Protocol of the Session on February 2, 2017

Wenn jetzt viele Alleinerziehende, die Hartz-IV

Leistungen beziehen, auch die Leistungen für ihre Kinder nun vollständig vom Jobcenter bekommen, dann erspart das zwar eine ganze Menge Bürokratie, verändert aber die rechtlichen Möglichkeiten zur Rückforderung des Unterhalts, weil säumige Unterhaltszahlende dadurch stärker als bisher aus ihrer Verantwortung genommen werden. Rückforderungen sind zwar auch nach SGB II möglich, aber deutlich schwieriger.

Viertens titeln Sie: „Das neue Unterhaltsvorschussgesetz konsequent umsetzen“. Na ja, so weit ist es noch nicht; die Vorredner haben darauf hingewiesen. Um die Finanzierung der Ausweitung des Unterhaltsvorschusses wurde zwar lange gestritten und jetzt gibt es offenbar eine Einigung – allerdings tritt das Gesetz erst in einem halben Jahr in Kraft. Alleinerziehende haben darüber hinaus mit sehr vielen weiteren Herausforderungen zu kämpfen; der Unterhaltsvorschuss ist nur eine davon.

Doch die Reform – davon bin ich überzeugt – wird die Situation vieler bisher nicht berücksichtigter Kinder und Alleinerziehender deutlich verbessern. Ich hoffe, das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber „konsequent umsetzen“ ist, denke ich, ein bisschen zu früh formuliert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Zschocke von der Fraktion GRÜNE beschloss die erste Runde. Wir eröffnen jetzt eine nächste Rederunde. Die einbringende CDU-Fraktion wird gleich erneut zu Wort kommen. Das Wort hat Herr Kollege Krauß.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sinn und Zweck ist ja, dass wir ein bisschen diskutieren und deswegen auch auf die Argumente eingehen. Das macht es ja auch spannend und eine Aktuelle Debatte zu einer Aktuellen Debatte.

Zum Thema Rückholung: Natürlich spielt das Einkommen eine Rolle. Natürlich kann ich von einem Professor, der den Unterhalt nicht zahlt, eher Geld zurückholen als von jemandem, der prekär beschäftigt ist; das ist klar. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jeder zehnte Vater in Sachsen prekär beschäftigt ist. Das kann ich mir nicht vorstellen. Deswegen ist diese Frage, glaube ich, ganz legitim. Wer sich mit den Mitarbeitern in der Verwaltung unterhält, weiß, dass es da natürlich auch ein paar Schlitzohren gibt, die versuchen, sich einen schlanken Fuß zu machen.

Das trifft auch bei Selbstständigen zu, weil es da schon ein bisschen schwieriger ist, ein Einkommen festzustellen, ebenso, wenn jemand sagt, ich bin dann mal im Ausland, ich bin dann mal weg. Aber meines Erachtens muss der Staat da durchaus ein bisschen schauen, wie er das Geld der Steuerzahler zurückholt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich weiß ja nicht, was Sie gegen das Wort „Rabenväter“ haben. Wenn ich dem Raben Unrecht tue, dann entschuldige ich mich;

(Heiterkeit bei der CDU)

wenn es aber etwas bezeichnet, dass jemand seiner Unterhaltungspflicht nicht nachkommt, dann finde ich das schäbig und unanständig.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, die Frau hat das Recht, dass auch der Vater für das Kind aufkommt und dass er sich nicht einen schmalen Fuß macht und sagt, die Frau kann einmal sehen, wie sie zurechtkommt. Das muss man auch anprangern dürfen, auch mit klaren Worten und nicht mit sozialpädagogischen Streicheltherapien.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zu den Kollegen der LINKEN kommen. Es war ja wieder schön zu erkennen: Man schüttelt so lange den Kopf, bis man auch wirklich ein Haar in der Suppe findet. Da wird einerseits gesagt, der 1. Juli, zu dem es in Kraft treten wird, ist viel zu spät, das zu machen, und man kritisiert, dass es nicht der 1. Januar 2017 ist; andererseits sagt man gleichzeitig, es würde ja zum Chaos führen. Genau deswegen, damit es nicht zum Chaos kommt, damit die Verwaltungen sich auch vorbereiten können, damit sie Personal einstellen können, wurde der 1. Juli gewählt, und ich halte es für richtig, dass man dort mit den Kommunen ein gutes Verfahren gefunden und den 1. Juli genommen hat.

