Protocol of the Session on August 11, 2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 38. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags.

Zuallererst beglückwünsche ich ganz herzlich unsere Kollegin Abg. Juliane Pfeil. Sie ist den Bund der Ehe eingegangen und trägt jetzt den Familiennamen PfeilZabel. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Klotzbücher, Herr Hartmann, Herr Heidan, Herr Schmidt und Herr Kosel.

Die Tagesordnung – – Oh, Entschuldigung! Ich muss eine Korrektur vornehmen: Unser Kollege Schmidt, Landwirtschaftsminister, ist anwesend.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Zwischen den Fraktionen ist abgesprochen, dass wir die erste Beratung aller drei Gesetzentwürfe gemeinsam unter einem Tagesordnungspunkt durchführen. Wir werden also die Tagesord

nungspunkte 1 und 2 zusammenziehen, was nach § 79 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung jederzeit möglich ist. Wenn es keinen Widerspruch gibt, verfahren wir so. – Ich kann ihn nicht erkennen. Danke.

Das Präsidium hat für die heutige Debatte folgende Redezeiten festgelegt: CDU 38 Minuten, DIE LINKE 29 Minuten, SPD 21 Minuten, GRÜNE 17 Minuten, Staatsregierung 45 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können je nach Bedarf verteilt werden.

(Zuruf: AfD?)

Oh, Entschuldigung! Die AfD habe ich übersprungen. Sie hat 19 Minuten Redezeit.

Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 38. Sitzung ist damit bestätigt, und wir treten in diese ein.

Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Aufgerufen ist

Tagesordnungspunkt 1

1. Lesung der Entwürfe

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes

des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2017 und 2018

(Haushaltsgesetz 2017/2018 – HG 2017/2018)

Drucksache 6/5550, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Gesetz begleitender Regelungen zum Doppelhaushalt 2017/2018

(Haushaltsbegleitgesetz 2017/2018 – HBG 2017/2018)

Drucksache 6/5551, Gesetzentwurf der Staatsregierung

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zu den Finanzbeziehungen

zwischen dem Freistaat Sachsen und seinen Kommunen

Drucksache 6/5552, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Für die Staatsregierung als Einreicherin spricht zunächst Herr Staatsminister der Finanzen Prof. Dr. Georg Unland. Danach erhalten die Fraktionen in folgender Reihenfolge das Wort: DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, GRÜNE.

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Vor einigen Tagen hat Ihnen die Staatsregierung die Entwürfe eines Haushaltsgesetzes – für die kommenden zwei Jahre, 2017 und 2018 – und eines Haushaltsbegleitgesetzes zur parlamentarischen

Beratung zugeleitet. In den nächsten Monaten stellen wir somit die Weichen für die weitere Entwicklung unseres Freistaates.

Die sächsischen Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns, dass wir unser Land gestalten und die Weichen vorausschauend stellen. Es wird also auch erwartet, dass wir die Zeit nach dem Doppelhaushalt 2017/2018 im Blick haben. Mit dem vorliegenden Haushalt hat die Staatsregierung einen Entwurf vorgelegt, der die zukünftigen Herausforderungen meistern kann und dem Freistaat Sachsen Stabilität verleiht.

Zunächst möchte ich auf die Rahmenbedingungen eingehen, unter denen der Doppelhaushalt 2017/2018 aufgestellt wird. Die Konjunktur läuft derzeit gut. Wir haben in Deutschland momentan ein solides und stabiles Wirtschaftswachstum. Die starke binnenwirtschaftliche

Entwicklung spiegelt sich in der sehr guten Entwicklung des Arbeitsmarktes und einem nach wie vor hohen Konsumniveau wider. Die gute Beschäftigungslage und der hohe Binnenkonsum haben steigende Steuereinnahmen zur Folge. Die Einnahmen bei den großen Steuerarten – Lohn- bzw. Einkommensteuer und Umsatzsteuer – sind deutlich aufwärts gerichtet. Bleiben bzw. erfüllen sich die derzeitigen Einnahmenprognosen bis zum Jahr 2020, kann man getrost von einem „goldenen Jahrzehnt“ für die öffentlichen Haushalte sprechen. Zehn Jahre wirtschaftliches Wachstum ohne Konjunktureinbruch sind historisch betrachtet eher selten.

Darüber hinaus profitiert die deutsche Wirtschaft – wie auch andere Volkswirtschaften weltweit – stark von volativen Effekten, die derzeit positiv wirken. Die weltweiten Rohstoffpreise sind derzeit sehr niedrig – abgesehen vielleicht vom Gold; aber ich weiß nicht, ob Gold überhaupt noch ein Rohstoff ist. Der Wechselkurs gegenüber dem Dollar ist niedrig. Das Zinsniveau ist – ich sage es bewusst etwas zurückhaltend – teilweise besorgniserregend niedrig.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Wirtschaft brummt.

Als Folge dieser positiven und teilweise einmaligen Rahmenbedingungen steigt die Erwerbstätigkeit. Die Löhne steigen. Die privaten und die staatlichen Konsumausgaben steigen. In der Folge dessen steigen auch die Steuereinnahmen – in den letzten Jahren meistens überproportional stark. Hinzu kommt die noch großzügige Ausstattung Sachsens mit EU-Mitteln und aus dem Solidarpakt II; dazu aber später noch einige Ausführungen.

Es läuft also sehr gut. Übersehen dürfen wir jedoch nicht: Die Risiken sind hoch. Sie stehen derzeit aber noch im Hintergrund. Mit steigenden Löhnen erhöhen sich auch die Arbeitskosten in Deutschland, und zwar seit einigen Jahren deutlich stärker als die Produktivität. Das bedeutet, dass unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit abnimmt. Darüber hinaus entsteht durch die lockere Geldpolitik der Notenbanken die Gefahr, dass neue Blasen an den Kapital- und Immobilienmärkten entstehen.

Die Folge sind hohe Risiken, nicht nur für den Finanzsektor, sondern auch für die Realwirtschaft. Schmerzhaft haben wir das ja in den Jahren 2009 und 2010 erfahren. Die Stabilität der Banken hat sich gegenüber den Zeiten der Finanzkrise zwar erhöht, wie sich aktuell aber am Beispiel von Italien zeigt, bestehen weiterhin große Herausforderungen, das europäische Bankensystem auf dauerhaft stabile Füße zu stellen. Ich möchte noch einmal betonen: Die Finanzkrise der Jahre 2008/2009 ist noch nicht überall überwunden und verarbeitet worden.

Wir haben in Deutschland derzeit eine gute wirtschaftliche Lage. Die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung ist aber wackelig und von großen Unsicherheiten geprägt. Wir dürfen daher nicht den Fehler machen, die Erträge des früheren Maßhaltens zu verfrühstücken und die Ausgaben auf einem Niveau zu verstetigen, das dann den Freistaat in zukünftigen mageren Jahren überfordern würde.

Kommen wir nun zu einigen ausgewählten wichtigen ausländischen Rahmenbedingungen, mit denen wir uns auch auseinandersetzen müssen. Wir haben in Europa bzw. in der Eurozone einige Sorgenkinder und politische Krisen. Eines der Hauptereignisse wird der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union sein. Die Auswirkungen eines möglichen – man sagt es so – Brexit, sowohl politisch als auch wirtschaftlich, auf Europa, Deutschland und Sachsen lassen sich derzeit nicht abschätzen.

Die Frage nach den Folgen des Brexits für die deutschen Regionen ist auch für Sachsen relevant, da mit Großbritannien ein Nettozahler der EU austritt. Ein wesentliches Förderinstrument für Sachsen sind die Mittel aus den Strukturfonds der EU. Die konkreten Folgen eines derart einschneidenden Ereignisses, wie es ein Brexit darstellen würde, vorab zu berechnen, ist jedoch unmöglich. Hierfür gibt es einige Gründe. Erstens: Es ist unklar, welche Auswirkungen der Brexit auf die Wirtschaftstätigkeit in europäischen Regionen hat. Schaut man sich die Außenhandelsbilanz Sachsens einmal an, dann wird deutlich, wie viel wir nach Großbritannien exportieren. Zweitens: Die Auswirkungen des Brexits auf den EU-Haushalt und damit auch auf die Höhe der EU-Strukturfördermittel sind unklar. Drittens: Es ist unabhängig vom Brexit unklar, wie das Förderregime in der folgenden Förderperiode 2021 bis 2027 ausgestaltet sein wird.

Zu dieser Krise kommen weitere hinzu. Die zahlreichen anhaltenden geopolitischen Krisenherde können weitreichende politische und wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Beispielsweise sind die Folgen der angespannten politischen Situation in der Türkei und auch die weiteren Folgen der anhaltenden Konflikte in Osteuropa, hier insbesondere der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, nicht absehbar. Gleichfalls bestehen weiterhin Bürgerkriege im Nahen Osten. Sie kennen sie: in Syrien und im Irak. Außerdem gibt es Krisenherde in Nordafrika. Dies betrifft Sachsen unmittelbar, nicht zuletzt durch die Flüchtlingsbewegungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können nicht vorhersehen, wie sich die geopolitischen und konjunkturellen Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren weiterentwickeln.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Das gilt für jeden Haushalt!)

Ja, das ist richtig. Deshalb mache ich hier einige grundsätzliche Ausführungen.

Die genannten Faktoren können wir hier in Sachsen nicht beeinflussen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die im Regierungsentwurf unterstellten Steuereinnahmen noch nicht verdient worden sind. Einnahmeprognosen sind, da sie nun einmal die Zukunft betreffen, von hohen Unsicherheiten geprägt. Daher ist es aus meiner Sicht auch wichtig, die Einnahmen eher konservativ zu schätzen. Nur so kann das Spannungsfeld der Einnahmen und Ausgaben politisch seriös bearbeitet werden.

Bei einer positiveren Entwicklung der Einnahmen haben wir positive Probleme zu lösen, uns stehen dann mehr finanzielle Mittel zur Nutzung politischer Handlungsspielräume zur Verfügung. Gerade bei unausweichlichen Mehrausgaben – und die Lebenserfahrung zeigt: die gibt es immer – ist dies ein nicht zu unterschätzender Faktor. Falls dagegen die Einnahmenseite bewusst unterschätzt wird und die Einnahmenerwartungen dann nicht eintreffen bzw. unerwartete Mehrausgaben anstehen, haben wir mit negativen Problemen, also mit Kürzungen zu kämpfen. Das wäre ein erheblicher Vertrauens- und Handlungsverlust für die gesamte Politik.

Lassen Sie mich nun die Eckdaten des Regierungsentwurfs zum neuen Doppelhaushalt 2017/2018 erläutern.

Ich sagte es bereits vorhin: Die derzeit positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland ermöglichen ein Rekordvolumen für den sächsischen Doppelhaushalt 2017/2018. 2017 liegt das Haushaltsvolumen bei 18,4 Milliarden Euro und im Jahr 2018 sogar bei 18,7 Milliarden Euro. Erstmalig überschreitet das jährliche Haushaltsvolumen damit deutlich die Grenze von 18 Milliarden Euro. Hier spiegelt sich nicht nur die aktuell sehr dynamische Entwicklung der Steuereinnahmen wider, sondern auch die nach wie vor gute Ausstattung des Freistaates mit Mitteln von Dritten. Rund die Hälfte der Einnahmen des Freistaates wird nicht durch eigene Steuerkraft erwirtschaftet, sondern wir erhalten sie von Dritten, sei es von der EU in der aktuellen Förderperiode, über den Solidarpakt II vom Bund oder über den Länderfinanzausgleich von anderen Bundesländern. Das bedeutet, dass die Einnahmenausstattung nach wie vor von Entscheidungen Dritter abhängig ist.

Hinsichtlich der EU-Förderung stehen dem Freistaat Sachsen im Vergleich zu früheren Förderperioden schon heute nur rückläufige EU-Mittel zur Verfügung. Die Entwicklung in der neuen Förderperiode ab 2021 ist noch komplett offen, nicht nur – das habe ich vorhin schon deutlich gemacht –, aber auch wegen des anstehenden Brexits.

Eine weitere wichtige Rahmenbedingung für die Einnahmensituation des sächsischen Haushalts ist die zukünftige Entwicklung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Die Bund-Länder-Finanzbeziehungen sind sehr vielschichtig. Einige Baustellen konnten bereits in den vergangenen Wochen und Monaten abgeräumt werden. Nennen möchte ich hier beispielsweise die Mittel für den sozialen Wohnungsbau oder die Regionalisierungsmittel für den ÖPNV. Andere Schauplätze sind hingegen noch offen. Beispiels

weise wurde noch keine Einigung über den dicksten Brocken, wenn ich mich einmal so ausdrücken darf, über den bundesstaatlichen Finanzausgleich ab 2020 erreicht. Die Länder haben sich zwar auf ein gemeinsames Modell für eine Anschlussregelung an das Ende 2019 auslaufende Finanzausgleichssystem verständigt, sie konnten sich jedoch noch nicht mit dem Bund einigen. Das Ländermodell würde zusätzliche Bundesmittel in Höhe von knapp 10 Milliarden Euro für die Länder bringen.