Protocol of the Session on September 29, 2016

Frau Abg. Buddeberg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Ob Kinder oder keine – entscheiden wir alleine.“ Das war ein Slogan der Frauen, die in den Siebzigerjahren in der Bundesrepublik auf die Straße gegangen sind, um für die Abschaffung des § 218 – den sogenannten Abtreibungsparagrafen – zu protestieren. Es ist ein Slogan, der auch heute noch bei den Protesten gegen den sogenannten „Marsch für das Leben“ skandiert wird, zuletzt vor zwei Wochen in Berlin. Auch in Sachsen gibt es seit Jahren in AnnabergBuchholz den „Aufmarsch der selbsternannten Lebensschützer(innen)“. Anfang Juni folgten rund 500 Menschen dem Aufruf des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung zum Gegenprotest.

„Ob Kinder oder keine – entscheiden wir alleine.“ In diesem eingängigen Satz ist die Quintessenz unseres Antrages „Das Recht auf eine selbstbestimmte Schwangerschaft achten und unterstützen“ bereits auf den Punkt gebracht. Vor allem geht es um Selbstbestimmung. Sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung sind keine feministische Mode und keine linke Worthülse, sondern ein Grundrecht, ein Menschenrecht. Schon 1974 stellte das die Weltbevölkerungskonferenz der Vereinten Nationen klar. Zitat: „Alle Paare und Individuen haben das Grundrecht, frei und verantwortungsvoll über die Zahl und den Abstand ihrer Kinder zu entscheiden und die Informationen, Bildung und Mittel dazu zu erhalten.“ 1994 ergänzte die Weltbevölkerungskonferenz diese Formulierung wie folgt: „Dazu gehört das Recht, alle Entscheidungen bezüglich der Reproduktion ohne Diskriminierung, Zwang und Gewalt zu treffen.“ Das bedeutet konkret, dass jede Person selbst entscheiden kann, Kinder zu bekommen, oder eben auch, keine Kinder zu bekommen. Das gilt unabhängig vom Familienstand, vom Einkommen, von der sexuellen Orientierung. Das gilt gleichermaßen für Menschen mit Behinderungen.

Das Recht, sich gegen Kinder zu entscheiden, muss deshalb auch die Möglichkeit einräumen, eine Schwangerschaft abzubrechen. Dass diese Möglichkeit heute in Deutschland überhaupt besteht, ist das Ergebnis eines langen und zähen Kampfes, vor allem der Frauen, für dieses Grundrecht. Er endete vorläufig mit der Einführung

der sogenannten Fristenregelung mit Beratungspflicht. Das ist der Kompromiss, der erreicht werden konnte.

Schwangerschaftsabbrüche sind in diesem Land immer noch rechtswidrig, bleiben aber straffrei, wenn drei Kriterien erfüllt sind: Erstens muss der Abbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft vorgenommen werden. Zweitens muss eine sogenannte Schwangerschaftkonfliktberatung durchgeführt werden. Drittens muss eine anschließende dreitägige Wartepflicht eingehalten werden. Unter dem Strich heißt das, dass ein Abbruch durch die geltenden Gesetze immer noch kriminalisiert wird. Deshalb fordern Frauenrechtsaktivistinnen nach wie vor die Abschaffung der §§ 218 und 219 StGB. Ich schließe mich dieser Forderung ausdrücklich an.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN – Horst Wehner, DIE LINKE: Wir auch!)

Selbst das bereits Erreichte stellen vor allem christliche Fundamentalistinnen und Fundamentalisten infrage. Als Abgeordnete habe ich – ich vermute, Sie alle ebenfalls –, eine Einladung zum sogenannten Marsch für das Leben in Berlin bekommen. Dort heißt es wie folgt: „Bitte nutzen Sie Ihre Verantwortung und Ihren großen Gestaltungsspielraum als Landesparlament, um Abtreibungen erheblich einzudämmen und über den Bundesrat eine Wende zu erreichen.“ Nur für den Fall, dass die Herren Lohmann und Schneider, die mir dies geschrieben haben, mich hören, möchte ich Folgendes antworten: Wir als Fraktion DIE LINKE nutzen unsere Verantwortung und unseren, wenn auch als Opposition begrenzten, Gestaltungsspielraum im Landesparlament, um das Selbstbestimmungsrecht erheblich zu stärken und über den Bundesrat eine Wende zu erreichen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, können heute auch dieses wichtige Signal setzen, indem Sie unserem Antrag zustimmen. Haben Sie keine Angst, wir fordern darin nicht die Abschaffung der §§ 218 und 219 StGB, auch wenn diese Forderung richtig und notwendig ist. Diese Entscheidung möchten wir Ihnen heute nicht zumuten. Wir bleiben als LINKE realistisch. Unsere Forderungen –

(Alexander Krauß, CDU: „Linkinnen“; das war nicht gendergerecht! – Heiterkeit bei der AfD)

sind lediglich darauf ausgerichtet, die bereits bestehenden Möglichkeiten auszubauen.

Herr Krauß, ich kann Ihnen bei Gelegenheit gerne einmal Nachhilfe in geschlechtergerechter Sprache geben. Wenn Sie das interessiert, dann mache ich das wirklich gerne.

(Beifall bei den LINKEN – Alexander Krauß, CDU: Nachdem nun mittlerweile die Bleistifte bei Ihnen gegendert werden sollen!)

Herr Krauß, dass das Satire war, die Sie nicht verstanden haben, ist Ihnen offensichtlich entgangen.

(Zuruf von der AfD: Wir haben Toasterinnen gekauft!)

Gut, ich möchte zum Thema zurückkehren. Innerhalb der geltenden gesetzlichen Regelungen besteht noch viel Spielraum, um das Recht auf selbstbestimmte Schwangerschaft zu stärken. Im Fokus stehen hier vor allen Dingen die Beratungsstellen. Ich möchte vorab betonen, dass die Beratungsstellen in Sachsen eine gute und wichtige Arbeit leisten. Sie tun dies aber unter schwierigen Bedingungen.

Ich kann mich hierbei auf einen Verweis auf die Pressekonferenz der Liga der Freien Wohlfahrtspflege beschränken, die Anfang August stattgefunden hat. Der Titel lautete wie folgt: „Grund zur Freude, Grund zur Sorge: 25 Jahre Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung in Sachsen – wie geht es weiter?“ Zwei zentrale Forderungen, die sich auch in unserem Antrag wiederfinden: Reduzierung des Eigenanteils und der Verweis darauf, dass die Staatsregierung bei der Minimalforderung des Bundes bleibt, eine Vollzeitberatungskraft auf 40 000 Einwohnerinnen und Einwohner zu finanzieren. Ich muss Ihnen nicht vorrechnen, dass dies bei sinkender Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner zu einem Problem wird, und auch nicht, dass dieses Problem den ländlichen Raum zuerst trifft. Wie hier auf Dauer eine wohnortnahe und plurale Beratung gewährleistet werden soll, das müssten Sie mir erklären.

Ich bin schon darauf eingegangen, dass die Beratungsstellen auch deshalb so wichtig sind, weil sie ein entscheidender Teil der sogenannten Fristenlösung sind. Eine Frau, die ihre Schwangerschaft abbrechen möchte, ist verpflichtet, sich hier beraten zu lassen. Das kann durchaus richtig und hilfreich sein. Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen gegen Kinder entscheiden. Wichtig ist doch, dass sie es nicht aus Gründen tun, die auszuräumen sind.

Es gibt viele persönliche Situationen, in denen die Beratung über rechtliche Fragen, medizinische Aspekte, aber vor allem auch zu Förderungsmöglichkeiten dazu führen kann, dass sich eine Frau für ein Kind entscheidet, weil sie es sich eigentlich wünscht, aber Zukunftsangst hat. Diese Angst ist absolut nachvollziehbar, Kinder sind immer noch das Armutsrisiko schlechthin. Das gilt sowohl für das erste Kind, insbesondere für Alleinerziehende, aber auch für kinderreiche Familien. Ich habe heute Mittag schon etwas zu diesem Thema gesagt und möchte es an dieser Stelle nicht vertiefen. Es muss eine

grundsätzliche Veränderung erreicht werden. Das Mindeste ist doch, über eine Beratung die rechtlichen Möglichkeiten zu vermitteln.

Mindestens genauso wichtig sind die Aufklärung und Information über Schwangerschaftsplanung und Verhütung. Als wir das letzte Mal im Plenum auf Antrag der LINKEN über die Schwangerschaftsverhütung gesprochen haben, sind einige Herren beinahe an ihrem vorpubertären Gekicher erstickt.

