Protocol of the Session on December 16, 2016

DIE LINKE hat 66 Minuten; aber das ist egal.

(Zuruf des Abg. André Barth, AfD – Unruhe)

Fakt ist doch eines, Herr Wurlitzer – und das ist doch das eigentliche Problem –:

(Zuruf des Abg. Sebastian Wippel, AfD)

Das Problem ist, dass Sie die Prioritäten zu dem, was Sie hier sagen und zu welchem Thema Sie sprechen, so festgelegt haben, dass Ihre Priorität eben nicht auf dem Bereich und dem Antrag zum Thema Schulsozialarbeit liegt, sondern zur sinnlosen Abschaffung einer Rundfunkgebührenverordnung.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der SPD)

Das waren Kurzintervention und Reaktion darauf. Jetzt geht es weiter in der Rederunde und es spricht Herr Kollege Homann für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich bei den GRÜNEN und bei den LINKEN für die gute Debatte bedanken. Im Übrigen hat das nichts mit Schulterklopfen zu tun, sondern ich finde es einfach gut vom politischen Stil her. Wenn man gute Sachen anerkennt, in Teilbereichen aber eine andere Einschätzung hat, diese kenntlich macht – und das in diesem Stil, wie wir es gerade in dieser Debatte erleben –, dann, finde ich, hat das etwas mit gegenseitiger Anerkennung und Respekt zu

tun. Diese Debatte erfüllt diese Kriterien, und das ist gut so.

(Beifall des Abg. Harald Baumann-Hasske, SPD)

Genau einer applaudiert.

(Heiterkeit)

Ich möchte noch auf einige Punkte eingehen. Frau Pfau, Sie haben in Ihrer Rede dargestellt, dass Sie sich Schulsozialarbeit in allen Schulen in Sachsen wünschen. Man kann darüber diskutieren, ob 15 Millionen Euro reichen oder nicht. Ihre Forderung würde ich mir aber – selbst wenn ich der Meinung wäre, wir bräuchten mehr als 15 Millionen Euro – nicht zu eigen machen; denn es gibt tatsächlich Schulen in diesem Land, die in ihren Konzeptionen Dinge anders organisiert haben und zu dem Schluss kommen, dass sie keine Schulsozialarbeit wollen.

(Lothar Bienst, CDU: Genauso ist das! – Beifall bei der CDU)

Verpflichten würde ich die Schulen nicht. Das wollte ich auf Ihre Forderung hin gern einmal bemerken.

Das Zweite ist: Ob wir heute in diesem Antrag einen klaren Bezug zur Fachempfehlung Schulsozialarbeit beschließen oder nicht, ist tatsächlich relevant, Herr Zschocke. Das ist nicht egal, da man es grundsätzlich anders organisieren kann.

Man kann sagen: Wir beziehen uns nicht auf diese Fachempfehlung und lassen die Landkreise, wie in anderen Bereichen auch, ihre eigenen Fachempfehlungen für Schulsozialarbeit auf Landkreisebene entwickeln. Dazu sage ich Ihnen aber: Da gibt es im Moment nicht so viel. Weil wir an dieser Stelle keinen Flickenteppich unterschiedlicher Qualitätsstandards wollen, sondern ein Interesse daran haben, dass flächendeckend hochgradig gute Schulsozialarbeit in Sachsen stattfindet, wollen wir diese Fachempfehlung, die wir auf Landesebene beschlossen haben, letztendlich für alle verbindlich gestalten. Das ist der Hintergrund, und das ist eben nicht egal.

Ich möchte an dieser Stelle noch etwas zum Thema Qualifikation sagen. Herr Zschocke, die Frage der Qualifikation ist in diesem Antrag ja nicht völlig unberücksichtigt, sondern sie steht in der Fachempfehlung, auf die wir uns beziehen. Das ist ein Schritt mehr. Man könnte es auch direkt in die Förderrichtlinie schreiben. Aber wenn wir uns auf diese Fachempfehlung beziehen, dann bedeutet das natürlich auch, dass die Regelungen, die darin gefasst sind, Gegenstand unseres Antrages sind.

