Nach Herrn Kollegen Pallas, der für die SPD sprach, spricht jetzt für die AfDFraktion Frau Kollegin Dr. Muster.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun ist es also so weit: Die zweite Beratung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur verfassungsmäßigen Beamten- und Richterbesoldung ist in vollem Gange. Für die Vergangenheit soll die bestehende Unteralimentation beseitigt werden.
Vorausgegangen waren zwei Entscheidungen des Zweiten Senates des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. Mai und 17. November 2015. Die Fraktion DIE LINKE hatte unmittelbar nach der ersten Entscheidung des Verfassungsgerichtes einen Antrag zur amtsangemessenen Besoldung der Richter und Staatsanwälte im Freistaat Sachsen eingebracht. Die Anhörung fand am 2. September 2015 statt. Es war gut, dass es diesen Antrag gab, Herr Bartl. Kriegsentscheidend für die Erhöhung war er nicht. In gewohnter Weise getreu dem Motto „Gut Ding will Weile haben“ reagierte die Staatsregierung recht zögerlich.
Zunächst möchte ich die positiven Aspekte dieses Gesetzentwurfs hervorheben. Erstens: Es ist lobenswert, dass die Staatsregierung mit diesem Gesetzentwurf die Besoldung in einem Gesetz für Richter, Staatsanwälte und Beamte regelt.
Zweitens: Es ist ebenfalls gut, dass das Finanzministerium vorher das Gespräch mit den verschiedenen Interessenvertretern gesucht und mit ihnen eine Vereinbarung abgeschlossen hat und diese Vereinbarung Grundlage für dieses neue Gesetz ist.
Drittens: Es ist ebenfalls gut, dass alle Richter und Beamten Nachzahlungen erhalten, unabhängig davon, ob sie ein Rechtsmittel eingelegt haben oder nicht.
Doch nun zu den Kritikpunkten. Erstens: Die Zeitschiene ist unbefriedigend. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Freistaat aufgegeben, seine Entscheidung bis spätes
tens 1. Juli 2016 umzusetzen. Diesen Zeitplan hat die Staatsregierung offensichtlich nicht eingehalten.
Zweitens: Lassen Sie mich kurz auf den Inhalt der Verfassungsgerichtsentscheidung eingehen. Dr. Söhnen sprach in der Anhörung im letzten September von einem „Mietspiegel für die Besoldung“. Thema der Entscheidung war nicht die amtsangemessene Besoldung von Richtern und Staatsanwälten, sondern – wieder ein Zitat von Dr. Söhnen – „nach unten auszuloten, wie wenig man bezahlen muss, damit es noch verfassungsgemäß ist“. Es geht also um die geringst mögliche zulässige Besoldungserhöhung, also um die absolut unterste Grenze der Alimentierung. Das Gericht nennt diese Grenze evident unzureichend und deshalb verfassungswidrig.
Das Verfassungsgericht attestiert dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum bei der praktischen Umsetzung der amtsangemessenen Alimentierung gemäß Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz. Es beschränkt seine Kontrolle auf die Prüfung des offensichtlichen Ermessensfehlgebrauchs des Gesetzgebers. Es prüft weder Zweckmäßigkeit noch Angemessenheit.
Das Bundesverfassungsgericht hat drei Prüfstufen entwickelt. Für die erste Prüfstufe sind fünf Parameter von Bedeutung. Wenn davon drei Parameter erfüllt sind, so liegt eine Unteralimentation vor.
Es ist schon bemerksenswert, dass das sächsische Finanzministerium in seiner aktuellen Gesetzesbegründung selber schreibt, dass jetzt nur noch zwei von fünf Parametern für die Unteralimentation erfüllt sind. Diese Aussage spricht für sich.
Jetzt möchte ich noch einige generelle Erwägungen anstellen. Das Bundesverfassungsgericht veranlasste im ersten Verfahren eine Sonderauswertung der Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Allein die Zahlen des Statistischen Jahrbuchs waren dem Gericht nicht genug. Es stellte einen Quervergleich der Besoldung des Bundes und der einzelnen Bundesländer an. Diese Überlegungen fanden Eingang in der ersten Prüfstufe im fünften Parameter. Es folgte: Die Abweichung des jährlichen Bruttoeinkommens zum Bund und anderen Ländern darf 10 % in fünf Jahren nicht überschreiten.
Mittlerweile hat ein junger Richter oder Staatsanwalt der Besoldungsgruppe R 1 im Saarland bis zu 20 % weniger Gehalt als ein Berufsanfänger in Hamburg. Es war die CDU-Alleinregierung unter Georg Milbradt als Ministerpräsident, die im Jahre 2003 federführend die Abkopplung der Landesbeamtenbesoldung von der Bundesbesoldung vorantrieb. Das war kurzsichtig und ausschließlich von fiskalischen Interessen geleitet.
Erst im Jahre 1973 hatten sich die Bundesländer mit dem Bund auf gemeinsame Besoldungstabellen geeinigt, damit ein Wettbewerb um die besten Absolventen vermieden wird. Es ist nicht zu übersehen: Der Freistaat Sachsen gilt
nicht als der attraktivste Arbeitgeber für die Spitzenkräfte bei Juristen, Lehrern, Polizisten und Verwaltungsbeamten. Es ist festzustellen, dass besonders gute Absolventen nach Baden-Württemberg und Bayern abwandern.
Der Landtag ist die Legislative. Er hat bei der Besoldung seiner Beamten und Richter einen umfassenden Maßstab anzuwenden. Dieser Maßstab ist weiter als der der Judikative.
Unser Maßstab heißt: Die Besoldung muss angemessen und zweckmäßig sein. Der Abschlussbericht der Kommission zur umfassenden Evaluation der Personalausstattung liegt dem Landtag vor. Die Kernbotschaft: In Sachsen werden bis zum Jahre 2030 circa 50, in vielen nachgeordneten Bereichen bis zu 70 % des Personals in den Altersruhestand gehen.
Nein, Herr Präsident. – Sachsen steht im Wettbewerb mit den anderen Bundesländern. Dass dies bei dem ungleichen Steueraufkommen auch ein ungleicher Wettbewerb ist, brauche ich nicht zu betonen. Sachsen muss sich die unbequeme Frage stellen: Was sind mir eine funktionierende Justiz, Verwaltung und Polizei wert? Natürlich möchte Sachsen bei der Besetzung von Richter- und Beamtenstellen unter den besten Absolventen eines Jahrgangs auswählen und dann auch unter den Besten die Unabhängigen. Diese Leistungsträger gehen aber nur in den öffentlichen Dienst bei einer ordentlichen Bezahlung. In der Bezahlung drückt sich auch eine Wertschätzung aus.
Ich könnte die Liste noch fortführen, aber trotz aller vorgetragenen Bedenken ist dieses Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung. Es darf auch nicht vergessen werden, dass schon dieser Schritt, die Mindestvariante der Besoldungsanpassung, den Freistaat Sachsen im Jahre 2016 mehr als 200 Millionen Euro kostet.
Für die AfD-Fraktion hörten wir gerade Frau Dr. Muster. Wir hören für die Fraktion GRÜNE Herrn Kollegen Lippmann. Entschuldigung, ich sehe eine Kurzintervention. Diese hat natürlich Vorrang. Sie bezieht sich auf den Redebeitrag von Frau Dr. Muster. Die Kurzintervention kommt von Herrn Kollegen Michel.
Danke, Herr Präsident. Weil eine Frage nicht möglich war, möchte ich das Mittel der Kurzintervention nutzen. Ich möchte klarstellen, dass wir absolut im Einklang mit dem Urteil sind. Das Bundesverfassungsgericht hat Folgendes gesagt: „mit Wirkung zum“
und nicht „bis“. Wir sind mit der Entscheidung absolut konform. Das möchte ich klarstellen, damit das nicht falsch im Raum steht.
Herr Kollege Michel, Sie haben völlig recht. Der Wortlaut ist mir bekannt. Weil wir aber noch keine Abstimmung vorgenommen haben und das Gesetz noch nicht in Kraft ist, war mein Tatbestand richtig.
Jetzt geht es in der Rednerrunde weiter. Das Wort hat für die Fraktion GRÜNE Herr Kollege Lippmann. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Michel, als ich am 11. September 2016 die Pressemitteilung mit dem Titel „Die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtags hat dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Umsetzung des Besoldungsurteils des Bundesverfassungsgerichts zugestimmt“ las, bin ich – ehrlich gesagt – fast vom Stuhl gefallen. Erstens: Was ist das für eine Arroganz gegenüber dem Gesetzgeber? Die Entscheidung treffen wir hier und heute. Sie wird nicht in der CDU-Fraktion getroffen.
Zweitens ist es eine Arroganz gegenüber dem Bundesverfassungsgericht. Dieses musste Sachsen erst verpflichten, bis Juni 2016 eine Besoldung in einem verfassungskonformen Zustand vorzunehmen.
Drittens ist dies aber vor allem eine Arroganz gegenüber den Tausenden Beamtinnen und Beamten des öffentlichen Dienstes im Freistaat Sachsen, die in den vergangenen Jahren mit hoher Qualität ihren Job erfüllt haben und denen so häufig vonseiten der CDU-geführten Staatsregierung Knüppel in die Beine geschlagen wurde.
Neben dem heute hier Behandelten sei nur auf das Desaster bei dem Thema Widersprüche bei der altersdiskriminierten Besoldung vor Jahren verwiesen. Wie Hohn klingt es – Herr Michel, Ihre Rede war auch nicht anders –, wenn Sie sagen, dass Sie als CDU-Fraktion die Arbeit der Beamtinnen und Beamten schätzen. Offensichtlich haben wir einen unterschiedlichen Ansatz, was schätzen heißt. Das nehme ich einmal aus dieser Debatte mit.
Alles andere wäre ein geschichtlich evidenter Unfug. Dazu brauchte es nicht des Bundesverfassungsgerichts, um das festzustellen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Besoldung sächsischer Beamtinnen und Beamter Ende letzten Jahres war ein Paukenschlag. Es war ein Paukenschlag, der sich aber bereits mit einem Trommelwirbel angekündigt hatte.
