Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Staatsregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Haushaltsdebatte, bei der unser Finanzminister Herr Unland mit sonorer Stimme und in der von ihm gewohnten Ruhe rhetorisch gut, aber inhaltlich relativ dürftig einen Doppelhaushalt vorgetragen hat – das ist die Bilanz dieser Debatte, und sie ist nicht gut für Sie, Herr Unland. Sie ist deshalb nicht gut, weil eigentlich das, was Sie präsentiert haben, die Zahlen, die Sie versuchen, gut formuliert schönzureden, eine Beleidigung Ihrer Intelligenz als Professor ist.
Dieser Doppelhaushalt, meine Damen und Herren – in der Tat zu Zeiten steigender Steuereinnahmen –, ist deshalb gerade nicht zukunftsträchtig, weil er nichts daraus macht. Er nutzt diese Steuereinnahmen nicht, um für Zeiten vorzusorgen, in denen sie weniger sprudeln werden, und er tut auch viel zu wenig dafür, in die wirklich wichtigen Bereich von Bildung und innerer Sicherheit zu investieren.
Das alles wissen Sie, und Sie nehmen, wie bereits bemerkt, kosmetische Korrekturen vor, die aber an den tatsächlichen Defiziten in diesen Bereichen nichts ändern können. Und noch eines, Herr Unland – ich glaube, das wissen Sie selbst sehr genau –: Noch immer ist der Freistaat selbst in Zeiten steigender Steuereinnahmen massiv von Fremdzuführungen abhängig. Von den 18,4 Milliarden Euro Haushaltseinnahmen im Jahr 2017 und 18,7 Milliarden im Jahr 2018 sind nach wie vor 5,5 bzw. 5,4 Milliarden Fremdzuführungen aus dem Länderfinanzausgleich oder aus EU-Strukturmitteln, von denen wir alle wissen, dass sie nicht steigen, sondern eher sinken werden – ob das die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen oder eben auch die EU-Strukturmittel betrifft.
Denn Sachsen mit seinen Regionen Leipzig, Dresden und Chemnitz wird zukünftig absehbar weniger Förderung erhalten, und das nicht nur vor dem Hintergrund des Brexits, sondern insgesamt, weil in der EU perspektivisch nicht mehr, sondern weniger Geld zu verteilen sein wird.
Dass das alles für Sie als Argument gilt und Sie trotzdem so tun, als sei dieser Doppelhaushalt zukunftsweisend, erstaunt mich schon sehr. Ich frage mich auch, warum dieses Hohe Haus, besonders der Experte fürs Abendland, darauf nicht einmal mit Zahlen reagiert hat.
In diesem Haushalt ist keine Perspektive sichtbar, wie Sachsen in Zukunft durch schwierige Zeiten geleitet werden soll. Wir werden sehen, ob in den Jahren mit geringeren Steuereinnahmen strukturelle Kürzungen
Hinzu kommt, wenn wir auf die primären Haushaltszahlen schauen, dass die Ausgaben – selbst bei gestiegenen Einnahmen – die Einnahmen überschreiten, und zwar im Jahr 2017 um 462 Millionen Euro und im Jahr 2018 um 162 Millionen Euro. Dass Sie das durch vorweggenommene Rücklagen und Haushaltsstärkungsmittel kaschieren können, sei Ihnen professionell zugestanden. Tatsächlich zeigt das aber, dass dieser Haushalt eben noch nicht strukturell ausgeglichen ist. Dass Sie, wie in den vergangenen Monaten, immer so tun, als sei die geopolitische Lage, die Weltentwicklung bei Flüchtlingen, Migration und anderem, wie aus heiterem Himmel über uns gekommen und nicht letztendlich Konsequenz einer seit Jahren oder gar Jahrzehnten verfehlten deutschen und europäischen Migrations-, Sicherheits- und Asylpolitik ist, das schlägt dem Fass dann aber doch den Boden aus.
