Protocol of the Session on June 22, 2016

Danke, Herr Präsident! Ich spreche gleich von hier aus. Dieser Entschließungsantrag verdient es, von uns mit aller Wertschätzung abgelehnt zu werden, und ich möchte auch deutlich sagen, warum:

Als Erstes möchte ich deutlich dem Eindruck entgegentreten, der mit diesem Antrag verbunden wird: als ob die Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland im

Allgemeinen und in Sachsen im Konkreten die aktuelle Gefährdungs- und Terrorsituation, die wir tatsächlich latent in unterschiedlicher Intensität haben, zum Anlass nehmen würden, um eine Jagd auf ein Grundrecht zu veranstalten und eine permanente Verschärfung von Sicherheitsgesetzen des Selbstzweckes wegen vorzunehmen!

Das Zweite ist, dass auch in den konkreten Punkten Maßnahmen aufgeführt sind, die unter der These datenschutzrechtlicher Bestimmungen und der Wahrung des Datenschutzes sowie des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung eigentlich deplatziert sind. Ich will deutlich sagen: Es gibt ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung im Datenschutz. Der Datenschutzbeauftragte ist als Kontrollinstanz zur Wahrung dieser Rechte und zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen eine wesentliche Instanz. Da sich aber die Frage der Abgrenzung von Grundrechten und die Frage der Rechte staatlichen Handelns, zum Beispiel der Rechte auf körperliche Unversehrtheit, in einer Abwägung befinden und permanent zu hinterfragen ist, welche Maßnahmen an welcher Stelle geeignet sind, um den Schutz und die Rechte des Einzelnen zu wahren, geht es auch immer um Grundrechtsabwägung und um kein Dogma, ein einzelnes Grundrecht voranzustellen und dann zu meinen, alle seien gleichwertig.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Kannst du den Satz noch mal wiederholen?)

Deshalb kennen wir auch den Prozess der Grundrechtsabwägung.

Der dritte Punkt geht ganz an die Adressaten dieser Debatte: Es gibt eine wesentliche Veränderung, auch zu der Tatsache, als diese Regelung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung 1949 ins Grundrecht aufgenommen wurde: die Digitalisierung einer Welt mit völlig veränderten Rahmenbedingungen. Dies führt auch zu der Frage, wie ich mich diesen veränderten Situationen im Kriminalitäts- und im öffentlichen Bereich stelle. Als wir diese Regelung getroffen haben, war die Frage noch nicht immanent, dass ich heute überhaupt nicht mehr in der Lage bin, mein Konto auf Karteikarten zu führen, sondern alles nur noch online funktioniert und ich im Grunde bis zum Geldautomaten mittlerweile überall nur noch mit digitalisierten Daten arbeiten kann.

Kurzum: Wir müssen uns permanent diesen Veränderungen und den Anpassungsprozessen stellen, und ganz deutlich an den Vorredner, den Antragsteller zum Thema Polizeiliche Einsatzmaßnahmen: Ich erkläre an dieser Stelle deutlich für meine Fraktion, damit es keine Missverständnisse gibt:

Die Redezeit geht zu Ende.

Wir sind ausdrücklich dafür, die zusätzlichen Eingriffsmaßnahmen für die sächsische Polizei zu prüfen. Dazu gehört die Frage des

Einsatzes von Body-Camps genauso wie die der Videoüberwachung – dort, wo sie angezeigt und notwendig ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Kerstin Köditz, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Auf Herrn Hartmann folgt nun für die AfD – –

Ach, Frau Köditz war eher da, an Mikrofon 1.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Sie haben ihn zuerst aufgerufen!)

Dann zunächst Sie, Herr Wippel, AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Ich möchte von hier vorn sprechen. Einige Worte muss ich zu dem Antrag verlieren. Sie schreiben hier: „Mit jedem weiteren terroristischen Anschlag, der in Europa verübt wird, sinkt bei den Sicherheitsbehörden und Gesetzgebern die Bereitschaft, das Grundrecht zu berücksichtigen oder gar zu schützen.“

Das ist eine Unterstellung, aber auch nicht mehr. Die Behörden haben natürlich die Aufgabe, die Grundrechte zu schützen. Sie haben aber auch das Recht, wenn man sich parlamentarisch vorher darüber geeinigt und die Gesetze erlassen hat, in gewisse Grundrechte einzugreifen. Es ist letztlich eine Abwägungsfrage zwischen Freiheit und Sicherheit,

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

die wir immer wieder haben, und es ist nicht so, dass die Behörden ihre eigenen Gesetze machen würden.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das macht der Gesetzgeber!)

Sie unterstellen des Weiteren eine große Gefahr, die sich daraus ergibt, dass der Staat Daten von Straftaten, Reisen und Gesundheit zusammenwirft. Das ist ebenfalls eine Unterstellung. Das ist völlig aus der Luft gegriffen. Dazu fehlen mir, ehrlich gesagt, die Worte. Eine Zusammenführung gewisser Dateien, in denen Daten erhoben werden, ist durchaus sinnvoll, und der Bürger hat kein Verständnis dafür, wenn wir über Terrorabwehr sprechen, dass die eine Behörde Daten hat und die andere hat sie nicht, und am Ende passiert dann vielleicht noch ein Anschlag, und dann heißt es: Ihr habt sie ja gehabt, ihr habt sie nur nicht zusammengeführt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Datenweitergabe!)

Das wollen wir nicht. Wir wollen Leben retten und Anschläge verhindern. Das heißt natürlich auch, dass zum Beispiel das Ausländerzentralregister oder andere Daten, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat, und Daten, die wir im polizeilichen Auskunftssystem erfasst haben, zusammengeführt und abgeglichen werden, damit wir wissen, mit wem wir denn unterwegs sind.

Ein Beispiel dafür, dass die terroristische Gefahr nicht aus der Luft gegriffen ist: Es gab diesen Monat einen Waffenfund in Nordrhein-Westfalen. Das waren im Übrigen keine legalen Waffenbesitzer, sondern es waren offensichtlich Islamisten, die da am Werk gewesen sind.

Zu dem Punkt automatisierte Kennzeichenerfassung: Ja, dem stehen wir nach wie vor kritisch gegenüber. Allerdings sind wir noch nicht so weit, dass wir sagen, wir müssen sie zwingend einstellen. Dem Thema Gesichtserkennungssystem stehen wir zum jetzigen Zeitpunkt ablehnend gegenüber. Ich denke, wir sollten Schritt für Schritt überlegen, ob die Maßnahmen, die wir getroffen haben, ausreichen oder ob noch weitere notwendig sind.

Das Thema Vorhersagesoftware mit Namen Precobs, um das es eigentlich geht, Herr Lippmann, haben Sie immer noch nicht verstanden; wir haben schon darüber gesprochen. Sie haben es beim letzten Mal nicht verstanden, und in der Zwischenzeit hat sich nichts getan. Im Übrigen möchte ich daran erinnern, dass Ihre grüne Landesregierung in Baden-Württemberg gerade dabei ist, dieses Thema zu evaluieren. Dort hat man es immerhin ausprobiert.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Aber ich halte es für falsch!)

Sie spielen hier populistisch mit der Angst der Menschen vor einer riesigen Datenkrake. Das ist uns zu billig. Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Wippel. Nun kommt Frau Köditz an Mikrofon 1.

Vielen Dank, Herr Präsident! Wir als Fraktion DIE LINKE werden dem Entschließungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

natürlich zustimmen, und ich frage mich ganz einfach: Woher kommt die Angst? Herr Hartmann hat selbst ausgeführt, dass man immer wieder neu prüfen müsse, und dieser Punkt steht doch drin: Die Staatsregierung wird aufgefordert, eine umfassende Evaluierung sächsischer Sicherheitsgesetze durchzuführen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit und Angemessenheit gesetzlicher Befugnisse zum Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz. Was ist denn so schlimm daran, wenn man veränderte Bedingungen dann auch wiederum überprüft?

(Christian Hartmann, CDU: Ist das eine Frage?)

Das ist eine Ausführung und eine Reaktion auf Ihre Ausführungen, Herr Hartmann.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: In eine Frage gekleidet!)

Jetzt rede ich. – DIE LINKE findet es sehr wichtig, dass wir die Fragen des Datenschutzes – –

(Zuruf von der CDU: Mikro!)

Es geht nicht tiefer.

(Heiterkeit bei den LINKEN und der CDU – Dirk Panter, SPD, stellt das Mikrofon der Rednerin tiefer.)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und die Hilfe.

(Beifall bei den LINKEN und der CDU – Dirk Panter, SPD: Wir helfen immer!)

Das war Frau Köditz. – Nun sehe ich von den Fraktionen keine Redner mehr. Wir stimmen also über den Ihnen in der Drucksache 6/5509 vorliegenden Entschließungsantrag ab und ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegen

stimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Entschließungsantrag in der Drucksache 6/5509 abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 6/5407 ab. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 6/5407 zugestimmt worden. Meine Damen und Herren, der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Nachträgliche Genehmigungen gemäß Artikel 96 Satz 3

der Verfassung des Freistaates Sachsen zu