Protocol of the Session on August 31, 2016

könnten die Damen und Herren der Mehrheitsfraktion doch einmal den Aussagen aus dem Abschlussbericht der Personalkommision folgen: „Die zurückgehende Zahl junger Menschen und die Konkurrenzsituation zur privaten Wirtschaft und zu anderen öffentlichen Arbeitgebern bei der Suche nach gut ausgebildetem, leistungsfähigem Personal machen es notwendig, den öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen attraktiver zu gestalten.“

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Hört, hört!)

So weit einige Zitate, die die Richtung weisen. Jetzt wird es schwer für Sie, denn jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, will ich Sie einmal in die Realität der sächsischen Parlamentsarbeit zurückholen. Das wird eine Schwierigkeit für die Damen und Herren sein, die uns draußen verfolgen, aber wir müssen den Sprung wagen. Ich lese einmal aus dem Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses zu unserem Gesetzentwurf vor: „Der Vertreter der CDU-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf mit der Begründung ab, dass sich die Beamtinnen und Beamten im Vorbereitungsdienst noch in der Ausbildung befinden und dass deren Ausbildungsvergütung im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen überdurchschnittlich hoch sei.“

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Echt?)

Eine ziemliche Nähe – ob es Dummheit ist, weiß ich nicht –; aber jedenfalls zur Unwissenheit der AfD-Fraktion, die Folgendes gesagt hat: „Der Vertreter der AfD-Fraktion sprach sich ebenfalls gegen den Gesetzentwurf aus und begründete dies damit, dass es im Vorbereitungsdienst für Beamte auf Zeit noch nicht das ansonsten übliche sogenannte Vertrauensverhältnis gebe und damit keine ganz große Fürsorgepflicht.“

(Zuruf von den LINKEN: Aha!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ging um das Reiserecht und die Erstattung von Reisekosten, die wirklich angefallen sind. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Unwissenheit und Falschbehauptungen heute prämiert werden würden, dann hätten AfD und CDU mit diesem Schwachsinn den ersten Preis so gut wie sicher in der Tasche.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist also das Niveau, auf das wir uns bei der Auseinandersetzung im öffentlichen Dienstrecht hier im Landtag künftig einstellen müssen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ja!)

Ich kann für meine Fraktion nur sagen: Wir steigen nicht so weit mit hinab, wie dieses Niveau ist.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Ihr seid viel tiefer!)

Bei einer derartigen fachlichen Ahnungslosigkeit ist es scheinbar auch vergebliche Mühe, noch einmal ganz praktisch auf die von uns problematisierte Ungleichbe

handlung hinzuweisen. Deshalb nur kurz und nur so viel: Es gibt einen großen Unmut unter den Anwärtern im Vergleich mit ihren Kollegen, welche die Ausbildung in Sachsen absolvieren, der gleichen Klasse oder Seminargruppe angehören, auch noch die gleiche Ausbildung anstreben, aber keinen sächsischen Dienstherrn haben. Es geht neben den geringen Bezügen – Stichwort Sonderzahlung – auch um die Kürzung bei den Reisekosten für Dienstreisen.

Fällt das etwa auch unter die Rubrik „So geht sächsisch“? Zumindest hat es sich bundesweit unter den Auszubildenden herumgesprochen. Brauchen wir keine jungen öffentlich Beschäftigten, die positiv über ihren sächsischen Dienstherrn reden?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann hier nur voll dem zustimmen, was der Finanzminister am 10. August in der „Freien Presse“ dazu gesagt hat; ich möchte ihn zitieren. Es ist selten, dass ich Herrn Prof. Unland zustimme, aber hier hat er recht: „Es liegt nicht am Geld und nicht an den Stellen.“ – Es liegt vielmehr an dieser Mischung aus Unwissenheit und Realitätsverweigerung von CDU und SPD.

Ich bin gespannt, meine sehr geehrten Damen und Herren der Koalition, welche Sprechblasen Sie heute finden werden, um unseren Gesetzentwurf ablehnen zu müssen – mal sehen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nun die CDU-Fraktion; bitte, Herr Abg. von Breitenbuch.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Jetzt schicken sie den armen Breitenbuch!)

Frau Dr. Pinka, das wiederhole ich jetzt nicht. Herr von Breitenbuch, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE fordert im heute zu beratenden Gesetzentwurf, dass Beschäftigte im Vorbereitungsdienst statt bisher 75 % nun 100 % der Reisekosten ersetzt bekommen. Es wird damit eine Anhebung der Erstattung der Reisekosten von 75 auf 100 % bei verbeamteten Auszubildenden – korrekt: Beamten im Vorbereitungsdienst – verlangt.

Im Gesetzentwurf der LINKEN wird behauptet, es gebe für diese bisher teilweise Erstattung keine sachlichen oder rechtlichen Gründe. Insbesondere, weil bei angestellten Auszubildenden eine hundertprozentige Reisekostenerstattung existiere, müsse der Freistaat auch den Beamten im Vorbereitungsdienst eine hundertprozentige Reisekostenerstattung gewähren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gibt es wirklich keine sachlichen Gründe, die eine 75-prozentige Erstattung rechtfertigen? Für mich liegen sofort drei plausible Gründe auf der Hand – und das sind keine Sprechblasen,

Herr Kollege Tischendorf –: erstens der Gedanke des Eigenanteils, zweitens die Besonderheit des Beamtenverhältnisses und drittens: kein Wettlauf der besten Konditionen!

