Protocol of the Session on December 16, 2016

Blindflug der Staatsregierung. Ich frage mich, wie Sie ohne die Zahlen Bereichspläne fortschreiben können und gegensteuern wollen, wenn Sie gar nichts über den Istzustand wissen. Wir müssen konstatieren, dass Sie, werte Staatsregierung, in diesem Teil Ihrem Auftrag, den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten, nicht hinreichend nachkommen können.

Meine Damen und Herren! Hier geht es eben nicht um einen Auffahrunfall ohne Personenschaden oder die Beseitigung einer Ölspur. Beim Rettungsdienst geht es in der Regel um Leib und Leben. Zumindest ist es nicht auszuschließen, wenn dieser gerufen wird. Unsere Forderung an Sie ist, werte Staatsregierung: Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und sichern Sie die Hilfsfristen, notfalls auch im Wege der für Sie unbequemen Rechtsaufsicht.

Herr Krauß, Sie haben ausgeführt, dass im Zweifel von einem anderen Standort notfalls ein Notarzt kommen würde und sich allein über die Verfügbarkeit nicht zeigen würde, dass es ein Problem gebe. In der Anhörung ist es relativ deutlich geworden – da hatten wir Prof. Heller vom Uni-Klinikum –, dass das grundsätzlich richtig sei, dieser Zustand aber mittlerweile dazu führe, dass insbesondere bei Nichtbesetzung von Notarztwagen im Umkreis von Dresden regelmäßig der Rettungshubschrauber aus Dresden eingesetzt wird, um das zu kompensieren. Das kann ja nicht die Lösung sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von den vielen anderen Problemen, die es im Bereich des Rettungsdienstes gibt, möchte ich noch eines aufgreifen, das sehr drängend ist und das Kollegin Friedel bereits angesprochen hat: Die Rettungsassistenten arbeiten teilweise unter so schlechten Arbeitsbedingungen, dass auch deshalb der Schutzauftrag gefährdet ist. Allein wegen fehlenden Personals konnten beim Rettungsdienst Meißen in einem Monat insgesamt

169 Stunden lang Rettungswagen nicht besetzt werden. Der Grund für diese Personalnot liegt auch in der schlechten Entlohnung einzelner Träger und dem hohen Wettbewerb um wenige Fachkräfte und mithin auch in der Vergabe des Rettungsdienstes im Freistaat Sachsen. Auch hier ist die Staatsregierung gefordert schleunigst gegenzusteuern und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um nachhaltige Verbesserungen zu schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Gibt es noch Redebedarf bei den Fraktionen? – Wenn das nicht der Fall ist, Frau Staatsministerin, bitte.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Antworten der Großen Anfrage sind detailliert vorgenommen worden und liegen auch jedem vor. Der Abg. Alexander Krauß ist aus meiner Sicht noch einmal sehr gut und ausführlich auf die Thematik eingegangen. So möchte ich mich auf das 90 a-Gremium beschränken.

Ja, der Freistaat hat, nachdem der Bundesgesetzgeber die Möglichkeit eröffnet hat, ein Gremium zu schaffen, diese zügig aufgegriffen. Wir haben gemeinsam mit den Partnern ein 90 a-Gremium ins Leben gerufen. Bereits in seiner ersten Amtsperiode hat sich das Gremium der notärztlichen Versorgung in Sachsen an der Schnittstelle von kassenärztlichem Bereitschaftsdienst, Notfallambulanz und Rettungsdienst gewidmet.

Es wurden Optimierungs- und Effizienzpotenziale an Schnittstellen in drei Bereichen der Notfallversorgung identifiziert. Um das zu erarbeiten, hat es eine umfassende Analyse in verschiedenen Modellregionen gegeben. Umfangreiches Datenmaterial wurde ausgewertet, indem über einen Zeitraum von zwei Monaten die Tage dokumentiert wurden, mit Altersfeststellung, wer an welchem Tag mit welcher Diagnose wohin gegangen ist. Ziel war herauszufinden, ob der Patient in seinem Notfall das richtige Rettungsmittel ergreift. Die Auswertung ist in zehn Beschlüsse gemündet, die mit Empfehlungen versehen sind. Diese Beschlüsse hat das 90 a-Gremium gefasst. Das ist auf der Internetseite unseres Hauses einsehbar.

