Protocol of the Session on November 20, 2015

Sie merkten weiterhin an, dass sich die Dublin-Regelungen in dieser Misere wenig bewährt hätten. Wenn Sie generell der Meinung sind, dass die Regelungen der Europäischen Union verbindlich sein sollen, dann müssen Sie diese Regelungen auch konsequenterweise durchführen. Dies gilt so lange, bis es eine überarbeitete Regelung gibt. Die Aussetzung von Dublin III und die QuasiZutrittsgenehmigung für Deutschland, die Frau Merkel ausgesprochen hat, sind wesentliche Zugfaktoren für den

Asylbewerberstrom nach Deutschland. Das Aussetzen von Dublin III ist somit nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Genau!)

Wir haben durchaus erkannt, dass Deutschland bei konsequenter Anwendung der Dublin-Verordnung weniger leisten würde, als es leisten könnte. Deshalb sind wir bereit, unseren Anteil zu leisten. Zuerst einmal soll das ein rein finanzieller sein, doch auch einer personellen Unterstützung der EU-Randstaaten stünden wir nicht im Wege. Mit der Verlängerung der Fristen zur Überstellung nach Dublin wirken wir darauf hin, dass ein Untertauchen des Antragstellers, um eine Rücküberstellung zu verhindern, nicht stattfindet; denn er wird es wegen voraussichtlicher Aussichtslosigkeit auch gar nicht erst versuchen. Wenn keiner unterzutauchen versucht, dann wird die Frist auch kaum ausgeschöpft werden, und wenn Sie unserem Antrag folgen, liegen durch Grenzkontrollen auch effektive Beweise und Indizien vor, die den Ort des Grenzübertritts nachvollziehbar werden lassen.

Unsere Forderung, Asylanträge von Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten nicht mehr zuzulassen, ist nur konsequent. Es besteht keinerlei Notwendigkeit, die Behörden der Mitgliedsstaaten mit Asylanträgen offenkundig nicht Verfolgter zu belasten.

(Albrecht Pallas, SPD: Wer entscheidet das, Herr Wippel? – Weiterer Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Im Übrigen muss es Ziel deutscher Außenpolitik sein, zu unterstützen, dass die Nachbarstaaten sichere Asylstaaten werden. Wenn wir über die Vereinheitlichung von Unterbringungsstandards sprechen, dann wird es auch notwendig sein, dass es Veränderungen nach oben und unten geben wird. Die Staaten der Europäischen Union müssen einheitliche, verbindliche Standards während der Antragsprüfung setzen, wenn sie sich einheitlichem Recht unterwerfen. Andernfalls unterstützen sie wieder Zugfaktoren, die dazu führen, dass Menschen in Staaten wie Deutschland oder Schweden, also sehr beliebte Zielländer, reisen und andere Staaten umgangen oder schnell verlassen werden. Es darf nicht mehr vorkommen, dass einzelne EU-Partner menschenunwürdige Bedingungen schaffen und sich so auf kaltem Wege um ihre Verpflichtung mogeln.

Unmenschlich ist unser Vorschlag nicht. Unmenschlich ist nur, nichts zu unternehmen, um das Gnadenrecht Asyl wieder denen zu gewähren, die es wirklich benötigen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Genau!)

Mit unseren Maßnahmen wird es auch gelingen, den Asylbewerberandrang derart abzuschwächen und zu regeln, dass die Verfahren nur noch kurze Zeit in Anspruch nehmen werden. In der kurzen Zeit des Asylverfahrens kann es auch nicht um Integration gehen, sondern erst ab dem positiven Entscheid. Einer Erstorientierung und beginnendem Spracherwerb stehen Sachleistungen

und andere Dinge nicht im Wege. Ein echter Kriegsvertriebener würde die Frage von Geld oder Sachleistungen nicht zur entscheidenden Frage des Stellens eines Schutzgesuches machen.

Kollege Hartmann, Sie schauten bei Ihren Ausführungen auch ins Ausland. Richten wir einmal den Blick in verschiedene Himmelsrichtungen, zum Beispiel nach Norwegen und in die Schweiz, so werden Asylanträge dort noch schneller entschieden. Das sind auch Rechtsstaaten, und ich bin guter Dinge, dass wir Deutschen das ebenfalls schaffen können.

Zur Frage, ob Religion eine Rolle spielt: Die Erfassung der Religion ist keineswegs unwichtig. Wir wissen doch, dass sich die Bruchlinien der Konflikte maßgeblich an religiösen Bruchlinien bemerkbar machen. Sie können zum einen auf Befindlichkeiten religiöser Gruppen nicht reagieren, und zum anderen können Sie rechtgläubige Gefährder nicht erkennen und nicht reagieren. Dies nicht zu tun oder die Augen davor zu verschließen bedeutet, die Attentate, die in Paris ermöglicht worden sind, zu negieren.