Zu eins, der Gedanke des Eigenanteils: Der Freistaat Sachsen bildet aus. Das ist im Freistaatsinteresse, aber auch im Interesse der Auszubildenden. Zum Beispiel wird im Vorbereitungsdienst der Justiz nur ein Bruchteil der Rechtsreferendare anschließend tatsächlich vom Freistaat beschäftigt.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Aber die Reisekosten tragen sie selbst!)

Ausgebildet und bezahlt werden aber alle. Es ist per se nicht unbillig, wenn der Beamte im Vorbereitungsdienst einen Eigenanteil trägt. Der Schwerpunkt liegt hier nicht auf dem Erbringen einer Arbeitsleistung, sondern es geht um die Ausbildung.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Die sollen dafür bezahlen, oder was?)

Übrigens habe ich als Lehrling ebenfalls die Fahrten zu den Ausbildungsstätten tragen müssen. Ich kam gar nicht auf die Idee, meinen Ausbildungsbetrieb zu fragen, sondern war stolz, in meine Zukunft zu investieren.

(Beifall bei der CDU und der AfD – Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Das sind sie, die Sprechblasen!)

Zweitens, die Besonderheit des Beamtenverhältnisses:. Ganz deutlich spreche ich hier die Besserstellung der Auszubildenden im Beamtenverhältnis an. Ein Azubi im Angestelltenverhältnis erhält rund 870 Euro brutto; das sind rund 685 Euro netto. Ein Polizeimeisteranwärter mit gleichem Schulabschluss erhält dagegen rund 1 095 Euro netto. Die Rechnung ist auf der Webseite der sächsischen Polizei nachzuvollziehen.

Sie sehen: Der verbeamtete Anwärter hat schon deutliche monetäre Vorteile, sodass der 25-prozentige Eigenanteil bei den Reisekosten zumutbar ist. Genau genommen erscheint er bei rund 400 Euro netto Gehaltsunterschied sogar vernachlässigbar. Ihr Gesetzentwurf, Herr Tischendorf, erweist sich damit als Wünsch-dir-was-Aktion, die den Eigenwert einer guten Ausbildung für das eigene Leben völlig verkennt.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Sie entwerten doch die Ausbildung!)

Und drittens: Kein Wettlauf der besten Konditionen! Die einbringende Linksfraktion verweist darauf, dass der Bund seinen Anwärtern 100 % Erstattung zahlt. Zur Wahrheit gehört aber auch, welche Bundesländer weniger als Sachsen erstatten – ich kann Ihnen die Tabelle verteilen lassen –: In Baden-Württemberg werden nur 50 % erstattet, in Hessen und Rheinland-Pfalz überhaupt nichts. In Thüringen, übrigens mit einem linken Ministerpräsidenten, gibt es eine dem Freistaat Sachsen vergleichbare Regelung.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Noch!)

Vermeintlich bessere Konditionen des Bundes sind für uns kein Argument. Durch die Föderalismuskommission wurde den Ländern die Zuständigkeit für die Beamtenbesoldung übertragen. Dann kann nicht der vermeintlich komfortabelste Zustand das Maß aller Dinge werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich gibt es ein deutliches Fazit: Das Gesetz ist überflüssig. Die angeführten Gründe halten der Prüfung durch die Realität nicht stand – schon auf den ersten Blick. Meiner Fraktion ist kein verbeamteter Anwärter bekannt, der gern wegen besserer Reisekostenregelungen tarifbeschäftigter Auszubildender werden möchte. Deshalb wird die CDUFraktion den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Abg. Pecher. Sie haben das Wort, Herr Pecher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich kann es kurz machen: Natürlich werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Natürlich?)

Erstens. Wir bewegen uns mit unserer 75-ProzentErstattung im Kontext der Bundesländer auf einem normalen Level. Gegenüber einigen Bundesländern liegen wir höher, gegenüber dem Bund etwas darunter. Wir haben eine rechtlich verbriefte Regelung, andere Bundesländer eine Ermessensregelung.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ich denke, wir Sachsen wollen überall spitze sein?)

Man könnte es abkürzen und sagen, die LINKEN hätten eine Gerechtigkeitslücke entdeckt – wieder einmal. Diese Behauptung aufzustellen ist Ihr gutes Recht. In dem Kontext, in dem wir uns befinden, sehen beide Koalitionsfraktionen, also auch die SPD-Fraktion, keinen Handlungsbedarf.

Zum Zweiten etwas Persönliches, was die Attraktivität des Beamtenstatus betrifft. Ich kenne es aus meiner Familie. Meine – hoffentlich – zukünftige Schwiegertochter fängt morgen die Polizeiausbildung an. Ich sage es ganz deutlich: Sie macht das, weil sie den Beruf und die Entwicklungsperspektiven dort spannend findet. Von Reisekosten weiß sie gar nichts. Dieser Aspekt spielt in ihren Erwägungen, warum sie diesen Job machen will, keine Rolle. Ich gehe davon aus, dass dies in weiten Bereichen der Fall ist. Wenn man den Gedanken spinnen will, die Attraktivität des Beamtenjobs im Freistaat Sachsen zu erhöhen, dann sollte man mit Sicherheit nicht von ganz unten bzw. ganz links mit diesem Thema um die Ecke kommen; denn es gibt ganz andere Stellschrauben,

die unzweifelhaft nachjustiert werden müssen. Das hat aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nichts zu tun.

Dabei möchte ich es belassen. Wir sehen in diesem Bereich keinen Handlungsbedarf und lehnen deshalb den Gesetzentwurf ab.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU)