Protocol of the Session on August 31, 2016

Wir haben uns als AfD-Fraktion dieser Konzeption angenommen, weil wir in der Tat der Meinung sind, dass in Sachsen hierbei viel Potenzial verschenkt wird. Mitteldeutschland, speziell Sachsen, ist einer der bedeutendsten Kulturräume Deutschlands und sogar im weltweiten Maßstab. Insbesondere gilt dies für die musikalische Tradition, wenn wir an Komponisten denken, die zum Teil vor vielen Jahrhunderten in Sachsen gewirkt und gelebt haben oder aus Sachsen stammten. Uns allen sind dabei sicherlich die Namen von Bach, Mendelssohn Bartholdy, Schumann, Wagner, Mahler und anderen bekannt.

Ich verweise darauf, dass von den zehn weltbesten Orchestern drei aus Deutschland stammen, davon zwei aus Sachsen, nämlich das Gewandhausorchester und die Dresdner Staatskapelle.

Das heißt, wir beherbergen in unserem Freistaat einen so reichen Kulturschatz. Allein, wir können ihn häufig nicht mehr heben. Berechnen wir einmal, wie viele öffentliche Mittel, Steuer- und Fördergelder in den vergangenen

25 Jahren seit der friedlichen Revolution in die Sanierung und Restaurierung von alten Schlössern, Kulturdenkmälern und Ähnlichem gesteckt wurden, so kommen wir auf eine Zahl von über 2,5 Milliarden Euro. Die privaten Mittel sind dabei noch nicht gezählt.

Allein für den Betrieb vieler dieser Kulturdenkmäler, das heißt für die Nutzung durch Künstler und durch die Bürger, fehlt inzwischen immer wieder das Geld. Dies gilt insbesondere für den ländlichen Raum, in dem zwei Drittel der sächsischen Bürger leben und in dem wir über 25 Städte mit mehr als 25 000 Einwohnern haben. Das Konzertleben in den drei Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz, das wissen wir alle, ist sehr zahlreich entwickelt; allein auf dem Land bluten wir aus vielerlei Sicht – ob nun bevölkerungstechnisch oder kulturell – allmählich aus.

Es gab diverse Politiker in Sachsen, die dies seit Jahren beklagen und durchaus eine Konzeption wie die, die wir hier vorstellen, begrüßt haben. Dies ist nicht allein eine Frage der Lebensqualität. Nein, meine Damen und Herren, es ist auch eine Frage des Wirtschaftsstandortes Sachsen. In der Tat kann man davon ausgehen, dass unter anderem der kulturelle Aspekt und die Lebensqualität der sächsischen Städte und Gemeinden auch für große Firmen wie Porsche und BMW ein wesentlicher Faktor zur Niederlassung in unserem Freistaat waren. Sachsen hat also eine grandiose Möglichkeit, einen Standortfaktor sondergleichen, für den manch andere deutsche Region Millionen ausgeben würde.

Was machen wir aber daraus? Wir sind der Meinung: nicht genug. Daher zielt unser Antrag einer sachsenweiten Konzertkonzeption mit letztlich bescheidenen Mitteln

darauf, einheimische Künstler immer wieder in Sachsen auftreten zu lassen und sie dabei ein Stück weit in der Heimat zu erreichen, obwohl sie ein Großteil des Jahres in der ganzen Welt unterwegs sind.

Uns ist dabei bewusst, dass Kultur immer auch eine Frage der Mobilität ist, und nicht immer können die Bürger zur Kultur kommen. Die Kultur muss zum Teil auch zu den Bürgern kommen. Das gilt insbesondere für weniger bewegliche Bürger, unter anderem auch für unsere jungen Leute, für Schüler, für jene, die an Musikschulen selbst in der Lage sind, ein Instrument zu erlernen und sich im ihnen möglichen Rahmen auszuprobieren.

Wir sehen dieses Projekt daher als Vorstufe zu einer nachhaltigen Finanzierung einer sachsenweiten Kulturkonzeption und möchten diese als Haushaltstitel verankern. Wir sind der Meinung, dass die Argumentation, dass Kultur im Wesentlichen an Fragen der kulturellen Mobilität abgehandelt werden sollte, nicht weit genug reicht.

Meine Damen und Herren, wir möchten darauf aufmerksam machen, dass diese Idee, dieses Konzept in den vergangenen Jahren bereits mehrfach diskutiert und positiv bewertet wurde und dass wir der Meinung sind, dass künstlerisches Potenzial, wenn sich Künstler in ihrem Heimatland, in ihrer Heimatregion engagieren wollen und gegenseitig dafür sorgen wollen, dass es in unserem Freistaat wieder gehoben wird und damit wieder zum normalen Alltag gehört und nicht nur für Städte erreichbar ist, eine lohnende Aufgabe ist.

Mehr dazu in der zweiten Runde.