Eines ist klar: Die Welt bewegt sich, und Migrationsbewegungen hat es auf dieser Welt schon immer gegeben. Es ist allein der Weitblick von Politikern, die ihr Land darauf vorbereiten. Anscheinend ist dieser Weitblick oder diese Handlungsfähigkeit anderer europäischer Regierungen in der EU diesbezüglich wesentlich ausgeprägter, denn offensichtlich haben die polnische oder die ungarische Regierung derartige überraschende Haushaltsbelastungen wie Deutschland nicht zu verzeichnen.
Auch die von Ihnen so gelobten 75 Millionen Euro Tilgung pro Jahr bei immer noch zweistelligen Milliarden-Staatsschulden des Freistaates, also 150 Millionen Euro Schuldentilgung in den nächsten zwei Jahren, muten dabei sehr sparsam und sehr homöopathisch an. Sie gehen nicht so weit, Herr Unland – das sei Ihnen zugestanden –, dass Sie den Bundesfinanzminister wiederholen, der sagte, die gesunkenen Staatsschulden seien letztendlich ein Profit aus den niedrigen Zinsen. Das war von Herrn Schäuble wieder einmal ein Schlag ins Gesicht
der Steuerzahler und Sparer. Das betrifft letztlich aber auch Sachsen, denn Sachsen gehört auch zu Deutschland.
Auch hier leiden die Sparer, die Steuerzahler und diejenigen, die Lebensversicherungen haben, darunter, dass wir eine katastrophale und teilweise besorgniserregende Zinspolitik auf europäischer Ebene haben; denn nicht nur in Griechenland, sondern auch in Italien ist damit zu rechnen, dass die Staatshaushalte zusammenbrechen. Dass unter diesen Umständen Sachsen zusammen mit anderen Bundesländern im Bund und auch Europa in der EZB nicht stärker darauf drängten, diese Art von Finanzpolitik, von katastrophaler vermögensvernichtender
Geldpolitik, zu beenden, ist auch ein Ergebnis dieser Debatte. Darüber wird aber nicht geredet, sondern diese Entwicklung wird weiter fortgesetzt.
Wir sehen zugegebenermaßen, dass die Staatsregierung versucht, in den durch sie seit Jahren geschrumpften Bereichen Bildung und Innere Sicherheit etwas wieder gutzumachen. Sie haben das bereits im März 2016 eingeleitet, als Sie verkündet haben, den Personalabbau bei der Polizei und der Justiz zu stoppen. Wir sind der Meinung: Das ist viel zu spät, nicht ausreichend, und das Verfahren ist zudem noch rechtswidrig, weil wir keinen Nachtragshaushalt im Parlament diskutieren konnten. Trotzdem ist es wichtig, dass dieser Paradigmenwechsel eingeleitet wurde.
Schauen wir uns einmal genau an – es wurde teilweise schon erwähnt –, was bei der Polizei passiert. Die Personalaufstockung oder das Ende des Polizeiabbaus bei der Polizei geschieht viel zu langsam. Es rächt sich nun, dass die Bildungsinstitute für die Polizeianwärter, die Polizeischulen, in der Vergangenheit geschrumpft wurden. Deswegen kann der Personalaufbau, den wir so dringend brauchen, um nicht nur die Terrorgefahr zu bekämpfen, sondern auch um die breite Aufgabe der Polizei – Prävention, Sicherung der öffentlichen Plätze und Straßen, der Wohngebiete und vieles andere mehr – zu gewährleisten, vermutlich erst im Jahr 2026 abgeschlossen werden.
Wir alle wissen, dass die Kommission zum Stopp des Personalabbaus festgestellt hat, dass dieser Personalaufbau bis zum Jahr 2020 erreicht werden sollte. Bereits jetzt sehen wir, dass wir einen Verzug von mindestens sechs Jahren haben werden. Welche Kosten dieser zeitliche Verzug an anderer Stelle haben wird – durch eine nicht erfolgte Aufklärung, durch eine nicht erfolgte Prävention, durch eine möglicherweise weitere Zunahme an Diebstählen im Freistaat Sachsen –, werden wir in den Folgejahren zu diskutieren haben.
