Protocol of the Session on November 13, 2014

Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, gleich in dem neuen Amt zu einem Antrag sprechen zu dürfen, der offenbar eine breite Zustimmung findet und der nicht bei null anfängt, wenn man die Worte von Herrn Dr. Meyer, Frau Fiedler oder Hanka Kliese gehört hat.

Ich nehme sehr wohl die Anregungen wahr, die insbesondere von den GRÜNEN und den LINKEN gekommen sind. Natürlich müssen wir Sprachkenntnisse in das Blickfeld rücken, und natürlich muss die Zivilgesellschaft einbezogen werden. Das ist Sinn und Zweck der Kulturhauptstadt.

Vor wenigen Tagen, am vergangenen Freitag, tagte hier der Bundesverband der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in Deutschland. Anlässlich dieser Tagung hier in diesem Raum – ich konnte leider nicht anwesend sein, sondern erst am letzten Tag – wurde der DIALOG-Preis 2014 an Lech Wałęsa, den ehemaligen Präsidenten Polens, und an den Interregionalen Gewerkschaftsrat Elbe-Neiße vergeben. Ein wunderbares Symbol ist die Übergabe dieses Preises für die Anerkennung der Bedeutung Polens und insbesondere der Solidarność auch für die friedliche Revolution, über die heute hier schon gesprochen wurde, vor 25 Jahren in Deutschland, hier in Sachsen, und damit auch für die Brücken, die zwischen dem Osten und dem Westen über Oder und Neiße schon weit vor 1989/1990 geschlagen worden sind.

Wir knüpfen mit diesem Antrag an eine jahrzehntelange Tradition der guten Zusammenarbeit in der Mitte Europas, in der wir uns mit Sachsen und mit Wrocław/ Breslau bewegen, an, dass wir diese grenzüberschreitenden Beziehungen in der Mitte Europas weiter, vor allem kulturell, gestalten wollen.

Lassen Sie mich eine Bemerkung zu dem Namen der Stadt machen. Wenn man heute mit der Jugend in Polen redet, dann sagen sie ganz selbstverständlich „Breslau“. Wenn wir auf die Internetseite für die europäische Kulturhauptstadt 2016 schauen, dann steht dort ganz selbstverständlich „Breslau“. Auch mir fällt es immer wieder schwer, eine Stadt, die von einer negativen Seite deutscher Geschichte geprägt ist, mit einem deutschen Namen anzusprechen. Insofern ist es für mich nicht vergleichbar mit einer französischen Stadt oder mit einer wie Kopenhagen. Ich kann gut verstehen, dass die heutige Generation und wir uns vielleicht auch langsam daran gewöhnen, dass wir Wrocław als Breslau bezeichnen und dass das keinen negativen Touch mehr hat.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Aber in meinem Inneren bin ich immer noch dabei, Wrocław zu sagen.

Grundsätzlich soll die Benennung einer Stadt als europäische Kulturhauptstadt dazu beitragen, den Reichtum, die Vielfalt und die Gemeinsamkeit des kulturellen Erbes in Europa herauszustellen und vor allem ein besseres Verständnis der Bürger Europas füreinander zu ermöglichen. Umso besser ist es, wenn es unmittelbar im grenznahen Raum, wo die Städte und Länder aneinandergrenzen, geschieht und diese Grenzen dann tatsächlich durchlässig sind – nicht nur rein rechtlich. Dazu hat das Europäische Parlament in den Jahren 1999 und 2006 die einschlägigen Beschlüsse gefasst. Ich will sie hier nicht wiederholen.