(Beifall bei der AfD)

Für die einbringende AfD-Fraktion haben wir gerade Frau Dr. Petry gehört. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Kollege Ursu, danach geht es weiter mit DIE LINKE, SPD, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht. Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch Artikel 5 Abs. 3 unseres Grundgesetzes wird die Kunstfreiheit gewährleistet. Der Wortlaut des Grundrechts lautet seit Inkrafttreten des Grundgesetzes: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Die Kunstfreiheit enthält dabei das Verbot, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeiten einzuwirken, insbesondere den künstlerischen Gestaltungsraum einzuengen oder allgemein verbindliche Regelungen für diesen Schaffensprozess vorzuschreiben.

Nun fordert der vorliegende Antrag die Staatsregierung auf, bis zum Ende dieses Jahres ein Konzept für ein landesweites Konzertprojekt im ländlichen Raum vorzulegen und dafür die erforderlichen Finanzmittel im Doppelhaushalt 2017/2018 einzustellen. Abgesehen davon, dass sich dabei viele an durch die Kultur- und Gastspieldirektion zentralistisch organisierte – und damit zensierte – Kulturereignisse in der DDR erinnert fühlen mögen,

steht die Forderung im absoluten Widerspruch zur Kunstfreiheit. Außerdem stünde die zentrale Entwicklung und Umsetzung einer landesweiten Strategie für ein Konzertprojekt im ländlichen Raum nicht im systematischen Einklang mit den Regelungen im Sächsischen Kulturraumgesetz und der dezentralen Verantwortung vor Ort.

Sachsen hat mit über 50 Musik- und Konzertfestivals sowie Musikwettbewerben eine außerordentlich vielfältige Landschaft, die durch musikalische Tradition, die dichte kulturelle und künstlerische Szene sowie gute Ausbildungseinrichtungen gekennzeichnet ist. Diese Angebote werden in Sachsen regelmäßig durch weitere, überregional angelegte Veranstaltungsformate, zum

Beispiel den MDR-Musiksommer mit seinen Konzertreihen „Schlösser und Burgen“, „Die nächste Generation“ oder auch „Lutherorte“, ergänzt.

Darüber hinaus bestimmt das Kulturraumgesetz in Sachsen die Kulturpflege zur weisungsfreien kommunalen Pflichtaufgabe für die Gemeinden und Landkreise. Die Kulturräume unterstützen die Träger kommunaler Kultur bei ihren Aufgaben von regionaler Bedeutung, insbesondere bei deren Finanzierung und Koordination.

(Dr. Frauke Petry, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Die Förderentscheidungen werden auf kommunaler Ebene im Rahmen der Selbstverwaltung getroffen. Bereits im Jahr 2007 hat die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen eine repräsentative Untersuchung unter dem Titel „Musikfestivals im Freistaat Sachsen – Grundlagen und Handlungsstrategien für die Gestaltung der Förderpraxis“ vorgestellt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, lieber Kollege Ursu?

Nein. – Darin wurde unter anderem festgestellt, dass die Musik- und Konzertfestivals im Freistaat in jedem Jahr über 400 Festivaltage durchführen, dabei circa 950 Veranstaltungen an 370 Veranstaltungsorten anbieten und circa eine Million Besucher finden. Damit schaffen die bereits bestehenden Musikfestivals im Freistaat Sachsen für ein lokales und touristisches Publikum gerade auch im ländlichen Raum ein besonderes musikkulturelles Angebot in Ergänzung zum ganzjährigen Spielbetrieb der Staats- und Stadttheater sowie der selbstständigen Orchester im Freistaat Sachsen, mit denen sie zum Teil eng verbunden sind.

Ergebnis der Untersuchung war außerdem, dass die Installation eines Leitfestivals oder die Unterordnung der sächsischen Musikfestivals unter ein Festivaldach auf Landesebene keine strategische Entwicklungsoption für die Musikfestivals im Freistaat Sachsen bildet.

Weiterhin werden dem Musikfestivalsektor in Sachsen Investitionen in „Qualität vor Quantität“ empfohlen. Um die Unterstützung des Landes dort zu verstetigen und weiter zu professionalisieren, wo ein Mehrwert für die gesamte Musikfestivalszene in Sachsen zu erwarten ist,

führt unter anderem die Kulturstiftung seit 2009 auch die Konzeptförderung für sächsische Musikfestivals durch und stellt dafür pro Jahr 75 000 Euro zur Verfügung.

Nicht zuletzt möchte ich dem Gedanken „Kultur für alle“, der hinter diesem Antrag stehen mag, Folgendes gegenüberstellen: Der vorliegende Antrag möchte den Eindruck erwecken, dass unser Land Sachsen viel zu wenig für das breite kulturelle Leben tue. Diese Behauptung stimmt schlicht und einfach nicht, meine Damen und Herren. Im Verhältnis zu Fläche und Bevölkerungszahl verfügt der Freistaat Sachsen im bundesweiten Vergleich mit 16 Kulturorchestern nominell über die größte Orchesterdichte. Die sächsischen Kulturorchester bespielen – entgegen Ihrer Behauptung – hauptsächlich die ländlichen Räume des Freistaates.