(Heiterkeit der Abg. Juliane Pfeil-Zabel, SPD)

Das war sehr entlarvend. Es hat deutlich gemacht, wie wenig Bedeutung Sie diesem Thema beimessen. Sie sollten Ihre Haltung dazu überdenken. Ich empfehle Ihnen, sich einmal mit Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen auszutauschen, die Schulaufklärungsprojekte durchführen. Das würde Ihnen ein realistisches Bild von der Notwendigkeit solcher aufklärenden Beratungen vermitteln.

Wenn es zum Beispiel in der 8. Klasse Mädchen gibt, die nicht einmal wissen, wie Tampons und Binden richtig benutzt werden, dann glauben Sie doch nicht ernsthaft, dass sie über Verhütungsmethoden Bescheid wissen. Angesichts solcher Fälle möchte ich jedoch infrage stellen, ob die entsprechenden Informationen tatsächlich ausreichend und für alle zugänglich sind. Ich denke, es ist einleuchtend, dass Information und Aufklärung über Verhütungsmethoden das wirksamste Mittel gegen ungewollte Schwangerschaften sind, zumindest theoretisch.

Praktisch gilt das natürlich nur, wenn man sich Verhütungsmittel auch leisten kann. Das mag für viele, die noch nie Geldsorgen hatten, unvorstellbar sein. Die Mittel, die aber im Hartz-IV-Satz dafür vorgesehen sind, sind lächerlich gering. Wir müssen es aber gar nicht auf diese Gruppe von Menschen beschränken. Familienplanung darf keine Luxusfrage sein, ebenso wenig wie die sexuelle Selbstbestimmung. Es darf keine Bevorteilung von Besserverdienenden geben. Deshalb möchten wir eine Kostenfreiheit für Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche, wobei logischerweise weniger Abbrüche nötig sind, wenn Verhütung nicht mehr am Geldbeutel scheitert. Dafür soll sich die Staatsregierung im Bund einsetzen.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich komme zu meinem dritten Punkt. Es sollen Sterilisationen wieder in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie aus gesundheitlichen oder privaten Gründen erfolgen. Die Staatsregierung antwortete darauf, dass die Leistungen zur persönlichen Lebensplanung gehören und deshalb – ich zitiere – „ausschließlich auf eigenverantwortlichen Entscheidungen der Versicherten zur Finanzierung dieser Leistungen beruhen“. Das ist, ehrlich gesagt, im Hinblick auf die Kosten schon beinahe zynisch. Menschen, die kein Geld haben, können sich schlecht für eine Finanzierung entscheiden. Damit ist die Familienplanung weiterhin nicht selbstbestimmt.

Ich möchte noch zwei Aspekte unseres Antrags herausstellen. Der erste Aspekt lautet wie folgt: Unsere Forderungen beziehen sich auch auf homo- und bisexuelle sowie auf trans- und intergeschlechtliche Menschen. Wir haben dies nicht extra in die Beschlussfassung integriert, sondern nur in der Begründung klargestellt. Es könnte sein, dass es Menschen in diesem Hohen Haus gibt, die nur in binären Mann-Frau-Beziehungsmustern denken.

(Zurufe von der AfD: Oh!)

Für gleichgeschlechtliche Paare, besonders aber auch für intersexuelle und transgeschlechtliche Menschen, ist die rechtliche Situation weitaus komplizierter. Hierbei besteht ein anderer Beratungsbedarf. Wenn heute eine Transperson ein Kind bekommt, dann ist es immer noch eine Schlagzeile wert. Es wäre also ein wenig zu optimistisch anzunehmen, dass in den Beratungsstellen kein Schulungsbedarf mehr besteht, zumal sich die rechtliche Situation auch immer wieder ändert.

