Wir fragen aber, warum mit Punkt II desselben Antrags das Ergebnis dieser Bestandsaufnahme bereits als vorweggenommen erscheint, wenn offenbar davon ausgegangen wird, dass das Bewusstsein der Bevölkerung zu den genannten Themen für Prävention nicht ausreichend ist.
Unserer Ansicht nach unterliegt Prävention zuvorderst der Eigenverantwortung eines jeden Bürgers, auch wenn die bekanntermaßen unterschiedlich ausgeprägt ist, und bemisst sich nicht allein an der Teilnahmequote an Vorsorgeuntersuchungen oder an Impfquoten. Es gibt viele andere Faktoren, die uns bewusst sind: soziale, psychologische, gesunde Ernährung, Sport, einen Ausgleich zwischen Arbeit, Schule und Freizeit und auch die Stärkung des individuellen Immunsystems, die wir als Diskussionsfaktoren benennen müssen und die uns in diesem Antrag gänzlich fehlen.
Deutschland hat ein hoch entwickeltes Gesundheitssystem, das nicht daran krankt, dass es zu wenig Diagnostik oder Therapiemöglichkeiten gibt, sondern daran, dass der Verwaltungsaufwand bei Ärzten und Pflegern seit Jahren massiv zunimmt, dass für die ebenfalls für die Gesundheit oder die Gesundung notwendige Arzt-Patient-Beziehung und für ausführliche Gespräche zwischen beiden über die akuten Krankheitssymptome hinaus viel zu wenig Zeit vorhanden ist.
Die AfD-Fraktion wird sich gern an einer differenzierten Diskussion über ein umfassendes, ein ganzheitliches Präventionsgesetz in Sachsen und auf Bundesebene
beteiligen. Dieses muss aber auch im Blick behalten, dass aufgrund des vorhandenen Kostendrucks mehr Prävention nicht automatisch mit mehr medizinischer Intervention gleichgesetzt werden darf. Vor allen Dingen dürfen wir nicht vergessen, dass Prävention bei aller Fürsorge des Staates immer eine eigenverantwortliche und individuelle Entscheidung bleibt und auch zukünftig bleiben muss.
Deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. Wenn es eine getrennte Abstimmung nach Ziffern geben sollte, dann werden wir dem Punkt I zustimmen, ansonsten werden wir uns der Stimme enthalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der erste gesundheitspolitische Antrag der neuen sächsischen Koalition ist ein Start, aber kein starker Start. Sie wollen eine Bestandsaufnahme der bisherigen Maßnahmen. Dafür wollen Sie sich ein Jahr Zeit nehmen. Die Ziele der Überprüfung sind aber nicht konkret beschrieben.
Im Koalitionvertrag haben Sie große Gesundheitsziele vereinbart: zum Beispiel gesund aufwachsen oder aktives Altern. Im Antrag heißt das jetzt, dass wir alle öfter zur Vorsorgeuntersuchung gehen und uns vielleicht besser impfen lassen sollten.
Das ist uns etwas dünn. Der Blickwinkel auf die Gesundheitsförderung in diesem Antrag ist aus unserer Sicht zu eng gefasst, wenn es nur darum geht, die bestehenden Gesundheitsziele noch stärker auf die zukünftigen Herausforderungen einer altenden Gesellschaft auszurichten.
Meine Damen und Herren! Gesundheitsprävention ist noch viel zu oft auf ärztliche Leistungen konzentriert. Die Kassen betreiben aktive Gesundheitsförderung durch eigene Bonusprogramme. Damit wird Gesundheitsförderung allerdings auf das Verhalten des Einzelnen reduziert. Unsere Gesundheit wird doch aber nicht nur durch unser individuelles Verhalten beeinflusst, sondern ganz entscheidend durch die Lebens- und Umweltbedingungen wie hohe Belastungen im beruflichen Umfeld, das große Thema der prekären Beschäftigungen, Existenzsorgen, Stress, schädliche Chemikalien, multiresistente Keime und der große Bereich der gesundheitsschädlichen Umwelteinflüsse.
Meine Damen und Herren! Die negativen Einflüsse auf die Gesundheit sind so vielfältig, dass Gesundheitsförderung und Prävention in verschiedenen und größeren Politikbereichen verankert werden muss, zum Beispiel beim Umwelt- und Verbraucherschutz oder in der Sozialpolitik, in den Schulen, beim Städtebau, in der Verkehrspolitik, aber vor allem auch in der Landwirtschaft. Wir GRÜNEN verstehen Gesundheitspolitik als eine Quer
schnittsaufgabe und das heißt zum Beispiel: besserer Zugang zu gesunden Lebensmitteln, verbraucherfreundliche Kennzeichnung der Inhaltsstoffe, aktive Luftreinhaltung, Lärmschutz, eine andere Landwirtschaft.