Ein wesentlicher Punkt, der dabei herausgearbeitet wurde – Alexander Krauß ist darauf eingegangen –, ist, dass der Ärztliche Bereitschaftsdienst mit seiner Nummer 116 117 deutschlandweit und nicht nur sachsenweit noch nicht bekannt genug ist. Auch da gilt es Maßnahmen, die dort definiert sind, zu ergreifen, um diese Nummer in der Bevölkerung bekanntzumachen.

In der zweiten Amtsperiode wird das gemeinsame Landesgremium prüfen, inwieweit die beschlossenen Empfehlungen umgesetzt werden konnten und umgesetzt werden können. Wir haben erst vor knapp vier Wochen getagt und es wird deutlich, wie vielschichtig und um

fangreich die Thematik ist. Auch dazu soll es noch eine Unterarbeitsgruppe geben, die sich intensiver mit der Schnittstelle auseinandersetzt.

Außerdem befasst sich die Arbeitsgemeinschaft Krankenhauswesen der obersten Landesgesundheitsbehörden damit. Sie befassen sich damit, die Strukturen der Notfallversorgung durch Krankenhäuser zu analysieren, Weiterentwicklungsbedarfe zu identifizieren und über mögliche Lösungsansätze zu berichten. Der Bericht hierzu soll im Frühjahr 2017 vorliegen. Wir sind selbst gespannt.

Mit der Krankenhausreform 2016 hat der Gesetzgeber die Selbstverwaltung, das heißt den Gemeinsamen Bundesausschuss, beauftragt, bis Ende dieses Jahres – aber das Signal zeigt, dass es wahrscheinlich erst Ende nächsten Jahres wird – ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern einzurichten. Das soll die Grundlage für die Festlegung von Zu- und Abschlägen für die Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Notfallversorgung bilden, wobei ich meine, dass das eine wesentliche Festlegung ist. Da sollen Krankenhäuser, die sich in hohem Maße an der Notfallversorgung beteiligen, höhere Zuschläge erhalten als Krankenhäuser, die das in einem geringeren Maße tun.

Das Thema Portalpraxen halte ich in dieser Thematik für wichtig. Auch darauf sind meine Vorredner bereits eingegangen, sodass ich das nicht näher tun möchte. Ich glaube, allein die Diskussion hat gezeigt, dass es wichtig ist, sich damit auseinanderzusetzen, dass es bereits viele Möglichkeiten, auch viele Lösungsansätze gibt. Ob diese Lösungsansätze wirklich greifen, ob es dadurch eine spürbare Entlastung der Notaufnahmen gibt, werden wir erst in Zukunft merken.

Aber eines, denke ich, können wir trotzdem aus dieser Großen Anfrage als Ergebnis herauslesen – und da widerspreche ich den Feststellungen, die von der Fraktion DIE LINKE kamen: Ich bin davon überzeugt, dass die Gesundheit auch im Notfall im Freistaat Sachsen in den besten Händen ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Damit ist die Aussprache zur Großen Anfrage beendet. Wir kommen zum Entschließungsantrag in der Drucksache 6/7668. Wird hier Einbringung gewünscht? – Herr Schultze, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Klepsch, zwei Anmerkungen. Meine Kollegin Frau Schaper musste zu einem anderen Notfall, zum CFC nach Chemnitz. Auch da sollen zumindest für die eingefleischten Fans einige Rettungsmaßnahmen eintreten. Insoweit bitte ich in ihrem Namen um Entschuldigung.

Als zweite Vorbemerkung möchte ich gern, dass wir über den Entschließungsantrag kapitelweise abstimmen, was

ich hiermit beantrage, also über die Punkte I, II und III einzeln.

