Protocol of the Session on May 27, 2016

Nun die Fraktion GRÜNE, bitte. Herr Abg. Zschocke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Eltern stärken, Kinder fördern“ ist ein schöner Spruch. Damit sind wir alle einverstanden. Wer will das nicht? Auch Eltern-Kind-Zentren sind eine gute Sache. Das haben wir uns hier alle auch schon gegenseitig gesagt, zum Beispiel im letzten Jahr, als die Koalition hier ihren Antrag vorgestellt hat.

Ich sage es gerne noch einmal: Ja, es ist gut, dass sich Sachsen endlich auf den Weg macht, Kitas zu unterstützen und Eltern-Kind-Zentren zu gründen. Ja, das ist ein wichtiges Angebot, weil die Familienformen heutzutage eben vielfältiger geworden sind, ebenso auch die Lebenslagen von Familien: Alleinerziehende, Eltern mit Kindern mit Behinderungen oder Familien mit Migrationshintergrund, das sind alles unterschiedliche Formen, die unterschiedlich gefordert sind.

Ja, es ist natürlich wichtig, auf die verschiedenen Bedürfnisse von Eltern und Kindern zu reagieren, und es ist auch wichtig, Familie als Ganzes in den Blick zu nehmen. Darin sind wir uns doch einig.

Worüber, bitte schön, wollen wir hier miteinander debattieren? Wollen Sie zu Beginn der Sitzung deutlich machen, dass natürlich die Koalition in Familiensachen und in der Familienpolitik der Platzhirsch ist, weil heute eine Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Lebenssituation von Familien auf der Tagesordnung steht? Ich weiß es nicht.

In der Aktuellen Debatte soll laut Geschäftsordnung über aktuelle Themen debattiert werden, über Themen von großer Dringlichkeit und von hohem öffentlichen Interesse.

(Patrick Schreiber, CDU: Nicht dringlich, ja!)

Stattdessen versuchen Sie zum wiederholten Mal, die Umsetzung von Koalitionszielen als große Neuigkeit zu verkaufen. Ja, das dürfen Sie. Das können Sie machen.

(Patrick Schreiber, CDU: Weil es dringlich ist, aktuell und dringlich!)

Ich habe ein anderes Verständnis von einer Aktuellen Debatte.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Aufmerksamkeit beim Thema „Eltern stärken, Kinder fördern“ auf zwei wirklich aktuelle und dringliche familienpolitische Probleme zu lenken.

Das ist zum einen das große Thema der schleppenden Förderung im Sozialministerium, was den Sozialbereich betrifft, unter der auch die Arbeit von Familienberatungsstellen und Familienverbänden sehr leidet. Das ist wirklich ein aktuelles und dringendes Thema, weil das Konsequenzen für Eltern und Kinder hat. Diese sind erheblich, wenn Haushaltsmittel erst Monate später ausgezahlt werden. Das war nicht nur im letzten Jahr so, wobei sich die Koalition auf die verspätete Verabschiedung des Doppelhaushalts herausgeredet hat. Auch 2016 hat die Hälfte der Antragsteller im Bereich Familienförderung zwar eine Bewilligung erhalten, aber noch kein Geld auf dem Konto.

Jetzt haben Sie gesagt: Tue Gutes und rede darüber. Ja, Sie stellen immer gern Gutes in Aussicht und reden gern in Aktuellen Debatten darüber. Wenn – wie zum Beispiel im Jahr 2015 geschehen – von einer Million Euro für Familienbildung nicht einmal die Hälfte abgeflossen ist, bedeutet das, dass viele von Ihren angekündigten Verbesserungen für Familien vor Ort nicht ankommen. Das sind aktuelle Probleme. Darüber würde ich gern mal debattieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens. Von den besten Eltern-Kind-Zentren haben zum Beispiel Familien gar nichts, die nicht als Familien zusammenkommen können. Die Familienzusammenführung von geflüchteten Familien ist in Sachsen kaum mehr möglich. Das Innenministerium hat das Landesaufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge nicht verlängert. Das ist am 31.03. ausgelaufen. Laut Innenministerium wurde das ausgesetzt, weil legale Einreisemöglichkeiten vorhanden wären. Ich finde das – ehrlich gesagt – zynisch und ignorant. Seit die Grenzen in Mazedonien geschlossen sind, ein Abkommen mit der Türkei besteht und mit dem Asylpaket II der Familiennachzug eingeschränkt ist, existieren quasi keine legalen Einreisemöglichkeiten mehr.

Seit dem 06.11.2013 sind über 400 Syrier zu ihren Familien nach Sachsen gekommen. Nun verweigert sich der Freistaat im Rahmen seiner Möglichkeiten, Familienangehörige, die aus Syrien vor dem Krieg fliehen, nach Sachsen nachzuholen.

Das sind aktuelle Themen. Das sind auch familienpolitische Themen. Diese aktuelle Politik, auch seitens des Innenministeriums, passt überhaupt nicht zu Ihrem schönen Spruch: Eltern stärken – Kinder fördern. Das wollte ich an dieser Stelle einfach einmal deutlich machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir gehen jetzt in die zweite Runde. CDUFraktion, Herr Abg. Schreiber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich gehe zuerst einmal auf Herrn Zschocke ein. Herr Zschocke, ja, es ist eine Aktuelle Debatte, und ja, in einer Aktuellen Debatte sollen aktuelle Themen und keine Märchen von vorgestern debattiert werden. Wenn ich aber sehe, dass wir mit den Eltern-Kind-Zentren zum 1. Mai begonnen und jetzt den 27. Mai haben, würde ich schon sagen, dass es aktuell ist. Wenn für Sie der Sinn einer Aktuellen Debatte allerdings darin besteht, nur Negatives durch den Kakao zu ziehen und immer nur darüber zu reden, was alles schlecht läuft und was furchtbar ist in diesem ach so furchtbaren Freistaat Sachsen und in dieser ach so furchtbaren Bundesrepublik Deutschland, sage ich Ihnen ganz ehrlich, dann haben wir eine absolut unterschiedliche Vorstellung von dem, wofür ein Parlament da ist. Ein Parlament ist auch dafür da, einmal deutlich zu sagen, was in einem Land gut ist und worauf man auch stolz sein kann.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Deshalb gehe ich jetzt auf Ihre Debatte zum Thema Nachzug von Flüchtlingen nicht ein, weil ich denke, das ist hier nicht der Ansatz. Wenn wir über Kita reden, reden wir selbstverständlich über alle Kinder, die hier eine Kita besuchen, egal, wo sie herkommen, ob sie in dem Moment deutsche Staatsbürger sind oder nicht. Wenn sie eine Kita besuchen, sollen sie auch von den Leistungen profitieren, die in der Kita vorgehalten werden, und das alle miteinander.

Ich komme zu Frau Junge: Frau Junge, so kann man mit Zahlen spielen. 0,01 % von 2 800 Einrichtungen profitieren lediglich von diesem Landesprogramm. 0,01 % – ich habe extra noch einmal nachgerechnet.

(Zuruf der Abg. Marion Junge, DIE LINKE)

Bei mir sind 31 durch 2 800 0,01 %. Aber wir können auch darüber noch streiten. Dabei haben Sie aber vergessen, dass sich nur 55 Einrichtungen von 2 800 für dieses Programm beworben haben. Wenn man dann die Prozente ausrechnet, bedeutet das, dass immerhin 56,3 % der Einrichtungen, die sich beworben haben, von diesem Programm profitieren.

Wir sind nun einmal nicht die Partei, die der Meinung ist, man muss den Einrichtungen staatlich alles von oben aufdrücken. Deshalb gehen wir immer ein Stück weit danach, wer sich bewirbt, wer was haben möchte. Wer etwas machen möchte, der soll auch bekommen. Leider konnten wir nicht alle 55 Bewerber an dieser Stelle berücksichtigen, was sicherlich auch mit dem Geld und den vorhandenen Ressourcen zu tun hat.

Das Nächste ist: Frau Junge, Sie hinterfragen die Sinnhaftigkeit oder überhaupt Modellprojekte. Ich will jetzt nicht darauf eingehen, wer sich wie weit im Landesjugendhilfeausschuss inhaltlich einbringt, insbesondere im Unterausschuss Kindertagesstätten. Leider ist Frau Klepsch aus ihrer Fraktion ausgeschieden, die sich sehr intensiv in diese Arbeit eingebracht hat. Dort ist momentan eine große Lücke entstanden. Dass die Lücke da ist, merkt man an Ihren Ausführungen. Wenn Sie zum Beispiel in dem Unterausschuss Kita jemanden hätten, hätten Sie gewusst, dass wir im Unterausschuss Kindertagesstätten des Landesjugendhilfeausschusses sehr ausführlich über diese Eltern-Kind-Zentren und über die Ausgestaltung dieser Geschichte diskutiert haben. Dann hätten Sie auch gewusst, dass die Bekanntmachung, das heißt die Ausschreibung seitens des Kultusministeriums in Zusammenarbeit mit dem Landesjugendhilfeausschuss geschehen ist bzw. der Landesjugendhilfeausschuss, die Mitglieder des Unterausschusses Kita, dort ihre Gedanken haben einfließen lassen können und dass auch einige Änderungen vorgenommen wurden. Aber, wie gesagt, ich würde Sie auffordern, sich dort stärker einzubringen. Dann wüssten Sie auch, wie das gelaufen ist.

Natürlich sind Modellprojekte dafür da, bestimmte Dinge anzuschieben, auch einmal Neues zu probieren. Das ist überhaupt nicht schlimm. Wenn wir an vielen Kitas in Sachsen schon eine funktionierende Zusammenarbeit mit den Eltern haben, ist das nicht kritikwürdig, sondern es ist toll, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort den Herausforderungen stellen. Wir wollen über dieses Modellprojekt im Prinzip noch stärker in diesen Bereich hineingehen; denn eines ist klar: Wenn Sie sich einmal – dazu auch zu Herrn Wendt, was die Kriterien angeht – – Herr Wendt! Herr Wendt! Kollege!

(André Wendt, AfD: Entschuldigung!)

In der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus steht unter B „Zielstellung“ genau das, was Sie kritisiert haben, was Ihnen nicht klar ist. Also vielleicht dort einfach noch einmal nachlesen, dann wäre das Problem auch gelöst.

Aber was ich eigentlich sagen will: Wir haben ein riesengroßes Problem, und zwar im Bereich der Hilfen zur Erziehung. Wir haben dort millionenfache Aufwüchse allein in der Stadt Dresden – ich habe das hier mehrfach gesagt –, eine Verdopplung von 35 auf 70 Millionen Euro, die wir im Jahr für Hilfen zur Erziehung ausgeben. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Der einzige Ort, an dem wir auf gut Deutsch noch an eine bestimmte Klientel von Eltern herankommen, ist die Kita, weil das der Ort ist, wo die Kinder noch hingebracht und abgeholt werden. In der Grundschule wird es dann schon schwieriger.

Bitte zum Ende kommen.

Mache ich. Ich führe den Gedanken nur zu Ende. – Genau aus diesem Grund setzt dieses Modellprojekt in der Kita an, nämlich darauf zu

bauen, die Zusammenarbeit mit den Eltern zu intensivieren und es im Zweifel vielleicht sogar zu schaffen, spätere Hilfen zur Erziehung zu vermeiden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Und die SPDFraktion, Frau Abg. Pfeil.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Erwiderung auf Herrn Wendt kann ich mir sparen. Das hat Kollege Schreiber schon getan.

Herr Zschocke, ich glaube, man kann die Liste wahrscheinlich noch weiter fortführen. Reden wir über die Situation von Alleinerziehenden und das drängende Problem, dass der Unterhaltsvorschuss nach zwölf Jahren beendet ist – ganz schwierige Situation. Darüber werden wir vielleicht heute Nachmittag noch reden.

Ich glaube, man kann die Liste einfach weiterführen. Herr Schreiber hat es gerade schon getan. Die Probleme sind tatsächlich sehr vielfältig. Umso wichtiger ist es doch, dass wir uns da auf den Weg machen.

Frau Junge, Modelle müssen nun einmal auch erprobt werden. Aber wir brauchen dafür auch die Kommunen und die Träger, die mit uns Hand in Hand arbeiten und die Eltern-Kind-Zentren unterstützen; denn nur dann können wir wirklich eine Kontinuität erreichen. Ich glaube, das ist ganz wichtig, und das funktioniert nur dann, wenn man sich selber darin erproben und seine eigenen Wege gehen kann. Genau dafür ist die Richtlinie da. Ich glaube, es haben sich 33 Träger auf einen sehr guten Weg gemacht.

Wir fordern im Schulgesetz mehr Eigenverantwortung. Ich glaube, auch den Kindertagesstätten tut es sehr gut, sich mit mehr Eigenverantwortung eigene Wege zu überlegen, wie man besser mit den Eltern, den Erziehern und den Kindern zusammenarbeiten kann.

Ich glaube nicht, dass es falsch ist, auch einmal über etwas Gutes zu reden. Wir können gut und gerne sagen, dass wir als Koalition hier einen guten Weg beschritten haben, unsere Eltern zu stärken. Es geht an dieser Stelle tatsächlich einmal um die Eltern. Ich mache das sehr ungern, weil ich das Ganze lieber aus Kindersicht betrachte. Ich finde es wichtiger, erst einmal an die Kinder zu denken; denn sie gestalten unsere Zukunft. Aber unsere Kinder machen wir auch nur dann stark, wenn wir starke Eltern haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Deshalb sollten wir doch jeden nutzbaren Weg beschreiten. Das tun wir hiermit. Ich denke auch nicht, dass es mit der Einführung des Modellprojektes der letzte Atemzug der Eltern-Kind-Zentren war, sondern dass wir daran weiter gemeinsam arbeiten werden.

Danke.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Nun folgt die Fraktion DIE LINKE. Frau Abg. Junge, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Pfeil, meine Fraktion stellt die Eltern-Kind-Zentren nicht infrage. Ich habe mit meinem Redebeitrag deutlich machen wollen, dass wir mit dem Modellprojekt „Familienbildung in Kooperation mit Kindertagesstätten“, welches in den Jahren 2001 bis 2007 stattfand, Grundlagen gelegt haben, um dieses Modell langfristig und dauerhaft zu finanzieren. Jetzt haben wir das Jahr 2016. Das Projekt endete im Jahr 2007. Wenn wir dieses Projekt entwickelt hätten, dann könnten wir heute viele Eltern-Kind-Zentren vorfinden. Das ist der Vorwurf, den ich Ihnen mache. Sie fangen Modellprojekte aller Art an, diese laufen ein paar Jahre, dann evaluieren Sie diese und danach gibt es keine Fortführung und keinen Ausbau mehr. Das ist unsere Kritik. Wir können natürlich fortlaufend neue Modelle entwickeln. Was aber bleibt letztendlich von der Unterstützung in den Kitas übrig? Diese Frage wurde heute von Ihnen noch nicht beantwortet.

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