Frau Dr. Petry, um Ihrem Vorwurf zu begegnen, Umgangsformen nie zu beachten, gebe ich Ihnen die Chance, über eine Zwischenfrage eine Frage zu beantworten und zu beweisen, dass Sie auch inhaltlich verstehen, wovon Sie reden. Können Sie mir sagen, wie viele befristete Lehrerstellen im Schuldienst wir derzeit im Freistaat Sachsen haben?
Herr Schreiber, es ist schön, dass Sie mir eine Frage stellen, die nicht zum Antrag gehört, aber zu den Umgangsformen im geringsten Grade nicht.
Deswegen werde ich meinen Vortrag jetzt fortsetzen, denn genau darum ging es jetzt nicht. Hören Sie doch einfach zu. Das wäre für den Anfang nicht schlecht.
Im Antrag wird nicht auf viele bereits vorhandene und drängende Probleme eingegangen; auch die Fristsetzung für die Punkte im Antrag fehlt. Zum Beispiel: Bis wann sollen die Darlegung der Wertevermittlungsmöglichkeit, das Konzept zur Vermittlung von Verfassungsgrundsätzen und die Prüfung der Entfristung erfolgen? Und zur Vergangenheit: Wo waren da Ihre Anträge zur Sicherstellung der regulären Unterrichtsabdeckung, zur Senkung des Unterrichtsausfalls inklusive des Ergänzungsbereichs? Wo waren Ihre Ideen gegen den nach wie vor hohen Unterrichtsausfall von bis zu 8 % und zur Verbesserung der Schulausstattungen? Manche Ausstattungen von Schulen sind so schlecht, dass Direktoren sogar die Sekretärsarbeit selbst übernehmen müssen. Wir könnten noch weitere Beispiele bringen.
Als Zwischenfazit müssen wir feststellen: Die Auseinandersetzung mit der Frage, wie man integriert, wen man integriert und wie die Werte gut vermittelt werden, ist durchaus berechtigt. Deshalb kann Ihr Antrag kaum abgelehnt werden. Aber wir können ihm auch nicht zustimmen, denn mit dem Antrag soll auch die weitere Aufstockung der DaZ-Lehrkräfte ermöglicht werden. Wenn die Regierung ihre Hausaufgabe machen und rechtmäßige und ordentliche Zustände an Schulen herstellen würde, wäre diese weitere Aufstockung überhaupt nicht notwendig. Wir haben bereits jetzt 446 DaZ-Klassen mit mehr als 6 000 Schülern, 290 DaZ-Lehrern und 160 weitere, die in diesem Schuljahr eingestellt werden. Die Zahl der Migranten in DaZ-Klassen stieg von 2014 auf 2015 um über 70 %. Wir haben in Sachsen circa 25 000 Schüler mit Migrationshintergrund an sächsischen Schulen. Das macht circa 7 % der Schülerschaft aus.
Deswegen richten wir unseren Appell an Sie: Wir müssen die Aufnahme von Migranten und auch Migrantenkindern endlich an unsere Kapazitäten anpassen und nicht umgekehrt. Die Argumentation, dass wir jetzt die Migranten und ihre Kinder nun einmal hier haben und damit umgehen müssen, greift in der Perspektive zu kurz. Und zwar nicht, weil wir fremdenfeindlich sind, sondern weil wir es
nicht schaffen, bereits vorhandene eigene Probleme zu lösen, und daran wird die aktuelle Situation und eine weitere Zunahme von Migranten nichts ändern.
Bevor die AfD nun wieder als herzlos beschimpft wird, sollte sich jeder, der das vorhat, fragen, wie inländerfeindlich oder herzlos diejenigen waren, die sich gegen die nötigen allgemeinen Bildungsinvestitionen im Haushaltsjahr 2015 stellten, die wir unter anderem auch gefordert haben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 20. November letzten Jahres wurde unser Antrag „Schulische Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sicherstellen“ von der Regierungskoalition aus CDU und SPD abgelehnt. Unser Antrag enthielt konkrete Vorschläge und Aufträge an die Staatsregierung. Ich erinnere mich noch sehr genau: Herr Gasse erklärte für die CDU, dass kein Handlungsbedarf zu diesem Thema bestünde.
Davon hätte er sich gemeinsam mit der Ministerin bei einem Besuch einer DaZ-Klasse in Leipzig überzeugt. Dort wären ihm nur lächelnde Kinder, freundliche und lächelnde Lehrerinnen und Lehrer sowie natürlich eine lächelnde Ministerin begegnet. Insofern sei das alles nicht nötig, was wir beantragt hätten.
