vorbei und wirft sehr viele Fragen auf. So fordern Sie beispielsweise, dass ein neues Präventionsprogramm aufgelegt werden soll. Dazu frage ich: Warum bündeln wir dies nicht in einem Programm, so wie es von uns im letzten Doppelhaushalt gefordert worden ist? Geld ist im Programm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ zur Genüge vorhanden. Lassen Sie uns diesen Titel umwidmen zum Programm „Demokratisches Sachsen gegen politischen und religiösen Extremismus“.

(Beifall bei der AfD)

Das wäre unseres Erachtens ein Schritt in die richtige Richtung. Sie fordern weiter, dass Risikogruppen durch eine frühzeitige, zielgruppenorientierte Ansprache prophylaktisch von der Radikalisierung abgehalten werden sollen. Ich frage Sie: Wie soll das denn passieren? Allein durch Sozialarbeiter, so wie es unter Punkt c) von Ihnen gefordert wird? Sie können doch nicht ernsthaft der Überzeugung sein, dass man mit Sozialarbeitern radikalen Kräften das Handwerk legen kann.

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Hier bedarf es zuvörderst ausgebildeter Kräfte, die Sie in den Reihen der Polizei, des LKA und des Verfassungsschutzes, den Sie übrigens komplett abschaffen wollen, finden.

Des Weiteren soll sich dieses Präventionsprogramm an junge Flüchtlinge und insbesondere auch an jugendliche Deutsche und Gefangene richten. Natürlich sind das Bereiche, die wir nicht außer Acht lassen dürfen. Aber auf welcher Grundlage beruhen Ihre Forderungen? Wie hoch ist das Gefahrenpotenzial? Wie schauen denn die aktuellen Zahlen für Sachsen aus? Da kommt von Ihnen leider nichts, außer einer pauschalen Forderung. Diese Forderungen setzen sich wie ein roter Faden in Ihrem Antrag fort. So fordern Sie beispielsweise, dass Bildungseinrichtungen einbezogen und religionspädagogische Angebote zur Verfügung gestellt werden sollen. Wer soll das denn machen? Die überlasteten Lehrer, die dazu obendrein noch fortgebildet werden müssen?

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Ihr Antrag lässt unseres Erachtens inhaltliche Tiefe vermissen, geht an der Realität vorbei und ist deshalb ein Schaufensterantrag. Sie wollen der Öffentlichkeit vermitteln, dass Sie sich um die islamistische Radikalisierung kümmern; aber Sie, die GRÜNEN, sind mit Ihrer Politik der offenen Grenzen für diese Radikalisierung mitverantwortlich.

(Beifall bei der AfD)

Deshalb werden wir Ihren Antrag natürlich ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht das leider nicht mehr. Möchten die anderen Fraktionen noch sprechen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Frau Staatsministerin Köpping. Bitte sehr, Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr

Lippmann, ich glaube schon, der Antrag geht auf jeden Fall in die richtige Richtung. Ich bedauere es, ehrlich

gesagt, dass der Antrag heute erst zu so später Stunde als letzter Punkt auf der Tagesordnung steht, weil ich glaube, dass es ein sehr wichtiger Antrag ist.

Schade ist es auch deshalb, weil die Staatsregierung – hier federführend das SMI und mein Geschäftsbereich und letztendlich auch gemeinsam mit dem Justizministerium – in den vergangenen Monaten ein Konzept erarbeitet und abgestimmt hat. Deswegen möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei Kollegen Gemkow und Kollegen Ulbig bedanken. Das war wirklich eine sehr gute Zusammenarbeit.

In Kürze werden wir das Konzept vorstellen und natürlich auch umsetzen. Von „zaghaft und zögerlich“, lieber Kollege Stange, sind wir dabei weit entfernt. Über Bedarf und Notwendigkeit einer solchen landeseigenen Initiative wurde genug gesagt. Darum lassen Sie mich ausführen, was ich mit meinen Kollegen Ulbig und Gemkow in Kürze vorstellen möchte.

Im Demokratiezentrum Sachsen, welches seit dem 01.01.2017 in meinem Geschäftsbereich verortet ist, wird ab Ende Februar eine sogenannte Beratungs- und Koordinierungsstelle Radikalisierungsprävention eingerichtet. Sie ist ausgestattet mit einer Personalstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und mit den entsprechenden Landesmitteln. Sie hat den Auftrag, einerseits staatliche, kommunale und gesellschaftliche Stellen, Organisationen und Personen in der Prävention gegen die Islamisierung und Radikalisierung zu beraten, fortzubilden und zu sensibilisieren und andererseits die Aktivitäten der verschiedenen Träger im Bereich Beratung, Prävention und Ausstieg zu koordinieren.

Mir ist dabei eine sehr enge Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinden, vor allem in Sachsen, ganz wichtig, denn wir brauchen die bei uns angekommenen integrierten Muslime als wichtige Multiplikatoren und Helfer beim Kampf gegen die Radikalisierung.

Ich will damit deutlich machen: Islamisierung und Radikalisierung sind meiner Ansicht nach hauptsächlich auch ein soziales Phänomen und damit eine Frage der Sensibilisierung und Aufklärung und keine maßgebliche Frage der Herkunft. Das zeigen uns auch die letzten Fälle in Sachsen; es wurde heute bereits von Kollegen Lippmann angesprochen, zum Beispiel in Dippoldiswalde. Deshalb ist die Zusammenarbeit, die Weiterbildung, die Sensibilisierung von Flüchtlings-, Schul- und sonstiger Sozialarbeit, von Bildungseinrichtungen, von Betreibern der Erst- und Gemeinschaftsunterkünfte, von Personal in Polizei und Justizvollzug und in vielen weiteren Bereichen so wichtig.

