Nur kann es nicht das Ziel sein, dass Sie jetzt passförmig auf Leute eindreschen, bis sie Ihrer Haltung entsprechen. Insoweit müssen Sie also unterschiedliche Haltungen akzeptieren.
Und, ja, die Union ist eine Volkspartei, und diese nimmt für sich in Anspruch, dass sie verschiedene Positionen und Perspektiven in einen Meinungswettstreit trägt, um dann zu einer Mehrheitsmeinung zu kommen. Das ist nichts Ungewöhnliches. Das heißt im Kern Demokratie: Streit um Mehrheitspositionen und deren Akzeptanz. Aber diesbezüglich können Sie ja auch noch ein bisschen nacharbeiten; vielleicht hilft Ihnen auch die Landeszentrale für politische Bildung dabei.
Wenn Sie den Generalsekretär der sächsischen Union hier vorführen, dann muss ich sagen: Unserem Generalsekretär können Sie vielleicht vieles vorwerfen, aber mit Sicherheit keine mangelnde Haltung auch in dieser Frage.
Ich sage es Ihnen noch einmal, damit Sie es zusammenfassend hören: Eine Haltung in der Flüchtlingsfrage ist ganz klar zu sagen: Wir stellen uns der Verantwortung, Menschen in Not zu helfen mit der Möglichkeit, auch hier zu leben und dies durch Maßgaben der Integration zu begleiten. Sie bedingen in sich aber auch eine Grenze des Ganzen, nämlich bei der Frage, ob es tatsächlich um Hilfeleistungen geht oder nicht, um die Frage der Akzeptanz der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der Regeln, und insoweit hat es dann in der Tat auch etwas mit Bautzen zu tun.
Wenn Sie jetzt die Debatte hier ansetzen an einer durchaus missverständlichen Formulierung des Leiters des Polizeireviers Bautzen, – –
Ich komme dann gleich dazu. Ich muss Ihnen deutlich sagen: Sowohl die Polizei in Bautzen als auch der Leiter des Polizeireviers haben nicht nur in Bautzen, sondern auch anderswo eine verantwortungsvolle Arbeit geleistet, und der Mann, den Sie hier kritisieren, ist durch seine internationalen Einsätze mit einer hohen Reputation versehen.
Aber die politische Nebelkerze, die Sie hier zünden, folgt einer einfachen Begrifflichkeit aus dem Standardrepertoire polizeilicher Lageberichte. Man kann über diese Formulierung geteilter Meinung sein, aber „eventbetonter Jugendlicher“ ist etwas, was Sie seit Langem als eine Begrifflichkeit in polizeilichen Lageberichten finden, und insoweit vielleicht eine wunderbare Gelegenheit, dem örtlichen Polizeichef Alltagsrassismus zu unterstellen. Das Problem ist nur: So schön und einfach ist die Welt nicht.
Wahrscheinlich versuchen Sie jetzt hier auf der großen Bühne des Landtags auch weiter das Bild des braunen Sachsen zu erzählen.
Aber ich kann mich auch in Ihrer Kunst versuchen – und ich versuche es an einem anderen Beispiel. Die Bezeichnung „eventbetonter Jugendlicher“ finden Sie durchaus in Polizeiberichten – beispielsweise, wenn es um linksextremistische Ausschreitungen geht. Man braucht sich nur die Polizeiberichte seit Ende des letzten Jahres für die Stadt Leipzig anzuschauen: Es geht vielfach um jugendliche Erwachsene, die sich einen Heidenspaß daraus machen, ihre Freizeit damit zu verbringen, die Leipziger Südvorstadt in ein Schlachtfeld zu verwandeln oder im „Conne Island“ eventorientierte Freizeitangebote für den 3. Oktober 2016 zu planen.
