Protocol of the Session on December 17, 2014

Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 25 Minuten, SPD 18 Minuten, AfD 14 Minu

ten, GRÜNE 10 Minuten, Staatsregierung je 10 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen nun zu

1. Aktuelle Debatte

Asyl und Integration in Sachsen – Unsere Verantwortung im Rahmen

der europäischen und bundesdeutschen Flüchtlings- und Asylpolitik

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort. Für die einbringende CDU-Fraktion ergreift Herr Kollege Hartmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt wohl wenige Themen, die derzeit so intensiv, so emotional und so kontrovers diskutiert werden wie die Fragen des Asylrechts und der Unterbringung von Menschen, die in unserem Land Hilfe und Schutz suchen.

Das ist keine Diskussion, die sich nur auf Dresden und auf Sachsen beschränkt, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Diskussion, die uns auch vor Herausforderungen stellt. Heute geht es um die Frage, welche Verantwortung Sachsen dabei hat. Es geht aber auch um die Frage, welche Verantwortung die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland haben. Sie gestatten, dass ich in meine Rede einführe mit dem Blick auf die Europäische Union und die Asylsituation in Europa insgesamt.

Wir stehen vor der Herausforderung, dass sich weltweit 55 Millionen Menschen auf der Flucht befinden und Hilfe und Asyl zum Teil in Nachbarländern, zum Teil aber auch in Europa suchen. Das ist verständlich und legitim. Wir haben in Deutschland klare Rechtsvorschriften und Regeln, wie wir dieses Thema miteinander vereinbart haben. Zum einen gilt das im Sinne von Artikel 16 a des Grundgesetzes, auch eingedenk unserer eigenen Geschichte und der unserer Väter, die ebenfalls wussten, was Flucht und Vertreibung bedeutet. Insofern haben wir eine besondere Verantwortung wahrzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben uns darüber hinaus in internationalen Vereinbarungen wie beispielsweise der Genfer Flüchtlingskonvention zu Hilfe und Unterstützung verpflichtet. Daraus resultiert die klare Erkenntnis, dass der, der Schutz sucht und sich in Not befindet, Hilfe bei uns finden kann. Es sind aber auch Grenzen definiert.

Gestatten Sie mir, jetzt noch einmal den Blick auf die Europäische Union zu richten. Wenn 480 000 Menschen in Europa Schutz und Unterkunft suchen, dann ist es nicht verständlich, warum die Hälfte oder fast die Hälfte davon nach Deutschland kommt. Dann ist dringend die Frage zu stellen, was die Europäische Gemeinschaft mit 28 Mitgliedsstaaten in ihrer Verantwortung und in Umsetzung der Dublin-III-Verordnung gemeinschaftlich wahrnimmt. Diese Diskussion müssen wir aus Sachsen in die Bundesregierung tragen. Auch die Vertreter im Europäischen Parlament müssen die Frage diskutieren, was eine gesamteuropäische Lösung für die anstehenden Herausforderungen bedeutet.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Wenn die Situation so ist, dass in diesem Jahr wahrscheinlich 220 000 Menschen in Deutschland Hilfe und Unterstützung suchen, dann steht auch die Bundesregierung vor der Herausforderung, die Frage zu beantworten, wie sie im Bundesamt für Flüchtlinge und Migration die Personalausstattung so gestalten kann, dass eine entsprechende Verfahrensbearbeitung rechtzeitig erfolgt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Herausforderung bedeutet – um das noch einmal ganz klar zu sagen: Im Jahr 2008 gab es deutschlandweit

28 000 Flüchtlinge, im Jahr 2010 48 000 Flüchtlinge und im Jahr 2012 77 000 Asylbewerber und Flüchtlinge. Die Realität im Jahr 2014 sind 220 000 Flüchtlinge. Das heißt, wir haben mit Blick auf 2008 fast eine Versiebenfachung der Zahlen. Das stellt uns vor die Herausforderung, die Personalausstattung so zu gestalten, dass der, der einen Anspruch hat, seinen Status schnell und klar geklärt bekommt, und dass der, der diesen Anspruch nicht hat, sehr schnell weiß, dass es so ist, und wieder in sein Heimatland zurückgeführt wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Teil der Wahrheit ist Asylrecht mit einer gesellschaftlichen Verantwortung für eine Begleitung dieser Menschen, die Unterbringung, eine angemessene Lebensführung auf der einen Seite, aber eben auch für die, die diesen Anspruch nicht haben, die konsequente Rückführung.

Insoweit stehen wir vor der Frage: Wie gehen wir mit den Menschen um, die bei uns Heimat und Unterstützung suchen? Auch hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, gilt es, die Begrifflichkeiten stärker als bisher abzugrenzen; denn nicht jeder, der hier als Flüchtling oder Asylbewerber kurzfristig Schutz sucht, –

Die Redezeit ist zu Ende.

– hat einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland, sondern vielleicht nur einen vorübergehenden. Insoweit sind die Integrations- und die Asylpolitik an diese Herausforderungen anzupassen.

Die Redezeit ist zu Ende.

