Protocol of the Session on May 27, 2016

Zuerst bin ich grundsätzlich der AfD dankbar, dass sie hier zeigt, dass sie sich eines landespolitischen Themas annimmt. Das ist – wie wir heute bereits erfahren durften – nicht immer ganz der Fall. Auch das, was seitens der AfD-Fraktion hier aufgeschrieben worden ist – das muss ich ganz deutlich sagen –, hat mit dem Thema sehr viel zu tun.

(Heiterkeit bei der AfD)

Frau Kersten – auch das ist nicht immer so – hat in ihrer Einführung –

(Dr. Frauke Petry, AfD: Mein Gott, seien Sie doch nicht so arrogant!)

Frau Petry, jetzt gehen Sie doch einmal mit einem Lob um, das ist doch jetzt nicht so dramatisch.

ihrer insgesamt 7 Punkte von Sofortmaßnahmen auch das eine oder andere gezeigt, worüber es sicherlich zu diskutieren lohnt. Ich will auf den einen oder anderen Punkt konkreter eingehen.

Natürlich kann man sich als Oppositionspartei populistisch hinstellen und sagen: Alle Lehrer sollen bitte ab sofort, ab dem 01.01.2017 in die Entgeltgruppe E 13 eingestuft werden. Das kann man machen, da bekommt

man bestimmt viel Applaus – ob immer von den Richtigen, ist die Frage.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Oh!)

Fakt ist nur, dass die Realität und die Gesetzlichkeiten, in denen wir leben, eben eine ein wenig andere Sprache sprechen.

Was Sie hier nicht tun, ist die Unterscheidung, schon einmal zu überlegen, woher eigentlich die Entgelteingruppierung im Lehrerbereich kommt. Sie ist abgeleitet aus dem Beamtenwesen, aus der Besoldung, und dort geht es ganz klar nach Wertigkeit von Abschlüssen. Es ist eben so, dass im Bereich aller anderen, die in entsprechenden Entgeltgruppen besoldet werden, ein Fachschulabschluss in einer andere Entgeltgruppe eingestuft wird, als es zum Beispiel ein universitärer Abschluss ist. Genauso ist es tarifrechtlich über viele Jahre schon vereinbart worden, dass letzten Endes in allen Bundesländern die Grundschullehrer anders behandelt werden als beispielsweise die Gymnasiallehrer oder die Realschullehrer.

Was wir in Sachsen als Unterscheidung zu anderen Bundesländern machen und was ich persönlich in der Situation, in der wir heute sind, mittlerweile für falsch halte, ist, dass wir noch einmal eine Unterscheidung zwischen dem Realschullehrer – sprich dem Mittelschullehrer – und dem Gymnasiallehrer machen. Wir hatten gestern die Diskussion: Wir bekommen nur noch gut ausgebildetes Personal, auch grundständig ausgebildetes Realschulpersonal, an die Realschulen, wenn wir diesen Beruf so attraktiv machen, dass wir dafür nicht nur Studenten finden, sondern dass diese das Studium tatsächlich auch beenden und bereit sind, auch an der Realschule zu arbeiten.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Der weitere Punkt, worüber Sie sich klar sein müssen, ist – das gilt im Übrigen für das gesamte Portfolio, das Sie hier darbieten –, dass man das natürlich nicht losgelöst von Haushaltsverhandlungen diskutieren oder Vorfestlegungen treffen kann, die nach meiner Ansicht gerade mit Blick auf den Stellenplan des Freistaates Sachsen und die Kosten, die damit entstehen, nicht unwesentlich sind.

Ich will Ihnen das einmal verdeutlichen. Wenn wir heute den Grundschullehrer mit E 11 einstellen, so wie es normal ist, sind Sie ungefähr bei einem Arbeitgeberbrutto von 3 600/3 700 Euro. Dazu gibt es eine schöne Kleine Anfrage, in der ein Vergleich gemacht wird, was in diesem Land wie viel kosten würde. Ich rede nicht vom Arbeitnehmer-, sondern vom Arbeitgeberbrutto. Sie sind, wenn Sie in die E 13 einstellen, schon einmal bei 4 300 Euro und kommen bei einer E 13 – Sie wollen ja nicht nur neu einstellen in die E 13, sondern Sie wollen alle hochstufen – bei einem Lehrer, der nach zehn Jahren in die E 13 soll, immerhin schon auf ein Arbeitgeberbrutto pro Lehrer von 6 100 Euro.

Ich könnte das jetzt weiterspinnen: In Ihrem Antrag findet man diesbezüglich überhaupt nichts – weder, wie viel

etwas kostet, noch, inwieweit das finanziert werden kann bzw. was es denn eigentlich bringt. Ich habe das bereits ausgeführt.

Ich glaube, unser größtes Problem besteht nicht darin, dass wir keine Grundschullehrer mehr finden – wir haben da eine schwierige Zeit hinter uns. Durch die Implementierung der Lehrerausbildung in Chemnitz und – Gott sei Dank, Frau Dr. Stange, – das Bekenntnis der Staatsregierung dazu, diese Ausbildung in Chemnitz zu lassen, vielleicht sogar noch aufzustocken, sind dort auch weiterhin gute Grundlagen vorhanden. Das sollten wir ausbauen.

Grundschule ist ein gern gesehenes Lehramt für Studenten im Gegensatz zu Oberschule oder Mittelschule. Deswegen müssen wir zuerst einmal dort anpacken, wo die Probleme am größten sind. Gestern habe ich das bereits ausgeführt: Die haushalterischen Rahmenbedingungen sind diesbezüglich bereits vor zwei oder vier Jahren – ich glaube, bereits im vorletzten Doppelhaushalt – gelegt worden. Es gab die Einigung, bis wann letzten Endes alle Oberschul-, alle Mittelschulstellen aus der E 11 in die E 13 haushalterisch hochgeschrieben werden. Damit steht zumindest fest, dass wir das Ziel der 100prozentigen E-13-Stellen an der Oberschule im Haushalt mit dem 01.01.2017 verankert haben. Das bedeutet, wir könnten theoretisch zum 01.01.2017 jeden Mittelschullehrer in die E13 einstellen oder hochgruppieren, weil das Geld im Haushalt dafür eingeplant ist und diese Stellen vorhanden sind. Ich sage sehr deutlich, auch als Forderung der CDU-Fachpolitiker, dass wir diesen Schritt gehen müssen, wenn wir überhaupt noch eine Chance haben wollen, qualifiziertes Personal für die Oberschule zu bekommen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsministerin Brunhild Kurth)

Ich gehe jetzt nicht auf jeden Punkt ein, Frau Kersten.

Ich finde es im Übrigen, liebe Sabine, sehr interessant, dass ihr in eurem Papier „Schulen in Not“ die Höhergruppierung aller Lehrer in die E 13 fordert. Darüber müssen wir als Koalition miteinander reden.

Ich gehe jetzt nicht auf jeden Punkt ein, der auch von der AfD vorgetragen wird. Ich möchte nur eines deutlich machen: So wie Sie hier sieben Punkte aufgeschrieben haben, wozu ich bereits sagte, dass man über jeden einzelnen Punkt trefflich diskutieren und Gemeinsamkeiten finden könnte, weil es an der Sache orientiert ist, so hat der Arbeitskreis Schule und Sport meiner Fraktion ein Papier, was 18 Maßnahmepunkte umfasst. Es gibt also sogar noch mehr. Sie haben gesagt, dass es nicht um Vollständigkeit geht. Sie sind nicht die einzigen, die sich Gedanken machen.

Fakt ist eines – und das möchte ich hier ganz deutlich sagen –, wir haben aus Sicht unserer Rechnung mit dem Geburtenzuwachs, mit dem Thema Migration bis ins Jahr 2019/2020 einen kumulierten Bedarf – inklusive derer, die durch Herausgehen zu ersetzen sind – von zusätzlich

circa 7 000 Lehrerinnen und Lehrern. Derzeit prognostizieren wir bis zu diesem Zeitpunkt einen Abgang von ungefähr 4 000 Absolventen aus dem Referendariat in Sachsen. Das macht summa summarum eine Differenz von 3 000 Lehrerinnen und Lehrern, die uns bis dahin fehlen. Das ist in den Medien mehrfach berichtet worden. Dabei geht es darum, genau zu schauen: Was können wir und was werden wir tun?

Ich möchte noch einmal zwei Punkte herausgreifen, weil ich diese für ganz besonders wichtig halte. Wir können uns hier hinstellen und jammern und wehklagen, dass alle anderen Bundesländer jetzt auf einmal ihre Lehrer brauchen oder jetzt wieder mehr einstellen, auch wegen der Migrationsproblematik, und dann zuschauen, wie alle anderen Bundesländer im Zweifel auch noch die Lehrer nehmen, die wir hier ausbilden. Fakt ist eines: Heute ist in der Ministerbefragung gesagt worden: 2 000 Studienplätze gibt es jetzt. Wenn man sagt, dass ungefähr zwischen 1 500 und 2 350 Einstellungen im Schuljahr 2019/20 in den Schuldienst benötigt werden, kann man sich fragen, ob 2 000 Studienplätze reichen. Vor allem reichen 2 000 Studienplätze dann, wenn man weiß, dass nur ungefähr 60, maximal 65 % derer, die dieses Studium aufnehmen, es auch beenden? Da muss man sich die Frage stellen, ob dann 2 000 Studienplätze reichen, oder man sagt, wir geben für die, die abbrechen, schon einmal so einen Studienplatz mit hinein. Das ist gar nicht die entscheidende Diskussion. Die entscheidende Diskussion ist vielmehr: Was müssen wir tun, damit die, die einmal ein Lehramtsstudium beginnen, das tatsächlich auch beenden, im Zweifel innerhalb des Lehramtsstudiums noch einmal von der Schulart, von den Fächern switchen – wie auch immer. Deswegen meine Kritik, Frau Dr. Stange, zu der Debatte von gestern, noch einmal deutlich erneuert: Es nützt nichts, wenn wir eine Zahl von 2 000 Studienplätzen haben, wenn wir mit diesen Studien – –

(Staatsministerin Eva-Maria Stange: Studienanfänger!)

Studienanfängerplätzen – Sie wissen doch, was gemeint ist, und ich glaube, nach den zwei Tagen weiß das jetzt auch jeder andere.

(Staatsministerin Eva-Maria Stange: Das ist ein Unterschied!)

Es nützt überhaupt nichts, wenn wir Plätze für 2 000 Studienanfänger haben, wenn nur 60 % davon beenden, und was vor allem der nach wie vor große Kritikpunkt ist, wenn von diesen jungen Menschen, die mit einem Studium beginnen – ich sage es einmal ganz deutlich –, die Falschen beginnen, das Falsche zu studieren. Das heißt auf gut Deutsch: Wenn weiterhin der Gymnasiallehrer ausgebildet wird, primär in Deutsch/Geschichte oder Deutsch/Gemeinschaftskunde, dann können wir Weh und Ach klagen – ich habe das gestern hier deutlich gesagt –, dann haben wir immer noch keinen Lehrer für die Oberschule Mathe/Physik und brauchen uns auch nicht aufzuregen, wenn wir am Ende feststellen, dass wir den Gymnasiallehrer auch an die Oberschule abordnen, um dort im

Zweifel vielleicht noch Deutsch als Zweitsprache zu unterrichten oder sonst irgendetwas. Wir können nur mit dem Personal und mit den Menschen und Abgängern umgehen, die wir haben. Deswegen müssen wir Lösungen finden.

Ich zitiere aus dem Papier der CDU-Fraktion aus dem Jahr 2011. Ich bin selbstkritisch genug und weiß – wie bereits gestern gesagt –, dass wir nicht alles aus diesem Papier umgesetzt haben. Im Punkt 7 hieß es damals: „Um eine Reform des Lehramtsstudiums umzusetzen, sind schulartbezogene Modelle von Pädagogischen Ausbildungszentren/Pädagogischen Hochschulen konkret zu prüfen und Vorschläge der Umsetzung zu unterbreiten.“ Ich nenne das Ganze School of Education á la Universität München, und ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich sehe an dieser Stelle – –

(Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: 10 Millionen Euro! – Cornelia Falken, DIE LINKE: Gut ist es trotzdem!)

Frau Dr. Stange, Sie können dann gern sagen, wie viel hier was kostet. Ich würde nur gern erst die Diskussion darüber führen, ob wir mit diesem Modell – München macht es an dieser Stelle zumindest vor – etwas genauer an das Ziel kommen, das wir erreichen wollen: dass wir an den Hochschulen im Freistaat Sachsen erstens genügend und zweitens die Lehrer ausbilden, die wir tatsächlich brauchen. Nur das kann das Ziel sein. Bisher – das muss man so sagen – haben wir dieses Ziel nicht erreicht. Zum Schluss ist es auch immer eine Frage des Geldes.

Früher war es nicht so die Frage des Geldes. Ich war froh, wenn ich durch den Freistaat eine Einstellung bzw. ein Referendariat bekommen habe. Wenn ich aber heute an jeder Ecke und von jeder Seite aus dieser Republik gezogen werde und gesagt bekomme, komm doch zu mir, bei mir bekommst du dieses und jenes, dann ist es logisch, dass die Menschen sagen: Ich gehe dorthin, wo ich die vermeintlich besseren Rahmenbedingungen habe. Über Rahmenbedingungen können wir uns gern in einer zweiten Runde unterhalten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Wortmeldung am Mikrofon 1.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich würde gern von der Möglichkeit der Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte schön, Frau Friedel.

Vielen Dank. – Herr Schreiber, ich bin dankbar, dass Sie einen sehr wichtigen Punkt ansprechen: die Reform des Lehramtsstudiums. Wir werden in der Tat ein Problem haben, wenn von unseren – Gott sei Dank – verdoppelten Immatrikulationsplätzen, 2 000

Studierende, am Ende nur 60 % abschließen. Sie haben die Gründe dafür genannt: Wir haben zum einen die Schwierigkeit der unterschiedlichen Bezahlung. Das macht die Studiengänge unterschiedlich attraktiv. Wir müssen dort etwas tun. Ich bin dankbar für die Signale.

Wir haben zum Zweiten auch die Aufgabe, das Lehramtsstudium zeitgemäß zu gestalten und es so zu gestalten, dass die Leute, die damit beginnen, mit den Schwierigkeiten, die jedes Studium mit sich bringt, auch gut fertig werden. Manche kennen vielleicht mein Beispiel von der Mathematikklausur im 1. Semester, die von 35 Mittelschulamtsstudierenden so gut wie keiner bestanden hat.

Die Grundlage dafür können wir legen, denn die Studiengänge sind in ihren Inhalten entlang der Lehramtsprüfungsordnung aufgebaut. Insofern haben wir gemeinsam eine große Aufgabe: die Lehramtsprüfungsordnungen in Zuständigkeit des Kultusministeriums entsprechend zu ändern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Petra Zais, GRÜNE)

Das war die Kurzintervention der Abg. Friedel. Herr Schreiber, möchten Sie erwidern? – Das ist nicht der Fall. In der Aussprache geht es weiter mit der Fraktion DIE LINKE, Frau Abg. Falken. Bitte sehr, Frau Falken, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schreiber, ich möchte ebenfalls kurz auf Ihren Beitrag eingehen. Ich finde es hervorragend, was Sie gerade dargestellt haben. Ich glaube mich zu erinnern, dass wir vor acht Jahren schon einmal mit Abgeordneten der CDU-Fraktion zu diesem Thema, Pädagogische Hochschulen in Sachsen wieder einzuführen, diskutiert haben.

(Patrick Schreiber, CDU: Wir nennen die jetzt anders!)

Wir nennen sie anders, das ist in Ordnung. Damit habe ich überhaupt kein Problem, wenn da ein anderer Name steht. Aber diese tolle Idee würden wir gern unterstützen.

Zum Antrag: Frau Kersten, wenn Sie eine Stellungnahme eingeholt hätten, dann hätten Sie mit der Antwort des Kultusministeriums festgestellt, dass man Ihrem Antrag wirklich nicht zustimmen kann. Es gibt vielleicht Überlegungen, die Sie von irgendwo gehört oder auch nicht gehört haben. Ich möchte trotzdem auf die einzelnen Punkte eingehen.