Protocol of the Session on May 26, 2016

(Jörg Urban, AfD: Negativ!)

Es ist viel besser, jetzt zusätzliche, nicht benötigte Beiträge in eine Rücklage zu stecken, damit wir in Zukunft die möglichen Erhöhungen, die es durch die reguläre Preissteigerung geben könnte, verhindern bzw. zumindest abmildern können.

Insofern bin ich sehr froh, dass wir es geschafft haben, ein sehr komplexes Gesetzeswerk vorzulegen, und heute darüber abstimmen können. Ich kann ganz klar die Zustimmung der SPD-Fraktion signalisieren und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren, nun Frau Abg. Dr. Muster für die AfD-Fraktion. Sie haben das Wort, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute geht es um das Gesetz zum Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Wir erleben gegenwärtig eine Inflation solcher Staatsverträge. Am 1. Januar 2013 trat gerade erst der Fünfzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Kraft. Er führte die geräteunabhängige Haushaltsabgabe ein. Heute verhandeln wir schon das Gesetz zum Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Ministerpräsidenten den Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag bereits am 10. Dezember 2015 unterzeichnet haben. Der Sächsische Landtag befasst sich heute mit dem fertig ausverhandelten und bereits unterzeichneten Staatsvertrag. Dies ist das Wesen eines Staatsvertrages: Die Regierung verhandelt und bestimmt allein, der Landtag ratifiziert. Der Kollege Neubert hat darauf bereits hingewiesen. Transparenz und Mitbestimmung sehen allerdings anders aus.

Dass es auch anders gehen kann, zeigt das Lindauer Abkommen von 1957. Danach beteiligt der Bund vor dem Abschluss internationaler Verträge die Länder, soweit ihre Interessen dadurch berührt werden.

Der Neunzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag bringt Änderungen in fünf bestehenden Staatsverträgen. Inhaltlich geht es um die Einführung des Jugendangebotes von ARD und ZDF, Änderungen bei der Berichterstattung der Rechnungshöfe, Änderungen und leichte Korrekturen bei der Beitragsbemessung und um die längst überfälligen Änderungen beim Jugendmedienschutz.

Zum neuen Jugendangebot von ARD und ZDF. Zuerst hatten die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender einen trimedialen Jugendkanal geplant: Fernsehen, Radio und Internet. Der ständig steigende Altersdurchschnitt der Nutzer ist bekannt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Personengruppen 14 bis

29 nicht erreichen. Der Generationenabriss sollte gestoppt werden. Neue zielgruppenorientierte Angebotsformen mussten her. Oder einfach ein KiKA 2? Ein JuKA, ein Jugendkanal? Die beiden Intendanten des federführenden SWR und ZDF hatten nachdrücklich für dieses trimediale Angebot geworben.

Der schärfste Gegenwind für diese Konzeption kam aus der Sächsischen Staatskanzlei. Aber auch die anderen CDU-geführten Bundesländer hatten Vorbehalte gegen das Jugendangebot der öffentlich-rechtlichen Sender. Die Ministerpräsidenten entschieden sich bereits im Oktober 2014 gegen das Modell der Trimedialität.

Es kam zu drastischen Streichungen beim Jugendangebot. Der Jugendkanal sollte nur noch als Onlineversion starten und kostenneutral sein. Der Finanzrahmen wurde auf 45 Millionen Euro jährlich festgelegt. Dafür sollen die zwei Fernsehkanäle ZDFkultur und EinsPlus eingespart werden.

Der SWR-Intendant Peter Boudgoust machte 2014 seinem Ärger Luft. Die geplante konsequente Verschmelzung von Hörfunk, Online und Fernsehen sei ein „innovativer, multimedialer, durchdachter Ansatz“ gewesen. Es werde „nun schwerer, das Jugendangebot zum Fliegen zu bringen“. Übrigens war es auch dieser Intendant Boudgoust, der vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz die geplante Elefantenrunde absagte, weil er der SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer ein schräges Verhältnis zum demokratischen Diskurs vorwarf, sprich: Die AfD sollte ausgeladen werden.

Positiv fiel die Staatskanzlei Sachsen-Anhalt auf. Sie bemühte sich um Transparenz. Sie hat den Bericht über das offene Konsultationsverfahren zum Jugendangebot von ARD und ZDF ins Netz gestellt, ebenso das Gutachten zu den marktlichen Auswirkungen Junges Angebot von ARD und ZDF Berlin vom 09.09.2015 und das Ergebnisprotokoll der Jahreskonferenz der Regierungschefs der Länder vom 15. bis 17. Oktober 2014 in Potsdam. Jedermann kann es nachlesen.

Der neue Rundfunkstaatsvertrag regelt nur generell abstrakt, dass das Jugendangebot eigene Inhalte produzieren und auch vorhandene Programmzulieferungen verwenden kann. Im Anhang befindet sich eine Negativliste, welche Angebote es im Jugendkanal auf keinen Fall geben soll.

Die Anhörung im Sächsischen Landtag zum Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag war aufschlussreich.

Herr Grewenig, der Geschäftsführer des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien e. V., bezeichnete den Konkretisierungsgrad des Jugendangebotes im Staatsvertrag als suboptimal. Er kritisierte, dass im Internet die wesentlichen Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Rundfunk verwischt werden. Beide bedienen die gleiche Bandbreite. Er befürchtet Wettbewerbsverzerrung. Er begrüßte die Gesprächsbereitschaft der öffentlichrechtlichen Sender. Die neue Generation der Nutzer ist zugleich Konsument und Produzent. Dies berücksichtigt der Staatsvertrag nur unzureichend.

Insgesamt bleibt der Neunzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag weit hinter den Erwartungen zurück. Warum haben die Ministerpräsidenten nicht die Kraft gefunden, die Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu reduzieren? Nicht einmal die Fernsehwerbung wurde reduziert. Wir haben Gebührenüberschüsse in Milliardenhöhe. Im Alleingang hat das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen die Werbemöglichkeiten für Hörfunkanbieter ab 2017 beschränkt. Dies führt natürlich zu Mindereinnahmen. Da die Hörfunkwerbung bundesweit vertrieben wird, müssen alle ARD-Rundfunkanstalten, also auch der MDR, dafür haften. Darauf hat die ARDIntendantin, Frau Prof. Wille, in einem Interview ausdrücklich hingewiesen.

So viel im ersten Teil. Es folgt der zweite Teil demnächst. Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Marco Böhme, DIE LINKE: Demnächst! – Heiterkeit bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich rufe die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf; Frau Abg. Dr. Maicher. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon viel gesagt worden, insbesondere zu den Verfahren der Staatsverträge und der Möglichkeit, die wir haben, daran mitzuwirken. Ich kann mich vielen Ausführungen meines Vorredners Falk Neubert anschließen.

Auf der Tagesordnung steht heute die Behandlung des Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages, also

einem Staatsvertrag. Eigentlich reden wir über fünf Staatsverträge, und wir reden vor allem über die gemeinsame Behandlung der drei wichtigen Bereiche Jugendmedienschutz, Rundfunkbeitrag und Jugendangebot. Alle drei sind zusammen verhandelt worden. Das finden wir bedauerlich. Aus unserer Sicht hätte es mehr Zeit bedurft, über einen wirklichen Jugendmedienschutz zu sprechen und zu verhandeln, um nach so vielen Jahren zu einem guten Ergebnis zu kommen.

Zum Jugendangebot. Ich begrüße sehr, dass endlich ein Angebot für Jugendliche geschaffen wird; denn auch viele junge Menschen zahlen Beiträge und sie sollten davon mehr profitieren als bisher. Deshalb ist es richtig, dass es jetzt ein konkretes, qualitativ gutes Unterhaltungsangebot geben soll, das neu geschaffen wird.

Allerdings hätten wir uns gewünscht, dass es nicht nur ausschließlich ein Onlineangebot ist. Denn wenn es so ist, müssen wir auch über die Zugänge für alle Jugendlichen sprechen. Aus unserer Sicht besteht durchaus die Gefahr, dass nicht alle erreicht werden können, denn es gibt Hürden. Die erste Hürde sind die Kosten für Datenverträge, um Zugang zu dem Internetangebot zu haben. Zweitens braucht es – das ist insbesondere in Sachsen relevant – endlich ordentliche, schnelle, zukunftsfähige Internetverbindungen überall in Sachsen. Jetzt steht der Entschluss für die Onlineplattform fest. Wir gehen davon aus,

dass zum Beispiel Kurzfilme, Podcasts und Ähnliches auch ins Fernsehen oder in den Rundfunk gelangen können. Das wäre aus unserer Sicht eine Chance für Medienkonvergenz und Trimedialität.

Es ist auch zu begrüßen, dass bei den Rundfunkbeiträgen nachgebessert wurde. Die Minderung von Mehrbelastungen für Kitas, Schulen, Einrichtungen und für Menschen mit Behinderung, die vereinfachten Möglichkeiten, um Befreiungen und Ermäßigungen zu erhalten, sind richtig. Das war notwendig und wird jetzt vollzogen.

Beim Thema Jugendmedienschutz sehen wir allerdings keine echte Verbesserung. Anstatt das Augenmerk auf einen Jugendmedienschutz zu legen, bei der Medienkompetenz ansetzt, wird auch im Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag weiter an technischen Lösungen festgehalten. Aber, werte Kolleginnen und Kollegen, mit Filterprogrammen lassen sich viele Schutzbedürfnisse, die heute übrigens die Heranwachsenden selbst sehen – beispielsweise Cyber-Mobbing, Persönlichkeitsrechte, die verletzt werden, oder Onlineabhängigkeit –, eben nicht angehen. Außerdem wird ausgeblendet, dass Jugendliche über verschiedene Zugänge – also nicht nur von einem PC aus, der mit technischen Sperren versehen ist – Angebote im Internet abrufen. Sie sind nicht mehr nur Konsumenten, sondern sie werden in den sozialen Netzwerken oder Plattformen wie Youtube selbst zu Produzenten. All das berücksichtigen die Regelungen nicht.

Kollege Dirk Panter, wenn Sie sagen, das Beste, das gemacht werden konnte, steht jetzt drin und wird beim Thema Jugendmedienschutz erreicht, dann kann ich nur sagen: Medienkompetenzvermittlung fehlt weiterhin

völlig als gemeinsamer Ansatz und mit gemeinsamen Standards. Es reicht aus meiner Sicht nicht, dass alle Länder die Protokollerklärung zu mehr Medienkompetenz angefügt haben – gerade nicht, wenn es so lange dauert, wie wir es in Sachsen erleben, dies tatsächlich umzusetzen. Diese Debatte hatten wir erst kürzlich.

Aus unserer Sicht darf der Maßstab für die Qualität eines Gesetzes eben nicht sein, dass es nicht schadet. Das sagten einige Sachverständige im Rahmen der Anhörung sehr deutlich. Es ist ein Fehler, den Jugendmedienschutzstaatsvertrag jetzt so durchzupeitschen, mit den anderen Regelungen. Eine intensive und breite Debatte hätte aus unserer Sicht zu besseren Ergebnissen geführt. Deshalb wird sich meine Fraktion beim Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Gänze enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. – Doch, Frau Dr. Muster; Entschuldigung. Sie hatten es bereits angekündigt.

(Christian Piwarz, CDU: Wie viele Teile sind es denn?)

Jetzt haben Sie die Gelegenheit dazu, Ihre Ausführungen fortzusetzen. Bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im zweiten Teil meiner Rede beschäftige ich mich mit den Änderungen des Rundfunkbeitragstaatsvertrages. Mit Einführung des geräteunabhängigen Rundfunkbeitrags hatten die Länder eine Evaluierung des neuen Finanzierungssystems vereinbart. Ihr Ziel war es, eventuelle Änderungsbedarfe und Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Das Ergebnis: Es gibt grundsätzlich keinen Änderungsbedarf, nur kleine Änderungen, eine Feinabstimmung ist möglich und nötig, und zwar in folgenden Punkten: Herstellung einer noch höheren Beitragsgerechtigkeit, Verwaltungsvereinfachung, Vereinfachung der Datenerhebung und Beitragsvollstreckung.

Die vorgenommenen Änderungen sind in Ordnung. Sie sind aber nur die minimale Variante der Änderungen. Viele Vorschläge aus den Anhörungen am 05.01.2015 und 08.04.2016 im Sächsischen Landtag wurden nicht aufgenommen, zum Beispiel das Problem der Altersarmut trotz jahrzehntelanger Erwerbstätigkeit oder dass die Jugendunterkünfte vergessen wurden – diese müssen pro Zimmer bezahlen wie die Hotels, die auch in jedem Zimmer einen Fernseher bereitstellen; das haben die Jugendunterkünfte nicht –; auch die Jugendherbergen sind bereits davon ausgenommen. Diese Ungerechtigkeit muss beseitigt werden. Auch die Befreiung der Radionutzung in Autos steht noch aus.

Sie sehen, es gibt noch genügend Punkte für Änderungen für die nächsten Rundfunkänderungsstaatsverträge.

Trotz der stattlichen Anzahl der Rundfunkstaatsverträge muss ich leider feststellen, dass die Ministerpräsidenten der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung immer hinterherlaufen. Dieser Wettlauf ist grundsätzlich nicht zu gewinnen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas Grundsätzliches zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk sagen.

Seit Februar dieses Jahres haben wir ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das Gericht hat entschieden, dass es rechtmäßig ist, auch von Bürgern einen Beitrag zu erheben, die nachweisen können, dass sie auf keinen Fall ein Rundfunkempfangsgerät besitzen. Wir dürfen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gespannt sein. Im Februar dieses Jahres wurde in Chemnitz eine Frau aus Thüringen in Zwangshaft genommen, die sich hartnäckig weigerte, diesen Beitrag zu bezahlen. Sie konnte nachweisen, dass sie kein Empfangsgerät besaß. Die Frau verlor ihre Arbeitsstelle und wurde auch ohne Bezahlung des Zwangsbeitrages aus der Haft entlassen, weil der MDR aufgrund des öffentlichen Echos auf die weitere Vollstreckung verzichtete. Die Aktion kostete den MDR viele Tausend Euro.

Jetzt ist der 20. KEF-Bericht da und dort lobt er die Reform der Altersvorsorge bei der ARD. Mit gutem Beispiel war der MDR hier vorangeschritten. Trotzdem ist

der Anteil am Rundfunkbeitrag, der für die Altersversorgung aufgewendet wird, noch viel zu hoch.

Die ARD informiert auf ihrer Internetseite darüber, dass 1 Cent Beitrag von 17,50 Euro im Monat Einnahmen von 4,33 Millionen Euro im Jahr bedeuten. Es werden 0,48 Euro von dem monatlichen Beitrag in Höhe von 17,50 Euro für den Beitragsservice verwandt.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Zum Thema!)

Dies ergibt jährliche Einnahmen von 207,84 Millionen Euro. Dies ist eindeutig zu viel. Die KEF hat in ihrem 20. Bericht festgestellt, dass der Rundfunkbeitrag für die Zeit von 2017 bis 2020 um 30 Cent pro Monat reduziert werden kann. Sie schlägt einen monatlichen Beitrag in Höhe von 17,20 Euro vor.

Die Ministerpräsidenten reagieren außerordentlich zögerlich. Nach Prognosen ist mit einem Anstieg des Rundfunkbeitrages ab 2021 auf über 19 Euro zu rechnen. Die Ministerpräsidenten versuchen mit Rückstellungen eine Anhebung des Rundfunkbeitrages so weit wie möglich hinauszuschieben. Sie vermeiden eine Diskussion darüber, warum sich Deutschland den teuersten öffentlichrechtlichen Rundfunk der Welt leistet und genau dieser öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade jetzt in seiner größten Glaubwürdigkeitskrise steckt.

(Falk Neubert, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

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