Ich möchte ihn dennoch einbringen und mit Punkt I beginnen. Sie haben es alle gelesen. Punkt I ist die Danksagung oder der Dank dieses Landtags an die haupt- und ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sind in der Woche vor Weihnachten, und ich glaube, gestern habe ich kurz gehört, dass man im Kontext des Gesamtantrages auch einer Danksagung nicht zustimmen kann. Ich hoffe, die letzten 24 Stunden des Überlegens haben dazu geführt, dass Dank nicht zwingend in den Kontext eines anderen Zusammenhangs gestellt werden kann und dass gerade die Vertreterinnen und Vertreter der Partei, die „christlich“ im Namen führt, kurz vor Weihnachten einmal über ihren Schatten springen und tatsächlich den Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern Danke sagen, die zu den Festtagen, Silvester und Ähnlichem, in Bereitschaft stehen werden, um Notfälle, die hoffentlich nicht eintreten, zu beheben, um da zu sein, wenn wir sie dringend brauchen.

Ich glaube, dieser Dank sollte nicht an einem vorgegebenen Dogma der Nichtzustimmung zu Anträgen der Opposition scheitern. Dank an dieser Stelle ist, glaube ich, fraktionsübergreifend angebracht. Insoweit bitte ich bei Punkt I genauso um Ihre Zustimmung, wie ich bei den anderen Punkten auch dafür werben möchte.

Stellen wir also fest: Es gibt eine unzureichende Datenlage, und die muss geändert werden. Alle meine Vorredner haben das deutlich signalisiert. Stellen wir also fest: Wir haben die Hilfsfristen nicht erreicht, und das muss geändert werden. Stellen wir fest: Wir brauchen eine andere Situation, wenn es um das Personal geht. Es kann nicht sein, dass wir Überstunden vor uns herschieben, dass Rettungsdienste nicht besetzt werden, dass Notärzte nicht antreten können.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie, zuzustimmen. Ich möchte Sie dazu auffordern, zu überlegen, was Sie wollen. Wollen Sie, wenn der Arm schmerzt, die Luft eng ist oder der Partner mit Atemnot neben Ihnen liegt, dass Mitarbeiter kommen, die selbstverständlich ihren Dienst tun, die länger brauchen als 12 Minuten, die Überstunden vor sich herschieben, die deshalb Probleme auch mit der Familie bekommen? Oder wollen Sie, dass hoch motivierte Mitarbeiter, die ordentlich bezahlt sind, die ihr Fach verstehen, anrücken und innerhalb weniger Minuten vor Ort sind, um Ihnen oder Ihrem Partner zu helfen? Entscheiden Sie selbst.

Wenn Sie a) wollen, brauchen Sie nichts zu ändern. Wenn Sie b) wollen, stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu und sorgen Sie dafür, dass der Rettungsdienst auf einer Grundlage steht, dass er tatsächlich retten kann, und zwar besser, als er heute schon ist, wobei dabei nicht behauptet werden soll, dass er schlecht ist.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Aber verbessern kann man es immer. Danke dann für Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den LINKEN)

Wer möchte von den Fraktionen bitte dazu sprechen? – Herr Lippmann? – Sie können auch gern einmal zuerst an der Reihe sein. Kein Problem.

Ach, ich kann der Koalition gern den Vortritt lassen. Ich entgegne gern auf Herrn Krauß. – Frau Präsidentin, vielen Dank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dem Entschließungsantrag zustimmen, nicht nur aus den Gründen, dass uns hier sicherlich kein Zacken aus der Krone fällt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in diesem Bereich tätig sind, Dank auszusprechen, sondern auch, weil er eines der drängenden Probleme im Freistaat Sachsen, nämlich die Einhaltung der Hilfsfristen, adressiert und Feststellungen trifft, die bitter notwendig sind.

