Etwa 70 % haben kein Aufenthaltsrecht und müssen aufgrund eines fehlenden Einwanderungsrechtes dieses Asyl- und Flüchtlingsrecht benutzen, um nach Deutschland zu kommen. Das kann man diesen Menschen nicht verdenken. In der Tat, Herr Gebhardt, Sie haben recht. Jeder darf versuchen, ein anderes Land zu finden, in dem er leben möchte. Das beinhaltet aber mitnichten den Anspruch auf Sozialleistungen. Das beinhaltet mitnichten den Anspruch, dort in ein Asylverfahren einzutreten, noch dazu, wenn die Mitwirkungspflicht der Antragsteller, wie wir alle aus den Behörden wissen, häufig nicht erfüllt oder sogar missbraucht wird, indem Pässe nicht vorhanden sind, indem Asylverfahren Monate und Jahre dauern, weil die Behörden gar nicht feststellen können, woher die Antragsteller kommen.
Wenn Sie das nicht glauben, dann reden Sie doch mit den Mitarbeitern aus den Asylbehörden. Die werden Ihnen genau das bestätigen.
Was passiert in der Debatte? Da passiert ein ganz perfides Spiel nach dem Motto: Haltet den Dieb! Nicht nur, dass Sie sich nicht umdrehen und sagen: Wir haben Fehler gemacht. Sie wenden sich gegen den Bürger auf der Straße, diffamieren ihn als fremdenfeindlich und menschenfeindlich. Da werden Bürger als Rattenfänger bezeichnet. Das alles nur, weil sie ihr Versammlungs- und Demonstrationsrecht wahrnehmen. Das ist wahrhaft antidemokratisch, Herr Gebhardt.
„Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes“ – ich zitiere jetzt aus einem Artikel – „wenden sich weder gegen Asylgewährung an politisch Verfolgte noch gegen geregelten Zuzug anderer Ausländer.“ Sie wissen vielleicht, dass Deutschland – wenn man über die EUEinwanderer redet – das beliebteste Einwanderungsland ist.
Wir hatten im Jahr 2013 einen Saldo von über 427 000 Einwanderern. Was die Bürger empört, ist der dauernde, sich ständig ausweitende Missbrauch eines Grundrechts, bei dessen Entstehung nicht einmal entfernt an die Möglichkeit des Missbrauchs und – das betrifft uns als Politi
ker, insbesondere die Bundesregierung – die anhaltende Duldung dieses Missbrauchs gedacht worden war. Der Staat verlangt von seinen Bürgerinnen und Bürgern, dass sie die Gesetze befolgen. Wo dies nicht der Fall ist, setzt er seine Zwangsmittel ein. Warum, so wird gefragt, ist das anders, wenn es sich um Asylbewerber handelt?
Das, meine Damen und Herren, kommt nicht von der Pegida, sondern es stammt aus dem Jahr 1992. Damals waren viele Ihrer Abgeordneten im Bundestag – auch von der SPD – dafür, dieses Recht so zu konkretisieren, dass ein Missbrauch nicht mehr möglich wird. Das ist auch unsere Aufgabe hier in Sachsen.
Meine Damen und Herren! Die AfD erwartet, dass sich der Sächsische Landtag über die Staatsregierung im Bund dafür einsetzt, dass die Regeln konkretisiert werden, damit wir endlich eine klare Trennung zwischen Asyl- und Flüchtlingsrecht sowie Einwanderungsrecht bekommen. Das muss der einfache Weg sein, und wir werden –
– im Verlaufe der Debatte noch darüber sprechen, welche konkreten Maßnahmen hier in Sachsen im Asylrecht nötig sind.
Das war Frau Dr. Petry für die AfD-Fraktion. – Als Nächste spricht für die Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Zais.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Ja, Frau Petry, es ist genau Ihre holzschnittartige Darstellung, Ihre Verdrehung der Zahlen und Fakten, die dazu beitragen, dass wir eine besondere Stimmung auf den Straßen Sachsens haben. Es ist Ihre Fehlinterpretation der Zahlen, zum Beispiel aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Sie behaupten heute, nur 30 % derer, die bei uns Schutz suchen, werden anerkannt. Das haben Sie übrigens in dieser Woche auch bei „Fakt ist...!“ getan. Leider ist es unwidersprochen geblieben.
Ich muss Ihnen da widersprechen. Die Anerkennungsquoten für Flüchtlinge steigen seit Jahren kontinuierlich an,
die Ablehnungen sinken. Während wir im Jahr 2006 – die aktuellen Zahlen der Statistik können Sie auf der Website nachlesen – noch 57,8 % Ablehnungen hatten, so ist im Jahr 2014 die aktuelle Zahl 32,6 %. Alle anderen erhalten einen Status oder – das vergessen Sie in Ihren Darstellungen gern – werden formal erledigt. Dazu gehört übrigens auch Dublin. Das heißt, ein anderes EU-Land ist für den Antrag zuständig. Sie vermengen das, und das ist unredlich, Frau Petry.
Wenn wir darüber sprechen, was Sachsens Verantwortung in den Fragen der Asyl-, Flüchtlings- und Integrationspolitik ist, dann genügt es uns natürlich nicht, nur auf den Bund und nach Europa zu schauen, sondern wir GRÜNEN schauen zuerst nach Sachsen: Was geht dort im Moment ab? Wir haben tatsächlich einen großen Riss, der auch durch die sächsische Politik geht.
Es gibt diejenigen, die sich hinstellen und sagen: Wir stimmen denen zu und biedern uns bei denen an, die das Bild vom einfachen, ehrlichen Deutschen bedienen, der gegenüber jenen, die als gesetzliche Minderheit markiert werden – das sind Flüchtlinge und Asylbewerber –, stets benachteiligt wird. Das ist der Stammtisch, das ist Populismus, bei dem versucht wird, ihn von der Straße ins Parlament zu tragen. Wir konnten alle hören, dass Pegida im Januar bei der AfD zu Gast sein wird.