Meine Damen und Herren, als langjähriger Sozialarbeiter weiß ich, dass die Menschen, die soziale Unterstützung benötigen, nachweislich die größte Risikogruppe für gesundheitsschädliche Einflüsse bilden, und das eben oft unverschuldet. Der gesunde Lebenswandel, den Sie erreichen wollen, ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Ich vermisse in Ihrem Antrag aber auch neue Akzente im sächsischen Gesundheitszieleprozess. Ich habe mir einmal angeschaut, was andere Bundesländer machen. Thüringen oder Rheinland-Pfalz zum Beispiel arbeiten an einer besseren Prävention in der Behandlung von Depressionen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es ein größeres Engagement bei der psychiatrischen Versorgung. Mehrere Bundesländer haben die Palliativ- und Hospizversorgung als Gesundheitsziel benannt. Baden-Württemberg hat zum Beispiel die betriebliche Gesundheitsförderung als Gesundheitsziel verankert.
Der dritte Punkt in Ihrem Antrag sagt sehr wenig bis gar nichts aus. Welche konkreten Maßnahmen Sie zur Gesundheitsförderung auf Bundesebene unterstützen wollen, ist darin nicht zu erkennen. Auch dort wird die Verantwortung für die Gesundheitsförderung wieder nur auf Ärzte und Kassen abgeschoben. Prävention – das ist bei einigen Vorrednern schon deutlich geworden – ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die es eine staatliche Verantwortung gibt, der Sie sich nicht entziehen sollten.
Mehr als eine Bestandsaufnahme und ein mehr oder weniger „Weiter so!“ bieten Sie uns heute erst einmal nicht. Wir brauchen in Sachsen eine kritische Überprüfung der derzeitigen Gesundheitsziele und eine Diskussion über neue Gesundheitsziele der Zukunft. Der Antrag ist nicht falsch, aber doch weitgehend inhaltsleer. Nur diesen Allgemeinplätzen zustimmen wollen wir nicht; deswegen werden wir uns heute enthalten. Wir sind aber gespannt auf das, was Sie uns in einem Jahr berichten werden.
Wird vonseiten der Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich die Staatsregierung; Frau Staatsministerin, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Vielen Dank für diesen Antrag – ich unterstütze ihn gern.
Prävention und Gesundheitsförderung sind letztlich grundlegende Werte und handlungsleitende Ziele in Sachsen – und sie bleiben es auch. Die Sächsische Staatsregierung hat sich bereits 2004, 2009 und auch im aktuel
len Koalitionsvertrag ganz klar dazu bekannt. Konkret steht geschrieben, „dass wir den Handlungszieleprozess fortschreiben wollen und dafür eine Bestandsaufnahme der Ergebnisse der bisherigen Arbeit vornehmen“. – So ist es im Koalitionsvertrag festgehalten.
Es wird auch für meine Arbeit im Sozialministerium wichtig sein, sowohl eine Bestandsaufnahme vorzunehmen als auch darauf aufzubauen und auf den Grundlagen aufzusetzen, um gemeinsam mit den Partnern, gemeinsam mit weiteren Akteuren in die nächste Phase eintreten zu können. Sie sehen, am Punkt 1 dieses Antrages wird in meinem Haus bereits gearbeitet.
Zu Punkt 2 des Antrages. Unsere Aufgabe ist zum einen, den Einzelnen zu einem gesünderen Verhalten zu motivieren. Zum anderen muss dies damit einhergehen, dass die gesundheitsfördernde Gestaltung von Rahmenbedingungen, von sogenannten Lebenswelten, stimmt – sei es in der Kita oder sei es im Betrieb.
Schließlich muss unser Handeln ein gelungenes Zusammenspiel von Verhaltens- und Verhältnisprävention ergeben; denn nur, wenn wir jeden Einzelnen in seiner Lebenswelt abholen, werden unsere Maßnahmen greifen und in letzter Instanz auch die Sozialversicherungssysteme mit entlastet werden. Der Antrag selbst formuliert bereits einzelne Schwerpunkte.
Sie haben sicherlich in den letzten Tagen den Krebsbericht gelesen und den Statistiken entnehmen können, wie wertvoll und wie wichtig Vorsorgeuntersuchungen sind; denn anhand der Zahlen war dies ganz deutlich abzuleiten. Ja, wir müssen Frauen und Männer noch mehr davon überzeugen, dass die gezählte Vorsorge wichtig ist und dadurch im Krankheitsfall die Heilungschancen verbessert werden.
