Protocol of the Session on June 23, 2016

Tagesordnungspunkt 5

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Weiterentwicklung der sachunmittelbaren

Demokratie im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/5391, Gesetzentwurf der Fraktion AfD

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die AfD-Fraktion, und für die Fraktion Frau Abg. Dr. Petry. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt genug Anlässe, darüber nachzudenken, warum Bürgerinnen und Bürger sich von Politik abwenden, warum viele Bürgerinnen und Bürger sich für Politik und auch für Parlamentsarbeit nicht mehr interessieren.

Schauen wir auf die letzte Landtagswahl aus dem Jahr 2014. Damals konnten wir in Sachsen gerade einmal eine Wahlbeteiligung von 49,1 % verzeichnen. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik und in die Abgeordneten, also uns, in diesem Hohen Hause schwindet. Nicht zuletzt deswegen sind wir der Meinung, dass das Thema „Direkte Demokratie“ wichtiger und aktueller denn je ist. Denn wenn Demokratie funktionieren soll – wir sehen, dass die eine Alternative nicht ausreichend angenommen wird, und ich rede über die sicherlich vorhandenen Kritikpunkte an der parlamentarischen Demokratie –, dann ist es unsere Aufgabe, Formen zu entwickeln, die dieses System ergänzen.

Derzeit erscheint die Wahl der Landtagsabgeordneten für viele Bürgerinnen und Bürger als die einzige Möglichkeit, sich auf Landesebene politisch zu beteiligen. Die Parteien, die die Rolle haben, die Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger mitzugestalten und die Bürgerinnen und Bürger zu informieren, tun häufig etwas anderes. Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich von ihnen, von uns, bevormundet. Die Bürgerinnen und Bürger wollen mitbestimmen, meine Damen und Herren. Es gibt genug gute Beispiele und Möglichkeiten, wo dies angesagt wäre.

Nicht nur die Themen Schule, Energie, Rundfunkversorgung, nein, auch Themen von nationalem und letztlich auch europäischem Interesse sind es, die die Bürgerinnen und Bürger bewegen. Sie wissen, die AfD fordert seit Langem Volksabstimmungen über den Euro und das Ende der Rettungsmaßnahmen. Einwanderung und Migrationspolitik sind Themen, die die Grundfesten der Gesellschaft beeinflussen. Auch hier, sind wir der Meinung, muss das Volk zukünftig mitbestimmen können.

Mehr direkte Demokratie, meine Damen und Herren, ist ein gutes Mittel gegen Staats- und gegen Politikverdrossenheit. Die Sächsische Verfassung nennt in Artikel 3 Abs. 2 den Landtag und das Volk gleichberechtigt als zuständig für die Gesetzgebung.

Doch wie, meine Damen und Herren, sieht die Realität aus? – Ganz anders. In 20 Jahren sächsischer Verfassungsgeschichte gab es nur sehr wenige Volksanträge, und lediglich ein einziger Volksentscheid, nämlich der zum Sparkassengesetz, hatte realistische Chancen, als Volksantrag das notwendige Quorum von 450 000 Unterschriften zu erreichen; und das auch nur, weil die Unterschriftenlisten damals in den meisten Sparkassenfilialen auslagen.

Sicherlich haben auch andere Fraktionen dieses Thema bereits berührt, doch die AfD legt mit diesem Gesetzentwurf einen umfassenden Neuentwurf zum Thema „Direkte Demokratie“ vor. Die bisher eingereichten Entwürfe waren halbherzig, noch regelten sie diese Materie umfassend. Dieses Ziel verfolgen wir bereits seit dem Einzug in dieses Hohe Haus und haben dazu im vergangenen Jahr einen Demokratiekongress mit namhaften Wissenschaftlern und Referenten veranstaltet.

Die Ergebnisse aus dem Kongress haben wir in dem vorliegenden Gesetzentwurf weiterverarbeitet und wollen mit diesem Folgendes erreichen: die direkte Demokratie im Freistaat Sachsen stärken und den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere und umfassende Beteiligung an der Gesetzgebung und der politischen Willensbildung ermöglichen.

Als Erstes wollen wir mit dem Gesetzentwurf die Quoren für den Volksantrag und das Volksbegehren deutlich senken. Um zukünftig flexibel auf die Bevölkerungsentwicklung reagieren zu können, wollen wir keine absoluten Zahlen in diesem Gesetzentwurf verwirklichen, sondern haben Prozentangaben gemacht. Um ein Beispiel zu wählen: Unser Gesetzentwurf sieht für den Volksantrag zukünftig eine Unterstützung nur noch von 0,5 % der Stimmberechtigten vor, derzeit sind es absolut gesehen 40 000 stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger, die dafür unterschreiben müssten. Nach unserem Entwurf wären es gerade einmal 17 000 Bürgerinnen und Bürger. Für das Volksbegehren verlangen wir eine Unterstützung von 7 % der Stimmberechtigten. Momentan werden dafür 450 000 Unterschriften gebraucht. Mit unserem Antrag wären es nur noch 236 000 Unterschriften.

Der Volksantrag soll wie bisher ohne ein Quorum durchgeführt werden. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen soll entscheiden.

Unser Gesetzentwurf enthält weitere Beteiligungsmöglichkeiten. Auf unserem Demokratiekongress haben wir uns auch mit der langjährigen Erfahrung der Schweizer Demokratie beschäftigt und sind auf weitere Möglichkeiten der Volksbeteiligung gestoßen. Es geht um das Referendum. In der Schweiz bringt das Instrument des Refe

rendums die sachunmittelbare Demokratie; es gibt uns die Möglichkeit, nachweislich positive wirtschaftliche und haushalterische Effekte zu erreichen. Daher möchten wir diese Referenden auch in Sachsen einführen.

So sollen die Bürgerinnen und Bürger über Gesetzentwürfe des sächsischen Parlaments oder der Staatsregierung abstimmen dürfen, wenn die Staatsregierung, die Mehrheit der Mitglieder des Parlaments oder das Volk dies ausdrücklich wünschen. Auch bei Verfassungsänderungen soll zukünftig nicht nur das Parlament, sondern zusätzlich auch das Volk mit abstimmen dürfen. In diesem Zusammenhang muss dann auch die Sächsische Verfassung dahin gehend geändert werden, dass ein vom Sächsischen Landtag beschlossenes Gesetz nunmehr erst nach einem Monat und nicht sofort nach seiner Verkündung in Kraft treten soll. Innerhalb dieser Frist hat das Volk die Möglichkeit, eine Referendumsinitiative bei 0,5 % Beteiligung der Stimmberechtigten zu betreiben.

Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, dass wir in Sachsen eine Vorreiterrolle für die Ermöglichung von mehr direkter Demokratie übernehmen sollten. Die Sächsische Staatskanzlei hat ein Jahr nach dem Demokratiekongress offenbar ähnliche Ideen gehabt und zusammen mit dem Schweizer Kanton Aargau einen eigenen Kongress veranstaltet. Unsere Staatsregierung hat dort gute Erfahrungen mit dem Instrument des runden Tisches

betont. Wir sind der Meinung: Dies geht definitiv nicht weit genug. Wir möchten, dass das Volk verbindlich mit unserem Gesetzentwurf die Möglichkeit erhält, sich zu beteiligen.

Wir bitten um Zustimmung zur Überweisung unseres Gesetzentwurfes an den Verfassungs- und Rechtsausschuss. Dort werden wir eine Anhörung zu unserem Gesetzentwurf beantragen. Wir hoffen auf eine sachliche Debatte in diesem Haus zur Weiterentwicklung der sachunmittelbaren Demokratie in unserem Freistaat.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Dem Vorschlag folgend, schlägt Ihnen das Präsidium vor, den Entwurf „Gesetz zur Weiterentwicklung der sachunmittelbaren Demokratie im Freistaat Sachsen“ an den Verfassungs- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer damit einverstanden ist, der hebt die Hand. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen. Meine Damen und Herren, dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

1. Lesung des Entwurfs

Landessehhilfengesetz

Drucksache 6/5392, Gesetzentwurf der Fraktion AfD

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die AfD-Fraktion. Für die Fraktion spricht Herr Abg. Wendt. Bitte sehr, Herr Wendt, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Sie können ohne Brille nichts mehr lesen.

(Ines Springer, CDU: Tja, das brauche ich mir nicht vorzustellen! – Allgemeine Heiterkeit)

Tagsüber erscheinen Ihnen weit entfernte Objekte nur noch als Farbmuster, und nachts können Sie die Entfernung eines herannahenden Autos nicht mehr richtig einschätzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, insbesondere das letzte Beispiel hätte gravierende Auswirkungen auf die eigene Person, auf deren etwaige Folgen ich heute hier nicht näher eingehen möchte.

(Heiterkeit bei der AfD)

Die AfD bringt heute einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines Landessehhilfengesetzes ein. Dabei handelt es sich um einen vollständig neuen Gesetzentwurf. Er ist notwendig, da durch die Krankenkassen seit dem Jahr 2004 nur noch unter sehr engen Voraussetzungen Zuschüsse für Brillengläser geleistet werden.

Die Krankenkassen zahlen, nachdem der Leistungskatalog unter Gerhard Schröders rot-grüner Regierung novelliert worden ist, Zuschüsse zu Brillengläsern gemäß § 33 Abs. 2 SGB V nur noch bis zum 18. Lebensjahr. Über das 18. Lebensjahr hinaus besteht ein Leistungsanspruch nur dann, wenn aufgrund einer Sehschwäche oder Blindheit entsprechend der von der WHO empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 – das entspricht einem Visus von circa 0,3 bei bestmöglicher Korrektur – vorliegt, sowie auf therapeutische Sehhilfen, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen.

Zum Vergleich möchte ich Ihnen vor Augen halten, dass man für die Erteilung einer Fahrerlaubnis einen Visus von 0,7, der mit oder ohne Sehhilfe erreicht werden muss, benötigt. Betroffenen mit schlechteren Werten darf ein

Führerschein, beispielsweise für die Klasse B, überhaupt nicht ausgehändigt werden bzw. wird dieser eingezogen, wenn die Sehleistung nicht mehr gegeben ist. Auch das Landesblindengeldgesetz schafft für hochgradig Sehschwache nur dann einen Ausgleich, wenn die Sehleistung der Betroffenen trotz Korrektur nicht mehr als ein Zwanzigstel beträgt.

Dabei kann sich nicht jeder die gerade im Zusammenhang mit der Korrektur von hochgradiger Sehschwäche sehr teuren Brillengläser leisten. Dies führt praktisch dazu, dass viele Betroffene auf qualitativ minderwertige bzw. nicht angepasste Gläser zurückgreifen müssen, zur Aufnahme eines Kredites gezwungen werden, sofern sie einen erhalten oder diesen bedienen können, oder gar auf eine Brille trotz Einschränkung verzichten.

Dies schränkt unseres Erachtens Menschen in ihren täglichen Handlungsmöglichkeiten im Alltag und im Arbeitsleben massiv ein. Der hier vorgelegte Gesetzentwurf zielt demnach auf die Beseitigung dieses Missstandes ab und möchte damit eine Regelungslücke schließen, die auf die damalige unsoziale Sparpolitik der rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen ist.

Lassen Sie mich im Rahmen meines Redebeitrages auch die fachliche Ebene beleuchten und so eine Brücke zum Gesetz schlagen und zum Umdenken anregen:

In allen modernen Staaten ist ein starker Anstieg der Kurzsichtigkeit zu verzeichnen. Beispielhaft liegt hier die Prävalenz höhergradiger Kurzsichtigkeit von weniger oder gleich minus 7 Dioptrien bei den heute 85- bis 89Jährigen bei nur 1,4 %. Bei den heute 25- bis 29-Jährigen jedoch liegt diese bereits bei 5,3 %. Dieser massive Anstieg von Fehlsichtigkeit könnte verschiedenen wissenschaftlichen Theorien zufolge vermutlich auf zu wenig Sonnenlicht oder zu viel Naharbeit zurückzuführen sein.

Umgekehrt ist auch aufgrund des demografischen Wandels ein deutlicher Anstieg der zumeist altersbedingten Weitsichtigkeit zu verzeichnen. Während nur 1,1 % der 25- bis 29-Jährigen eine Weitsichtigkeit von mehr oder gleich 3 Dioptrien aufweisen, liegt der Anteil in der Altersgruppe, die älter als 70 Jahre ist, schon bei mehr als 12 %, gemessen an der Gesamtbevölkerung.

Aufgrund dieser Entwicklungen muss in diesem Bereich umgedacht und müssen etwaige Regelungen entsprechend angepasst werden.

Unser Gesetz beinhaltet folgende wesentlichen Eckpunkte, die ich grob skizzieren möchte: Wir wollen Betroffene ab dem 18. Lebensjahr, die eine Fehlsichtigkeit von weniger als minus 5 oder mehr als 5 Dioptrien aufweisen und ihren Hauptwohnsitz seit sechs Monaten in Sachsen haben und zudem gesetzlich krankenversichert sind, unterstützen. Gekoppelt ist dies an ein Bruttoeinkommen von weniger als 1 500 Euro für Alleinstehende bzw. 3 000 Euro für Familien.

Die Zuschüsse werden nach dem Preis der Brillengläser gestaffelt. Ein Zuschuss wird nur gewährt, wenn der Preis mehr als 150 Euro für beide Gläser beträgt. Die Kosten

werden durch den Freistaat Sachsen getragen. Es wird zudem eine Statistik geführt, um die Auswirkungen des Gesetzes auswerten zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns ist bewusst, dass es sich hierbei um ein zusätzliches Gesetz handelt. Deshalb möchte ich grundsätzlich darauf hinweisen, dass wir Bürokratie abbauen, Gesetze verschlanken und transparent gestalten wollen.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Aha!)