Und wenn Sie jetzt fragen, was wir wollen, dann kann ich Ihnen sagen: Ja, wir haben ein sehr hohes Interesse daran, dass Schulsozialarbeit von Bürgerinnen und Bürgern, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erledigt wird, die soziale Arbeit oder Sozialpädagogik studiert haben; denn das sind die Leute, die für diesen Job ausgebildet sind.

Das bringen wir auch klar zum Ausdruck. Wir haben als Landesjugendhilfeausschuss, dessen Vorsitzender Patrick Schreiber ist, in Verbindung mit dem Unterausschuss I,

dessen Vorsitzender meine Wenigkeit ist, eine sehr klare Positionierung in diesem Fall gefunden.

Wir haben sogar ein Angebot gemacht, wie man einen Kompromiss finden kann, indem man sagt: Okay, wir stellen in der Regel Sozialpädagogen bzw. Menschen, die soziale Arbeit studiert haben, ein, lassen aber Ausnahmen zu für den Fall, dass jemand einen anderen sozialpädagogischen Abschluss hat und parallel dazu beginnt, seinen Abschluss nachzuholen.

(Volkmar Zschocke, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Das wäre ein möglicher Kompromiss, ein möglicher Weg. Das heißt, wir sind sehr tief in der Fachdebatte drin. Wir als Koalition sind entschlossen, das durchzufechten. Wir haben die anderen Partner beteiligt – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, klar.

Bitte, Herr Zschocke.

Herr Homann, sind Sie der Auffassung, dass man die Entscheidung, ob man solche Ausnahmen macht – jemanden ohne Abschluss trotzdem einzustellen, ihn im Laufe seiner Tätigkeit den Abschluss nachholen zu lassen, oder jemanden einzustellen, der eine besondere Erfahrung in der sozialen Arbeit hat bzw. der aufgrund seiner Lebenserfahrung das mitbringt, was angeblich an Voraussetzungen zwingend notwendig ist –, letztendlich dem Empfänger der Förderung, dem Träger, allein überlassen kann?

Nein, deshalb haben wir eine Fachempfehlung. Punkt, Herr Zschocke. Die haben wir im Landesjugendhilfeausschuss beschlossen und die wird mit diesem Antrag noch einmal bekräftigt. Punkt.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Empfehlung!)

Letzter Punkt. Sie haben noch eine ganze Reihe richtiger Anmerkungen gemacht. Man hätte in diesem Antrag noch vieles zur Prozessbegleitung sagen können. Ich finde, nicht alles, was richtig ist, muss in einem Antrag stehen, aber alles, was in einem Antrag steht, muss richtig sein. Deshalb: Mehr hätten wir immer schreiben können, aber wir wollten es auf den Punkt bringen, und ich denke, das ist auch der richtige Weg.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Kollege Homann sprach für die SPD-Fraktion. Gibt es in der zweiten Rederunde weiteren Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin Klepsch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Schulsozialarbeit – ich glaube, selten wurde über ein Fördervorhaben der Staatsregierung im Vorfeld des Inkrafttretens öffentlich so intensiv diskutiert.

Auch die Debatte zeigt, wie wertvoll und wichtig diese Aufgabe ist. Es gibt viele Gründe, in die Schulsozialarbeit zu investieren. Ich möchte daher vorab all jenen Danke sagen, die daran mitgewirkt haben, dass wir – damit unterstreiche ich die Ausführungen der Vorredner noch einmal – erstmalig ein Landesprogramm Schulsozialarbeit im Doppelhaushalt 2017/2018 verankern konnten. Ich möchte noch einmal die Zahl nennen: Pro Jahr stehen 15 Millionen Euro für Schulsozialarbeit zur Verfügung. Das war, glauben Sie mir, in den Haushaltsverhandlungen nicht selbstverständlich.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Staatsministers Martin Dulig)

Mit dem Landesprogramm unterstützen wir die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei einer langfristigen und kontinuierlichen Schulsozialarbeit. Wir unterstützen Landkreise und kreisfreie Städte bei einer, wie ich meine, sehr wichtigen Aufgabe vor Ort.

