Protocol of the Session on March 17, 2016

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niemand kritisiert in diesem Haus das Format des Dialogs. Demokratie braucht Dialog. Das ist hier schon mehrfach klar gesagt worden. Am Ende bleibt die Frage: Was bezwecken wir mit diesem Dialog? Das ist kein Selbstzweck. Es geht natürlich bei der Frage des Dialogs und bei der Frage dessen, welche Ergebnisse es am Ende geben soll, auch darum, was die Anlage des Dialogs ist: Es ist kein Selbstzweck, und am Ende muss dieser Prozess irgendetwas wert gewesen sein.

Wenn wir es nicht schaffen, dass aus dem Dialog etwas entsteht, also das Ganze sich in irgendeiner Form niederschlägt, dann wird das natürlich bei denen, die bisher teilgenommen haben, zur Frustration führen. Das kann man dann niemandem verdenken. Die Dialogrunden sind nicht dafür da, den Regierten die Meinung der Regierenden beizubringen. Das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns darüber unterhalten, was bei diesen Dialogforen an Kritik am Referentenentwurf zum Schulgesetz geäußert worden ist.

Ich habe mir vom Bürgerforum, dass in Bautzen am 01.02.2016 stattgefunden hat, und von der Vollversammlung des Landeselternrates am 12.03.2016 berichten lassen. Aus diesen Veranstaltungen gab es jede Menge Forderungen und eine riesengroße Erwartungshaltung an das neue Schulgesetz.

Da geht es um die Frage von Inklusion. Es muss endlich ein Rechtsanspruch auf inklusive Bildung ernsthaft möglich sein. Das Schulgesetz muss Fördermöglichkeiten, Nachteilsausgleich und Abschlussmöglichkeiten definieren; regionale Beratungsstellen sind das Stichwort. Und Sie haben das andere Stichwort: Migrantinnen und Migranten spielen im Referentenentwurf keine Rolle. Es geht um die Frage: mehr Eigenverantwortung im Schulgesetz. Ein weiterer Stichpunkt ist: Mitsprache von Lehrerinnen und Lehrern. Das ist ein wichtiges Demokratiethema. Wenn Sie Demokratie stärken wollen, dann gehört das dazu. Es geht um die Frage: längeres gemeinsames Lernen. Das ist heute auch schon gesagt worden. Es geht weiter um die Frage, ob endlich die Schulschließungen im ländlichen Raum gestoppt werden. Auch das ist eine wichtige Demokratiefrage. Das kann man nicht

außen vor lassen, wenn man über das Schulgesetz und über Demokratie spricht. Die Schulen, die wir oftmals in den kleinen Gemeinden haben, sind viel mehr als nur ein Gebäude, in dem Lehrpläne abgearbeitet werden, sondern es sind oftmals soziale Zentren, in denen sich Menschen mit noch ganz anderen Interessen zusammenfinden können.

Ich erinnere Sie noch einmal daran, dass es wichtig ist, was wir in der Vergangenheit in Sachsen erlebt haben – mit welchen riesigen Demonstrationen von Lehrerinnen und Lehrern, von Schülerinnen und Schülern wir konfrontiert waren. Deshalb sage ich auch jetzt: Das ist ein guter Weg, aber das, was wir im Zusammenhang mit diesem Dialogprozess an Erwartungshaltungen geweckt haben, ist wichtig. Das zeigt auch die sehr große Beteiligung und das große Interesse daran. Das darf man auf keinen Fall unterschätzen. Deshalb glaube ich, dass es zusammenpassen muss – das Format des Dialoges und das Ergebnis.

Jetzt kann man für meine Begriffe festhalten, dass nach den Bürgerforen und all den Kritiken, die es gegeben hat, die Erwartungshaltung geweckt ist, dass es einen komplett neuen Referentenentwurf gibt. Das ist im Grunde die Quintessenz der bisher stattgefundenen Foren. Wenn Sie das wirklich leisten können, dass es einen neuen Referentenentwurf gibt, der diese ganzen Dinge aufnimmt – –

(Zuruf von der CDU: Das ist doch Gequatsche! Sie sollten lieber die Wahrheit erzählen!)