Hierzu sind unsere Forderungen ganz klar: Es muss sehr viel schneller mehr Personal eingestellt werden, und die Regierung hat dafür die Voraussetzungen zu schaffen.
Schauen wir einmal in den Bereich Justiz: Unabhängig von der Frage, dass die Asyl- und Migrationspolitik der Bundesregierung seit Jahren Auswirkungen auch auf den Justizapparat hat, führt das Grundrecht auf Asyl vor allem zu einer vermehrten Klagewelle. Wir wissen, dass 80 % der abgelehnten Asylbewerber gegen ihre Ablehnungsbescheide vor Gericht ziehen und der Staat und der Steuerzahler diese Kosten zu tragen haben. Auch in allen anderen Bereichen der Justiz haben wir längst mehr Bedarf für Fachpersonal.
Wir sehen, dass der Krankenstand seit Jahren auf dem Höchststand verweilt, auch wenn es im vergangenen Jahr einen leichten Rückgang gegeben hat. Deswegen werden wir auch hier eine schnellere Kompensation in diesen Bereichen brauchen. Der zu erwartende Altersabgang – auch ohne demografischen Wandel – geht aufgrund der Tatsache, dass es zur Wendezeit viele Neueinstellungen gab und diese Personen nur nach und nach in den Ruhestand gehen, viel zu langsam vonstatten. Wir haben das bereits 2014/2015 gefordert. Im letzten Doppelhaushalt haben wir vorgeschlagen, 11 Millionen Euro mehr in diesem Bereich auszugeben. Aber wie alle Anträge von der AfD wurde natürlich auch dieser Antrag von Ihnen abgelehnt.
Apropos Ablehnung und Erinnerung: Der „Experte fürs Abendland“ hat sich für mehr sachunmittelbare Demokratie, also für eine direkte Demokratie, ausgesprochen. Herr Gebhardt, vielleicht blättern Sie mal in Ihren Akten und setzen sich ganz positiv – konstruktiv zusammen mit der AfD – im Ausschuss für unseren Gesetzentwurf ein.
Ach ja: Personal und Lehrer. Es ist gut, dass Sie von den LINKEN gerade herumschreien; denn Sie rufen nach mehr Lehrern und nach Personal. Als die AfD in zwei Anträgen mehr Lehrereinstellungen und mehr Geld gefordert hat, haben Sie diese Anträge abgelehnt. Sie haben die Höhergruppierung von Lehrern abgelehnt. Lassen Sie es einfach. Sie sind an dieser Stelle nicht kompromiss- und schon gar nicht regierungsfähig.
(Beifall bei der AfD – Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Aber Sie, oder was?! – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)
Tatsache ist: Auch zu Beginn des neuen Schuljahres ist festzustellen, dass die Staatsregierung nicht in der Lage ist, ihre eigenen Versprechungen bezüglich der Bildung einzuhalten, denn die Unterrichtsausfälle liegen seit Jahren deutlich über den prognostizierten Ausfällen.
Für uns ist es keine Überraschung, dass Frau Kurth anlässlich des Besuchs einer Schule zu Beginn des Schul
jahres 2016/2017 feststellen musste, dass es wieder signifikante Unterrichtsausfälle geben wird, und zwar trotz der Mehreinstellungen, von denen übrigens fast 50 % des Personals als Quereinsteiger gefunden werden müssen, weil unsere Lehrerabsolventen nicht in Sachsen bleiben wollen. Was man dazu tun könnte, haben wir zum Teil vorgeschlagen. Vielleicht schauen Sie es sich bei Gelegenheit doch noch einmal an.
Tatsache ist: Der Regelunterricht kann auch in diesem Schuljahr in Sachsen nicht abgesichert werden. Passend dazu erreicht uns am gestrigen Tag ein Hilferuf-Schreiben aus Eilenburg, in dem für das vergangene Schuljahr allein in einer Klasse der siebten Jahrgangsstufe 55 Stunden Unterrichtsausfall prognostiziert wurden.
Wenn Sie glauben, die sächsischen Kinder und Jugendlichen so auf die Zukunft vorbereiten zu können, dann haben Sie sich gründlich geirrt.