Mit dieser europäischen Kulturhauptstadt und dem Programm „Kreatives Europa“ leistet die EU finanzielle Unterstützung und vor allen Dingen eine bessere Sichtbarkeit Europas unmittelbar in einer Region. Wenn wir mit zweijährigem Vorlauf in Richtung Wrocław blicken, so sind wir froh, dass bereits heute – wir haben es schon gehört –, insbesondere im Rahmen der Regionalpartnerschaften, in polnisch-niederschlesischen Kooperationen in der Musikkultur, in den Bereichen Theater und Ballett, aber auch Museen sich schon vieles getan hat. Wir werden nicht auf die Organisatoren zugehen und sie damit konfrontieren, dass wir uns allein präsentieren wollen, sondern wir wollen eine gemeinsame Kulturhauptstadt darstellen. Es wird uns mithin keine großen Schwierigkeiten bereiten, perspektivisch die Brücke zur europäischen Kulturhauptstadt Breslau/Wrocław 2016 herzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn nach der angemessenen Präsenz des Freistaates Sachsen im Rahmen der Kulturhauptstadt Wrocław 2016 gefragt ist, so ist dies zum einen abhängig von den Absichten, welche die vielfältigen Kulturakteure verfolgen. Wir stehen, glaube ich, schon noch am Anfang, wenn es konkret um diese Kulturhauptstadtbewerbung geht, ebenso im Bereich der grenzüberschreitenden Kulturarbeit.

Lassen Sie mich abschließend noch zwei Dinge erwähnen; Herr Dr. Meyer führte es bereits aus. Meetingpoint

Music Messiaen in Görlitz/Zgorzelec war mir ein Herzensanliegen. Sie erinnern sich vielleicht: Vor wenigen Monaten hatte ich der damaligen Staatsministerin von Schorlemer gedankt, dass sie die Schirmherrschaft übernommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war es noch nötig. Heute steht es auf eigenen Füßen und kann arbeiten. Meetingpoint Music Messiaen ist eines der besten Zeichen der Versöhnung zwischen Deutschen und Polen an einem sehr, sehr schwierigen Punkt in einem Lager, in dem Unmenschliches geschehen ist und das heute europaweit genutzt wird als Kulturort für die Jugendbegegnung, als Erinnerungs- und Begegnungsstätte. Ich denke, hier haben wir noch einiges zu tun. Auch wenn es jetzt manifest geworden ist, so sollten wir es noch stärker ins Bewusstsein rufen.

Damit bin ich beim letzten Punkt. Ja, wir sollten unbedingt die Gelegenheit nutzen, den Jugendaustausch zu stärken. Ich glaube, die Jugend wird, ohne die Vergangenheit zu vergessen, Europa anders gestalten, als es meine Generation oder die Generation unserer Eltern getan hat, weil sie nicht mit der großen Last an die Gestaltung Europas und an die Beziehungen zwischen Deutschen und Polen herangeht. Vielleicht kann diese Kulturhauptstadtbewerbung, diese Kulturhauptstadtgestaltung mit unserer Unterstützung einen Beitrag dazu leisten, den Jugendaustausch zu befördern und damit der Jugend eine neue Perspektive in Europa, in Polen zu eröffnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der AfD und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Wir kommen zum Schlusswort. Für die

Fraktionen CDU und SPD spricht Frau Abg. Fiedler. Sie möchten nicht nach vorn kommen?

(Aline Fiedler, CDU: Nein!)

Da können Sie über das Internet ja nicht gesehen werden.

(Christian Piwarz, CDU: Aber sie ist hörbar!)

Hörbar; na, gut. Geben wir uns mal Mühe.

Vielen Dank für die Debatte. Es ist ein schönes Zeichen, dass der erste Antrag in der neuen Legislaturperiode dem Thema Kultur gewidmet ist, über den hier debattiert wurde und der, wie ich wahrgenommen habe, auf breite Zustimmung treffen wird.

In den letzten Minuten haben wir gemerkt, mit welcher Vielfalt Kultur verbunden ist und welche Themen man mit diesem Bereich verbinden kann. Ich hoffe auf eine breite Zustimmung. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen gegenüber unseren polnischen Nachbarn in Breslau/Wrocław, aber auch für das Selbstverständnis dieses Landtags. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Vielen Dank, Frau Fiedler.

Damit kommen wir zur Abstimmung über die Drucksache 6/226. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und keinen Gegenstimmen ist dieser Antrag mit großer Mehrheit beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 7

Schutzschirm für von Wirtschaftssanktionen

gegen Russland betroffene Unternehmen aufspannen

Drucksache 6/62, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Wir beginnen mit der Aussprache. Zunächst die Fraktion DIE LINKE, dann CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, sofern das Wort gewünscht wird. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Brünler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Fraktion hat Ihnen heute einen Antrag vorgelegt, der sich mit den Auswirkungen der im Zuge der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten EUSanktionen und den von russischer Seite verhängten Gegenmaßnahmen beschäftigt.