Das alles steckt in unserem Konzept, das alles haben wir bedacht und geplant, und das alles startet im nächsten Monat.

Zum Abschluss sei noch eines ergänzt: Ja, wir werden anfangs viel Know-how, viel Wissen von Expertinnen und Experten von außerhalb Sachsens einholen müssen. Aber mittelfristig wollen wir die sächsischen Träger und

Berater schnellstmöglich befähigen, Prävention, Sensibilisierung und Deradikalisierung selbstständig und umfangreich anzubieten.

Zum Fazit, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, schaue ich noch einmal in den vorliegenden Antrag und sage: Wir werden diese Gruppen ansprechen bzw. die potenziellen Betroffenen in den Justizvollzugsanstalten. Wir haben die Gruppe der Geflüchteten im Blick, indem wir vor allem die Menschen schulen, die im direkten Kontakt mit Geflüchteten stehen. Wir sensibilisieren und klären auf, beraten und geben letztendlich auch Hilfe zum Ausstieg für die Betroffenen und deren Familien. Wir arbeiten selbstständig und eng vernetzt mit den Partnern und den wichtigsten Akteuren in Bund und Land.

Das alles wird organisiert und gebündelt über eine zentrale Beratungsstelle im neu entstandenen Demokratiezentrum Sachsen. Deswegen, liebe GRÜNE, ist Ihr Antrag richtig, aber leider etwas zu spät.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Meine Damen und Herren, wir kommen zum Schlusswort. Das hat die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN; Herr Abg. Lippmann, bitte sehr.

Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist allen klar – auch nach der Debatte, nachdem wir gestern über den Umgang mit Terrorlagen gesprochen haben und darüber, wie wir unsere Sicherheitsbehörden fit für solche Situationen machen –: Es ist an der Zeit, nicht nur über Prävention zu reden, sondern sie auch tatsächlich umzusetzen.

Ich danke Ihnen, Frau Staatsministerin, für die detaillierte Schilderung, was die Pläne der Staatsregierung sind, und sage Ihnen gleich: Hätte der Innenminister es damals im Ausschuss etwas luzider vorgetragen, hätten sich vielleicht Teile des Antrages nicht erledigt, aber in einem anderen Licht dargestellt.

Dennoch, Herr Kollege Kiesewetter, teile ich Ihre Analyse, die Sie gebracht haben, genauso wie das, was Sie daraus ableiten; nur leider habe ich kein einziges Argument von Ihnen gehört, warum man den Antrag deswegen ablehnen muss. Ebenso habe ich das nicht von Herrn Homann gehört.

Wenn die Logik jetzt nur sein kann, die Staatsregierung arbeitet bereits daran, deswegen bedarf es des Antrages nicht und deswegen kann man ihn ablehnen, dann möchte ich Sie doch wie so häufig in diesem Plenum daran erinnern, dass die Koalition regelmäßig hier Anträge zur Abstimmung stellt, indem sie die Staatsregierung zu etwas auffordert, was sie schon längst umsetzt. Sie müssen sich dann schon einmal entscheiden, was von beiden der geeignete Weg ist. Das Spiel zu spielen: Bei der Koalition ist es okay, und bei der Opposition ist es böse –

das finde ich etwas unziemlich, aber vielleicht kommen wir diesbezüglich irgendwann einmal zu einem anderen Weg.

Um es ganz klar zu sagen: Herr Wendt, ich fand die Debatte erstaunlich gut und erstaunlich ideologiefrei – bis Sie kamen. Es ist schon ein starkes Stück, so zu tun, als würden wir die Probleme dann lösen wollen, wenn die Radikalisierung schon entstanden ist. Nein, wir wollen die Probleme lösen, bevor die Radikalisierung entstanden ist, und die Radikalisierung verhindern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb ist der größte Teil Ihres Redebeitrags am Antrag vorbeigegangen.

Darüber hinaus ist doch nicht die Frage, wer an irgendetwas schuld ist. Wenn ich jetzt einmal Ihrem Weltbild folgen will und sage, hier sind die Grenzen durch Frau Merkel und rot-grün-links-versiffte Koalitionen geöffnet worden, dann ist doch trotzdem die Frage, wie wir jetzt mit den Menschen umgehen, die hier sind. Wir müssen doch trotzdem dafür sorgen, dass wir Radikalisierung erkennen – egal, ob Sie richtig oder falsch finden, was bei der Frage der Grenzöffnung passiert ist. Die Menschen sind doch da! Wenn Sie jetzt sagen, das interessiert uns

nicht, dann ist das aus Ihrer Sicht „nach uns die Sinnflut“ – aber das passt ja bekanntermaßen gut zur AfD.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schlussendlich: Ich begrüße, dass die Staatsregierung sich des Themas intensiver annimmt. Wir werden genau beobachten, was in den nächsten Wochen und Monaten tatsächlich kommt von dem, was Sie, Frau Staatsministerin, angekündigt haben. Gleichwohl sehen Sie unseren Antrag auf diesem Wege als Unterstützung, sehen Sie unseren Antrag als Stärkung auch Ihrer Position nach draußen, und stimmen Sie dem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 6/7214 zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, der zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Meine Damen und Herren, dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 10

Fragestunde

Drucksache 6/8178

Ihnen liegen die eingereichten Fragen der Mitglieder des Landtags vor. Die Frage des Herrn Abg. Zschocke ist bereits schriftlich beantwortet worden. Nunmehr steht noch eine Frage auf dem Programm, die von Frau Abg. Meier. Bitte stellen Sie Ihre Frage; lfd. Nr. 2.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Frage hat die Umsetzung des Prostitutionsschutzgesetzes hier in Sachsen zum Gegenstand.