Der Familiennachzug nach unserem System ist für Flüchtlinge nicht nötig, weil Anträge von der ganzen Familie im Ausland gestellt werden können. Eine Ausnahme für politisch Verfolgte kann es geben, weil diese Personen vielleicht wirklich unbemerkt von heute auf morgen ausreisen müssen und erst später die Familie nachholen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Abg. Wippel. Ich hatte mich vorhin versprochen und bitte um Entschuldigung.

Meine Damen und Herren! Ich frage noch einmal in die Runde, wer noch sprechen möchte von den Fraktionen. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Landtagssitzung vergeht, ohne dass wir über das Thema Asyl – und ich will es um die Facette Flüchtlinge erweitern – sprechen. Ich denke, es ist richtig, denn wenn wir die Entwicklung in diesem Jahr betrachten, so war das eine sehr dynamische, am Anfang in dieser Dimension nicht vorhersehbare Entwicklung. Deshalb ist es dem Grunde nach richtig.

Der Antrag, der heute Gegenstand der Debatte zu diesem Thema ist, hat nach meinem Verständnis keinen vernünftigen Beitrag dazu geleistet, dass wir bei diesem Thema vorankommen, und die Diskussion hat das aus meiner Sicht auch sehr deutlich gezeigt.

Deshalb zuerst ein paar Zahlen, weil das, was im Freistaat Sachsen in den letzten Wochen und Monaten geleistet

worden ist, bemerkenswert ist. Ich habe gesagt, dass die Dynamik so nicht voraussehbar war. Dass wir – Stand: Ende Oktober – über 40 000 Asylbewerber in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Kommunen des Freistaates Sachsen untergebracht haben, hätten wir Anfang des Jahres für unmöglich gehalten. Wir haben derzeit 44 Erstaufnahmeeinrichtungen mit einer Kapazität von rund 16 700 Plätzen. Davon sind circa 14 000 Plätze belegt.

Deshalb kann man nur sagen: Das, was von den Behörden, von den Kommunen, von den Ehrenamtlern, von den Bürgerinnen und Bürgern an unterschiedlicher Stelle geleistet worden ist und auch wird, ist bemerkenswert und an dieser Stelle ein Dankeschön wert.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich will auch deutlich sagen, dass es zu Beginn geholpert hat und dass aufgrund der Dimension nicht alles reibungslos gelaufen ist. Aber mittlerweile sind die Probleme identifiziert, und die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen worden. Das sage ich zumindest für die Landesebene. Aber auch auf Bundesebene sind die ersten richtigen Schritte gegangen worden. Dazu brauchen wir aber einen Antrag, wie er jetzt Gegenstand der Diskussion ist, nicht.

Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist auf den Weg gebracht worden. Es entspricht unseren Forderungen nach schnelleren Verfahren und durchaus auch der Senkung von Anreizen. Konkret heißt das im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz unter anderem: Albanien, Kosovo und Montenegro sind jetzt sichere Herkunftsstaaten.

Frau Nagel, in der Sache kann man zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Aber dass eine solche Einstufung in Deutschland die Konsequenz nach sich ziehen würde, dass wir damit keine rechtsstaatlichen Verfahren mehr hätten, dem muss ich entschieden widersprechen. Auch in diesem Bereich sind zwar verkürzte, aber rechtsstaatliche Verfahren nötig, und das will ich an der Stelle noch einmal klarstellen.

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Die Bearbeitung der Verfahren wird durch die verschärfte Residenzpflicht vereinfacht, und Geldleistungen werden in der Erstaufnahmeeinrichtung durch Sachleistungen ersetzt. Die Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive erhalten verstärkt Zugang zu Integrationskursen. Für den Bau von entsprechenden Einrichtungen sind Ausnahmeregelungen geschaffen worden.

(André Barth, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Ja, selbstverständlich.

Bitte, Herr Abg. Barth.

Herr Staatsminister, danke für Ihre Ausführungen zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, auf das sich meine Frage auch bezieht. Dort ist die Möglichkeit enthalten, dass Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive bis zu sechs Monaten in einer Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben können. Beabsichtigt der Freistaat Sachsen, von dieser zusätzlichen Möglichkeit Gebrauch zu machen, da Sie in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage selbst davon ausgegangen sind, dass damit die Rückführung vereinfacht werden könnte?

Wir haben gegenüber den Kommunen eine klare Zusage gemacht, dass wir bei der Abverteilung diejenigen berücksichtigen werden, die eine dauerhafte, eine längerfristige Bleibeperspektive haben. Das bedeutet, dass wir diejenigen, die keine haben, in den Erstaufnahmeeinrichtungen belassen werden. Wenn wir die Veränderungen, über die ich gleich noch sprechen werde, ins Blickfeld nehmen, nämlich dass diejenigen, die zukünftig keine Bleibeperspektive haben, in besonderen Einrichtungen schnell durch ein Verfahren geschickt werden, wird es wahrscheinlich nicht mehr dazu kommen, dass sie noch auf der Landesebene verteilt werden. Die derzeitigen Zahlen sind so, dass pro Woche circa 500 Menschen vom Westbalkan kommen.