Ich zitiere aus einem solchen Aufruf: „Der 3. Oktober soll für alle Nationalist(innen) und Rassist(innen), ob bürgerlich-demokratisch oder völkisch, zum Desaster werden. Informiert euch und fahrt mit offenen Augen nach Dresden.“ Dieser offene Aufruf, die Einheitsfeierlichkeiten zu stören, gegebenenfalls sogar mit Gewalt; die Tatsache, dass es in Sachsen eine wachsende gewaltbereite linksextremistische Szene gibt, passt aber nicht in Ihr Bild vom braunen Sachsen, da gibt es nämlich zwei gegensätzliche Aufgabenstellungen.
Allerdings gebe ich in einem Punkt recht: Ja, bei dieser linksextremistischen Szene haben wir viel Integrationsarbeit zu leisten, genauso wie im Bereich der rechtsextremistischen Szene.
Es sind also beide Phänomene bei uns existent. Wir haben ein Problem mit Radikalismus in unserer Gesellschaft – sowohl mit links- als auch mit rechtsextremen Rändern, sicherlich auch in Bautzen. Das ist zweifelsohne eine Herausforderung. Wir haben rechtsradikales Gedankengut und es geht von ihnen Gewalt aus, und dem müssen wir uns stellen.
Gleichwohl sind die Gewaltaufrufe von linken Plakataufrufen, wie sie in so manchen Abgeordnetenbüros zu finden sind, genauso wenig tolerabel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Stadt Bautzen ist wieder in die Schlagzeilen geraten – bundesweit. Ich glaube, wir müssen an dieser Stelle noch einmal klipp und klar sagen: Gewalt in einem demokratischen
Einen Rechtsstaat zu verteidigen, bedeutet auch, sich jeder Form der Selbstjustiz zu verwehren. Egal wer angefangen hat – das Opfer, das vermeintliche Opfer hat nicht das Recht, selber zurückzuschlagen, sondern dafür ist die deutsche Polizei da, um sauber zu ermitteln. Auch beim Aussprechen von Strafen sind es die Gerichte, die entscheiden, und nicht Facebook oder das örtliche Landratsamt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir in Bautzen erlebt haben, die Zusammenstöße zwischen jungen Flüchtlingen und Neonazis, sind für mich kein Zufall. Ich glaube, wir erleben das Ergebnis einer bewussten Strategie von rechts außen. Es wurde bewusst provoziert, es wurde bewusst eine Situation der Angst erzeugt, um sich nach diesem Zwischenfall in Bautzen bewusst als Opfer darzustellen: die Neonazis, die „armen“ Opfer von jungen unbegleiteten Flüchtlingen. An dieser Stelle will ich klar sagen: Wer Rettungswagen mit Steinen beschmeißt und Flüchtlinge durch die Stadt jagt, ist kein Opfer!
(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Es klatscht niemand bei der CDU-Fraktion!)
Was mir persönlich leidtut – das sage ich ganz ehrlich –, ist: Ich finde, dass auch die Stadt Bautzen Opfer dieser Neonazis geworden ist. Gerade die Verantwortlichen der Stadt Bautzen haben nach dem Brandanschlag im Frühjahr gezeigt, was es bedeutet, sich zu einer Herausforderung zu bekennen, sich zu einem Problem zu bekennen. Gerade die Zivilgesellschaft in Bautzen hat gezeigt, was es bedeutet, sich der Herausforderung der Integration von Flüchtlingen zu stellen.
Es war genau das Ziel der Aktionen der Neonazis in Bautzen, diese Bemühungen zu torpedieren, und es ist ihnen leider gelungen.
70 Millionen Menschen sind im Moment nach dem UNHCR auf der Welt auf der Flucht, davon die Hälfte Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Diese Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren kommen in Deutschland unter dem Begriff „UMAs“ an.
Wir haben nach den Anschlägen des NSU lange über Sprache in der Politik diskutiert. Ich will noch einmal daran erinnern, weil ich solche Begriffe wie „UMAs“ in der Öffentlichkeit für schwierig halte. Das sind am Ende Kinder und Jugendliche. Sie stehen in unserer Gesellschaft unter einem besonderen Schutz, angefangen von der UN-Kinderrechtskonvention über das deutsche Kinderschutzgesetz bis hin zu den Regelungen des deutschen Jugendstrafrechts.
Wir sagen, wenn diese jungen Menschen eine Grenze überschreiten, dann muss das natürlich Konsequenzen haben, und wenn sich junge Flüchtlinge in Bautzen danebenbenommen haben, dann muss es eine Konsequenz haben. Selbstverständlich! Darüber haben Gerichte zu entscheiden. Unsere Position, unsere Haltung als Gesellschaft gegenüber Jugendlichen ist aber auch, wir reichen ihnen die Hand, um in dieser Gesellschaft weiter dabei zu sein, und kümmern uns um die Probleme dieser jungen Menschen. Deshalb ist die Konsequenz aus Bautzen für mich natürlich als Allererstes, wir müssen Konsequenz vermitteln, aber natürlich auch die Betreuung junger Geflüchteter in Sachsen verbessern, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir müssen außerdem den rechten Hetzern weiter entgegentreten. Ich will noch einmal sagen, auch vor dem Hintergrund der Debatte, die wir heute Morgen über das Thema Anschläge in Dresden geführt haben: Diese Menschen, die so etwas machen, verfolgen zwei Ziele: Das Erste ist, sie wollen direkte Betroffene, nämlich Einrichtungen oder Menschen treffen. Das Zweite ist, sie wollen die Gesellschaft erreichen und uns entsolidarisieren, indem sie Angst verbreiten. Sie wollen, dass sich die engagierten Leute aus Angst in ihr Privatleben zurückziehen. Dankenswerterweise ist von der Menschenkette in Bautzen genauso wie von dem Besuch unserer Minister in Dresden das Zeichen ausgegangen: Wir lassen uns nicht einschüchtern.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Die Fraktion DIE LINKE möchte heute über eventbetonte Jugendliche im Zusammenhang mit Bautzen sprechen. Ein anderer Begriff dafür ist „erlebnisorientierte Jugendliche“ – für diejenigen, die nicht so gut Englisch können. Auch das ist im Polizeisprech möglich und auch üblich.
Mir war allerdings nicht ganz klar, wen Sie meinen, als ich den Titel Ihrer Debatte gelesen habe. Es sind mir drei Gruppen eingefallen, die gemeint sein könnten. Darüber habe ich mir Gedanken gemacht.
Wahrscheinlich – das war mein erster Eindruck – haben Sie die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gemeint, die gar nicht alle minderjährig sind,
(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sie haben also doch nachgedacht! – Carsten Hütter, AfD: Wir reden über Drogenhändler! Werdet doch einmal wach!)
von denen einige älter als 18 Jahre sind, zum Beispiel 20 Jahre alt, die mit Stöcken und Flaschen Polizeibeamte und nicht gewalttätige Menschen angegriffen haben.
Gehen wir einmal zurück zum 9. September. An diesem Tag hat die rechtsextreme NPD eine Demonstration in Bautzen organisiert. Dort sind dieselben Leute aufgefallen. Sie als LINKE haben natürlich versucht, diese Jugendlichen zu integrieren. Es ist Ihnen nicht gelungen; denn Sie sind selbst angegriffen worden. Einer der Haupträdelsführer musste von der Polizei gewaltsam festgenommen werden, weil er versucht hat, die nicht gewalttätigen Demonstranten anzugreifen.
Die Ermahnungen in den Folgetagen haben offensichtlich nicht gefruchtet. So kam es fast täglich zu Streit im Bereich des Bautzener Kornmarktes. Im Übrigen ist das keine Ausnahme für Bautzen. In diesem Bereich Kornmarkt haben wir seit April schon 72 Angriffe bzw. Streitigkeiten erlebt.