Protocol of the Session on February 1, 2017

Um doch einmal bei der Wahrheit zu bleiben: Der Antrag unserer Bundestagsfraktion vom 19. Januar 2017 wurde doch nur abgelehnt, weil man weitere Ausnahmen fürchtete, denn die Bergleute sind nicht die Einzigen, die um ihre Rentenansprüche aus DDR-Zeiten kämpfen und streiten müssen.

Die Chance, ein kleines Stück Rentengerechtigkeit herzustellen, wurde verpasst. Doch wir wären nicht die soziale Opposition, wenn wir uns damit abspeisen ließen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Genau! – Oh-Rufe von der AfD)

Deshalb versuchen wir nun, heute in diesem Hohen Hause Gerechtigkeit zu erreichen. Um Sie heute vor angeblich falschen Begründungen zu bewahren, haben wir uns die Mühe gemacht, den Antrag neu zu schreiben und konkreter auszugestalten. Das dürften Sie auch festgestellt haben. – Die Regierung müsste in diesem Fall keine Regelung vorgeben, sondern bekommt diese von uns sogar an die Hand. Das Ergebnis für die Bergleute wäre jedoch dasselbe: Sie könnten mit 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen, und jene, die bereits in Rente gegangen sind, hätten rückwirkend Anspruch auf ihre Renten in voller Höhe.

Von den über 600 Mitgliedern der Solidargemeinschaft Borna-Espenhain 2014 sind nur noch 383 am Leben. Wie Bund und Land auf Zeit spielen, wohl in der Hoffnung, dass sich das Problem bald von selbst gelöst hat, ist ein Skandal.

(Beifall bei den LINKEN)

Wie viele Menschen bereits um ihre Lebensleistung betrogen wurden und weiterhin betrogen werden, scheint für Sie dabei keine Rolle zu spielen. Den Menschen hilft es übrigens auch nicht – diese Argumente werden von Ihnen kommen –, wenn ihnen versprochen wird, einen Hilfsfonds einzurichten. In Wahljahren klingen solche Versprechen immer hervorragend. Was davon aber nach der Wahl übrig bleiben wird, steht auf einem anderen Blatt. – Die Betroffenen haben ihre Beiträge eingezahlt und damit Ansprüche erworben. Es handelt sich also nicht um einen Härtfall oder einen Fall für einen sogenannten Hilfsfonds, sondern es ist schlichtweg ihr Recht.

(Beifall bei den LINKEN)

Mit unserem Antrag haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Chance, verlorenes Vertrauen in die Politik wiederherzustellen. Sie können heute unserem Antrag zustimmen und zeigen, dass es Ihnen wirklich um die Menschen geht – in diesem Fall um die sächsischen Bergleute, denen nunmehr seit 20 Jahren Ungerechtigkeit widerfährt. Ich appelliere an Ihr soziales Gewissen und bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Krauß.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zwei Wochen war das heutige Thema ein Thema im Deutschen Bundestag.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Habe ich ja gesagt!)

Das haben Sie gesagt. – Ich finde, man muss nicht jede Debatte zehn Tage später wieder im Sächsischen Landtag führen.

(Protest von den LINKEN: Nein, nein, nein!)

Ich halte das für nicht sonderlich kreativ.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Ich bin aber nicht hier, um kreativ zu sein!)

Frau Kollegin, das wäre aber schön gewesen, denn ich finde, man kann nicht irgendwelche Anträge abschreiben und dann hier noch einmal einbringen,

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Haben wir gar nicht!)

und weil die Bundesgeschäftsstelle Ihnen gesagt hat, Sie müssen eine namentliche Abstimmung machen, machen Sie jetzt eine namentliche Abstimmung. Ich finde es lächerlich, hier das Gleiche nachzuvollziehen, was man in Berlin schon einmal durchexerziert hat.

Ich halte den Antrag aber auch nicht für glaubwürdig.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sagt wer?)

In der Antragsbegründung sprechen Sie von der Wichtigkeit der Arbeit der Bergleute, und ich habe Sie noch nie so für den Stand der Bergleute schwärmen hören wie am heutigen Tag.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das ist eine Unverschämtheit! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht! Wir kümmern uns schon immer um die Bergleute!)

Sie haben uns im vergangenen Jahr Monat für Monat Debatten aufgedrängt, in denen Sie die Existenzberechtigung der sächsischen Bergleute in der Braunkohle abschaffen wollten.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben sich bislang nicht ein Haarbreit für die Belange der Bergleute in Sachsen interessiert. Sie wollten ihre Existenzgrundlage vernichten, indem Sie die Braunkohle nicht mehr fördern wollten. Das war bislang Ihre Strategie gewesen, und jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen, Sie haben ein ganz großes Herz für die Bergleute. Das sollen wir Ihnen abnehmen?