Nun, vier Monate später, legen Sie einen eigenen Antrag zum Thema vor. Herr Gasse kann vielleicht nachher noch erklären, was sich seither geändert hat. Freundlich betrachtet, enthält dieser Antrag eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten, Allgemeinplätzen und vorsichtigen Formulierungen – letzteres in Richtung einer besseren Ressourcenausstattung für den DaZ-Unterricht. Selbstverständlich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist Sprache und Bildung ein Schlüssel zur Integration. Selbstverständlich ist die Konzeption zur Integration von Migranten eine gute Grundlage in Sachsen. Selbstverständlich ist, dass Wertevermittlung an Kinder und Jugendliche ein wichtiges Thema ist.
Nicht selbstverständlich ist, dass der Sächsische Landtag über Selbstverständlichkeiten beschließen muss, zumindest nach unserer Auffassung. Leider findet sich zu all diesen Selbstverständlichkeiten bisher nichts in dem öffentlich diskutierten Entwurf des neuen Schulgesetzes. Mit Spannung erwartet unsere Fraktion daher, ob sich das Thema „Integration von Geflüchteten und Zuwanderern“ nach der Überarbeitung des Entwurfs finden lässt.
Besonders kritisch in dem vorliegenden Antrag sind aus unserer Sicht folgende Aussagen: „Die Staatsregierung wird ersucht,“ – ich frage mich wirklich, wer hier der Koch und wer der Kellner ist – „sicherzustellen, dass alle Kapazitäten zur Absicherung des Unterrichts DaZ bedarfsgerecht an die steigende Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund angepasst werden.“
Liebe CDU! Liebe SPD! Wir haben eine Schulpflicht in Sachsen – die gilt für jedes Kind. Ein höfliches Ersuchen reicht da nicht. Auch hier sind wir gespannt, wie sich die Intention des Antrags zur angemessenen Ressourcenausstattung in den kommenden Haushaltsverhandlungen wiederfinden wird.
Schwierig beim vorliegenden Antrag ist aus unserer Sicht der Sprachgebrauch. So ist in der Begründung von der „Bewältigung“ der Integration die Rede, nicht etwa von deren Gestaltung – als sei Integration ein Unglück, das über uns kommt, und nicht etwa eine Chance und eine Mühe, nicht jedoch eine Herausforderung.
Integration gelingt jedenfalls nicht dadurch, für unterschiedliche Gruppen unterschiedliche Integrationsmaßnahmen anzusetzen. Das aber tut dieser Antrag. Damit sind wir beim Thema politische Bildung und dem, was aus unserer Sicht in Ihrem Antrag überhaupt nicht geht. Politische Bildung und Wertevermittlung sind für alle Schülerinnen und Schüler von essenzieller Bedeutung nicht nur für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Im Antrag geht es jedoch genau darum. Sie wollen eine spezielle politische Bildung und Wertevermittlung für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund etablieren, als ob es sonst keinerlei Bedarf an politischer Bildung gäbe und als ob eine Sprachvermittlung – auch das findet sich im Antrag – ohne Wertevermittlung und außerhalb gesellschaftlicher Kontexte überhaupt möglich sei. Das ist aus unserer Perspektive der falsche Weg. Aus diesem Grund werden wir uns bei diesen Passagen zu diesem Antrag enthalten.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde dieser Aussprache. Gibt es Redebedarf für eine weitere Runde aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Jahr 2015 war für uns alle in
vielen Bereichen eine Herausforderung. Das trifft auch auf den Kultusbereich in Sachsen zu. Allein im ersten Halbjahr dieses Schuljahres wurden an den Regionalstellen der Bildungsagenturen mehr als 5 700 besondere Bildungsberatungen für Kinder mit Migrationshintergrund durchgeführt – natürlich nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern der Kinder. Ebenso ist die Anzahl der Vorbereitungsklassen in Sachsen rasant gestiegen. Wir haben es schon von Herrn Ittershagen gehört: Am Anfang des Schuljahres hatten wir 290 Vorbereitungsklassen an unseren Schulen eingerichtet. Inzwischen sind wir tagaktuell bei der Zahl von 465 Vorbereitungsklassen angelangt. Über 7 500 Schülerinnen und Schüler werden in den Vorbereitungsklassen an unseren sächsischen Schulen beschult. Das ist ein Schüleranstieg von mehr als 70 % gegenüber dem Vorjahr in diesem Bereich.
An dieser Stelle möchte ich besonders herzlich allen beteiligten Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, Eltern, Mitarbeitern in der Verwaltung und all denjenigen unserer Gesellschaft aus tiefstem Herzen danken, die sich engagieren, eine wertvolle Arbeit leisten und über Integration nicht reden, sondern sie tagtäglich mit großem Engagement leben.