Wir gewährleisten den Zugang für immer mehr junge Menschen zu niedrigschwelligen Beratungs- und Unterstützungsangeboten der Jugendhilfe am Lern- und Lebensort Schule. Damit schaffen wir Chancengerechtigkeit in Bildungsprozessen und ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe. Im Landesprogramm finden insbesondere junge Menschen Beachtung, die besonders benachteiligt und individuell beeinträchtigt sind und deren Schullaufbahn und Schulerfolg zu scheitern drohen. Ja, wir wollen damit die Schulabbrecherquote verringern und eine berufliche Perspektive vorbereiten.

Wenn ich hier von Schule spreche, dann stehe ich genau bei diesem Thema in sehr engem Schulterschluss mit meiner Kollegin Frau Kurth vom Kultusministerium. Zusätzlich können wir die demografischen Herausforderungen mildern; denn wenn Schulsozialarbeit junge Menschen befähigen kann, entwicklungshemmende

Krisen zu überwinden, selbstständige, gebildete Persönlichkeiten zu werden und durch Schulabschluss individuellen Bildungserfolg zu erreichen, dann verbessern wir die individuellen Bedingungen für Beschäftigung und Einkommen, sichern Fachkräfte für die Zukunft und entlasten dadurch Sozialsysteme.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, unsere neue Richtlinie orientiert sich an der Fachempfehlung des Landesjugendhilfeausschusses vom Juni dieses Jahres und basiert auf einem sehr umfassenden Förderkonzept. Wir definieren erstmals wissenschaftlich fundierte quantitative und qualitative Indikatoren, die den Erfolg des Landesprogrammes beschreitbar und damit verstärkt sichtbar machen sollen. Dazu werden auch die im nächsten Dop

pelhaushalt zusätzlich verankerten Mittel eben zu einer externen Projektsteuerung und später zu einer externen Evaluation beitragen.

Es gibt eine Zwischenfrage. Gestatten Sie diese, Frau Staatsministerin?

Ja.

Bitte, Herr Kollege Zschocke.

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Klepsch, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Herr Schreiber hat ja meine Frage nicht so richtig beantworten können mit Verweis auf die Zuständigkeit der Staatsregierung. Deswegen nutze ich die Gelegenheit, jetzt Sie in Bezug auf die Umsetzung des Antrages im Hinblick auf die Ausgestaltung der Förderrichtlinie konkret zu fragen: Wird die Staatsregierung bei der Ausgestaltung der Fachförderrichtlinie darauf achten, dass die in der Fachempfehlung des Landesjugendhilfeausschusses festgelegten oder empfohlenen Hinweise zur Qualifikation und fachlichen Kompetenz der Fachkräfte so übernommen werden und dort auch ohne Ausnahmen als Standard festgesetzt werden?

Ich denke, aus meinen Worten ist deutlich hervorgegangen, dass wir uns an der Richtlinie orientieren. Herr Homann hat es auf den Punkt gebracht: Es geht auch darum, im Ausnahmefall Ausnahmen zuzulassen; deswegen ist es eine Ausnahme.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch deutlich ausführen: Unser Ziel ist, dass das Schulsozialprogramm zu einem Erfolg geführt wird. Auch die Landkreise und kreisfreien Städte haben bei den Gesprächen, die ich geführt habe, deutlich gemacht, dass sie selbst daran interessiert sind, qualifiziertes Personal zum Einsatz zu bringen, denn nur dann wird unser Schulsozialprogramm wirklich zum Erfolg.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich komme zurück. Die Landkreise und kreisfreien Städte müssen deshalb, wie bereits ausgeführt wurde, als Fördervoraussetzung – auch das ist klar definiert – die Mittel der Förderrichtlinie Jugendpauschale vollständig abnehmen und das natürlich beantragen. Nun wissen wir, dass es bereits Förderprogramme gibt, gefördert durch die Europäische Union über das ESF-Förderprogramm, und dass es hier einen Übergang geben muss. Deswegen werden wir regeln, dass letztlich auch dieser Übergang zum neuen Landesprogramm reibungslos geschehen wird. Auch das wird von uns jetzt mit vorbereitet.