Sehr geehrter Herr Präsident, recht schönen Dank. Frau Köditz, ich hatte in meinem Redebeitrag schon angesprochen, weshalb wir diesem Antrag nicht zustimmen können: weil er einfach inhaltlich gesehen so kompatibel ist zu der gesamtgesellschaftlichen Problematik von Extremismus. Allein hier in der Überschrift: Wo ist der Unterschied der Entwicklung der extremen Rechten zur Entwicklung der extremen Linken oder zu extremistischer Gewalt in besonderer Form?
Das Einzige, was in Ihrer Begründung richtig war, ist, dass wir eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung brauchen, die Extremismus in Gänze begleitet, und wir würden uns natürlich freuen, wenn Sie uns bei dieser Geschichte begleiten. Einzig und allein mit dem Einschub im Punkt 2, der sich auf die extreme Rechte bezieht – das ist insbesondere Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus –, haben Sie natürlich recht; das ist ein rechtsextremistisches Phänomen; aber alles andere in Ihrem Antrag lässt sich beliebig auf kompletten Extremismus übertragen.
Ich lasse über die Drucksache 6/8350 abstimmen. Wer zustimmen möchte, der zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen, bitte? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Danke. Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Meine Damen und Herren, die Behandlung der Großen Anfrage ist beendet und ebenso auch der Tagesordnungspunkt.
Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, sofern das Wort gewünscht wird. Für die CDU-Fraktion beginnt Herr Abg. Pohle mit der Aussprache. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, recht schönen Dank. Sehr geehrte Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag verständigen sich die Koalitionsfraktionen auf die Einrichtung einer unabhängigen zentralen Beschwerdestelle der sächsischen Polizei im Staatsministerium des Innern. Zum 5. Januar 2016 wurde dieses Vorhaben umgesetzt.
Um eines vorauszuschicken: Uns ging es dabei keinesfalls um ein Misstrauensvotum gegen die Arbeit unserer Polizisten, ganz im Gegenteil – da spreche ich für jedes einzelne Mitglied meiner Fraktion –: Wir vertrauen unserer Polizei. Unser Misstrauen gilt den Rechtsverletzern.
Dennoch sehen wir in der zentralen Beschwerdestelle eine Chance – eine Chance, in erster Linie das berechtigt hohe Vertrauen der Bevölkerung in unsere Polizei weiter zu stärken. Eine Chance bietet sie auch unseren Polizisten, die mit der Einrichtung der Stelle ebenfalls einen Adressaten für ihre Beschwerden und Anliegen erhielten. Die Bilanz der einjährigen Tätigkeit lässt erkennen, dass sowohl die Bürger als auch die Polizisten diese Chance erkannt und in Anspruch genommen haben.
2016 gingen immerhin 216 Beschwerden und 545 Bitten, Anfragen und Hinweise bei der Zentralstelle ein. 198 Beschwerden konnten bearbeitet werden, von denen sich 20 als begründet und 35 als teils begründet erwiesen.
55-mal ereigneten sich Fehler. – Wir haben uns heute ja schon mehrfach gegenseitig gedankt; das ist eine Reihe von Kleinen Anfragen von Herrn Stange gewesen. Alles gut, Sie arbeiten hervorragend mit.
Ich setze fort. 55-mal ereigneten sich Fehler. Das ist nicht erstaunlich; denn bekanntlich ist die einzige Möglichkeit, Fehler zu vermeiden, nichts zu tun. Erstaunlich ist lediglich, dass es bei den vielen Tausend Einsätzen unserer Polizisten in einem Jahr so wenige waren. Betrachtet man die Aggressivität, den Hass und die Gewalt, die unseren Beamten von Rechtsbrechern aller Couleur entgegenschlagen, so grenzt die geringe Zahl fast an ein Wunder.
Ich habe mir im letzten Jahr einige Polizeieinsätze im Zusammenhang politisch motivierter Krawalle in Leipzig persönlich angeschaut, und ich kann jenen, die fast von Berufs wegen Polizeischelte betreiben, nur anraten, es einmal genauso zu halten. Man sieht die Arbeit der Polizei dann in einem ganz anderen Licht.
Sehr geehrte Damen und Herren, unabhängig davon bietet jeder begangene Fehler mehrere Chancen: die Chance, daraus zu lernen, die Chance für die Polizei, ihre Arbeit weiter zu verbessern, und die Chance für uns, für die Politik, Bedingungen für bessere Polizeiarbeit zu gestalten.