Bereits ein halbes Jahr zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zur Besoldung der Richter
und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt hohe Maßstäbe an die Angemessenheit der Besoldung angelegt. Es war klar, dass dies unmittelbare Auswirkungen auch auf die ABesoldung haben würde. Es hat uns in gesetzgeberhafter Formelhaftigkeit klargemacht, dass die Angemessenheit der Besoldung von Beamtinnen und Beamten – das ist heute schon mehrfach ausgeführt worden – anhand von fünf aus dem Alimentationsprinzip ableitbaren und volkswirtschaftlich nachvollziehbaren Parametern zu prüfen ist. Seien drei der fünf Parameter nicht erfüllt, bestehe die Vermutung der unangemessenen Beteiligung an der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des Lebensstandards, also eine verfassungswidrige Unteralimentation, so das Bundesverfassungsgericht.
So weit die Theorie, die nun Grundlage für die Berechnung der Besoldungsanpassung auch in diesem Gesetzentwurf ist. Mit Blick auf die Begründung des Gesetzentwurfs möchte ich sagen, dass das, was vorliegt, geradezu vorbildlich ist. Es ist äußerst umfangreich und sehr gut nachvollziehbar, was das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hergegeben hat. Aus der Anhörung ist aber eines deutlich geworden: Aus dieser Anforderung an die Begründung wird der Gesetzgeber als Gesetzgeber zukünftig im Besoldungsrecht maßgeblich gehemmt. Diese umfassenden Berechnungen anzustellen ist der Landtag allein kaum in der Lage. Vielmehr braucht es in der Regel die Staatsregierung. Das ist ein Grund mehr, den Vorschlag, den meine Fraktion schon mehrfach eingebracht hat, einen jährlichen Besoldungs- und Versorgungsbericht zu erstellen, noch einmal eingehend zu prüfen. Damit wird der Landtag tatsächlich in die Lage versetzt, hier nachzusteuern, ohne dass es die Staatsregierung braucht. Schließlich sind wir die gesetzgebende Gewalt.
Mit Blick auf die klagegegenständliche A-10-Besoldung stellte das höchste deutsche Gericht klar und deutlich fest, dass die wesentliche Ursache der Unteralimentation die Streichung der Jahressonderzahlung im Jahr 2011 war. Herr Michel, Sie können das drehen und wenden, wie Sie möchten, ob das Bundesverfassungsgericht nun die Streichung der Jahressonderzahlungen beanstandet hat oder nicht. Faktisch hat es gesagt, dass das die Ursache war, dass es am Ende zu dieser evidenten Unteralimentation gekommen ist.
Noch etwas schrieben die Richter der CDU-geführten Staatsregierung und damaligen Landtagsmehrheit in das Stammbuch hinein: Die Streichung des damaligen Weihnachtsgeldes war weder hinreichend begründet noch rechtfertigte der pauschale Hinweis auf die geringe Wirtschaftskraft und hohe Arbeitslosigkeit in Sachsen das Vorliegen einer Phase konjunkturellen Abschwungs die Streichung, zumal sich das Bruttoinlandsprodukt sowohl 2010 als auch 2011 um über 4 % steigerte. Die Notwendigkeit einer Haushaltskonsolidierung war somit erfunden.
Das Gericht zählt zudem in seinem Urteil all jene anderen Einschnitte auf, die sächsischen Beamtinnen und Beamte
bereits Jahre zuvor hinnehmen mussten und in der Zusammenschau zu einer Aufzehrung der Bezüge führte: Einführung des jährlichen Selbstbehalts bei der Beihilfe, Absenkung des Erstattungsersatzes für zahntechnische Leistungen, Kürzung der Besoldung zur Bildung einer Versorgungsrücklage und Absenkung des Pensionsniveaus. Was sich wie ein Konglomerat der Grausamkeiten liest, war jahrelange Besoldungspolitik in Sachsen. Die Beamtinnen und Beamten – vor allen Dingen aus der Sicht des Finanzministers – sollten die Spardose in wirtschaftlich schlechten Zeiten sein.
Meine Damen und Herren von der CDU und der CDUgeführten Staatsregierung, die diese Unteralimentation sächsischer Beamtinnen und Beamten zu verantworten haben! Sie hatten mehrfach die Gelegenheit, Ihre Entscheidung zu revidieren. Nicht nur die Fraktion DIE LINKE, deren Gesetzentwurf heute bereits angesprochen wurde, sondern auch meine Fraktion hat im Haushaltsverfahren bei der Dienstrechtsneuordnungsreform mehrfach Gesetzentwürfe vorgelegt, die dieses Problem angegangen – vielleicht nicht vollständig geheilt –, aber zumindest abgemildert hätten. In den Stellungnahmen diverser Sachverständiger ist dies in der Vergangenheit deutlich gesagt worden. Sie haben dies ignoriert. Sie haben die Entscheidung zu Sachsen-Anhalt ignoriert. Sie mussten sich logischerweise vom Bundesverfassungsgericht eine Klatsche einholen.