Ebenso halte ich es für richtig, dass man sich mit den Kommunen verständigt, wie man mit den Verwaltungskosten umgeht. Meines Erachtens ist es auch gut, dass der Bund stärker in die Verantwortung geht und sagt, wir stocken unseren Anteil an den gesamten Kosten auf.

Ich erwarte von den Kommunen nicht nur, dass wir eine faire Vereinbarung machen – das ist gut –, sondern erwarte von ihnen auch, dass sie sich ein bisschen mehr an

strengen, Geld zurückzuholen; denn das kommt dann auch ihrem Haushalt wieder zugute. Es ist ja nicht so, dass nur der Bund oder das Land das Geld kriegt; vielmehr fließt ein großer Teil des Geldes, das zurückkommt, direkt in den kommunalen Haushalt, und darum muss man sich ein bisschen bemühen.

Jetzt hören wir immer: Die Kommunen haben zu wenig Geld. Liebe Freunde, ich habe heute früh die Zeitung aufgeschlagen, den Dresdner Lokalteil, Herr Kollege Schollbach. Da diskutieren Sie allen Ernstes, ob ein Langlauf-Skiweltcup in Dresden, hier auf diesen Wiesen, ausgetragen wird und dass Sie als Stadt Dresden das unterstützen wollen.

(André Schollbach, DIE LINKE: Ja, das wollen wir!)

Entschuldigung. Solange wir solche Themen diskutieren können – – Ich halte es für in Ordnung, dass Sie das im Stadtrat diskutieren; das ist keine Frage, wenn der Antrag kommt.

(André Schollbach, DIE LINKE: Ihre Parteifreunde wollen das!)

Wenn wir solche Anträge diskutieren können, dann kommen Sie mir bitte nicht und sagen, den Kommunen gehe ganz schlecht, und sie seien ganz schlecht dran. Das passt dann nicht zusammen.

(Beifall)

Also bitte, die Kommunen sind gut ausgestattet, auch im Freistaat Sachsen. Das muss man hin und wieder mal sagen, bei allem Lamentieren, was auch mit dazugehört; aber wir wollen bei der Wahrheit bleiben.

Lieber Kollege Wendt, wichtig ist bei einem Gesetz, gerade dann, wenn es darum geht, den Unterhaltsvorschuss zu verbessern, nicht die Tatsache, dass man einen Antrag einbringt, sondern vielmehr, dass man Geld zur Verfügung stellt. Wir haben das mit dem Landeshaushalt gemacht. Wir haben 20 Millionen Euro mehr reingestellt, damit der Unterhaltsvorschuss gezahlt wird. Sie haben gegen diesen Landeshaushalt gestimmt. Hätten wir das genauso gemacht, könnten wir den Leuten, den alleinerziehenden Müttern und Vätern, das Geld nicht geben. Deswegen bin ich dankbar, dass die Mehrheit hier im Hause gesagt hat, wir stimmen dem Haushalt zu, damit der Unterhaltsvorschuss verbessert werden kann.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Insofern bedanke ich mich ganz herzlich für die Debatte und freue mich auf die weiteren Redebeiträge.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben eine weitere einbringende Fraktion; das ist die SPD-Fraktion. Für sie spricht jetzt Herr Kollege Homann.

Sehr geehrter Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue

ich mich über die grundsätzlich große Unterstützung für die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen in Berlin. Es ist offensichtlich unstrittig, dass es gut ist, dass der Unterhaltsvorschuss nicht mehr bei Zwölfjährigen endet, sondern bis zum Alter von 18 Jahren gezahlt wird. Es ist auch offensichtlich unstrittig, dass es ein großer Erfolg ist, darauf zu verzichten, die Höchstbezugsdauer auf sechs Jahre zu begrenzen, und offensichtlich ist es auch Konsens, zumindest relativ weitgehend, dass es vernünftig ist, dies zum 1. Juli 2017 zu machen, weil wir die Kommunen auf diesem Weg mitnehmen müssen.

Ich will an dieser Stelle Folgendes sagen, auch, um die Tragweite noch einmal klar zu machen: Allein das Wegfallen der Höchstbezugsdauer schafft es, dass wir 46 000 Kindern in der Altersspanne zwischen sechs und zwölf Jahren dabei helfen, wieder diese Unterstützung zu bekommen. Das halte ich für einen großen Erfolg.