Es geht uns hier nicht um den in diesem Kontext aufgetretenen außen- und sicherheitspolitischen Flurschaden und

die sich kontinuierlich zuspitzende Situation zwischen dem Westen und Russland. Sie können mir glauben, auch wir sind von dieser Entwicklung beunruhigt.

Wir haben heute in diesem Haus bereits den historischen Fall der Berliner Mauer vor 25 Jahren gewürdigt. Dieses Ereignis war nicht nur eine nationale deutsche Begebenheit; es war gewissermaßen die Überwindung des Kalten Krieges hier in Europa. Aus diesem Anlass haben vor wenigen Tagen die sicher auch hier in dieser Runde von allen anerkannten politischen Persönlichkeiten Genscher, Gorbatschow und Kissinger davor gewarnt, dass die Sanktionen gegen Russland kontraproduktiv sind, dass sie das Land weiter in die Ecke drängen und das ein neuer Kalter Krieg zwischen Ost und West droht. Von der Idee

Wandel durch Annäherung ist zumindest im Verhältnis zu Russland derzeit nichts mehr übrig.

DIE LINKE fordert derzeit im Bundestag die Bundesregierung dazu auf, in der EU darauf hinzuwirken, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Russland möglichst umgehend aufgehoben werden, da sie mehr neue Probleme schaffen als bestehende zu lösen. Diese Einschätzung teilt in der Zwischenzeit selbst die EU-Außenkommissarin Mogherini. Ich bin sehr dankbar, dass sich im Bundestag hier eine Stimme der Vernunft erhebt.

Aber ich denke auch, dass das Problem des Fortbestandes der Sanktionen kein primäres Thema des Sächsischen Landtags ist, sondern als außenpolitisches Thema genau dahin gehört, wo es aktuell debattiert wird, nämlich in die EU und in den Bundestag.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Trotz dieses Einstieges geht es uns hier nicht um eine außenpolitische Debatte. Die Einschätzungen hinsichtlich Rechtfertigung und Sinnhaftigkeit der Sanktionen mögen hier in diesem Hause weit auseinandergehen; dessen bin ich mir mehr als bewusst. In einem Punkt sollten unsere Auffassungen aber deckungsgleich sein, wenn wir den Eid, den wir geleistet haben, ernst nehmen. Der Punkt besteht darin, dass wir Schaden vom Freistaat und seinen Bewohnern abwenden; denn Fakt ist eines, sehr geehrte Damen und Herren: Ausbaden muss die Folgen dieser Sanktionen und der von Russland erlassenen Gegenmaßnahmen derzeit die Wirtschaft. Ausbaden müssen das vor allem mittelständische Unternehmen, denen zum Teil über Nacht durch einen von der Politik erzeugten exogenen Schock ein nicht unerheblicher Teil ihres Absatzmarktes weggebrochen ist – und das nicht nur vorübergehend, sondern durch zerstörtes Vertrauen oftmals dauerhaft. Ausbaden müssen das auch die Beschäftigten, deren Arbeitsplätze auch hier in Sachsen in Gefahr sind.

Hier ist Politik, wenn sie sich zu solchen außenpolitisch motivierten Schritten durchringt, gefordert. Sie ist gefordert, negative Folgen von dadurch betroffenen unbeteiligten Dritten abzuwenden. Es geht hier nicht um ein Rundum-sorglos-Paket zur Eliminierung normaler Marktrisiken oder Absatzschwankungen – was pauschale Geschenke an Unternehmer anbelangt, sind wir als LINKE auch hinreichend unverdächtig –; es geht hier darum, dass Politik Verantwortung für das eigene Handeln übernimmt.

Wir wollen mit unserem Antrag einen Schutzschirm für sächsische Unternehmen erwirken, die infolge der von mir eingangs beschriebenen außenpolitischen Entwicklung in eine schwierige Situation geraten sind. Das betrifft die sächsischen Obstbauern, die unter russischem Boykott leiden, genauso wie Industrieunternehmen, denen Ausfuhrverbote der EU zu schaffen machen.

