Protocol of the Session on February 29, 2016

Meine Damen und Herren! Das war die zweite Runde in der Aussprache. Gibt es Redebedarf für eine dritte? Ich frage die Linksfraktion. – Das ist nicht der Fall.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir haben keine Redezeit mehr!)

DIE LINKE hat keine Redezeit mehr. Die CDU-Fraktion? – Herr Abg. Hartmann; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meinen Ausführungen möchte ich mich auf den vorliegenden Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN konzentrieren.

Ich möchte vorausschicken, dass der Ministerpräsident in seiner heutigen Regierungserklärung mit klaren Worten auf die Herausforderungen hingewiesen hat. Im Gegensatz zu Ihnen kann ich keinen Dissens zu den Ausführungen des Vorsitzenden der CDU-Fraktion, nämlich meiner Fraktion, erkennen. Es ist so wie mit allem im Leben: Jede Medaille hat zwei Seiten, und es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern es geht darum, beide Facetten klar miteinander zu verbinden.

Sie werden es gleich in meinen Ausführungen merken, weil ich mich an die Punkte, die Sie aufgeschrieben haben, heranarbeiten möchte. Vorausgeschickt sei mit Bezug auf die Ereignisse, die wir in Clausnitz und in Bautzen erlebt haben: Ganz klar ist, dass diese Ereignisse durch nichts zu entschuldigen sind. Sie sind durch nichts zu relativieren und sie brauchen eine umfassende Aufarbeitung.

(Beifall bei der CDU)

Bei dieser Aufarbeitung müssen wir aufpassen, dass wir in den Mittelpunkt der Aufklärung, der Diskussion das stellen, was passiert ist: fremdenfeindliche, extremistische Exzesse, negative Stimmungen, die eine aggressive Grundhaltung in Clausnitz vermittelt haben, und ein Brandanschlag in Bautzen. Das reiht sich ein in verschiedene Ereignisse der letzten Monate. Ja, und es ist zu befürchten, dass es nicht die letzten gewesen sind.

Nicht im Mittelpunkt dieser Diskussion stand – das möchte ich deshalb ausführen, weil es bisher gar nicht Bestandteil war –: Wenn wir über Clausnitz sprechen, dann nehme ich Bezug auf die letzte Sitzung des Innenausschusses am vergangenen Freitag und sage deutlich für meine Fraktion: Was den Polizeieinsatz betrifft, so waren die Maßnahmen sicherlich konsequent und sie haben Bilder erzeugt, die durchaus berechtigte Fragestellungen aufgeworfen haben.

Aber ich sage auch deutlich, dass das Handeln der sächsischen Polizei gemeinsam mit der Bundespolizei vor Ort von Verantwortung getragen und im Rahmen der Situation und des Kräfteansatzes richtig war. Deshalb stellen wir uns ausdrücklich vor die Polizeikräfte und vor den Polizeipräsidenten von Chemnitz.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

In der Aufklärung bedarf es einer Hinterfragung – damit sind wir erst am Anfang –; denn das, was wir in Clausnitz erlebt haben, ist zumindest nicht pauschal durch Spontanität zu erklären, sondern es geht durchaus der Verdacht eines planvollen Handelns einher, und das muss aufgeklärt werden.

Wir brauchen dort eine Grenze, wo Gewalt, Aggressivität, Aufruf zu Gewalt und Rassismus die Debatte prägen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen aufpassen: Wir brauchen eine offene Diskussionskultur, die auch Widerspruch zulässt.

Damit bin ich bei Punkt 1 Ihres Antrages. Ja, wir sind in einer komplexen Situation in der Frage des Umgangs mit Asyl und der Unterbringung. Ja, der Freistaat Sachsen hat hier eine Verantwortung zu tragen, und ich möchte an dieser Stelle konstatieren: Er trägt sie. Er trägt sie zum Beispiel durch die Tatsache, dass er bei den Erstaufnahmeeinrichtungen über eine Kapazität verfügt, die in anderen Bundesländern nicht selbstverständlich ist.

Wir stellen uns der Frage, wie wir mit der dezentralen Unterbringung, einschließlich der Integration, umgehen. Und nein, es ist nicht allein Aufgabe des Freistaates Sachsen, sondern es ist vor allen Dingen geprägt von europäischen und gesamtdeutschen Rahmenbedingungen. Damit bin ich bei einem Punkt der Diskussion, meine sehr geehrten Damen und Herren, den Sie bitte nicht ausblenden: In vielen Fragen besteht Verunsicherung in dieser Gesellschaft und Diskussionsbedarf, und der ist zulässig und legitim. Politik muss eine Antwort darauf geben, wie die Entwicklung in der Asyl- und Flüchtlingskrise gestaltet werden soll. Sie muss eine Antwort darauf geben, wo Rahmenbedingungen für Integration geschaffen werden, wo es Grenzen gibt, wo Kapazitäten vorhanden und wo sie überstiegen sind.