Es ist dabei ein sehr umfangreicher Katalog entstanden. Wenn Sie daraus Ernst machen und das leisten können, dann haben Sie wirklich ein klares und deutliches Zeichen dafür gesetzt, dass Demokratie in Sachsen bei diesem Thema funktioniert.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Nach Herrn Richter könnte die AfD-Fraktion jetzt nochmals das Wort ergreifen. – Wie ich sehe, gibt es dort keinen Redebedarf. Wie sieht es bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Dann könnten wir eine dritte Rederunde eröffnen. Möchte das die einbringende Fraktion tun? – Das ist nicht der Fall; es gibt also keinen Redebedarf mehr.

(Widerspruch von den LINKEN)

Entschuldigung. Dann hat Frau Falken das Wort; bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, noch einmal auf das eine oder andere einzugehen.

Herr Kupfer, immer wenn es kritisch wird für Sie, für Ihre Fraktion oder für die Staatsregierung, dann fangen Sie ganz vorsichtig an, zu reagieren. Eine Redezeiteinschränkung steht Ihnen mir gegenüber nicht zu; das macht schon der Präsident, und das hat er auch getan. Ich möchte aber zumindest darauf hinweisen, dass Herr Bienst länger

gesprochen hat als ich. Ich habe es mir extra noch einmal genau angeschaut; das kann man auch prüfen.

(Christian Piwarz, CDU: Wo ist denn Ihr Problem? – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Modschiedler, ein Dialogforum ohne irgendeinen Inhalt nur des Dialogforums wegen durchzuführen macht keinen Sinn – ich glaube, Sie geben mir da recht. Deshalb kann ich zwischen beiden nur in einer Aktuellen Debatte, die wir heute zu diesem Thema führen, eine Verbindung herstellen. Ansonsten macht es für mich überhaupt keinen Sinn, ein Dialogforum durchzuführen. Das heißt: Die Verbindung muss klar und eindeutig mit dem Inhalt, der in dem Forum besprochen worden ist, verbunden werden; ansonsten wäre es unsinnig.

Ich möchte gern auf das Forum eingehen, das ich in Leipzig selbst miterlebt habe. Ich hatte zum Schluss meiner vorigen Rede dargestellt, dass insbesondere in dem Forum, in dem es um die Inklusion ging, sehr heftig und intensiv diskutiert worden ist. Ich selbst bin leider nicht in diesem Forum gewesen und kann daher leider nicht im Detail darstellen, was ich gern machen würde.

In der Auswertung ist dann ziemlich deutlich und klar gesagt worden, dass der Vertreter des Kultusministeriums ziemlich stark „gegrillt“ worden ist, weil das, was derzeit im Referentenentwurf enthalten ist, überhaupt nicht den Anforderungen entspricht, was eigentlich von den Eltern, Schülern und auch von den Lehrern erwartet wird. Das heißt, hier gibt es extrem großen Nachbesserungsbedarf.

Ich möchte das hier auch ganz klar benennen: Die Ministerin hat in Leipzig in der Zusammenfassung ganz klar und deutlich gesagt, dass es nur geringfügige Veränderungen im Schulgesetz und Referentenentwurf geben wird. Sie hat sogar die Worte benutzt – ich habe sie mir extra aufgeschrieben, weil ich einen Schreck bekommen habe –, dass es höchstens zwei oder drei Veränderungen geben wird. Ich hoffe, dass Sie das heute korrigieren, Frau Ministerin, denn der Bedarf ist, so glaube ich, extrem hoch, bezogen auf die Vorlage, die jetzt als Referentenentwurf vorliegt. Ansonsten sind oder waren es ganz eindeutig Schauveranstaltungen. So funktioniert Demokratie in Sachsen nach unserer Auffassung nicht!

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Frau Kollegin Falken hat damit eine dritte Rederunde eröffnet. Gibt es jetzt noch Redebedarf aus den Fraktionen? – Herr Kollege Bienst möchte für die einbringende Fraktion nochmals das Wort ergreifen, obwohl er zehn Sekunden weniger gesprochen hat als Frau Kollegin Falken.

