Protocol of the Session on June 23, 2016

Eine der Forderungen aus dem Gespräch mit den Banken war auch, vorhandenes Vermögen einzusetzen, um durch die Krise zu kommen, es aber so einzusetzen, dass es nicht verwertet, das heißt verkauft werden muss, sondern gegebenenfalls nach der Krise dem Betrieb weiter zur Verfügung steht.

Wir möchten Liquiditätshilfeprogramme in Form von Bürgschaften zur Verfügung stellen. Dazu gab es auch schon die ersten Gespräche mit dem Finanzministerium. Die entsprechenden Anträge an die Europäische Union zur Notifizierung werden vorbereitet. Wir möchten – dazu gibt es auch die entsprechenden Zusagen –, dass alle europäischen und bundesdeutschen Hilfsgelder, die den Landwirten zur Verfügung gestellt werden und die eine Kofinanzierung durch den Freistaat benötigen, auch kofinanziert werden.

(Beifall des Abg. Christian Hartmann, CDU)

Daneben erwarten wir eine ganze Reihe von Maßnahmen vom Bund, die auch schon regelmäßig in den Wahlprogrammen und an anderer Stelle auftauchen. Sie schaffen es gelegentlich bis in die Schlussrunde bei den Koalitionsgesprächen, kommen dann aber doch meistens nicht durch. Das beginnt zum Beispiel bei folgenden Punkten: steuerliche Risikoausgleichsrücklagen, Aufnahme zusätzlicher Versicherungsrisiken, Erhöhung und Verstetigung des Zuschusses für die Beiträge zu den agrarsozialen Sicherungssystemen, Anpassung der Gasbeihilfe an den europaweiten Durchschnitt.

Wir sind ebenfalls der Meinung, dass die EU auch ihren Teil dazu leisten muss. Sie muss uns Beihilferegelungen ermöglichen, damit wir Bürgschaften ausreichen können. Es müssen freiwillige Vereinbarungen über die kartellrechtlich relevante Milchmengensteuerung auch für mehr als sechs Monate getroffen werden können. Ebenso muss es die Möglichkeit geben, wenn Betriebe aus der Produktion aussteigen möchten, dass die Fördermittel, für die es noch Investitionsbindefristen gibt, nicht zurückgezahlt werden müssen.

Ich möchte an dieser Stelle noch auf die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels eingehen. Ich möchte ihn an dieser Stelle auffordern, seine Marktmacht nicht gnadenlos auszunutzen, um den letzten Pfennig aus den Landwirten herauszupressen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wenn irgendwann die Milchproduktion aus den Erzgebirgsgegenden, wo nur Grünlandwirtschaft möglich ist, abwandert, dann wäre das ein Horrorszenario. Das sollte auf alle Fälle verhindert werden. Unsere Bevölkerung ist durchaus bereit, nicht nur 30 Cent, sondern auch 40 Cent für einen Liter Milch zu bezahlen und damit ihren Beitrag zur Pflege der Landschaft und Landeskultur zu leisten.

In diesem Sinne hoffe ich, dass diese Maßnahmen dazu beitragen, den Zeitraum zu überbrücken, bis sich der Markt erholt hat und die Landwirte wieder vom Erlös ihrer Produkte leben können.

Ich bedanke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche einen schönen Tag.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Herr Heinz, auch für die Wünsche. Ich danke ebenfalls für die Einbringung des Antrags, der besondere Unterstützung von Herrn Abg. Hartmann erfahren hat. Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist an der Reihe. Herr Abg. Winkler, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollege Heinz hat es ausführlich ausgeführt: Die aktuelle Preisentwicklung für landwirtschaftliche Produkte ist dramatisch und existenzbedrohend.

Besonders besorgniserregend ist jedoch – das ist auch deutlich geworden – die Situation im Milchsektor. Angebot und Nachfrage sind nicht im Gleichgewicht. In Europa verzeichnen wir eine Überproduktion von 3 %. Über die möglichen Gründe und Ursachen dieser Entwicklung haben wir auf einen Antrag der LINKEN hin im März-Plenum unsere Meinungen schon ausgetauscht. Deshalb muss ich darauf nicht mehr eingehen.