Zur Vorsorge gehört im weiten Sinne auch die gesundheitsbewusste Lebensführung, die die Entstehung vieler Krankheiten bereits verhindern kann. Zwar wird immer mehr die Bedeutung einer nachhaltigen gesundheits- und umweltbewussten Lebensweise erkannt – vor allem auch von unseren jüngeren Menschen –, aber die Bereitschaft, einen gesunden Lebensstil dauerhaft beizubehalten – darin stimmen Sie mir sicher zu –, ist bei Weitem noch sehr ausbaufähig. So ist belegt, dass schon jetzt immer mehr Kinder und Jugendliche an Diabetes Typ 2 erkranken. Hier ist präventives Handeln das Gebot der Stunde. Genau das tun wir im Gesundheitsziel: Diabetes mellitus – Erkrankungsrisiko erkennen, Erkrankte früh behandeln.
Strukturierte Präventionsprogramme, die gezielt Hochrisikopersonen für Typ-2-Diabetes ansprechen, existieren weltweit kaum. Aber bei uns im Freistaat Sachsen existieren solche Programme. So werden bei uns erfolgreich Präventionsmanagerinnen und -manager ausgebildet.
Schauen wir auf das Thema Impfen, so wird die gesundheitsbewusste Lebensführung auch dort ein wichtiger Schwerpunkt sein. Kinder sind bei uns in Sachsen ganz gut durchgeimpft; allerdings entstehen kleinere Lücken bereits im Jugendalter, wenn Impfungen wieder aufge
frischt werden müssen. Genau dort müssen wir jetzt nachjustieren. So gibt es aus dem Sozialministerium heraus eine Aktion, bei der Karten verschickt werden, die gezielt auf diese Wiederholungsimpfung hinweisen. Oder ich erinnere an die Broschüre „Sachsen impft“. Der jährliche aktuelle Impfkalender und das Faltblatt „Impfungen zum Schulbeginn“ bieten den Eltern wichtige Informationen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, zu Punkt 3 des Antrages hat sich mein Haus in die Erarbeitung des Präventionsgesetzes aktiv eingebracht, wenngleich noch nicht alle Vorschläge von uns aufgegriffen wurden und in das Gesetz gemündet sind.
Begrüßen möchten wir, dass die finanziellen Mittel aufgestockt wurden. Positiv für uns ist ebenfalls, dass in dem Entwurf stärker auf sozial benachteiligte Gruppen abgestellt wurde und dass die Stärkung der betrieblichen Gesundheitsförderung, insbesondere die enge Verzahnung mit dem Arbeitsschutz, aus unserer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Ich bin gespannt – denn gleichzeitig wird heute das Bundespräventionsgesetz im Bundeskabinett zur Diskussion gestellt –, welche Ergebnisse oder Ableitungen daraus hervorgehen werden. Wir als Freistaat Sachsen werden weiterhin aufmerksam an dem Bundespräventionsgesetz beteiligt sein. Wir werden unsere Vorstellungen einbringen und uns bei der Evaluierung des Gesundheitszieleprozesses weiterhin aktiv engagieren. Wir werden sehen, an welchen Stellen wir nachjustieren müssen. Letztlich wird auch das Grundlage meiner weiteren Arbeit sein.
Ich möchte Sie bitten und ermuntern, sich dabei einzubringen. Es wird wichtig für uns sein, ressortübergreifend zusammenzuwirken und mit den Netzwerken, die schon existieren, bei diesem Thema weiter zusammenzuarbeiten.
Ich bitte Sie daher, diesem Antrag zuzustimmen, und freue mich auf eine weitere Zusammenarbeit mit Ihnen zu diesem gesundheitsfördernden Thema.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen die Gesundheitsziele unterstützen. Ich bin der Abgeordneten Neukirch sehr dankbar, dass sie noch einmal unterstrichen hat, dass wir die Akteure beteiligen wollen.
Ich richte mein Petitum jetzt an die GRÜNEN: Herr Zschocke, Sie haben jetzt die Möglichkeit – zum Beispiel, indem Sie dem Antrag zustimmen –, die Beteiligung wahrzunehmen; Sie haben es in dem letzten Tages
ordnungspunkt kritisiert – im Übrigen zu Unrecht. Die Möglichkeit haben Sie also jetzt. Machen Sie einfach mit.
An DIE LINKE gerichtet: Frau Kollegin Schaper, ich bin sehr beeindruckt, wie schnell Sie sich in den Landtag eingelebt haben und wie schnell Sie die Parolen einiger Kolleginnen und Kollegen aus Ihrer Fraktion übernommen haben, wenn Sie von sozial bedingter Ungleichheit der Krankenversorgung sprechen. Das finde ich schon bemerkenswert. Denn ich kenne kaum ein Land, das es mit Deutschland im Bereich der Gesundheitsversorgung aufnehmen kann. Wir haben eine exzellente Gesundheitsversorgung, und wir müssen alles dafür tun, dass das so bleibt. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, es ist punktweise Abstimmung beantragt worden. Ich rufe jetzt die Drucksache 6/452 auf. Ich beginne mit
Punkt I. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen ist dem Punkt I mit großer Mehrheit zugestimmt worden.