Ich kann mich bei Besuchen vor Ort – das wurde von meinen Vorrednern mehrfach betont – darüber informieren und davon überzeugen, dass unsere sächsischen Bürgerinnen und Bürger die Integration derjenigen Kinder und Jugendlichen, die bei uns ein Bleiberecht haben, vorantreiben und dazu immer und überall bereit sind.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir gehen von weiter steigenden Zahlen aus. Das heißt, wir werden natürlich auch die Anzahl der Lehrerinnen und Lehrer in unserem Schulsystem weiter anpassen. Ich als Kultusministerin des Freistaates Sachsen möchte qualitativ eine gute Bildung für alle Schülerinnen und Schüler im Freistaat Sachsen. Eines ist dabei klar: Die schulische Integration von Flüchtlingskindern, die bei uns dauerhaft eine Heimat finden, wird es nicht zum Nulltarif geben.
Was wir in die Köpfe der uns anvertrauten Kinder investieren – ich meine ausdrücklich alle Kinder an unseren sächsischen Schulen –, ist eine Investition in die Zukunft unseres Freistaates Sachsen.
Dabei haben wir von Anfang an, meine Damen und Herren, mit Weitsicht gehandelt und nicht erst, als die Flüchtlingskinder an unseren Schulen waren. Deshalb möchte ich klar der Äußerung widersprechen, dass wir diesem Prozess hinterherlaufen. Bereits zum Schuljahr 2015/2016 wurden 78 Betreuungslehrer für Vorbereitungsklassen eingestellt, weitere 200 Lehrkräfte befristet über die Asylpakete I und II. Auf die Notwendigkeit einer dauerhaften Perspektive dieser Lehrkräfte hat das Kultusministerium bereits reagiert und 166 Lehrkräfte entfristet. Zusätzlich, meine Damen und Herren, standen durch
das Asylpaket III zum Einstellungstermin Februar 2016 weitere 160 unbefristete Stellen zur Absicherung des Unterrichts zur Verfügung.
Studienkapazitäten, Ausbildungskapazitäten sowie Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten wurden ebenfalls
erweitert. Wir müssen uns aber auch den Realitäten stellen. Das Kultusministerium hat in den zurückliegenden Monaten unter äußerst wohlwollender Nutzung des Ermessensspielraums eine Vielzahl von jungen Menschen über 18 Jahren in Vorbereitungsklassen an den Berufsschulzentren unterrichtet, obwohl sie nicht mehr der Schulpflicht unterliegen.
Wir sind diesen Schritt gegangen, um die große Herausforderung der wahren Integration zu meistern. In den Vorbereitungsklassen der Berufsschulzentren wurden bisher alle unterrichtet, egal, welchen Ausbildungsstand sie hatten. Hier bedarf es einer Differenzierung. Viele dieser jungen Menschen gehören in das Einstiegsmanagement der Bundesagentur für Arbeit.
Für die über 18-Jährigen, die zeitnah einen Bildungsabschluss erreichen, sind die Türen unserer drei Kollegs im Freistaat Sachsen weit geöffnet, sodass sie nach Erlangung des Schulabschlusses ein Studium aufnehmen können oder eine Ausbildung beginnen können.
Es geht also um keine Einschränkungen, sondern um die richtigen Zuständigkeiten und Wege zur Integration. Meine Damen und Herren, das lehrt uns die Erfahrung; denn unser Integrationskonzept an den Schulen hat sich seit mehr als 20 Jahren bewährt. Dank dieser soliden Basis und der hervorragenden Arbeit unserer Lehrerinnen und Lehrer, unserer Schulleiterinnen und Schulleiter haben wir den enormen Anstieg der Zahl von Flüchtlingskindern gut und strukturiert bewältigt, und wir werden ihn auch weiterhin gut und strukturiert bewältigen.
Unser Konzept der Integration bedeutet Teilhabe am gesellschaftlichen, am sozialen, am kulturellen Leben innerhalb der Schule. Spracherwerb ist der Türöffner, und, Frau Dr. Petry, Spracherwerb, um Ihren Debattenbeitrag verfolgen zu können, wäre keine Wertevermittlung.
Da Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Sachsen von Anfang an in das Regelsystem Schule integriert werden, ist es möglich, dass sie im Unterricht und im Rahmen außerunterrichtlicher Aktivitäten die geforderten Kompetenzen sowie Werte und Normen unserer Gesellschaft sowohl erfahren als auch erwerben können.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Auch die Landeszentrale für Politische Bildung leistet bei der Werteorientierung und der Vermittlung von fachlichen und interkulturellen Kompetenzen einen wichtigen Beitrag und arbeitet eng mit anderen Trägern der politischen Bildung zusammen. Online-Aktivitäten, Publikationen und Veranstaltungen der Landeszentrale fördern die