(Heiterkeit bei der CDU – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Falken,

ich muss mich natürlich entschuldigen, dass ich zehn Sekunden mehr gesprochen habe. Aber ich kann wirklich nichts dafür; wahrscheinlich war ich mit meiner Rede etwas zu langsam.

Möglicherweise ist das ein wenig falsch angekommen. Ich möchte daher eine kurze Klarstellung vornehmen: Wozu dienen Dialogforen? Sie dienen dazu, Meinungen auszutauschen. Ich habe vorhin eine kleine theoretische Abhandlung zu Beginn meiner Rede vorgenommen und gedacht, dass man das versteht.

Ich darf bestätigen, dass nicht nur in den Runden zur Inklusion sehr heftig debattiert wurde, sondern auch beim Thema Eigenverantwortung von Schule sind große Diskussionen aufgekommen – hier in Dresden zwar weniger, aber im ländlichen Raum wurde auch darüber gesprochen, wie Schule im ländlichen Raum erhalten bleibt.

Ich kann Ihnen sagen: Wenn wir jetzt in den Referentenentwurf hineinschauen würden – leider sind nicht alle Kollegen damit vertraut, deswegen tue ich es nicht –, dann findet man dort Passagen, in denen darauf eingegangen wird. Nun müssen wir prüfen, ob in der Umsetzungsfolge auch dieser Referentenentwurf in seiner vorliegenden Formulierung die notwendige Wirksamkeit entfaltet. Das ist eine Sache, die wir uns in unserem parlamentarischen Verfahren vornehmen werden. Wir werden natürlich in die Diskussion zu dem einen oder anderen Punkt einsteigen. Ich möchte da Frau Staatsministerin Kurth in Schutz nehmen: Sie kann gar keine Versprechungen machen auf Bürgerdialogen und Bürgerforen. Das ist unser eigentliches Gesetzgebungsverfahren! Sie hat nur Vorschläge von der Verwaltung zu bringen, und wir haben diese auszuwerten und zu prüfen, was geht und was nicht. Wir müssen definieren, welchen Anspruch wir an Schule und an Bildung haben und nicht das Kultusministerium – von der Verwaltungsseite her schon, aber nicht allumfassend und abschließend.

Deshalb werden wir uns natürlich dieser Diskussion hier stellen. Diese kommt aber nicht heute zustande, indem wir aus einem Thema heraus Inhaltsdiskussionen führen, sondern diese werden wir später führen. Darauf bin ich gespannt, und ich hoffe, dass auch eine konstruktive Diskussion in diesem Hohen Haus stattfinden wird.

Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Kollege Bienst von der CDU-Fraktion. Vielleicht hat er erneut die Lust auf Diskussion geweckt. Gibt es jetzt noch Redebedarf aus den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie, Frau Staatsministerin Kurth, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Warum habe ich mich als Kultusministerin für diesen Weg der Dialogforen in ganz Sach

sen entschieden? Ich möchte zwei Gründe dafür aufführen und etwas näher beleuchten. Wir wollten mit diesen Bürgerdialogforen die Zielgruppen erreichen – das heißt, die vom Schulgesetz besonders Betroffenen, also die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern.

Ich wollte nicht – das habe ich aus meiner langjährigen Erfahrung in unterschiedlichen Positionen des Kultusbereichs noch in Erinnerung –, dass wir übereinander reden, dass lange Vorträge angehört werden und dann darüber geschimpft wird. Ich wollte erreichen, dass wir miteinander sprechen. Ich wollte erreichen, dass wir uns zuhören und dass wir uns mit dem Thema qualifiziert auseinandersetzen. Dazu haben wir vier Themen gesetzt und an Thementischen diskutiert. Die vier Themen waren: Inklusion, heiß und intensiv diskutiert; die Eigenverantwortung von Schule, die mir persönlich auch sehr am Herzen liegt; die Ausstattung von Schulen und – Herr Bienst hat es bereits erwähnt – die Schulstruktur im ländlichen Raum im Freistaat Sachsen im Lichte der Bevölkerungsentwicklung.

Wir haben ein neues Format entwickelt. Frau Falken, es ist nicht ganz mit dem Ihren vergleichbar. Das neue Format hat bei uns eine Erwartungshaltung hervorgerufen. Wir waren alle gespannt. Die Folge war – das kann ich nach neun Bürgerdialogen sagen –: Wir haben samt und sonders inhaltlich sehr gut vorbereitete Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehabt, die mit der Synopse unterm Arm kamen und mit Markierstift signierte Textpassagen hatten. Ich habe mich darüber unwahrscheinlich gefreut.

Wir haben ernsthaft und konstruktiv diskutiert. Ja, Frau Falken, wir haben auch kritisch diskutiert. Sie verwenden mehrfach das Wort „gegrillt“. Ich habe an allen neun Bürgerdialogen teilgenommen. Diese habe ich nicht deshalb angesetzt, um eine Selbstdarstellung als Kultusministerin im Freistaat Sachsen zu inszenieren. Nein, ich wollte den ehrlichen, aufrichtigen Dialog führen und als authentische Kultusministerin mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen. Ich kann für mich sagen, dass es ein Mehrwert an Erfahrung war, den ich nie mehr missen möchte.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Dass wir über einen Gesetzentwurf offen diskutieren und dass wir Minderheitsvoten zulassen, das allein ist schon ein Wert an sich. Das ist für mich gelebte Demokratie nach den demokratischen Grundprinzipien. Ich erinnere mich daran, dass in allen Dialogforen auf unsere Übersicht eines demokratischen Gesetzgebungsprozesses

geschaut wurde. Sie ist zum Abrufen bereit und wurde von fast allen Schulen abgerufen. Ich habe die Lehrerinnen und Lehrer dazu aufgerufen, einen Diskussionsprozess darüber zu führen, wie ein demokratischer Gesetzgebungsprozess abläuft. Das ist doch politische Bildung an unseren Schulen, leibhaftig an einem Prozess, der zurzeit im Freistaat Sachsen abläuft, teilzunehmen. Wir Sachsen bringen das, wir können diesen demokratischen Prozess gestalten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Zum Zweiten: Schon viel zu lange klagen wir über eine Politikverdrossenheit, übrigens nicht nur bei uns in Sachsen. Das haben die Wahlen in den Bundesländern gezeigt. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger scheinen sich von Politikern und Parteien frustriert abzuwenden und nicht mehr zur Wahl zu gehen

(Zuruf von der AfD: Die Wahlbeteiligung ist doch höher geworden!)

oder sind, wie die neuesten Beispiele zeigen, Protestwähler. Das können wir nicht so hinnehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wenn ich jedoch im Land unterwegs bin, nicht nur zu den Bürgerdialogen, erlebe ich, dass die sächsischen Bürgerinnen und Bürger durchaus politikinteressiert sind. Besonders freue ich mich über das Engagement der Schülerinnen und Schüler im Freistaat Sachsen und über das qualifizierte Argumentieren, Diskutieren der Schülerinnen und Schüler und unseres Landesschülerrates. Dafür möchte ich an dieser Stelle einmal ein Dankeschön sagen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Politik sollte dieses Interesse viel stärker wertschätzen. Wir tun es schon und werden es in Zukunft noch stärker tun. Dann, meine Damen und Herren, steigt auch in unserer Bevölkerung die Akzeptanz der parlamentarischen Demokratie weiter an.

Mit den Bürgerforen und der transparenten Information im Internet haben wir im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens nicht nur einen neuen Weg beschritten, sondern wir haben auch ein Experiment gewagt. Ich kann sagen: Das Experiment ist gelungen. Legida, Pegida, Pöbeleien in den sozialen Netzwerken, Pöbeleien auf der Straße, wie in Bautzen erlebt – manchmal musste man doch in den letzten Monaten den Eindruck gewinnen, wir Sachsen seien zum Dialog und zum demokratischen Diskurs gar nicht bereit oder gar nicht in der Lage. Wir haben das mit unserem Prozess widerlegt. Ich wünsche mir, dass das weit über die Grenzen Sachsens hinaus bekannt wird.