Es ist die andere Seite in der Politik, wenn ich von diesem Riss spreche, und ich weiß, dass es in den Fraktionen der CDU und der SPD, also auch in den Koalitionsfraktionen, Politiker gibt, die für das Grundrecht auf Asyl, für die Verteidigung dieses individuellen Rechts stehen, und, Frau Petry, nicht Sie und auch nicht der Stammtisch entscheiden, wer das Recht auf Asyl hat. Es ist ein individuelles Grundrecht. Dafür gibt es die Prüfung, die auf gesetzlicher Grundlage erfolgt, und das ist gut so; denn wir leben in einem Rechtsstaat und in einer Demokratie.
(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD – Uwe Wurlitzer, AfD: Dann halten Sie die Gesetze bloß mal ein!)
Wir werden heute sicher noch Gelegenheit haben, weiter zu diesen Positionen zu sprechen. Wir GRÜNEN sagen: Bevor wir zum Bund und zum Land schauen, schauen wir nach Sachsen. Wir sind dafür, dass wir die humanitären Bedingungen für die Flüchtlinge in Sachsen verbessern müssen. Es ist ganz klar: Eine Reihe neuer Unterkünfte wird gebraucht. Es gibt den Heim-TÜV des ehemaligen Ausländerbeauftragten Herrn Prof. Gillo. Dieser TÜV – das fordern wir – muss auch für die neuen Unterkünfte eingeführt werden. Wir brauchen – das ist ebenfalls eine Forderung, die die Ausländer- und Integrationsbeauftragten bei ihrem Bremer Treffen formuliert haben – bundesweit verbindliche Standards für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen, und wir GRÜNEN wollen, dass dies verbindlich im Flüchtlingsaufnahmegesetz geregelt wird. Das dient der Verbesserung der humanitä
Wir brauchen – auch das fordern wir GRÜNEN –, wenn es um die sächsische Verantwortung geht, eine flächendeckende Flüchtlingssozialarbeit und – das Papier der Liga der Wohlfahrtsverbände kennen Sie seit mehr als zwei Jahren – einen Betreuungsschlüssel von mindestens 1 : 100 in einem ersten Schritt und in einem zweiten Schritt von 1 : 80. Auch dies wird dazu beitragen, viele Probleme sowohl auf der Seite der Flüchtlinge als auch auf der Seite der Aufnahmegesellschaft zu lösen. Nicht zuletzt brauchen wir eine Verbesserung der medizinischen Versorgung. Auch dies gehört zu unseren humanitären Verpflichtungen, und auch hier gibt es positive Signale im Bund, was die Einführung einer Gesundheitskarte betrifft.
Das war Frau Kollegin Zais für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Gestatten Sie mir noch einen Hinweis, gerade, da wir am Beginn der Legislaturperiode stehen: Die Gäste, Frau Kollegin Zais, dürfen nach unserer Geschäftsordnung nicht angesprochen werden. – Dies für unser Selbstverständnis.
Wenn ich das überhört habe, dann gilt das natürlich auch für die Vorrednerin. Noch einmal: Die Tribüne darf nicht angesprochen werden. Es ist wichtig, dass wir von Anfang an an unserer Geschäftsordnung festhalten.
Als Nächstes eröffnen wir eine zweite Rederunde. Es beginnt wieder die einbringende Fraktion der CDU, und das Wort erhält erneut Herr Kollege Hartmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schöne an Aktuellen Debatten ist, dass man die Gelegenheit hat, auf Vorredner einzugehen. Frau Zais, ich beginne gern mit Ihnen. Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie den Anspruch auf eine ernsthafte Diskussion dadurch konterkarieren, indem Sie sich dann in Pauschalen wiederfinden.
Die Wahrheit ist – das muss man leider sagen –, dass die Anerkennungsquote in Deutschland, wenn ich die Anerkennung aller Asylberechtigten, Flüchtlingsschutz, subsidiären Schutz usw. zusammenfasse, nach der aktuellen Veröffentlichung des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration in Deutschland bei 29,8 % liegt, und Sie können sich nicht nur den Flüchtlingsschutz herausgreifen. – Dies insoweit zu diesem Thema.
Es geht auch nicht um die Anbiederung an eine gesellschaftliche Gruppe, sondern um eine Verantwortung. Das bedeutet, die Interessen der Asylsuchenden, gleichzeitig aber auch die Herausforderungen an die hiesige Gesellschaft ernst zu nehmen und die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen.
Herr Gebhardt, Sie haben ein beeindruckend einfaches und schlichtes Bild der Außenpolitik gemalt. Das sei Ihnen zugestanden. Es ist Gott sei Dank auch kein sächsisches Thema. Ich möchte Ihnen nur sagen: Sie malen sich die Welt, wie sie Ihnen gefällt – nur leider schwarz-weiß, und das ist auf Dauer etwas langweilig.
Zum Asylrecht zurück. Wir haben aus unserer Sicht keine verweichlichte Rechtslage, Frau Petry, sondern wir haben die Frage der Herausforderung einer sich verändernden Welt und einer Zunahme der Flüchtlingszahlen weltweit. Dies hat sicherlich auch etwas mit politischen Veränderungen im Nahen Osten, auf dem Balkan und in den russischen Republiken zu tun. In einer globalisierten und kleiner werdenden Welt besteht schon das Interesse der Menschen, ihre Lebenswirklichkeit zu verbessern. Dies zu ändern werden sie auch versuchen. Das führt zu neuen Herausforderungen, denen wir uns stellen.