In genau diese Richtung zielt der Antrag „Polizeiliches Handeln überprüfen, öffentliches Berichtswesen zur Arbeit der unabhängigen zentralen Beschwerdestelle Polizei einrichten“, den ich hier für die Regierungsfraktionen einbringe. Es reicht eben nicht aus, begangene Fehler zu ahnden und die Fehler gegenüber Betroffenen auszugleichen. Noch wichtiger ist es, aus begangenen Fehlern richtige Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Das ist ohne ein entsprechendes Management nicht möglich.
Unter Fehlermanagement verstehen wir ganz im wissenschaftlichen Sinne die systematisch betriebene Fehlerprävention, -erkennung, -diagnose und -bewertung zum Zwecke der Einleitung und Evaluierung von Gegenmaßnahmen. Das notwendige Material dazu kann uns die Zentralstelle nach dem ersten Jahr ihrer Tätigkeit bereitstellen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse müssen dann sowohl der Polizeiführung als auch uns die Handlungshinweise dafür liefern, dass die Ausbildung, Dienstausführung und Dienstbedingungen für unsere Polizisten dahin gehend zu verbessern sind, dass die Gefahr der Wiederholung einmal begangener Fehler minimiert wird.
Diese Prozesse der Erkennung, Diagnose, Bewertung und Prävention müssen transparent und nachvollziehbar gestaltet sein. Nur dann werden die Verantwortlichen zu den richtigen Schlüssen kommen und nur dann werden wir das Verständnis und die Akzeptanz der Bürger für die Möglichkeiten, aber auch für die Grenzen polizeilichen Handelns erhalten können.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! In der Aussprache zur gestrigen Regierungserklärung zum Bericht der unabhängigen Expertenkommission ging es auch um das Thema Fehlermanagement und Fehlerkultur. Mit dem hier vorliegenden Antrag greifen SPD und CDU das Thema heute erneut auf; es geht um die unabhängige zentrale Beschwerdestelle der Polizei und darum, wie sie zu einer besseren Fehlerkultur beitragen kann. Auf die Einrichtung einer Beschwerdestelle haben sich SPD und CDU bereits im Koalitionsvertrag verständigt. Ich möchte zitieren – es heißt auf Seite 102: „Wir wollen das Vertrauensverhältnis zwischen der sächsischen Polizei und den Bürgerinnen und Bürgern weiter stärken und Hinweise, Anregungen und Beschwerden ernst nehmen.
Zu diesem Zweck wird eine unabhängige Zentrale Beschwerdestelle der sächsischen Polizei im Staatsministerium des Innern eingerichtet. Sie dient als Ansprechpartner für die Bürger und die Beschäftigten der Polizei.“
Die Beschwerdestelle gibt es nun seit Anfang 2016, und sie wird von den Bürgerinnen und Bürgern schon recht gut angenommen: im ersten Jahr um die 200 Beschwerden über Polizeieinsätze und über 400 sonstige Anliegen zur Polizeiarbeit, also einfach Fragen oder Hinweise.
Was hat die Beschwerdestelle mit Fehlerkultur zu tun? Dazu hatte ich gestern in der Aussprache zur Regierungserklärung festgestellt: „Fehler müssen erkannt, benannt und reflektiert werden, damit sie nicht wiederholt werden.“ Hier kommt die Beschwerdestelle ins Spiel.
Im Koalitionsvertrag heißt es dazu weiter: „Ein solches Beschwerdemanagement bietet der Polizei die Chance, fehlerhaftes Verhalten zu erkennen und abzustellen, und eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit, Notwendigkeiten des polizeilichen Handelns gegenüber den Bürgern zu erläutern und transparent zu machen.“
Meine Damen und Herren! Um das zu erreichen, muss die Arbeit der Beschwerdestelle auf geeignete Art und Weise öffentlich gemacht werden, es muss darüber diskutiert werden, und sie muss reflektiert werden. Damit komme ich zu unserem Antrag: SPD und CDU wollen, dass öffentlich über die Arbeit der Beschwerdestelle berichtet wird. Neben organisatorischer und personeller Ausgestaltung soll auch über Quantität und Qualität vorgebrachter Anliegen und die Arbeitsweise der Beschwerdestelle berichtet werden. Gleichzeitig sollen aber auch Leitlinien für die Arbeit der unabhängigen zentrale Beschwerdestelle erarbeitet werden. Darin sollen das Selbstverständnis der Beschwerdestelle, der Grundsatz der Bürgerorientierung, die Arbeitsweise und vor allem die Zusammenarbeit
Besonders wichtig für die Verbesserung der Fehlerkultur ist jedoch die Regelmäßigkeit von öffentlichen Berichten. Damit erreichen wir zweierlei: Erstens geben wir der Polizei insgesamt die Möglichkeit, Fehler zu erkennen, zu benennen, zu reflektieren und damit, sie zu vermeiden. Zweitens ermöglichen wir der Öffentlichkeit, die polizeiliche Arbeit besser zu verstehen und auch den Umgang mit Fehlern besser nachvollziehen zu können.
Meine Damen und Herren! Wir leben in schwierigen Zeiten, und die Beschäftigten der Polizei leisten unter nicht immer einfachen Umständen eine wirklich hervorragende Arbeit. Dafür kommt der Polizei völlig zu Recht sehr großes Vertrauen aus der Bevölkerung entgegen. – Trotzdem passieren Fehler. Das sind Einzelfälle, die manchmal größere Kreise ziehen können. Dazu muss ich nur auf die gestrige Debatte zum Abschlussbericht der Expertenkommission verweisen.
SPD- und CDU-Fraktion wollen durch größere Transparenz, eine bessere Überprüfbarkeit polizeilichen Handelns und eine gute Fehlerkultur das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei und damit in den Staat wahren und weiter ausbauen. Durch die Arbeit der unabhängigen zentralen Beschwerdestelle und ein transparentes Berichtswesen kann dieses Ziel erreicht werden. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Nun spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Stange. – Bitte sehr, Herr Stange.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Pohle! Lieber Kollege Pallas! Nach mehr als einem Jahr der Tätigkeit der zentralen Beschwerdestelle für die sächsische Polizei machen sich CDU und SPD auf den Weg, um erstens einmal nachzufragen, auf welcher Grundlage diese Beschwerdestelle denn überhaupt arbeitet, wie sie ausgestattet ist und wie viele Beschwerden und Hinweise sie bearbeitet hat. Zweitens soll die Staatsregierung gebeten werden, Leitlinien für die innere Organisation und Beschwerdebearbeitung zu erarbeiten. Drittens soll dem Landtag darüber ein jährlicher Bericht zugeleitet werden.
CDU und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag – darauf haben Sie hingewiesen – die Einrichtung einer, ich zitiere, „unabhängigen zentralen Beschwerdestelle … im Sächsischen Staatsministerium des Innern“ vereinbart. Dieser semantischen Paradoxie einer unabhängigen Beschwerdestelle im Innenministerium stellt das Innenministerium selbst auf der Internetseite der Beschwerdestelle die Bezeichnung der „Zentralen Beschwerdestelle“ gegenüber. Offenbar sind sich Koalition und Regierung nicht einig. Die Koalition will den Mythos der unabhängigen
Beschwerdestelle weiter am Leben halten. Das Innenministerium ist sich der Täuschung einer solchen Bezeichnung bewusst und bezeichnet diese Beschwerdestelle stoisch weiterhin als „Zentrale Beschwerdestelle“. In diesem skurrilen Widerspruch bin ich ganz bei Ihnen, Herr Staatsminister des Innern – ja, das kommt auch vor –, denn die Beschwerdestelle ist nicht unabhängig. Immer schön bei der Wahrheit bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen, so bitter das auch ist.
Was nun die erbetenen Informationen anbelangt – Kollege Pohle hat es bereits zitiert –, ist es für Abgeordnete des Sächsischen Landtags durchaus ein wichtiges Kontrollinstrument, mittels Kleiner Anfragen die Arbeit der Regierung und ihrer Behörden zu kontrollieren. Das habe ich dann seit Einrichtung der zentralen Beschwerdestelle regelmäßig gemacht und werde das auch fortsetzen. – Das war eine Ankündigung, keine Drohung.
An dieser Stelle, Herr Staatsminister, noch einmal ein ausdrücklicher Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an der Beantwortung einer nicht unbeträchtlichen Zahl Kleiner Anfragen beteiligt sind. Für diese recht umfangreiche Arbeit in der Beantwortung zur Drucksache 6/5204 sind die rechtlichen Grundlagen, das Selbstverständnis und die Zielrichtung der Arbeit der zentralen Beschwerdestelle dargestellt worden. Als inhaltliche Leitlinie dient – ich weiß nicht, warum man das jetzt noch zusätzlich braucht – eine Konzeption zu Zielen, Aufgaben, Organisation und Ausgestaltung. Zum Selbstverständnis und den Zielen wird der Herr Staatsminister dann sicherlich noch gemäß der Antwort ausführen, davon gehe ich aus.