Mein Kollege Joachim Herrmann, der zwei von fünf oder sechs solcher Einrichtungen in Bayern haben wird, sagte: Wenn es bei dieser Dimension bleibt, werden wir wahrscheinlich keine zusätzlichen Einrichtungen mehr brauchen.

Deshalb bin ich ganz nahtlos zum zweiten Schritt, der derzeit läuft, gekommen: nämlich den gesetzgeberischen Initiativen, um die Abschiebehindernisse zu beseitigen. Auch geht es um das Stichwort „Flüchtlingsausweise“. Es soll um das Thema der einheitlichen Datenerhebung/Datenermittlung und den Zugriff auf diese Datenbank gehen, um eben den Flüchtlingsstrom entsprechend kontrollier- und steuerbar zu machen.

Klar ist und bleibt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir diese Situation noch weiter in den Griff bekommen müssen. Dazu gehört, dass diejenigen, denen Schutz zu gewähren ist, eine menschenwürdige Unterbringung bekommen und schnellstmöglich integriert werden. Dazu gehört aber auch, dass der andere Teil, nämlich diejenigen, die keine Bleibeperspektive haben, in ihr Heimatland zurückgehen. Wenn sie das nicht freiwillig tun sollten, wird es über Zwangsmaßnahmen erfolgen. Dazu haben wir im Freistaat Sachsen im Oktober die Zahl auf 300 erhöht. Wir haben damit deutlich gemacht, dass wir diesen Teil ernst nehmen. Dazu gehört natürlich auch, dass alles in unserer Macht Stehende getan wird, um eine Koordination hinzubekommen.

Diesbezüglich ist natürlich Europa gefragt, endlich solidarisch eine konsequente Politik zu betreiben.

Es geht um einen gerechten Verteilungsschlüssel, indem auch Drittstaaten wie die Türkei stärker eingebunden werden und indem nachhaltig an einer Verbesserung der

Situation in den Herkunftsländern gearbeitet wird. Diesbezüglich ist, meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD, die Errichtung von Flüchtlingslagern außerhalb der EU, in denen Asylanträge für die jeweiligen Länder gestellt werden können, kein neuer Gedanke, da er bereits verfolgt wird.

Das Gleiche gilt für möglichst heimatnahe Schutzgewährung und die tatsächliche Hilfe, die die EU und der UNHCR vor Ort finanziell bereits leisten. Dass ein verstärkter Schutz der EU-Außengrenzen notwendig ist, wird durch Frontex gewährleistet. Dort soll eine Verstärkung erfolgen. All das zeigt deutlich, dass dieser Antrag weiß Gott keine zusätzlichen Erkenntnisse bringt. Deshalb empfiehlt die Staatsregierung, diesen Antrag abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Das Schlusswort hat die AfD-Fraktion. Frau Dr. Petry, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Schlusswort zu diesem Antrag werde ich auf die unqualifizierten Beiträge in dieser Debatte nicht eingehen.

Herr Ulbig, bei Ihnen möchte ich anmerken: Ideen zum besseren Management von Flüchtlingsströmen hat es vor Jahren schon gegeben. Das geht zurück bis in die Neunzigerjahre. Alle diese Vorschläge haben aber besonders auf der Regierungsbank in Berlin und anderswo – also dort, wo die CDU beteiligt war – nicht dazu geführt, dass Verbesserungen erreicht wurden. Anders kann man sich den Ausspruch von Frau Merkel „Zäune auf – alle nach Deutschland!“ wohl nicht erklären. Insofern müssten Sie meiner Ansicht nach innerhalb der CDU endlich mal eine einheitliche Linie finden.

(Beifall bei der AfD)

Herr Pallas, Sie haben so schön von Abschottung gesprochen. Ich glaube, Sie wissen nicht genau, wovon Sie reden. Die AfD will keine Abschottung, die AfD möchte das Einhalten von Gesetzen und das Respektieren von Grenzen, denn auch ein Rechtsstaat – das habe ich mit mehreren Nachfragen versucht klarzustellen – existiert nur innerhalb gültiger Grenzen.

Wie halten Sie es denn in Ihrer Wohnung, Herr Pallas? Haben Sie da alle Schlösser und Türen schon ausgebaut? Wenn Sie Gäste empfangen, entscheiden Sie oder die Gäste, wie lange diese bleiben? Oder, wenn Sie Unterkunft gewähren in einer Notlage – was sehr löblich ist und jeder tun sollte –, wer stellt dann die Regeln für diese Zeit auf? Wer beendet den Aufenthalt?