Protocol of the Session on August 31, 2016

Drittens und letztens. Wenn wir jetzt noch einmal die Unfallbeispiele zusammenfassen: Jeden Tag verunglücken 566 Menschen bei Verkehrsunfällen in Deutschland, in Städten und Gemeinden – also nicht auf Autobahnen. In Tempo-30-Zonen passieren etwa 40 % weniger Unfälle als in vergleichbaren Tempo-50-Gebieten. Das haben die Universitäten Duisburg und Essen 2012 erhoben.

Da sind wir wieder bei der Sicherheitsdebatte von heute Morgen aus der Aktuellen Debatte. Wenn Sie wirklich die Sicherheit von Menschen erhöhen oder verbessern wollen, sollten Sie mit einfachen Maßnahmen dafür sorgen, dass Verkehrsunfälle weniger werden oder zumindest weniger schlimm ausfallen, statt über Burkaverbote oder Überwachungsstrategien zu faseln.

(Unruhe im Saal – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Zum Antrag der GRÜNEN möchte ich noch sagen: Der Antrag von euch geht uns nicht weit genug, wir stimmen aber trotzdem zu.

(Zurufe von der AfD – Unruhe im Saal)

Wir wollen nicht nur Modellregionen. Wir wollen, dass die Kommunen mehr Selbstbestimmungsrechte erhalten und selber darüber entscheiden, ob, wann und wo Tempo 30 eingeführt wird. Die wissenschaftlichen Fakten dazu sind seit Jahren bekannt. Ihr Umweltminister hat dem bei der Umweltministerkonferenz auch zugestimmt – genauso wie der Verkehrsminister bei der Verkehrsministerkonferenz. Ich hoffe, das entsprechende Gesetz dazu kommt bald. Die Kommunen wollen das auch.

Als Beispiel gibt es da eine spannende Geschichte in der Kleinen Anfrage meiner Kollegin Susanne Schaper vom Anfang dieser Legislaturperiode mit der Drucksachennummer 281, wo die Stadtverwaltung Chemnitz ein

Teilstück der Leipziger Straße zur Tempo-30-Zone erklären wollte, um Lärm für Anwohnerinnen und Anwohner zu reduzieren, und dann das Landesamt für Straßenbau kam und das wieder einkassiert hat.

Dieser Antrag von den GRÜNEN heißt ja nicht, Herr Nowak, dass dann nur noch generell 30 Kilometer pro Stunde gefahren werden können. Das ist völliger Quatsch. Nein.

(Andreas Nowak, CDU, steht am Mikrofon.)

Es wird auch dann noch zentrale Achsen und Straßen geben, die 50 Kilometer pro Stunde zulassen.

Herr Böhme, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Nowak, bitte.

Sie wissen, was der Begriff „Regelgeschwindigkeit“ bedeutet?

Ja, dass es praktisch umgekehrt wird, dass die heutige Regelgeschwindigkeit von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde gesenkt werden kann. Wir wollen aber, dass die Städte das vollkommen allein entscheiden können und es eben nicht zur automatischen Regel wird.

(Staatsminister Martin Dulig: Dann müssen Sie ein Bundesgesetz ändern!)

Das ist auch in Ordnung, wenn es darum geht, eine Vielzahl von Straßen von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde zu senken. Dann können es die Kommunen endlich ermöglichen, dass an allen Straßen, wo Menschen wohnen, Kinder spielen oder ältere Bevölkerungsanteile ihren Alltag verbringen – – Überall dort, wo Menschen leben, flanieren, einkaufen und wohnen, dort könnte Tempo 30 gelten und die Lebensqualität der Städte erhöht werden. Das heißt für die Autofahrer nicht, dass sie dann viel mehr Zeit in der Stadt verbringen müssen, weil der Verkehr dann weniger flüssig fließt. Auch das ist in einer VCD Studie bewiesen, Herr Nowak.

Doch auch das ist heute nicht mehr möglich, speziell in Schulen und Senioreneinrichtungen. Die Staatsregierung weiß noch nicht einmal, wie viele Schulen und Kitas oder Senioreneinrichtungen an Hauptverkehrsstraßen liegen, auf denen 50 Kilometer pro Stunde gelten. Zumindest war das die Antwort auf meine Kleine Anfrage mit der Drucksache 6/4899. Das Einzige, was die Staatsregierung zur Verbesserung der Sicherheit laut Antwort macht, ist Verkehrserziehung, also Kindern und Senioren zeigen, dass Straßen gefährlich sind und man dort aufpassen soll. Umgekehrt muss es aber sein. Der Verursacher von potenziellen Gefahren muss mehr Acht geben. Damit er es überhaupt kann – ich habe viele Beispiele genannt –, muss er an Straßen, wo sich für gewöhnlich Menschen aufhalten, eben langsamer fahren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nun die SPD-Fraktion, Herr Abg. Winkler. Sie haben das Wort, Herr Winkler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr Verkehrssicherheit vor unseren Schulen, Kitas und Seniorenheimen. Wenn man das aus dem Antrag herausnimmt, kann ich zustimmen. Wer könnte da etwas dagegen haben?

Ich möchte mich in Vertretung unseres verkehrspolitischen Sprechers diesem Thema einmal etwas anders nähern und die Statistik des Landesamtes bemühen. Allein in der Überschrift vom März 2016 – ich zitiere – war zu lesen: „2015 kein gutes Jahr für Verkehrsteilnehmer in Sachsen. Insgesamt wurden im Jahr 2015 mehr als 108 000 Straßenverkehrsunfälle polizeilich registriert,

was einen Anstieg aller Unfälle um 3,2 % und einen Anstieg der Unfälle mit Personenschaden um 1,1 % bedeutet. Noch schlimmer ist die Zahl der Getöteten. Sie stieg um acht Personen auf 192 an. Die Zahl der Verletzten stieg um 1 % auf 17 033 Personen. Das heißt, an jedem zweiten Tag stirbt ein Mensch.“ Ich könnte die Statistik fortsetzen. Einige Zahlen wurden schon genannt.

Warum berichte ich so ausführlich über die Statistik? Aus zwei Gründen. Erstens um deutlich zu machen, dass hinter jeder Zahl ein Mensch steht. Hinter jedem Unfallopfer steht eine Leidensgeschichte. Hinter jedem Getöteten stehen Familie, Freunde, Angehörige, die um die Opfer trauern. Zweitens wird klar, dass wir durchaus handeln müssen. Es kann nicht sein, dass wir in einem hoch industrialisierten Land leben und uns ein Verkehrssystem leisten, das immer noch Tote und Verletzte verursacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit ist in der Tat eine vermehrte Ausweisung von geschwindigkeitsbeschränkten Bereichen; denn bei Tempo 30 sinkt das Unfallrisiko aufgrund des verkürzten Anhalteweges deutlich. Das wurde schon genannt. Bei 50 Kilometern pro Stunde beträgt der Anhalteweg fast 28 Meter, bei Tempo 30 kommt ein Auto dagegen schon nach gut 13 Metern zum Stehen. Wir haben es gehört.

All diese Gründe sprechen dafür, dass insbesondere in sensiblen Bereichen, nämlich an Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Seniorenheimen, aber auch überall dort, wo ein erhöhtes Fußgängeraufkommen zu beobachten ist, Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Tempo 30 der effektivste und kostengünstigste Weg sind, die Verkehrssicherheit nachhaltig zu verbessern.

Auch im Koalitionsvertrag haben wir uns auf das Ziel verständigt, die Verkehrssicherheit im Straßenverkehr weiter zu erhöhen, damit die Zahl der schweren Unfälle signifikant reduziert wird. Nicht nur deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, können Sie

sicher sein, dass der Freistaat Sachsen im Bundesrat den Änderungen der StVO zustimmen wird, damit künftig auch auf Hauptverkehrsstraßen leichter Tempo 30 angeordnet werden kann. Nicht zuletzt geht diese Änderung der StVO auf eine Initiative der Bundesländer zurück, genauer gesagt der Verkehrsministerkonferenz, die diesen Beschluss einstimmig gefasst hat. Es würde schon sehr verwundern, wenn Sachsen plötzlich aus diesem wichtigen Vorhaben ausscheren sollte. Deshalb bin ich doch etwas irritiert über den Antrag, den die GRÜNEN heute zur Abstimmung stellen. Meinen Sie, die Staatsregierung braucht eine extra Aufforderung für etwas, was sie ohnehin schon tut?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: So was beschließen Sie doch permanent in diesem Haus!)

Meinen Sie, unser Verkehrsminister bräuchte extra eine Einladung, um das zu Ende zu bringen,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja, ja!)

was er mit seinen Länderkollegen vor über einem Jahr schon angeschoben hat?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sicher, unser Verkehrsminister wird alles tun, dass die Anordnung von Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen im Sinne der Verkehrssicherheit erleichtert wird. Ebenso bin ich sicher, dass auch die weiteren Punkte Ihres Antrages wie etwa die Erarbeitung einer Handreichung für die Behörden sowie die Aufnahme von flankierenden investiven Maßnahmen in den entsprechenden Förderrichtlinien zum Straßenbau bereits berücksichtigt werden.

Skeptisch bin ich allerdings – da schließe ich mich anderen an –, was den Vorschlag eines Modellversuchs betrifft. Die Idee klingt zunächst interessant, wenn man die Regelgeschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde begrenzt und nur an den Stellen, wo schneller gefahren werden kann, Tempo-50-Schilder aufstellt. Nur, was würde das bringen außer großer Verwirrung und den anderen genannten Argumenten?

Erstens bräuchte es dafür einer bundeseinheitlichen und am besten flächendeckenden Regelung.

Zweitens halte ich es für schwer umsetzbar, wenn in einer sächsischen Stadt auf einmal andere Verkehrsregelungen gelten sollten als in anderen Städten und Dörfern. Ein solcher Flickenteppich würde höchstwahrscheinlich nicht zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen.

Was wir hingegen brauchen, ist ein ganzheitlicher Ansatz. Ein Beispiel dafür ist die Zielsetzung der „Vision Zero“, die Vision von null Verkehrstoten. In Schweden ist das bereits Teil der offiziellen Verkehrspolitik. Auch in Deutschland haben sich viele Organisationen, unter anderem der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, für dieses Ziel ausgesprochen. Dazu gehören sicherlich mehr Tempo-30-Zonen, aber auch bauliche Maßnahmen an unseren Straßen. Dazu gehören Schulungen, Angebote der Mobilitätserziehung, eine verbesserte Präventionsarbeit und eine hohe Kontrolldichte durch die Polizei. Nur mit diesem

ganzheitlichen Ansatz und nicht mit Insellösungen in Form von Modellprojekten kommen wir unserem Ziel für mehr Verkehrssicherheit, vor allem für Kinder und alte Menschen, schrittweise näher. Daran werden wir in der Koalition, denke ich, auch mit Nachdruck weiterarbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Nun für die AfD-Fraktion Herr Abg. Hütter. Bitte sehr, Herr Hütter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! In der derzeitigen Diskussion wird zum wiederholten Male unsauber und unfundiert argumentiert. Eine Herabsetzung der Regelgeschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde hat nicht nur Vorteile, sondern auch gravierende Nachteile. Sicherlich macht die punktuelle Absenkung der Geschwindigkeiten vor Schulen, Kindergärten und Seniorenheimen Sinn. Da bin ich Ihrer Meinung. Aber auch hier sollten bauliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um einen gleichmäßigen und zügigen Verkehrsfluss zu gewährleisten und diesen nicht zu behindern.

Herr Nowak, auch ich habe in einem kleinen Selbstversuch, indem ich zweimal durch die Stadt Dresden gefahren bin, meinen Bordcomputer programmiert und hinterher festgestellt, dass ich auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde kam. Wo wollen Sie hin, liebe GRÜNE?

(Andreas Nowak, CDU: Da müssen Sie aber schneller gefahren sein!)

Ich war etwas schneller zwischen den roten Ampeln, richtig.

Geschwindigkeitsdurchschnitt: 18 Kilometer pro Stunde. Die AfD vertritt die Meinung: Freie Fahrt für freie Bürger, wo immer es gefahrlos möglich ist.

(Unruhe bei der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Durch die Verengung von Straßen und ähnliche verkehrsberuhigende bauliche Maßnahmen erhöhen sich die Emissionswerte, zum Beispiel von Stickstoff, um bis zu 260 %, und der Verbrauch der Fahrzeuge um bis zu 20 %. Von den Anwohnern gar nicht zu reden, die durch das Herunterschalten, Anhalten, Anfahren zusätzlich in den Wohngebieten belastet werden. Es gibt einige Städte, die diese baulichen Maßnahmen nach einigen wenigen Jahren aufgrund massiver Proteste aus der Bevölkerung zurückgebaut haben.

Ein weiteres Beispiel: Sprechen Sie einmal mit Bürgern aus der Gemeinde Hohndorf im Erzgebirge, denen unter anderem auch von der CDU schon vor Jahren eine Umgehungsstraße versprochen und nun als Zwischenlösung zur Geschwindigkeitsreduzierung des Durchgangsverkehrs und dessen Kontrolle eine fest installierte Messanlage