Ich komme zu unserem zweiten Aspekt. Wir haben in unserem Antrag den gestiegenen Bedarf an interkultureller Beratung thematisiert, der durch die gestiegene Anzahl von schwangeren geflüchteten Frauen entsteht. Hierzu war die Antwort der Staatsregierung eigentlich vielversprechend. Es wurde im April zugesagt, den Mehraufwand im Hinblick auf die Haushaltsaufstellung zu prüfen. Wenn ich das richtig sehe, dann ist diese Prüfung entweder nicht erfolgt oder hat einen merkwürdigen Ausgang genommen. Jedenfalls scheint im Haushaltsentwurf nicht mehr Geld eingestellt worden zu sein – oder Sie haben es an einer anderen Stelle als im Einzelplan 08 versteckt. Sagen Sie mir bitte, wo; wir würden uns freuen. Ansonsten ist der Haushalt noch nicht beschlossen. Sie haben durchaus die Chance, noch nachzubessern. So viel möchte ich zunächst zu unserem Antrag sagen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Für die CDUFraktion spricht Frau Abg. Kuge, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Recht auf eine selbstbestimmte Schwangerschaft achten und schützen – der Titel dieses Antrages machte mir Hoffnung. Doch irgendwie wunderte ich mich schon über den Inhalt, der nicht viel Neues enthielt.

Der Entwurf zum Doppelhaushalt ist bereits hier im Landtag eingebracht. Daher frage ich mich, warum wir jetzt im Plenum und nicht im zuständigen Ausschuss darüber diskutieren. Den Antragstellern steht es frei, ihre Wünsche im Rahmen der Haushaltsberatungen geltend zu machen.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Sie können doch auch noch etwas ändern!)

Vonseiten des Sozialministeriums ist hierzu ein guter Entwurf geschaffen worden. Die Mittel für den gestiegenen Bedarf von geflüchteten Frauen sind ebenso berücksichtigt worden. Genauso gibt es die geforderte Beratung zur vertraulichen Geburt in mehreren Beratungsstellen. Meines Erachtens stellt der Freistaat Sachsen mit seinen Akteuren vor Ort ein bedarfsgerechtes Angebot für schwangere Ratsuchende zur Verfügung.

Sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, hierbei bestimmte Schwachstellen kennen, dann bitte ich Sie, diese genau zu benennen und in die Haushaltsverhandlungen einfließen zu lassen.

Hinsichtlich der geforderten Bereitstellung von Informationen ist deutlich zu machen, dass es jetzt schon eine Vielzahl von Informationen gibt, sei es im Internet wie auch in der Druckversion. Bei der Vermittlung in andere Kulturkreise und andere Sprachen darf ich beispielsweise auf die Seite www.zanzu.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verweisen. Dort kann der Besucher zwischen 13 Sprachen wählen, von Rumänisch über Arabisch bis hin zu Russisch. Zur weiteren Vereinfachung werden unterschiedliche Themenbereiche durch Piktogramme veranschaulicht, die der Nutzer anklicken kann. Wer nicht lesen kann, darf hören. Sämtliche Inhalte werden auf Wunsch vorgelesen. Ein Klick auf das Symbol genügt.

Aber das haben Sie doch alles schon gewusst. Wozu der Antrag? Kostenfreie Gewährung des Schwangerschaftsabbruchs und die Pille für alle? Das ist doch nicht Ihr Ernst? Was möchten Sie damit erreichen?

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Das habe ich Ihnen erklärt! – Zuruf von den LINKEN: Die Pille für alle!)

Die Kostenfreiheit schwangerschaftsverhütender Mittel haben wir bereits mehrfach diskutiert. Im Besonderen möchte ich noch einmal auf die Empfänger von Leistungen nach Sozialgesetzbuch und nach Asylbewerberleistungsgesetz erwähnen.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Das sind dort immer Männer, die brauchen die Pille nicht!)

Hier möchte ich noch einmal deutlich machen, dass bei der Berechnung des Regelbedarfes schwangerschaftsverhütende Mittel zu einem bestimmten Ansatz mit eingerechnet werden. Auch wird der Regelbedarf als pauschaler Gesamtbetrag zur freien Verfügung ausgereicht. Schaut man heute ins Internet, so bekommt man 100 Kondome für 7 Euro.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Das ist aber nicht Ihr Ernst, dass das das einzige Verhütungsmittel ist!)

Das war nur ein Bespiel.

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Fahren Sie mal nach Nordsachsen, wie es dort mit dem Internet bestellt ist!)

Für eine Zwischenfrage dürfen Sie gern das Mikrofon nutzen.

Die Änderungen hinsichtlich der Finanzierung der Sterilisation sind bereits durch die Gesundheitsreform 2003 erfolgt. Danach haben Versicherte Anspruch auf Leistungen bei einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation. Eine Änderung ist auf Bundesebene nach meinem Kenntnisstand nicht geplant.