(Beifall der Abg. Albrecht Pallas, SPD, und Kathrin Kagelmann, DIE LINKE)

Mit dem heutigen Antrag der Koalitionsfraktionen haben wir einen Katalog mit kurz- und langfristigen Hilfsmaßnahmen aufgelistet. Die Krux liegt darin, dass wir zum einen kurzfristige finanzielle Hilfen für die Landwirte bieten müssen, damit sie wieder Luft zum Atmen bekommen. Zum anderen müssen Hilfsmaßnahmen ergriffen werden, die den Markt nachhaltig stabilisieren. Finanzielle Hilfen allein reichen hierfür nicht aus, um die Situation dauerhaft zu verbessern. Hilfsmaßnahmen zur nachhaltigen Stabilisierung des Marktes können aber größtenteils nur auf europäischer Ebene wirksam werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Inhalt des Antrags betreffend nicht auf jede Maßnahme oder Forderung eingehen. Dennoch möchte ich aber einige wichtige Aspekte nennen. Zu den kurzfristigen Maßnahmen zählt zum Beispiel die Absenkung der Ertragssteuervorauszahlung und Steuerstundung. Die geforderten Liquiditätshilfeprogramme sollen vor allem den Landwirten helfen, die in den letzten Jahren viel investiert haben, insbesondere zur Verbesserung des Tierwohls und der Unterstützung gesetzlicher Anforderungen.

Es gibt aber auch landwirtschaftliche Unternehmen, die mit staatlichen und europäischen Fördermitteln die soeben genannten Investitionen durchgeführt haben und sich nun mit dem Gedanken tragen, aus der Milchproduktion auszusteigen. In diesen Fällen sollte geprüft werden, ob man die starren Bindefristen flexibler gestalten könnte, um das Aussteigen ohne drohende Rückforderungsansprüche zu ermöglichen. Überhaupt sollten Ausstiegshilfen erarbeitet und umgesetzt werden. Für die Überwindung zukünftiger Krisen und Preisschwankungen sollte der steuerliche Risikoausgleich – die Rücklagenbildung – zugelassen werden. Es gibt dazu einen Entschließungsantrag im Bundesrat, der beschlossen und zur zügigen Umsetzung weitergeleitet wurde. Das ist schon der erste Erfolg in dieser Richtung.

Wir sind uns alle einig, dass der Schlüssel des Problems die europaweite Verringerung der Milchmenge ist. Hierbei ist zuallererst die Branche selbst gefordert. Mit dem am Freitag, dem 17. Juni 2016 – das ist noch gar nicht so lange her – im Bundesrat verabschiedeten Agrarmarktstrukturgesetz besteht nun der rechtliche Rahmen, damit Erzeugerorganisationen, Branchenverbände und Genossenschaften die Rohmilchproduktion innerhalb der EU auf freiwilliger Basis regulieren können. Erzeugerorganisationen und Genossenschaften haben die Möglichkeit, sich bei der Produktion der Milchmenge abzusprechen. Laut

EU-Verordnung ist diese Ausnahme aber nur für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten begrenzt – Kollege Heinz hat es schon erläutert. Wir sind der Meinung, dass das ein guter Weg ist. Die Frist von sechs Monaten soll aber überschritten werden dürfen.

Die SPD ist der Meinung, dass zur langfristigen Stabilisierung des Milchmarktes Änderungen bei der Vertragsgestaltung zwischen den Landwirten und Molkereien notwendig sind. Die sogenannte Andienungspflicht für Genossenschaftsmitglieder sollte fallen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es bleibt dennoch zu befürchten, dass die freiwilligen Maßnahmen kaum greifen. Es ist bedauerlich, dass es bis jetzt aufseiten der Wirtschaftsbeteiligten keine Signale gibt, freiwillige Maßnahmen zur Mengenreduzierung zu ergreifen. Es bleibt also weiterhin folgende Frage offen: Wie können wir die Milcherzeugung reduzieren?

(Jörg Urban, AfD: Genau!)

Hierzu braucht es vor allem die europäischen Lösungen, die ich vorhin genannt hatte. Es nützt nichts, wenn in Deutschland die Milchmenge reduziert wird, aber andere europäische Länder die Produktion auf gleichem Niveau halten oder sogar hochfahren. Eine Variante, die auch von den Agrarministern der Länder zurzeit diskutiert und geteilt wird, dieser hat sich mittlerweile auch Bundesagrarminister Schmidt angeschlossen, ist folgende: Es sollen zusätzliche Liquiditätshilfen der EU mit der Drosselung der Milcherzeugung verknüpft werden. Am 15. Juli 2016 wird es eine außerordentliche Agrarministerkonferenz geben, um diesbezüglich konkrete Lösungen zu beraten. Es wird aber sicherlich auf europäischer Ebene schwierig bleiben, derartige Maßnahmen umzusetzen, da die Positionen und Situationen der Länder sehr unterschiedlich sind.

Falsch hingegen – so sehe ich das persönlich – sind die Pläne der EU, europäische Milchüberschüsse in Form von Milchpulver hochsubventioniert in Drittmärkte zu verkaufen. Der Export von subventioniertem Milchpulver zerstört unter Umständen die bäuerliche Landwirtschaft in den Zielländern und drängt die dortigen Milchbauern vom Markt. Das ist eine ethische und moralische Frage.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

In dieser Form wird europäische Agrarpolitik in der Folge eventuell zu einer weiteren Fluchtbewegung führen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch ein paar kurze Gedanken zu den regionalen Wirtschaftskreisläufen und den Möglichkeiten des Verbrauchers, helfend auf diese Situation zu reagieren, vorstellen. Er ist auch bereit zu reagieren. Den Verbrauchern wird es mit der derzeitigen Kennzeichnungspflicht bzw. -praxis nicht leicht gemacht, mit seiner Kaufentscheidung etwas für seine regionalen Milcherzeuger zu tun. So ist auf der Milchverpackung nicht der Erzeuger, sondern der Abfüllort zu lesen. Das sollte sich grundsätzlich ändern.

Viele Verbraucher sind bereit, ihre regionalen Milchbauern mit ihrem Einkauf zu unterstützen. Sie sind übrigens auch bereit, das hatte Kollege Heinz bereits gesagt, mehr Geld auszugeben. Ich habe bisher keinen gesprochen, der nicht bereit ist, das zu bezahlen, was den Milchbauern auch zusteht. Es sind aus verschiedenen Gründen aber nur wenige in der Lage, ihre Milch direkt vom Bauern zu beziehen.

Ich möchte nebenbei erwähnen – das ist vielleicht für den einen oder anderen wichtig –, dass unsere Fraktion in Zukunft ihre Milch direkt vom Bauern beziehen wird. Der Verbrauch ist relativ hoch, weil wir eine sehr gute Kaffeemaschine mit vielen Variationen – vor allem mit viel Milch – haben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

Wir werden dadurch sicherlich die Welt und die Milchbauern nicht retten. Es soll aber als Vorbild und zur Nachahmung dienen. Vielleicht schaffen wir es insgesamt, die Milch direkt vom Bauern zu beziehen.

Nun erlauben Sie mir noch ein Wort zur ökologischen Milchproduktion:

Für die kleinen Unternehmen wird die Umstellung auf biologische Milch eine mögliche Alternative, für die Branche jedoch keine Generallösung sein. Der Freistaat wird die Förderung der Umstellungsphase in den ersten beiden Jahren erhöhen, aber biologische Produktion ist nicht die Lösung für alle. Denn die Nachfrage nach Biomilch ist nicht unbegrenzt, und auch dort regeln bekanntlich Angebot und Nachfrage den Preis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem heutigen Antrag will die Koalition mögliche Hilfeleistungen und Maßnahmen auf sächsischer Ebene aufzeigen. Wir wollen mit entsprechenden Maßnahmenvorschlägen und -forderungen unseren Agrarminister auf Bundes- und europäischer Ebene unterstützen, natürlich im Interesse unserer Milchbäuerinnen und Milchbauern. Wir stehen an deren Seite. Das haben wir ihnen auch deutlich gemacht und dies zeigen auch die vielen Aktivitäten der Staatsregierung sowie der Koalitionsfraktionen.

Ich will damit nur sagen, dass es nicht unbedingt eine Aktuelle Debatte geben muss, sondern in der Folge wirksame Instrumente, um dort nachhaltig etwas zu erreichen. So hat Staatsminister Schmidt unter anderem selbst einen Milchgipfel durchgeführt. Die Ergebnisse dieses Treffens hat der Minister in einem Schreiben im Vorfeld des Berliner Milchgipfels dem Bundeslandwirtschaftsminister zugeleitet. Dieses Schreiben und der Forderungskatalog liegen dem Umweltausschuss vor. Von Koalitionsseite gab es ebenfalls im Vorfeld des Berliner Milchgipfels im Ergebnis eines Gespräches mit dem Landesbauernverband ein gemeinsames Schreiben beider Fraktionsvorsitzenden an die Bundeskanzlerin und den Vizekanzler.

Viele der Forderungen und Maßnahmen finden Sie auch in unserem Antrag wieder. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Antrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Winkler. – Nun die Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr, Frau Abg. Kagelmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die freudige Botschaft vorweg: Wir werden dem vorgelegten Antrag zustimmen.

Wir hatten vor gar nicht allzu langer Zeit einen eigenen Antrag zur Agrarkrise. Er ist dankenswerterweise schon erwähnt worden. Dieser Antrag forderte ebenfalls viele der aufgeführten Instrumente.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Der war natürlich besser!)

Der war selbstverständlich besser.

Entscheidend für unsere heutige Zustimmung ist, dass im Antrag die Ausweitung des Exports keine Rolle spielt; das ist uns sehr wichtig.

Lassen Sie mich das dennoch etwas grundsätzlicher ausführen: Es ist schon eine skurrile Situation: Eine ganze Gesellschaft sorgt sich um ihre Bauern, ein Milchgipfel jagt den anderen, sämtliche Parteien stellen Forderungen, was das Zeug hält, und alle, Politiker und Betroffene, eint am Ende des Tages die gleiche Unzufriedenheit, denn im Ergebnis geht das Höfesterben weiter. In Anlehnung an ein Tucholsky-Zitat könnte man sagen: Man tut etwas gegen die Agrarkrise, aber man weiß ganz genau, mit diesen Instrumenten verhindert man die nächste nicht.

(Beifall des Abg. Jörg Urban, AfD)

Das ist nur logisch. Solange man nicht an die tatsächlichen Ursachen der Agrarkrisenwellen herangeht, werden wir weiter auf die nächste warten müssen. Das aber fällt denen besonders schwer, die jahrelang die Segnungen eines liberalisierten und mit TTIP vorgeblich noch freieren Weltmarktes gepriesen haben und noch preisen, die nur den Landwirten versagt bleiben sollte, die nicht in die Zukunft, in große Ställe und moderne Maschinen investieren wollen. Was ist das Ergebnis? Heute gilt nicht mehr: Wachse oder weiche, sondern wachse und weiche! Jetzt trifft es sogar die vermeintlich starken Betriebe.

Bei den landwirtschaftlichen Einkommen steht Deutschland unterdessen auf dem letzten Platz in der EU nach einem Absturz von 25 % innerhalb der letzten fünf Jahre. Übrigens, der Letzte, dem ich das Hohelied auf Weltmarktexporte und Freihandel unter viel Applaus habe singen hören, war Bauernpräsident Joachim Rukwied anlässlich des 25. Jubiläums des Sächsischen Landesbauernverbandes in Leipzig, um wenig später gemeinsam mit der sächsischen Verbandsspitze in den allgemeinen Ruf

nach staatlichen Bürgschaften, Liquiditätshilfen und Zuschüssen einzustimmen, was nichts weiter bedeutet als staatliche Markteingriffe.