(Beifall bei der CDU – Protest von den LINKEN: Das ist ganz schön gelogen! – Susanne Schaper, DIE LINKE: Das ist so unverfroren! Ekelhaft!)

Ich komme aber zum Antrag: 1990 ging es darum, zwei verschiedene Rentensysteme zusammenzuführen. Das ist im Großen und Ganzen gelungen, und ich finde, es ist eine große Leistung gewesen, zwei so unterschiedliche Systeme zusammenzubringen. Wenn wir daran denken, wie es der Großzahl der Rentner geht: gut.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Entschuldigung! Zu DDR-Zeiten gab es flächendeckende Altersarmut – durchgängig Altersarmut. Schauen Sie sich die Rentner heute einmal an! Und die Altersarmut, die es damals gab, haben Sie mit Ihrer Partei zu verantworten.

(Beifall bei der CDU – Protest von den LINKEN: Das ist doch nicht zu fassen! – Susanne Schaper, DIE LINKE: Das ist ja wohl die Höhe! – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Die Blockflöte fängt an, hier rumzutönen! Das ist unglaublich!)

Dennoch ist auch klar, es gab einige Dinge, die bei der Fusion der Rentensysteme nicht optimal gelaufen sind, weil man es in sehr kurzer Zeit machen musste, weil die Systeme sehr unterschiedlich waren. Wir hatten im Landtag in der Vergangenheit schon die Diskussion um besondere Gruppen. Diejenigen, die in der Braunkohleveredelung waren, sind ja nicht die einzige Gruppe. Wir denken an Eisenbahner, an Krankenschwestern, an in der DDR geschiedene Frauen, wir denken an Balletttänzer und eben jetzt an die Mitarbeiter bei der Braunkohleveredelung.

(Zuruf von den LINKEN: Sechs Gruppen haben Sie schon genannt! Sechs Stück!)

Die Systematik bei diesen Rentensystemen war unterschiedlich, und das ist das Problem, das man damals vielleicht nicht so tiefgründig erkannt hat. Heute – und auch in der alten Bundesrepublik – gibt es das sogenannte Äquivalenzprinzip: Je mehr man einzahlt, desto größer ist die Rente. – Was hat die DDR in einigen Bereichen gemacht? Man hat gesagt: Ihr verdient schlecht, und später geben wir euch aber ein bisschen mehr Rente. – Das war der Ansatz, und diese Systematik lässt sich eben nicht so richtig mit dem bestehenden Äquivalenzprinzip in Einklang bringen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie haben eingezahlt!)

Deswegen kann man auch nachempfinden, dass die Betroffenen das aus ihrer Perspektive heraus als ungerecht empfinden. Das ist für mich verständlich. Gerade Menschen, die in Borna-Espenhain gearbeitet und gelebt haben, haben schwere Beeinträchtigungen der Gesundheit hinnehmen müssen, weil es damals natürlich niemanden interessiert hat, wie dreckig und schwierig diese Arbeit war.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Das ist heute auch nicht anders!)

Was wir unter Arbeitsschutz verstehen, gab es nicht, und deswegen war die Lebenserwartung so gering. Man konnte in Espenhain keine Wäsche heraushängen, weil es dermaßen dreckig war. Das waren die Arbeitsbedingungen, für die Ihre Vorgängerpartei verantwortlich war.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Das war ein Beispiel dafür, dass sich die DDR-Nomenklatura für die Arbeiter überhaupt nicht interessiert hat.

(Protest von den LINKEN – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das ist wirklich unglaublich!)

Ich finde es gut, dass in der Vergangenheit, in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren, Gespräche von Kolleginnen und Kollegen verschiedener Parteien geführt worden sind – bei uns zum Beispiel von Katharina Landgraf und anderen für den Deutschen Bundestag. Es ist ja eher ein bundespolitisches Thema. Ich finde es gut, dass man dort zugehört und das Gespräch gesucht hat.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir eigentlich seit 27 Jahren Lösungsansätze suchen und diskutieren.

(Zuruf von den LINKEN: Seit 27 Jahren!)

Die Staatsregierung hatte in der vergangenen Wahlperiode auch einmal eine Fondslösung vorgeschlagen. Die Erkenntnis war aber immer, dass sich nicht jedes gefühlte Unrecht beseitigen lässt, so gern man das auch möchte. Es lässt sich nicht jedes Unglück und jede Ungerechtigkeit, die man empfindet, rückgängig machen, und das hat nicht nur damit zu tun, dass man dafür auch einen dreistelligen Millionenbetrag bräuchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden Ihren Antrag ablehnen, weil wir uns sicher sind, dass er uns nicht weiterbringen wird.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sie haben es auch hervorragend begründet!)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)