Protocol of the Session on December 16, 2016

Herr Urban, bitte.

Herr Baumann-Hasske, wenn es keine Veränderungen gibt, wenn die Krim bei Russland bleibt, und wenn die Situation in der Ostukraine so, wie sie jetzt ist, weiter so bestehen bleibt, denken Sie dann, dass es richtig ist, diese Sanktionen über viele Jahre weiter aufrechtzuerhalten, oder halten Sie das für wenig zielführend?

Ich glaube, dass die Sanktionen vor allen Dingen an das Abkommen von Minsk geknüpft sind, und das Abkommen von Minsk sagt keineswegs, dass die Krim wieder zurück zur Ukraine müsse, sondern es sagt, dass darüber gesprochen werden muss und dort Lösungen gefunden werden müssen. Im Entwurf ist keine Lösung für die Ostukraine enthalten, sondern lediglich ein Weg aufgezeichnet, wie man zu Lösungen kommen kann.

Russland hat sich in diesem Minsker Abkommen, das es selbst mit verhandelt und unterschrieben hat, zu bestimmten Vorschriften verpflichtet, die es aber nicht einhält. Da ist auch nichts mit Gesichtsverlust verbunden, wenn Russland das einhalten würde, und damit ist auch keine große Beeinträchtigung Russlands verbunden. Man müsste sich nur einmal an das halten, woran man sich bisher nicht hält. Ich glaube, dass die Europäische Union gut beraten ist – und sie hat es auch gestern wieder getan –, diese Sanktionen so lange aufrechtzuerhalten, bis die internationalen Verträge – diese kleinen Schritte wenigstens – eingehalten werden. Das sollte man auch noch ein Weilchen durchhalten.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ich gestatte noch eine Zwischenfrage.

Herr Urban, bitte.

Ich habe die Liste der Vereinbarungen vom Minsker Abkommen hier, und es wird ja sehr oft die Begründung vorgetragen, dass sich Russland nicht an diese Umsetzungsschritte halte. Können Sie mir bitte konkret sagen, welche Vereinbarung von Russland derzeit nicht eingehalten wird, die es rechtfertigt, die Sanktionen mit dieser Begründung aufrechtzuerhalten?

(Mario Pecher, SPD: Das ist eine Suggestivfrage! Wir sind hier in Sachsen!)

Ich werde Ihnen jetzt ganz gewiss nicht das Minsker Abkommen vortragen. Sie könnten es tun – ich nicht, ich habe es hier nicht vorliegen, Herr Kollege. Aber ich glaube auch nicht, dass wir die Debatte darauf angelegt hatten, das Minsker Abkommen zu diskutieren. Dann hätten Sie den Antrag anders formulieren und auch in den Ausführungen anders fassen müssen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Jörg Urban, AfD: Keine Ahnung, aber darüber reden!)

Meine Damen und Herren, in der weiteren Begründung wird es dann ein bisschen schwierig. Es wird gesagt, die Wirtschaftsbeziehungen seien durch ein bisher schlechtes Visaabkommen belastet. Dazu kann man nur sagen: Wenn die Visa schlecht erteilt werden, ist das erst einmal ein Problem der Russischen Botschaft, und ich glaube nicht, dass die Europäische Union Einfluss darauf hat, in welcher Art und Weise die Russische Botschaft Visa erteilt.

Sie sagen weiterhin, zwischen 2014 und 2015 sei die Zahl der Schüleraustausche zwischen Sachsen und Russland eingebrochen, und Sie meinen, das habe etwas mit dem Visaabkommen zu tun. Wie soll das bei einem unveränderten Visaabkommen zustande gekommen sein? Tatsächlich wird es doch wohl so sein, dass viele Eltern in Sachsen nicht mehr bereit sind, ihre Kinder nach Russland zu schicken, weil Russland ein kriegführender Staat ist. Diese Begründung liegt doch sehr viel näher.

Meine Damen und Herren, ich könnte das jetzt noch weiter ausführen; aber es ist sicher deutlich geworden, dass und warum unsere Fraktion diesen Antrag ablehnen wird.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Jörg Urban, AfD: Mir nicht!)

Die Fraktion GRÜNE; Frau Schubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Die AfD legt erneut einen Antrag zu einem Thema vor, für das Sachsen überhaupt nicht zuständig ist. Das ist widersprüchlich,

denn es geht nicht nur davon aus, dass es eine eigenständige sächsische Außenpolitik gebe; es ist auch widersprüchlich, weil in den Haushaltsverhandlungen Kürzungsvorschläge für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern ausschließlich von der blauen Fraktion kamen – mit ebenjener Begründung, Sachsen sei nicht zuständig für dieses Thema.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN, der SPD und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Die blaue Fraktion hat Recyclingqualitäten. Das erkennt man auch daran, dass gleichlautende Anträge in verschiedenen Landtagen eingebracht werden, so auch dieser Antrag. Möchtegern-Bismarck Alexander der Gauland hat den sächsischen Antrag weitgehend wortwörtlich auch in Brandenburg genutzt. Er hat allerdings nach preußischer Manier alle sprachlichen Fehler und den unsinnigsten Absatz ausgemerzt, nämlich den über den Ausbau einer Partnerschaft zwischen dem Freistaat Sachsen und der Russischen Föderation. Herr Gauland zitiert nicht nur gern mal den Reichskanzler, wenn er von Kriegstrompeten an Lagerfeuern, die wohlfeil seien, während der Musketier auf dem Schnee verblutet, spricht, nein, Herr Gauland kennt sich in der Geschichte auch etwas besser aus als die sächsische AfD und weiß, dass die russischen Gesandten in Preußen, Sachsen und den weiteren ehemaligen deutschen Teilstaaten ihre Arbeit schon etwas länger eingestellt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Andreas Nowak, CDU)

Ich zitiere hier trotzdem aus dem seit 67 Jahren geltenden Grundgesetz Artikel 32 Abs. 1: „Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes.“

Sie verheben sich, wenn Sie sich in der Begründung auf ein angebliches parlamentarisches Partnerschaftsprogramm mit den USA beziehen, gemeint ist wohl, ich spekuliere mal, das Patenschaftsprogramm zwischen dem Bundestag und dem US-Kongress, wobei Sie verstehen müssen, dass dies eine Vereinbarung zwischen zwei Parlamenten ist und nicht zwischen zwei Regierungen.

Mit diesem Antrag bringen Sie diesbezüglich einiges durcheinander, wenn Sie offenbar den Sächsischen Landtag auf einer Ebene mit der russischen Staatsduma sehen. Der dünne Gehalt des Antrages ist schnell erörtert: Der Visum-Dialog, über den Sie im Antrag schreiben, heißt in Wirklichkeit Visa-Dialog und ist wegen der russischen Besatzung der Krim ausgesetzt worden, die völkerrechtswidrig war, ist und bleibt; Herr Kollege Schiemann hat darauf schon verwiesen.

Das macht ganz besonders deutlich, dass die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Visa-Dialogs zwischen Europäischer Union und Russland mit Sicherheit nicht hier in Sachsen liegen. Ich würde vorschlagen, um auch konstruktiv mit Ihnen zu sprechen, die sächsischen AfD-Spitzen mögen ihren Einfluss auf Wladimir Putin geltend machen, damit er durch eine andere Politik

gegenüber der Ukraine den Visa-Dialog wieder reaktiviert.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Andreas Nowak, CDU)

Visa-Freiheit kann auch Vorteile haben, wenn das entsprechende Land autoritär regiert wird, denn Visa-Freiheit ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern solcher Länder den Kontakt zur offenen Gesellschaft.

(Jörg Urban, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der CDU)

Deswegen haben wir nicht wie die AfD gegen die Visafreiheit für die Türkei gewettert, wie Sie das hier noch im Mai getan haben, obwohl die Unterschiede zwischen Herrn Erdogan und Herrn Putin immer geringer werden.

(Widerspruch des Abg. André Barth, AfD)

Es ist allerdings verwunderlich, dass Herr Gauland vor einem halben Jahr noch vor tschetschenischen Flüchtlingen warnte, die AfD ihnen aber jetzt die visafreie Einreise gewähren will. Schließlich sind sie ja Bürger der Russischen Föderation, und vielleicht klären sie das erst einmal intern.

Ich fasse zusammen: Zu suggerieren, wir hätten es in der Hand, den Visa-Dialog von Sachsen aus zu reaktivieren, ist ein platter Versuch der AfD. Deshalb ist dieser Antrag abzulehnen. Wir sagen deutlich njet.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und den LINKEN – Jörg Urban, AfD, steht am Mikrofon.)

Eine Kurzintervention? – Herr Urban, bitte.