Diese Diskussion brauchen wir genauso wie die Diskussion, die wir beispielsweise in der Eurokrise hatten. Es bedarf eines gesamteuropäischen Ansatzes. Diesen muss man diskutieren und man muss auch in Sachsen zulassen, dass es diese Debatten gibt. Aber – noch einmal – ihre Grenzen finden sie dort, wo sie Gewalttätigkeit erreichen.

Zum Rechtsstaat. Der Rechtsstaat, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist in Sachsen nicht infrage gestellt. Der Rechtsstaat funktioniert auch über die Justiz, denn diese ist weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind; sie handelt entsprechend.

Natürlich – hier reden wir auch über veränderte Rahmenbedingungen in den letzten Jahren und Monaten – bedarf es eines Gegensteuerns, beispielsweise bei der Ausstattung der Polizei, aber auch im Bereich der Justiz. Damit werden wir uns – das haben wir als Koalition heute mehrfach deutlich gemacht – nicht nur durch Reden, sondern durch entsprechende Taten kurzfristig, aber vor allem auch mit den Haushaltsansätzen für die nächsten Jahre auseinandersetzen.

Die Frage der Etablierung eines parteiübergreifenden, von der breiten Zivilgesellschaft getragenen Gemeinwesens und eines sich geschlossenen Entgegenstellens gegen Menschenfeindlichkeit und Fremdenhass in Sachsen, meine sehr geehrten Damen und Herren – das ist durch den Ministerpräsidenten auch deutlich vorgetragen worden –, ist ein Selbstverständnis. Diesen Diskussionsprozess brauchen wir durch alle gesellschaftlichen Gruppen hinweg. Das sind nicht nur – da sind wir bei einem Begriff, der mir wichtig ist – Verallgemeinerungen: die Zivilgesellschaft, die CDU, die Asylbewerber, die Sachsen.

Lassen Sie uns an dieser Stelle etwas differenzieren, denn die Zivilgesellschaft ist mehr als nur die Initiativen, die heute an der einen oder anderen Stelle durchaus auch zu Recht mit dem Hinweis, verbunden auf mehr Akzeptanz, erfasst sind.

(Beifall bei der CDU)

Das sind auch Heimatvereine, das sind Schützenvereine, das ist die Feuerwehr – das ist die breite Masse all der Sächsinnen und Sachsen, die diese Zivilgesellschaft prägen. Auch die CDU ist in sich höchst unterschiedlich. Das mögen Sie manchmal nicht mehr erkennen – das ist die Schwierigkeit, wenn Sie nicht nur behaupten, sondern tatsächlich eine Volkspartei sind. Dann haben Sie eine sehr große Bandbreite auch der Meinungsbildung der Bevölkerung in Ihrer Partei verankert. Das ist aber auch eine Stärke, weil Sie daraus die Diskussionen auch mit allen Blickwinkeln führen können.

Kurzum: Wir brauchen diese Debatte und wir brauchen eine gemeinsame Grundlage für Entscheidungen. Wir brauchen eine Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen in ihrer Gänze.

Ich möchte Ihnen aber auch deutlich sagen: Es kann sich nicht allein auf einzelne Initiativen konzentrieren. Ich will auch in aller Deutlichkeit sagen: Ich werde nicht den Fehler begehen – weil es hier auch unangemessen ist –, Rechtsextremismus gegen Linksextremismus ins Verhältnis zu setzen. Das ist nicht der Anspruch der heutigen Debatte; heute geht es um die Herausforderungen, vor denen wir im Umgang mit Rechtsextremismus, mit dem wir in Sachsen ein Problem haben, stehen. Es kann auch nicht sein, dass mit unserer Unterstützung und im Rahmen dieses Kampfes gegen Rechtsextremismus Initiativen gefördert werden, die den Rechtsstaat infrage stellen.

Ich möchte kurz aus einem Aufruf vom 6. Februar zitieren: Der strukturell rassistische Nationalstaat, LagerZwang für Geflüchtete, die Instrumentalisierung des gesellschaftlichen Sexismus gegen Migranten, die staatliche Abschiebepraxis – all das sind Zustände, die wir auf dem Müllhaufen der Geschichte sehen wollen. Das bedeutet konkret: Protest, direkte Aktionen und zivilen Ungehorsam.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so werden wir das Problem, vor dem wir gemeinsam stehen, nicht lösen können.

(Beifall bei der CDU)

Kurzum: Es sind ernste Zeiten, und diese ernsten Zeiten bedürfen ernster Diskussionen von ernsten Menschen. Ich lade Sie für meine Fraktion dazu ein, diesen Diskurs miteinander zu führen, und zwar gemeinsam mit der Staatsregierung, gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten – sachlich und in der Breite der Gesellschaft. Ihr Antrag springt dafür zu kurz und deswegen werden wir ihn heute ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Die Darstellung des Ministerpräsidenten ist zu kurz gesprungen, Kollege Hartmann!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wünscht dennoch eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter das Wort? – Ja, bitte; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Bartl, erstens, es liegt noch kein Protokoll des Innenausschusses vom 26.02. vor. Ihr Zitat aus dem nicht vorhandenen Protokoll ist damit unmöglich.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Er hat nicht zitiert!)

Zweitens, eine Demonstration auch mit einem Fahrzeug ist nicht ohne Weiteres unfriedlich und deswegen auch nicht unbedingt rechtswidrig. Die Polizei hat eine beschränkende Verfügung erlassen, den Platz zu räumen. Darum ging es im Innenausschuss.

Drittens, zum Tatbestand der Nötigung verweise ich inhaltlich auf das Zweite-Reihe-Urteil, das Ihnen bekannt sein dürfte.

Viertens, die Frage der Rechtswidrigkeit, die Sie im Ausschuss angesprochen haben, drehte sich um einen anderen Komplex; und zwar ging es um die sachliche summarische rechtliche Aufklärung des Sachverhaltes in Clausnitz.

Es ist die Frage, ob die begangenen Gesten und Handlungen im Bus bereits einen Anfangsverdacht von Straftaten darstellten, die dem Legalitätsprinzip unterliegen könnten. Die anderen Taten außerhalb des Busses waren zu diesem Zeitpunkt im Innenausschuss fraglos geklärt worden.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Ist es keine Folge, dass die Polizisten ausgelacht worden sind? Großartig!)

Ich vertrat und vertrete die Auffassung, dass diese Handlungen im Bus entschuldbar sind und gegebenenfalls auch nicht rechtswidrig, was zwingend dazu führt, dass sie eingestellt werden müssten, sofern Verfahren nach dem Legalitätsprinzip eingeleitet werden müssten.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Wie denn?)

Herr Wippel, bitte zum Schluss kommen.

Allerdings hat allein die Staatsanwaltschaft das Recht, mit dem Opportunitätsprinzip das Legalitätsprinzip zu durchbrechen, wie Ihnen bekannt sein dürfte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache zur Regierungserklärung sowie zum Antrag in Drucksache 6/4364 beendet. Wir kommen zum Schlusswort. Möchten die Einreicherinnen ein Schlusswort sprechen? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur Abstimmung über die Drucksache 6/4364. Mir liegt ein Antrag der AfD-Fraktion zur namentlichen Abstimmung vor. Ich verweise hierzu auf § 105 unserer Geschäftsordnung: Eine namentliche Abstimmung findet statt, wenn ein entsprechender Antrag durch sieben anwesende Mitglieder des Landtags unterstützt wird. Das liegt im vorliegenden Fall vor. Wir werden die nötigen Vorbereitungen treffen; es ist lange her, dass wir eine namentliche Abstimmung hatten. Im konkreten Fall wird der Schriftführer Kollege Wendt die Namen aufrufen und Sie nach Ihrem Abstimmungsverhalten fragen. Er wird es wiederholen und die beiden Schriftführer werden dies entsprechend vermerken und danach werden wir die Stimmen auszählen.

Meine Damen und Herren, wir beginnen mit der namentlichen Abstimmung. Herr Wendt, ich erteile Ihnen hierzu das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung. Ich werde mit dem Buchstaben A beginnen und in alphabetischer Reihenfolge fortfahren. Wenn Sie dem eingebrachten Antrag zustimmen möchten, quittieren Sie dies bitte mit Ja, wenn Sie ablehnen möchten, mit Nein, wenn Sie sich enthalten möchten, mit Enthaltung. Ich werde der Form halber auch die Namen derer aufrufen, die sich für die heutige Sitzung entschuldigt haben, um Verwirrungen vorzubeugen.

(Leichte Heiterkeit)

Ich beginne mit der namentlichen Abstimmung, und zwar mit dem Buchstaben A.

(Namentliche Abstimmung – Ergebnis siehe Anlage)