Meine Damen und Herren, es gebe noch mehr dazu zu sagen. In der zweiten Runde werden wir dazu ausführen, wie sich die AfD Einsparungen vorgestellt hat. Wir glauben nämlich, dass sie möglich sind.
Wir glauben vor allem, dass es ein Schlag ins Gesicht der sächsischen Steuerzahler ist, wenn so getan wird, als seien die geplanten Asylkosten von 800 Millionen Euro gottgegeben. Das sind sie nicht. Sie sind Folge einer verfehlten Politik auf Länder- und Bundesebene, die Sie, die Staatsregierung, Herr Unland, mit zu verantworten haben.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Herr Abg. Zschocke. Bitte sehr, Herr Zschocke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Entwurf verspricht mehr Geld. Der Finanzminister erzählt uns: Alle Zukunftsthemen sind damit identifiziert und die Weichen werden vorausschauend gestellt. Ja, was sind denn jetzt eigentlich die zentralen Zukunftsthemen in Sachsen?
Ich sehe im Wesentlichen sechs Herausforderungen: Schafft es die Regierung, für alle Bereiche der Landesverwaltung künftig ausreichend kompetentes Personal zu finden, um einen funktionierenden, bürgernahen Staat sicherzustellen? Wird ein Engpass an Arbeitskräften, auch in der sächsischen Wirtschaft, vermieden und wird die technologische Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gesichert? Zieht Sachsen die richtigen Konsequenzen aus dem Weltklimagipfel, der in Paris stattgefunden hat? Werden die Weichen dafür im Haushalt auch richtig gestellt? Werden der dramatische Verlust von Tier- und Pflanzenarten, der zunehmende Flächenverbrauch in Sachsen, die Zerstörung von Lebensräumen, die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden gestoppt? Wird allen Kindern gute Bildung ermöglicht, und zwar durch ausreichend qualifiziertes und nicht permanent überlaste
tes Personal? Können alle Menschen, die in Sachsen leben und hier Schutz suchen, in Würde, Freiheit und ohne Angst leben? Wird Respekt für verschiedene Lebensweisen und Toleranz gefördert?
Meine Damen und Herren, zunächst zum Personal: Hierfür soll künftig mehr Geld ausgegeben werden. Es bleibt allerdings ein Rätsel, wie der enorme Neueinstellungsbedarf, der ja durch die Altersabgänge bis 2030 entsteht, gedeckt werden soll. Dafür müssten ab sofort in jedem Jahr Einstellungen in Größenordnungen erfolgen. Diese sind im Entwurf aber nicht annähernd abgebildet, Herr Unland.
Viel zu lange wurde auch gezögert, die verantwortungslose Streichung der Polizeistellen rückgängig zu machen. Der Finanzminister hat dies dann auch noch blockiert. Durch dieses viel zu späte Umsteuern sind die Polizei und die Bevölkerung verunsichert. Es wird Jahre dauern – Vorredner haben darauf verwiesen –, bis die Polizei wieder in angemessener Personalstärke agieren kann.
Dringend muss auch Justizpersonal aufgestockt werden. Durch das lange Zögern der Staatsregierung wird es nun schwer, gute Leute zu finden, Herr Staatsminister Gemkow. Der Wettbewerb um die Köpfe steigt, und Sachsen ist nicht das einzige Bundesland, das Personal im öffentlichen Dienst sucht. Ich sage es deutlich: Die Weichen, hin zu einer nachhaltigen, tragfähigen Personalplanung für die nächsten zwei Jahre, müssen jetzt richtig gestellt werden.
Meine Damen und Herren! Die Steuereinnahmen, aus denen die Staatsregierung schöpft, erwirtschaftet sie nicht selbst. Viele erfolgreiche Unternehmen – darauf haben Sie verwiesen, Herr Unland – tragen dazu bei. Sie verweisen zum Beispiel mit Stolz darauf, 1,6 Milliarden Euro für die sächsischen Mikroelektronikprojekte zur Verfügung zu stellen. Das ist gut.