Frau Schubert, ich muss jetzt doch das Mittel der Kurzintervention in Anspruch nehmen. Ich hätte Sie sonst gefragt, aber ich denke, es ist uns allen bewusst, dass Sachsen eine Vertretung in Berlin hat, dass Sachsen im Bundesrat vertreten ist und in allen Bundestagsausschüssen sitzen und sprechen darf. Sachsen hat sehr wohl die Möglichkeit, auch auf die Außenpolitik der Bundesrepublik Einfluss zu nehmen. Ihre Begründung, unseren Antrag abzulehnen, war an der Stelle sehr dünn.

(Beifall bei der AfD)

Wird von der AfDFraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt die CDU-Fraktion. Herr Nowak, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zu dem Antrag noch kurz aus wirtschaftspolitischer Sicht sprechen. Herr Beger, Sie machen

sich das alles sehr einfach und behaupten, Sachsen habe die Russlandbeziehungen abgeschrieben. Das Gegenteil ist der Fall. Das werde ich Ihnen gleich noch erklären.

Russland ist für Sachsen ein wichtiger Partner. Im Außenhandelsbereich, in den Wirtschaftsbeziehungen, in der Kooperation bei Rohstoffen, in der Rohstoff- und Werkstoffforschung, bei Tourismus, Medizintourismus und beim Einzelhandel. Vor diesem Hintergrund ist das nicht ganz einfach mit den Visa-Pflichten und diesem Embargo, denn jede Behinderung freien Handels und Reisens ist ein Hemmnis für Wachstum und damit für Arbeitsplätze und Wohlstand, und zwar auf beiden Seiten der Grenzen.

Ich bin hin und wieder in der Welt unterwegs und mache diese Reisen nicht, weil ich Langeweile habe, sondern weil ich mir ein eigenes Bild machen will. Ich war in den vergangenen Monaten auch zwei Mal in Russland. Da habe ich interessante Eindrücke gewonnen, auf der einen Seite in Sankt Petersburg bei der Rohstoffkonferenz, wo auf Arbeitsebene das Klima sehr gut ist und die großen internationalen Politikbereiche schon schwierig sind, und auf der anderen Seite in Samara. Dort waren wir mit dem Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und einer sächsischen Unternehmerdelegation und haben versucht, den sächsischen Unternehmern Türen und Tore zum russischen Markt zu öffnen. Wann immer man unterwegs ist, merkt man, welchen Stellenwert Sachsen in der Welt hat und was freier Handel und offene Grenzen bedeuten können.

Aber freier Handel und offene Grenzen brauchen vor allem eins: Vertrauen in die Verlässlichkeit des Partners und Vertrauen dahin gehend, dass man wenigstens ein paar gemeinsame Werte teilt und dass das, was man verabredet hat, auch gilt. In Sachen Russland gibt es leider in den letzten Jahren vor allem eine Verlässlichkeit, nämlich, dass dort nichts so richtig verlässlich ist. Solange die Russische Föderation sich völkerrechtswidrig verhält, ist es eben schwierig mit dem Abbau von Sanktionen und Visa-Pflichten. So lange die Russen aktiv auf der Krim und im Donbass sind, können wir nicht so tun, als wäre nichts gewesen. Die Ukraine hat sich 1994 verpflichtet, alle Atomwaffen abzugeben. Im Gegenzug sollte die Russische Föderation als Garantiemacht die Grenzen sichern. Das Gegenteil ist eingetreten.

Es kann nicht sein, dass die Einhaltung internationaler Abkommen davon abhängig ist, wer gerade im Kreml sitzt und ob er einen guten oder schlechten Tag erwischt hat. Und um es einmal ganz deutlich zu machen: Russland hat die Charta der Vereinten Nationen, die Charta von Paris 1990, die NATO-Russland-Grundakte und das Memorandum von 1994 in Budapest verletzt. Die sind nicht mal aus Versehen über eine rote Ampel gefahren und sagen, sorry, wir wurden geblitzt und jetzt ist alles wieder gut, sondern die haben das ganz bewusst und aktiv gemacht. Über die Rolle Russlands im Transnistrien- und erst recht im Syrien-Konflikt fange ich gar nicht erst an zu reden. Ich verstehe vor diesem Hintergrund auch, dass die

baltischen Staaten Angst haben, es könnte ihnen ähnlich ergehen.

(Jörg Urban, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.

Ich habe ja noch gar nicht gefragt.