Erlauben Sie mir, meine Aussage an einem konkreten Beispiel festmachen zu dürfen. Die Neue Lausitzer Philharmonie, das erste gegründete Kulturraumorchester in Sachsen, das nächste Woche sein 20-jähriges Jubiläum feierlich begehen wird und in dem ich über 20 Jahre als Solotrompeter tätig sein durfte, bespielt ganzjährig sowohl mit mehreren Konzertreihen als auch mit Musik- und Tanztheaterproduktionen sechs Städte in Ostsachsen: Görlitz, Löbau, Zittau, Bautzen, Hoyerswerda und Kamenz. Darüber hinaus finden regelmäßig Konzerte für Kinder und jüngeres Publikum statt.

Ähnlich sieht es bei allen anderen sächsischen Orchestern aus, die in einer Spielzeit zusammen auf weit über 2 000 Konzertveranstaltungen spielen. Dies sind im Einzelnen Sinfoniekonzerte, Schülerkonzerte und sonstige Veranstaltungen, zum Beispiel Open-Air-Konzerte,

Mitmachkonzerte und Festakte. Nicht berücksichtigt sind die jeweiligen Musiktheaterauftritte der Theater- und Opernorchester, die natürlich noch ergänzend hinzukommen. Auch die Musik- und Kunstschulen führen jährlich ein sehr breites Veranstaltungs- und Konzertprogramm durch.

Meine Damen und Herren von der AfD, Sie wollen mit dem vorliegenden Antrag den Orchestern, Musikschulen und den Künstlerinnen und Künstlern in Sachsen ein staatlich gelenktes Programm verordnen.

(Zuruf der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Vertrauen Sie unseren Künstlerinnen und Künstlern und lassen Sie sie ihre Arbeit machen! Ihrem Antrag wird meine Fraktion aus den vielen genannten Gründen nicht zustimmen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Kollege Octavian Ursu sprach für die CDU. Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Sodann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere: „Die Interna

tionalisierung aller Lebensbereiche, die Herausbildung einer multikulturellen Gesellschaft auf deutschem Boden und der fehlende Mut zu unserer deutschen Leitkultur schwächen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gefährden auf lange Sicht die Demokratie selbst. Dem wollen wir mit einer Kulturpolitik gegensteuern, die in der Pflege einer deutschen Leitkultur eine sehr wichtige Aufgabe begreift. Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern. Die Bühnen des Landes sollen neben den großen klassischen internationalen Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen.“

Das, meine Damen und Herren, ist die AfD. So steht es im Wahlprogramm von Sachsen-Anhalt und so ist auch der Inhalt ihres Antrages zu begreifen „Von Sachsen – für Sachsen – in Sachsen“.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Haben Sie damit ein Problem?)

Ein Stück über die Landesgrenzen hinaus gedacht, hieße er dann wohl „Von Deutschen – für Deutsche – in Deutschland“. Bildhaft gesprochen, befürchte ich, dass bei Ihrem Verständnis für Kultur in Zukunft in allen Ecken und Enden „Wagnerianern“ und Arno Breker wieder Auferstehung feiern würden.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielleicht wollen Sie auch noch in Ihrer Konzert- und Gastspieldirektion Passkontrollen einführen, um nicht sächsische Künstlerinnen und Künstler des Orchesters zu verweisen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Haben Sie zugehört?)

Auch ich wiederhole an dieser Stelle und sage: Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind in unserem Land frei. Das ist ein schützenswertes Gut.

Bevor Sie einen derartig kruden Antrag auf das Plenum heben, tun Sie sich und uns doch bitte einen Gefallen und schauen Sie doch erst einmal in die Orchesterlandschaft in diesem Land. Das geht auch über das Internet; Sie müssen gar nicht hingehen. Da gibt es zum Beispiel das Leipziger Symphonieorchester, die Sächsische Bläserphilharmonie, die Elblandphilharmonie. Das alles sind Gastspielorchester, die quer durchs Land spielen, auch auf Schlössern, in Kulturhäusern etc. Herr Ursu erwähnte es, ich erwähne es noch einmal: Die Neue Lausitzer Philharmonie, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen feiert und deshalb einen herzlichen Glückwunsch von dieser Stelle aus von unserer Fraktion erhält,

(Beifall bei den LINKEN – Lachen der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

tourt ab dem 2. Dezember dieses Jahres durch fünf Städte ihres Kulturraumes. Diese Strukturen gilt es doch zu erhalten, auszubauen und gesichert in die Zukunft zu führen.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das ist kein Widerspruch! – Dr. Frauke Petry, AfD: Sie wissen es nicht besser, das macht aber nichts!)

Das Konzept, welches Sie fordern, hat mit der Pflege und dem Erhalt kultureller Vielfalt, dem interkulturellen Zusammenleben und Demokratie so viel zu tun wie natürlich blühende Landschaften mit Monokultur.