(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN – Carsten Hütter, AfD: Wenn es um den VW- Konzern geht, greifen Sie noch auf ganz andere Pressemeldungen zurück! – Zuruf von den LINKEN: Das steht hier gar nicht zur Debatte!)
Damit haben sich alle Fraktionen zur Dringlichkeit positioniert. Wir stimmen jetzt über die Dringlichkeit des Antrags – nicht über den Antrag selbst – ab. Wer die Dringlichkeit bejaht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Dringlichkeit dieses Antrags abgelehnt.
Ich sehe keine weiteren Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Damit ist die
Die Fraktion der AfD hat von ihrem Recht Gebrauch gemacht, das Thema ihrer Aktuellen Debatte entsprechend § 55 Abs. 1 Satz 4 unserer Geschäftsordnung zu ändern. Demzufolge liegen mir die oben genannten rechtzeitig eingegangenen Anträge auf Aktuelle Debatten vor. Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat
das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 18 Minuten, AfD 19 Minuten, GRÜNE 10 Minuten und die Staatsregierung zweimal 10 Minuten, wenn gewünscht.
Zu diesem Thema unterstützen uns übrigens wieder Gebärdendolmetscher, die ich ganz herzlich begrüße.
Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort. Die weitere Reihenfolge ist dann: DIE LINKE, AfD, GRÜNE, Staatsregierung, wenn gewünscht. Das Wort ergreift jetzt für die einbringende CDU-Fraktion Herr Kollege Marko Schiemann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 25 Jahre sind nun seit den bewegenden Bildern mit Tränen der Freude und des Glücks über die erreichte Wiedervereinigung des Vaterlandes vergangen. Auch heute noch bezeugen diese Bilder eindrücklich, dass die Mehrheit der Deutschen in Ost und West trotz 40-jähriger Trennung nicht bereit war, diese Trennung auf Dauer hinzunehmen.
Das ist das Glück dieses Volkes, endlich wieder vereint zu sein. Es sind Bilder, die einmalig sind und immer wieder das Glück eines Volkes beschreiben und deshalb niemals vergessen werden dürfen. Dass diese Bilder eng – und das muss ich betonen – mit den Bildern der friedlichen Revolution zusammenhängen, muss selbstverständlich bleiben, denn die friedliche Revolution hat erst die deutsche Einheit möglich gemacht. Deshalb bleibt die friedli
che Revolution das Fundament der deutschen Einheit. Die Frauen und Männer, die mutig mit Kerzen in der Hand in Dresden, Leipzig, Plauen und vielen anderen Städten und Orten der ehemaligen DDR friedlich und ohne Hass auf Demonstrationen die Freiheit erstritten haben – das bleibt dieses Wunder, das wir nicht vergessen dürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dafür stehen wir im Dank gegenüber all denen, die das Risiko auf sich genommen haben, für Gerechtigkeit, für Frieden, Bewahrung der Schöpfung, für eine unabhängige Justiz, für das freie Wort und gegen Zensur auf die Straße zu gehen. Diese Revolution hat das Tor zur deutschen Einheit geöffnet und das Fundament für den Freistaat Sachsen gelegt; denn das Motto der friedlichen Revolution, Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung, ist gleichsam das Motto, das den Freistaat Sachsen an seiner Wiege begleitet hat.
Die über 900-jährige Staatstradition fand mit den ersten freien Wahlen nach zwei Diktaturen am 14. Oktober 1990 ihre Fortsetzung. Am 27. Oktober 1990 wurde der erste Sächsische Landtag zu seiner ersten Sitzung zusammengerufen und er begann mit seiner Arbeit. Die Arbeit war geprägt durch das Motto Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung, Schaffung der Kultur, Schaffung der Grundlagen der Arbeitsfähigkeit für einen neuen Staat zu erreichen. Der Aufbau des Freistaates Sachsen prägte viele Monate und Jahre des Anfangs.
Wir hatten keine Telefone, wir mussten improvisieren, es waren Gemeinschaftsbüros vorhanden und man musste sich in der Tat anstellen, wenn man ein Telefonat führen wollte. Wir haben die Staatsverwaltung des Freistaates Sachsen aufgebaut. Wir haben uns erstrangig für eine unabhängige Justiz in unserem Land eingesetzt. Das sächsische Volk hat in den ersten Jahren des Aufbaus eine große Zahl an Belastungen und Schwierigkeiten meistern müssen. 1990 haben 160 Abgeordnete im ersten freien Landtag gearbeitet, nicht hier, sondern in der Dreikönigskirche in Dresden.
280 Gesetzentwürfe wurden behandelt, die Sächsische Verfassung mit einer Änderung zu einem späteren Zeitpunkt, in der 5. Legislaturperiode, wurde erarbeitet. 5 000 Initiativen wurden auf den Weg gebracht. Der Sächsische Landtag hat bis heute 1 058 Gesetzentwürfe bearbeitet und sich 62 000 Initiativen gewidmet und diese bearbeitet. Dank an den Freistaat Sachsen, an Bayern und an Baden-Württemberg möchte ich sagen, die in dieser Zeit großzügige Hilfe beim Aufbau der Verwaltung des Freistaates geleistet haben. Die Solidarität der Deutschen soll hier besonders gewürdigt sein.
Helmut Kohl hat ein bedeutendes Motto geprägt: Niemandem darf es schlechter gehen. Deshalb braucht der Aufbau Ost eine zentrale Aufgabe. Wir haben einen Nachholbedarf, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir müssen alles daran setzen, dass die Maßgabe der friedlichen Revolution für den Aufbau des Freistaates Sachsen als Motto erhalten bleibt, dass Demonstrationen möglich sind, die nicht vom Hass geprägt sind, und dass Demokratie und Freiheit –
– niemals zu Worthülsen verkommen dürfen. Das muss das Motto für die Zukunft der Volksvertretung dieses Freistaates Sachsen sein.