Insoweit sage ich auch ganz deutlich: Es ist grundsätzlich notwendig, dass der Landtag diesem Entschließungsantrag folgt, weil ich es schon für ein starkes Stück halte, dass es hier weitestgehend um die Einhaltung der Hilfsfristen geht bzw. nachdem Frau Friedel das Thema der Vergabe im Rettungsdienst angesprochen hat, sich weder die Sozialministerin weiter zu diesem Thema äußert noch der Innenminister dazu das Wort ergreift. Da muss man als Landtag entsprechend Druck aufbauen. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Krauß, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fand die Debatte gut. Was alle Fraktionen einte, war, dass wir denjenigen Danke gesagt haben, die im Rettungsdienst tätig sind. Ich finde, es war der Sache angemessen, von allen Seiten zu sagen: Wir sagen Danke.

(Beifall des Abg. André Wendt, AfD)

Das haben wir schon getan. Insofern ist der erste Punkt Ihres Antrags erledigt.

Ich will auch sagen, weil wir kurz vor Weihnachten sind: Ich werde am 24. Dezember mit Kolleginnen und Kollegen wieder zur Rettungswache gehen, und wir werden den sieben Leuten, die dort Dienst tun, wieder Danke schön sagen, übrigens auch den Polizisten, die im Polizeirevier sind.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Ich glaube, wenn ich denen etwas mitbringen darf, dann wird das weiterhin ein kleines Körbchen sein, weil sie sich über einen Antrag nicht ganz so sehr freuen würden.

Kommen wir zum zweiten Punkt, wenn es darum geht, was der Landtag feststellt. Ich habe das Gleiche festgestellt, was auch Frau Staatsministerin Klepsch beim Lesen

der Antworten auf die Kleine Anfrage festgestellt hat: Die Notfallpatienten sind bei uns in guten Händen. Das System funktioniert. Das ist die Kurzfassung des Systems. Man muss nicht mehrere Seiten beschreiben, um das festzustellen.

Wir haben auch gesagt, es gibt Lösungsmöglichkeiten. Wir müssen uns weiterentwickeln. Wir müssen weiter vorankommen. Das ist richtig. Ich habe skizziert, welche Lösungsansätze das für unsere Fraktion sind. Das will ich jetzt nicht noch einmal tun. Ich möchte aber einmal Ihre Lösungsansätze hinterfragen, die Sie hier aufgeschrieben haben.

Derzeit ist es so, dass für die Notfallversorgung, für den Rettungsdienst die Krankenkassen zuständig sind. Sie wollen das jetzt auf die Kommunen übertragen. Haben Sie einmal einen Landrat gefragt? Haben Sie einmal einen Oberbürgermeister gefragt, ob er diese Aufgabe übernehmen möchte? – Ich möchte sehen, dass einmal jemand die Hand hebt. Die wollen das nicht, weil es keine angenehme Aufgabe ist, das sicherzustellen. Insofern werden wir dem Antrag nicht zustimmen, mit dem den Kommunen etwas übergeholfen wird, was sie nicht wollen.

Wir wollen, dass das System weiterhin funktioniert, und wir glauben, dass das in den bestehenden Strukturen, in den Grundstrukturen, die wir haben, gut angebracht ist, dass sich die Kassenärztliche Vereinigung zum Beispiel um den Bereitschaftsdienst kümmert, dass sich die Krankenhäuser um die Notfallambulanz kümmern und dass sich die Krankenkassen bei uns um den Rettungsdienst kümmern. Insofern werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Sie wollen nach vorn kommen? – Bitte, Herr Hütter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Fraktionskollege André Wendt hat schon erörtert, welche Ansätze wir in der Großen Anfrage als sinnvoll erachten und welche als kritisch. Der Entschließungsantrag baut auf den Erkenntnissen aus der Großen Anfrage auf. Folgerichtig thematisieren Sie die lückenhafte Datenbasis, die zutage getreten ist. Die Staatsregierung muss hier nachbessern. Nachbessern muss aber auch DIE LINKE.