Ich freue mich auf die zweite Runde.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der AfD und der Staatsregierung)

Das war Kollege Hartmann. Er sprach für eine der beiden einbringenden Fraktionen, für die CDU-Fraktion. – Als nächster Redner folgt ihm Kollege Pallas für die ebenfalls einbringende SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Angesichts der aktuellen Diskussionen über die Asylpolitik habe ich mir in den vergangenen Tagen einige Artikel zur Asyldebatte der Achtziger- und Neunzigerjahre angeschaut. Mir fiel auf, dass sich einige der damals virulenten Kampfbegriffe in Teilen der heutigen Debatte durchaus wiederfinden. Damals war die Rede von Asylbetrug, Abschottung und „das Boot ist voll“.

Man glaubte damals, dass mit dem schmerzhaften Asylkompromiss dieses gesellschaftliche Problem gelöst sei.

Aber inzwischen tauchen solche oder ähnliche Begriffe wieder auf. Es ist wahr: Die Anträge auf Asyl und die Flüchtlingszahlen steigen. Allerdings haben wir – wie eben schon gehört – gerade einmal die Hälfte des Wertes aus dem Spitzenjahr 1992 erreicht, in dem an die 440 000 Asylanträge gestellt wurden.

Was sollen wir tun? Die gesetzlichen Rahmen für die Asyl- und Migrationspolitik werden inzwischen fast ausschließlich auf europäischer und Bundesebene gestaltet. Aber auch der Freistaat Sachsen, die Staatsregierung, dieses Haus hier, wir alle stehen in der Verantwortung, diesen Rahmen mit Leben zu erfüllen. Wir stehen in der Verantwortung für die Menschen in Sachsen, nicht nur für die Asylsuchenden und Flüchtlinge, die hierherkommen, die wir menschenwürdig unterbringen und gut betreuen müssen, deren Asylverfahren noch zu häufig viel zu lange dauern, bis sie wissen, ob und welche Perspektive sie hier in Sachsen bekommen. Die Verfahren müssen insgesamt schneller und so rechtssicher wie möglich geführt werden, damit diese Personen schnell eine Perspektive bekommen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der AfD)

Wir haben aber auch Verantwortung gegenüber den Männern, Frauen und Kindern, die bereits eine Perspektive in Sachsen bekommen haben, sei es als Zuwanderer, als anerkannte Asylbewerber oder Flüchtlinge. Diese müssen und wollen wir integrieren. Ihnen wollen wir echte Teilhabe an unserer Gesellschaft zuteilwerden lassen, sei es im gesellschaftlichen Bereich, bei den Bildungschancen oder beim Zugang zum Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Schließlich haben wir auch Verantwortung den Menschen gegenüber, die in Sachsen leben. Es gibt einige, die aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen verunsichert sind, sich nicht gehört fühlen. Deren diffusen Ängsten müssen wir immer wieder durch Transparenz, Fakten und fortwährende Gesprächsangebote begegnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Ich weiß, viele von Ihnen tun das bereits. Auch ich habe in den letzten Wochen Gespräche mit solchen verunsicherten Bürgern geführt. Nicht mit jedem konnte ich einen gemeinsamen Nenner finden. Aber immerhin wurde honoriert, dass gesprochen wurde. Ich glaube, dass diese Debatte nur vernünftig geführt werden kann, wenn wir alle mitmachen, damit aus Angst nicht Hass wird.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Ich habe auch diejenigen im Blick, die an verschiedenen Stellen im Freistaat Sachsen mit Asylsuchenden arbeiten. Das sind die Mitarbeiter in den Sozialämtern, Ausländerbehörden, in den Gemeinschaftsunterkünften. Das sind Sozialarbeiter und die vielen ehrenamtlichen Helfer, die sich tagtäglich bemühen, den Menschen ein menschenwürdiges Leben zu bereiten. Ich habe auch die Kolleginnen und Kollegen der Polizei im Blick, die nicht selten

mit schwierigen Zuständen und Konflikten in den Gemeinschaftsunterkünften konfrontiert sind und – auch das gehört dazu – die Abschiebung von Ausreisepflichtigen durchsetzen müssen.

Sie alle haben es verdient, dass wir alles daran setzen, den Umgang mit Asylsuchenden und das Asylverfahren insgesamt so menschenwürdig, eindeutig und verständlich wie möglich zu gestalten. Dazu gibt es konkrete Entwicklungen in der EU und im Bund, die Auswirkungen auf Sachsen haben werden. Ich möchte schlaglichtartig einige Beispiele ansprechen. Auf europäischer Ebene wird über die europaweite Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten diskutiert. Es geht um die Steuerung von Flüchtlingsströmen und die gerechtere Verteilung der Menschen, die hierherkommen, auf die einzelnen Mitgliedsstaaten.

Eine Quotenregelung konnte sich bisher nicht durchsetzen. Das wäre das Ende von Dublin III. Aber in der Tendenz werden wir in Deutschland und auch in Sachsen mehr Flüchtlinge und Asylsuchende aufnehmen müssen. Meine Damen und Herren, das ist völlig in Ordnung so.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Die Redezeit geht zu Ende, Herr Kollege Pallas.

Dann werden wir einiges in der zweiten Runde besprechen, insbesondere die Bundesangelegenheiten.

Ich möchte mit der Bitte an Sie, an uns alle schließen, dass wir weiter gemeinsam für die Menschen hier in Sachsen Verantwortung übernehmen, für die, die hier wohnen, und die, die hierherkommen, damit wir die Diskussionen in vernünftige Bahnen lenken, damit wir über Zuwanderung, Asyl, Integration und Teilhabe reden können.

Die Redezeit ist zu Ende.

Dann verhindern wir eine erneute Asyldebatte wie in den Neunzigern.

Vielen Dank.