Für die einbringende Fraktion der CDU sprach gerade Kollege Schiemann. Für die ebenfalls einbringende Fraktion der SPD ergreift nun Frau Kollegin Kliese das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am gestrigen Abend folgte ich gemeinsam mit anderen Chemnitzer Abgeordnetenkollegen der Einladung der „Chemnitzer Morgenpost“, die ihr 25-jähriges Bestehen feierte. Wir lernten
dort Männer und Frauen der ersten Stunde kennen, die aus völlig anderen Berufen gekommen waren, um vor 25 Jahren einen neuen Zeitabschnitt zu beginnen. Ich war sehr beeindruckt von Frauen und Männern, die bei der Post gearbeitet hatten oder bei Foron in der Forschung und sich auf einmal als Lokalredakteure oder Leiter der Anzeigenabteilung wiederfanden. Dieser Enthusiasmus, dieser Mut, diese Tatkraft, diese Stunde null hat mich sehr, sehr beeindruckt, so sehr, dass ich mir fast wünschte, wir könnten noch einmal eine solche Stunde null erleben, in der mit so viel Optimismus so viel möglich ist.
Als ich die Veranstaltung verließ, erhielt ich noch ein Exemplar der ersten Ausgabe der „Morgenpost“ in Kopie. Es ist sehr gut, dass ich dieses Exemplar mit nach Hause nehmen konnte, denn es zeigte mir auch die Schattenseiten dieser Stunde null. In dieser Zeitung vom August 1990 stand geschrieben: „Chemnitz – Wismut: Bald 20 000 Menschen arbeitslos?“
Auch das war die Zeit vor 25 Jahren. So standen die 160 Abgeordneten, die damals in der Dreikönigskirche neu anfingen, ganz sinnbildlich für alle Menschen in Ostdeutschland, die eben alle neu anfingen. Es war die Russischlehrerin, die auf einmal Ethik unterrichtete, und es war auch der arbeitslose Ingenieur, der sich mit vielen Ängsten in eine Selbstständigkeit begeben musste. Es waren eben alle Menschen, die damals etwas Neues wagen mussten oder wagen durften. Die Motive oder auch der Enthusiasmus dabei waren sehr unterschiedlich, und es waren auch nicht alles Erfolgsgeschichten.
Was viele von diesen Menschen allerdings gemeinsam hatten: Sie sind damals sehr gern zur Wahl gegangen. Ich kann mich daran erinnern, in meinem Wohngebiet hängten sich die Menschen sogar Wahlplakate in die Fenster, um das kundzutun. Wer heute ein Wahlplakat zum Beispiel in seinem Bürgerbüro im Fenster hängen hat, der ist froh, wenn es am nächsten Tag noch nicht in Scherben liegt. Wir erleben heute die Situation, dass wir zwar sehr stolz auf die Geschichte unserer Partei sind – wir haben in meiner Partei letztes Jahr die Neugründung gefeiert –, doch dass wir zunehmend Probleme haben, Menschen zu finden, die sich mit unserem Parteilogo auf Wahlplakaten überhaupt noch abbilden lassen wollen. Inzwischen ist es so: 25 Jahre später leben wir in einer Zeit, in der das Merkmal „parteilos“ beim Antreten zu einer Wahl schon als Qualitätsmerkmal gilt. Wir müssen uns selbstkritisch fragen: Warum ist das so?
Wir erleben eine ganz paradoxe Zeit, eine ganz paradoxe Situation: Noch nie waren die Ansprüche an uns Politikerinnen und Politiker so hoch, aber das, was man uns zutraut, so wenig. Noch nie hat man uns so wenig zugetraut. Noch nie sollten wir so viel erreichen. Noch nie war die Sehnsucht so groß nach einfachen Antworten und noch nie waren die Fragestellungen dazu derart komplex. Hierbei möchte ich an Sie alle appellieren: Die Antworten, die wir im Moment geben können, sind keine einfachen Antworten. Wir dürfen dieser Sehnsucht nicht immer nachgeben. Es ist nicht unsere Aufgabe, dort, wo Men
Wenn in der Stadt, in der ich lebe, ein Asylbewerberheim aufgemacht werden soll und wenn sich die Menschen fürchten, sie könnten dort in Zukunft ihre Weihnachtspyramiden nicht mehr aufstellen und ihre Schwibbögen nicht mehr ins Fenster stellen, dann ist es verdammt noch einmal nicht unsere Aufgabe, dorthin zu gehen und diesen Leuten das Wort zu reden! Dann ist es unsere Aufgabe, dorthin zu gehen und den Leuten zu sagen: Haltet einmal den Ball flach! Lasst diese Menschen erst einmal bei uns ankommen. Vereinbart mit ihnen Regeln für ein gutes Zusammenleben, und dann schaffen wir das.
(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Helmut Kohl hat nicht nur gesagt, es soll niemandem schlechter gehen, er hat auch gesagt, es wird allen besser gehen. Ich glaube, was wir in diesen Tagen sagen sollten, ist: Wenn wir das alles geschafft haben – und es wird viel und es wird anstrengend –, dann wird es tatsächlich niemandem schlechter gehen. Die gute Nachricht ist, dass das ein sehr hohes Niveau ist, auf dem es niemandem schlechter geht; denn wir haben uns in den letzten 25 Jahren dank dieser tollen Menschen einen Wohlstand erarbeitet, den wir teilen können.