Dass die bisherige Staatsregierung in dieser Frage taten- und konzeptlos, ja, im Grunde desinteressiert war, kann man der Antwort des ehemaligen Wirtschaftsministers Morlok auf eine Kleine Anfrage vom Oktober entnehmen, deren Beantwortung auf den Punkt gebracht lautete,

davon wisse er nichts und das hätte ihm bisher auch keiner gesagt.

Aber vielleicht bessert sich ja die Lage im Wirtschaftsministerium in Zukunft. Auch in Erwartung dessen wollen wir hier als LINKE gern noch einmal auf dieses Problem hingewiesen haben. Es soll nicht daran scheitern, dass es angeblich wieder keiner getan hat – wobei es auch nicht richtig ist, dass auf dieses Problem bisher noch niemand hingewiesen hätte. Die Stimmen aus Wirtschaft und Gewerkschaften sind da – man muss sich schon eher große Mühe geben, will man sie nicht hören.

Im Oktober hatte der Chemnitzer Industrieverein 1828 eine Petition an die Bundesregierung gerichtet, die von rund 60 Unternehmen unterzeichnet wurde und dazu aufrief, endlich in dieser Sache tätig zu werden.

Auch der Maschinenbauverband VDMA Ost hat einen Schutzschirm für die durch die Sanktionen und Gegenmaßnahmen existenzbedrohten Unternehmen gefordert. Beides sind keine Unbekannten, sondern Verbände, die für Unternehmen mit mehreren Zehntausend Beschäftigten hier im Freistaat sprechen.

Betriebe mit Aufträgen aus Russland erhalten derzeit zum Teil keine Ausfuhrgenehmigungen mehr oder die Ausfuhr wird verzögert. In der Folge bleiben bereits abgearbeitete oder halb fertige Aufträge liegen – was zu erheblichen finanziellen Verlusten führt. Schlimmer noch: Die Geschäftsbeziehungen zu russischen Partnern werden so erheblich geschädigt und nicht selten dauerhaft zerstört – auch das übrigens nochmals ein Grund im Hinblick auf den heute noch zu debattierenden Antrag der AfD, warum eine bloße Rücknahme der Sanktionen vielen Unternehmen nicht helfen wird. So sinnvoll das als außenpolitisches Signal sein mag – wirtschaftspolitisch ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen.

Vor allem die sächsischen Maschinen- und Automobilbauer und deren Zulieferer sind hiervon betroffen. Im Automobilbau gingen im letzten Jahr 4,5 % der sächsischen Exporte nach Russland. Im Maschinenbau war es nahezu ein Zehntel. Ein Drittel der in Russland geschäftstätigen Betriebe erwarteten Anfang Oktober Einbrüche besonders im Maschinen- und Anlagenbau von bis zu 50 % des Jahresumsatzes. Für viele ist das inzwischen vier Wochen später nicht mehr nur Erwartung, sondern bittere Realität. Erste Betriebe haben ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, und – langfristig fast noch gravierender – Modernisierungs- und Ausbauinvestitionen in die Produktion werden nicht nur auf unbestimmte Zeit verschoben, sondern am besten gleich abgeblasen.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist ein Irrglaube – man kann auch sagen, westliche Überheblichkeit – anzunehmen, dass russische Kunden ausschließlich auf deutsche Produkte angewiesen sind und nur darauf warten, reumütig wieder in Sachsen kaufen zu dürfen. Nein, die Welt ist größer und einmal verlorene Marktanteile sind schnell dauerhaft weg.

Darum gehen auch die momentan bereitgestellten Liquiditätsinstrumente wie Kurzarbeitergeld und HermesBürgschaften im Kern an der Problemlage vorbei, selbst wenn sie kurzfristige Linderung versprechen. Man kann es drehen und wenden, wie man will – nicht unerhebliche Teile auch und gerade des sächsischen Mittelstandes sind unverschuldet in die Mühlen der Weltpolitik geraten.