Wenn man sich die genauen Beträge anschaut, also im Alter von null bis fünf Jahren 150 Euro, von sechs bis elf Jahren 201 Euro und von zwölf bis 18 Jahren 268 Euro – in dieser Altersspanne gab es vorher gar nichts –, dann ist es an dieser Stelle wirklich ein Beitrag dazu, diese Kinder zu unterstützen, diese Mütter, diese Alleinerziehenden zu unterstützen. Diese 350 Millionen Euro, die diese Reform kostet, sind gut investiertes Geld, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle spielt auch der Bund fair, weil er seinen eigenen Anteil an den Kosten von 33,5 % auf 40 % erhöht.

Herr Schollbach, wissen Sie, Sie reden hier über die armen Kommunen. Wir reden über die armen Kinder, und wir meinen, das ist der richtige Schwerpunkt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Meines Erachtens gibt es auch im Bereich von Hartz IV einen Fortschritt, nämlich diesen: Alleinerziehende, die Leistungen nach SGB II bekommen, aber trotzdem arbeiten gehen – das ist kein schöner Zustand, das ist eine schwierige persönliche Situation – und die mehr als 600 Euro verdienen, haben einen Anspruch. Im Übrigen profitieren allein davon 75 000 Kinder in Deutschland. Man sollte also auch nicht so tun, als würden wir das Thema Hartz IV völlig ausblenden. Vielmehr machen wir auch hier etwas, und das ist richtig so.

Ich möchte Ihnen dazu ein kleines Zitat von meiner Facebook-Seite vorlesen. Als ich über die Änderung beim Unterhaltsvorschuss informierte, schrieb jemand: „Die meisten Bezieher von Unterhalt sind im ALG-II-Bezug. Da der angerechnet wird, ist es eine Nullnummer.“ Also, dass das fachlich falsch ist, habe ich gerade erklärt. Im Übrigen war es ein Mann; das kann man, glaube ich, auch an der Wortwahl erkennen. Aber mich beeindruckte die Antwort, die eine Frau unten darunter geschrieben hat. Sie hat nämlich geschrieben: „Du hast recht. Aber es geht jetzt auch mal um uns, die Frauen, welche sich abrackern,

damit sie mit ihren Kindern über die Runden kommen, und froh sind, wenigstens den Unterhaltsvorschuss zu bekommen.“ – Danke schön, dass das einmal gesagt wurde.

(Beifall bei der SPD)

Ich halte nämlich diese Einengung von staatlicher Hilfe und Hartz IV falsch. Ich finde die Tatsache richtig, dass gerade in diesem Unterhaltsvorschussgesetz diejenigen, die hart arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen, an dieser Stelle eine Unterstützung vom Staat bekommen. Wir müssen diese hart arbeitenden Leute, diese hart arbeitenden Frauen an dieser Stelle in den Mittelpunkt unserer Politik stellen, und deshalb halte ich diese Gesetzentwurf wirklich für gut.

Ich möchte Sie noch mit einem zweiten Kommentar auf meiner Facebook-Seite beglücken. Das Schimpfwort ist ein Zitat; ich bitte das an dieser Stelle für mich in Rechnung zu stellen. Ich zitiere: „Die meisten Idioten (sorry) denken aber, sie finanzieren das Leben der Mütter und haben leider überhaupt keinen Dunst, was man selbst alles reduzieren muss, um den Mäusen das Beste geben zu können.“ – Respekt vor jeder Mama, die das schafft.

Meines Erachtens bringt dieses Unterhaltsvorschussgesetz neben dem Geld noch einmal etwas anderes. Es ist auch ein Stück weit Anerkennung für die Lebensleistung und die Lebenssituationen dieser Menschen, eben vor allem Frauen, die mit ihren Kindern in dieser schwierigen Situation sind. Es ist nicht nur das Geld; das damit verbundene Signal ist auch: Wir haben verstanden, dass es nicht sein kann, dass sich eine Mutter Gedanken macht: Was mache ich eigentlich, wenn mein Kind zwölf wird? Was mache ich eigentlich, wenn die 72 Monate vorbei sind?

Die Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Schluss. – Deshalb ist dieses Gesetz eine gute Sache. Es ist gut für die Kinder, gut für die Familien, gut gegen Armut, und deshalb freuen wir uns, dass es in Berlin so läuft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Jetzt ergreift Frau Kollegin Lauterbach das Wort. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE.