Protocol of the Session on May 26, 2016

(Oh-Rufe von der CDU und der AfD)

Wir stehen nicht einfach auf und latschen durch den Saal. Wir warten, bis wir von Ihnen aufgerufen werden.

(Christian Piwarz, CDU: Das Rufen im Walde …!)

Ich möchte zu der Behauptung von Herrn Hartmann von der CDU, unser Vorschlag sei ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, kommen. Mein lieber Herr Hartmann, ich glaube mich zu erinnern, dass Sie einmal kommunalpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion waren. Also sollten Sie doch zumindest die Sächsische Gemeindeordnung gelesen haben. Wir haben dort verschiedene Regelungen, die entsprechend den Bürgerinnen und Bürgern Rechte verleihen.

Zum einen haben wir sehr allgemein das Thema Bürgerbegehren, nach dem die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie eine Entscheidung, die eigentlich dem Gemeinderat zugewiesen ist, treffen wollen, diese durch ein erfolgreiches Bürgerbegehren, das in einem Bürgerentscheid mündet, selbst treffen können.

Ein zweites Argument, das immer wieder gekommen ist: Wenn man entsprechend dieses Erfordernis eines Bürgerentscheides als Hürde einführte, dann wäre das ein Problem. Es durchbräche den Grundsatz der repräsentativen Demokratie. Dazu will ich auch noch mal anmerken: Das ist ja gerade der Sinn und Zweck. Wenn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger mit dem, was ihre Repräsentanten im Gemeinderat veranstalten, nicht einverstanden ist, dann soll das diese Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger korrigieren können.

An den Sitznachbarn von Herrn Hartmann, ich kenne Ihren Namen nicht: Sie sollten ihn nicht weiter stören. Er will mir gern zuhören und versucht, Ihnen das die ganze Zeit zu vermitteln.

(Zuruf: Schlaumeier!)

So, nun habe ich der CDU-Fraktion und ihrem fraktionsinternen Frieden etwas geholfen.

(Christian Piwarz, CDU: Der Frieden wäre besser gewährleistet, wenn Sie sich wieder hinsetzen würden!)

Meine Damen und Herren! Nun zum nächsten Punkt. Herr Hartmann führte aus, es gebe bereits ausreichend Instrumente, zum Beispiel das Bürgerbegehren, um etwa eine Privatisierung verhindern zu können. Herr Hartmann, Sie haben recht: Es gibt diese Instrumente. Das Problem ist nur, dass es für viele Bürgerinnen und Bürger sehr schwer möglich ist, ein erfolgreiches Bürgerbegehren durchzuführen.

Ich möchte dazu noch etwas sagen. Das gilt nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern wir erleben es regelmäßig. Im vergangenen Jahr hat zum Beispiel in Dresden die CDU gemeinsam mit der FDP und mehreren Handelskonzernen, die das Ganze finanziert haben, ein großes Bürgerbegehren veranstaltet. Diese Allianz – es ging damals gegen die Sonntage, und sie wollten gern, sehr unchristlich, erreichen, dass in Dresden an Sonntagen

die Läden geöffnet werden dürfen – hat es innerhalb von drei Monaten nicht geschafft, die erforderlichen Unterschriften zusammenzubekommen.

Nun frage ich: Wenn die CDU gemeinsam mit der FDP, finanziert von Handelskonzernen, ein Bürgerbegehren veranstaltet und es nicht schafft, das gesetzliche Quorum zu erreichen, wie soll es dann eine einfache Bürgerinitiative hinbekommen?

Eben weil wir diese Schwäche erkannt haben, sagen wir: Wenn man Privatisierungen verhindern will, wenn man eine höhere Hürde errichten will, als es bisher der Fall ist, dann muss man die Sächsische Gemeindeordnung ändern. Man muss die Hürden erhöhen. So schlagen wir es vor.

Jetzt noch etwas zu den GRÜNEN: Wissen Sie, man sollte nicht von handwerklichen Fehlern sprechen, wenn man offenkundig nicht verstanden hat, worum es geht.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Doch, doch!)

Wir haben uns schon unsere Gedanken gemacht, und das, was hier drinsteht, steht sehr absichtsvoll drin. Wir sagen: Eine Veräußerung kommunalen Vermögens darf es nur dann geben, wenn entweder die zwei Drittel im Gemeinderat erreicht sind – Variante 1 – oder – Variante 2 – wenn im Rahmen eines Bürgerentscheides die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger eine solche Veräußerung befürwortet.

Sie haben die Frage gestellt: Wie kommen wir zu dem Bürgerentscheid? Die Regelungen in der Gemeindeordnung sind vorhanden, das ist ganz klar. Der Gemeinderat muss mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen, dass ein solcher Bürgerentscheid stattfindet. Daran wollen wir erst einmal nicht rütteln. Das nennt sich das sogenannte Ratsbegehren.

Sie machen nur einen Fehler: Sie unterstellen, dass ein Gegner bzw. ein Befürworter einer Privatisierung einem solchen Bürgerentscheid nicht zustimmen würde. Das ist eine unzutreffende Unterstellung, weil es nämlich durchaus sehr wahrscheinlich ist, dass die Gegner einer Privatisierung genau eine solche Entscheidung im Rat herbeiführen, damit sie mit der Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger im Rücken eine Privatisierung verhindern können. Denn das haben wir doch erlebt: Wenn in Sachsen Bürgerentscheide stattgefunden haben, dann sind sie in aller Regel gegen die Privatisierung ausgegangen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das ist doch Quatsch! Sie haben es nicht verstanden!)

Insofern ist Ihre Behauptung ein simpler Fehlschluss.

Jetzt noch etwas zu Bremen und zur SPD. Ich finde den Beitrag der SPD wirklich spannend, und zwar aus folgenden Gründen: Man muss wissen, wer in Bremen den Artikel 42, die Privatisierungsbremse, eingeführt hat. Das waren dort die Sozialdemokraten. Das ist das Erste.

Dann muss man wissen, wer in Sachsen im vergangenen Jahr die Einführung einer Privatisierungsbremse gefordert

hat. Das war auch die SPD, und zwar im Dresdner Stadtrat.

(Albrecht Pallas, SPD: Wo ist das Problem, Herr Schollbach?)

Ich trage Ihnen einmal vor, was Ihr ehemaliger Fraktionsvorsitzender, Dr. Peter Lames, dazu öffentlich erklärt hat: „In Sachsen fehlen gegenwärtig die rechtlichen Voraussetzungen, um Privatisierungen im Sinne der Privatisierungsbremse zu erschweren. Aus diesem Grunde fordert die SPD vom Sächsischen Landtag die Schaffung der Rechtsgrundlagen, damit künftig die Städte und Gemeinden in Sachsen im Sinne des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung eigene Regelungen dazu beschließen können.“

(Albrecht Pallas, SPD: Wo ist das Problem?)

Sie haben heute die Gelegenheit, mit uns gemeinsam genau diese Privatisierungsbremse auf den Weg zu bringen.

(Albrecht Pallas, SPD: Aber nicht mit einem schlechten Gesetzentwurf!)

Mein Vorschlag ist: Nutzen Sie doch einfach diese Gelegenheit. Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Sachsen würden es uns danken.

Ich werbe nochmals um Zustimmung zu diesem Vorhaben. Wir sollten ein Augenmerk darauf haben, dass Privatisierungen in Sachsen nicht ohne Weiteres erfolgen können. Sie haben viele negative Konsequenzen über unser Land gebracht. Aus denen sollten wir lernen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Hartmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schollbach, es ist für Sie sehr schwierig, Ihre Rolle als Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Dresdner Stadtrat abzulegen. Sie helfen dem Hohen Hause insoweit immer wieder, die Dresdner Lokalpolitik hier hineinzutragen. Ich glaube, dem Hohen Hause sollte es eher um grundsätzliche Fragen, die den Freistaat in Summe bewegen, gehen und nicht um Detailfragen, die möglicherweise der Dresdner Stadtrat intern nicht klären kann.

(Beifall bei der CDU)

Sie machen es sich in Ihren Abgrenzungen immer schön leicht. Es ist ja auch in Ihren Schwarz-Weiß-Denkmustern und muss eine einfache und erleichternde Welt für Sie sein: Es waren keine Großkonzerne, mit denen wir gemeinsam über die Frage von verkaufsoffenen Sonntagen gesprochen haben; es sei denn, Sie verstehen unter einem Center-Management eines Einkaufscenters in Dresden eine Konzerngroßstruktur.

Das ist genauso wie die von Ihnen gern vertretene These, dass in Dresden nur Immobilienhaie Wohnraum errichten würden. Die Welt ist nicht ganz so einfach und auch nicht ganz so schwarz und weiß. Eine gewisse Differenzierung könnte Ihnen ganz neue Erkenntnisprozesse bringen.

Aber zurück zum Thema. Die Sächsische Gemeindeordnung – Herr Schollbach, ich bin auch noch der für die Kommunalpolitik zuständige Sprecher der CDU-Fraktion – regelt Rahmenbedingungen, die entsprechende Einflüsse auf kommunales Handeln haben. Das ist richtig so.

Aber die kommunale Selbstverwaltung als solche ist ein zentrales Gut. Denn es stellt sich die Frage: Wie weit regle ich etwas? Woher weiß ich, an welcher Stelle ich die Grenze bei Entscheidungsprozessen ziehen soll? Damit bin ich bei dem Punkt, dass über kommunales Vermögen innerhalb der Kommune als Erstes die Kommune zu entscheiden hat, und zwar über ihre Interessenvertreter, den Oberbürgermeister, den Bürgermeister, die Gemeinde- oder Stadträte, die in der Verantwortung stehen, um diesen Abwägungsprozess vorzunehmen.

Ich brauche schon besondere Gründe, um hier eine weitergehende Regelung zu treffen. Und jetzt, Herr Schollbach, richtig zuhören: Herr Pallas hat nicht von der Bremer Verfassung gesprochen, sondern das war Frau Petry. Herr Pallas hat deutlich gemacht, dass die SPD hierbei Diskussionsbedarf sieht. Deshalb weiß ich nicht, warum Sie bestätigen, was Herr Pallas gesagt hat. Insoweit geht das auch damit konform, was offensichtlich durch Herrn Dr. Lames gesagt worden ist.

Auch werden wir in der Koalition darüber reden, natürlich. Aber es wird mit Sicherheit nicht darum gehen, mit einem Entwurf, der handwerklich unvollständig bleibt – im Übrigen sage ich Ihnen auch gleich, warum, es sei denn, es ist boshafte Absicht von Ihnen, dann ist aber die Debatte unehrlich –, die Diskussion zu führen, sondern wir werden die Frage differenziert betrachten.

Jetzt komme ich zu dem handwerklichen Thema. Herr Schollbach, Sie unterstellen an der Stelle etwas mit dem Entwurf: Sie wollen nicht in einen transparenten Abwägungsprozess, ob eine Privatisierung sinnvoll, möglich oder richtig ist. Sie wollen durch die Hintertür möglichst jegliche Form von Privatisierung verhindern, ob sie sinnvoll ist oder nicht. Genau deswegen ist der Entwurf so gefasst, wie er gefasst worden ist, denn er beinhaltet zum einen zwei Drittel eines Rates, wohl wissend, dass Sie die Stimmen nie zusammenbekommen, wohl wissend, dass alternativ nur zwei Drittel des Rates einen Bürgerentscheid beschließen können, wohl wissend, dass Sie sie immer noch nicht zusammenbekommen, oder Sie sagen: „Liebe Leute, zieht auf die Straße, sammelt Unterschriften“, wohl wissend, Ihrer eigenen Argumentation folgend, dass das offensichtlich nicht möglich ist. Es ist aber möglich. Das sage ich Ihnen auch mit Blick auf die verkaufsoffenen Sonntage.

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass das offensichtlich doch nicht das Thema ist, das die Mehrheit der Dresdnerinnen und Dresdner interessiert hat. Das muss man so zur

Kenntnis nehmen. Das ist Demokratie. Das ist nichts Schlimmes. Im Übrigen hüpfe ich nicht wie ein kleiner Wurzelzwerg abends durchs Haus und freue mich darüber, dass irgendjemand einmal etwas nicht erreicht hat oder dass er gegen die Wand gelaufen ist, nein, Demokratie besteht darin, dass man Meinungen aufeinanderstoßen lässt und dann auch akzeptiert, dass man einmal verlieren kann.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Deswegen, Herr Schollbach, ich gönne es doch der LINKEN in Dresden – im Gegensatz zu Ihnen –, die der CDU noch nicht einmal die Butter auf dem Brot gönnt. Ich gönne es Ihnen doch, dass Sie Erfolg haben. Nur: Ein schlecht gemachter Gesetzentwurf wird zu keinem guten Ergebnis führen.

Kurzum, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch Ihr zweiter Redebeitrag, Herr Schollbach, ist sowohl inhaltlich als auch politisch nicht dazu geeignet, uns davon zu überzeugen, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. Wir glauben daran, dass Unternehmertum in unserer Gesellschaft qua Existenz ein wesentlicher Beitrag dafür ist, dass dieses Land auch in einer sozialen Marktwirtschaft funktionieren kann.

Deswegen sehen wir in der Frage von Wohnungsbau nicht nur Miethaie, sondern auch engagierte Menschen, die Verantwortung übernehmen und Investitionen tätigen. Das ist kein Teufelswerk. Schauen Sie einmal zurück auf den real existierenden Sozialismus. Der ist ja echt in die Hose gegangen. Deshalb muss man neue Modelle denken. Kommen Sie also nicht immer mit dem Kaffeesatz von gestern, denken Sie neu.