Protocol of the Session on October 8, 2015

(Dr. Frauke Petry, AfD: Und gleiche Chancen sind nicht gleiche Ergebnisse!)

Trotz dieser inzwischen weitreichenden rechtlichen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten kann von gleichen Aufstiegschancen, gleicher Teilhabe und bei gleicher Qualifikation und gleicher Anstrengung nicht die Rede sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Dabei stellt doch gerade Artikel 8 der Sächsischen Verfassung klar – wir haben es heute schon von Frau Buddeberg gehört –, dass rechtliche und tatsächliche Gleichstellung Aufgabe des Staates sind. Er verpflichtet den Staat nicht nur, für gleiche Rechte und Pflichten der Geschlechter zu sorgen, sondern diese Rechte auch zu fördern und durchzusetzen. Ich weiß, dass im Koalitionsvertrag gute Einzelprojekte verankert sind. Aber was wirklich fehlt, ist ein ganzheitlicher Ansatz und ein ressortübergreifendes

frauen- und gleichstellungspolitisches Konzept. Es freut mich natürlich – auch das hat Frau Buddeberg schon angesprochen –, dass die Erkenntnis im Koalitionsvertrag Einzug gehalten hat, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern alle Lebensbereiche betrifft und dass es eine Querschnittsaufgabe der Ministerien ist. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis! Dass das Sächsische Frauenfördergesetz in ein modernes Gleichstellungsgesetz weiterentwickelt werden soll, freut mich auch, aber es ist natürlich längst überfällig.

Der Forderung der Abschaffung bestehender Lohndifferenzen zwischen Männern und Frauen und der gleichberechtigten Besetzung von Führungspositionen stimme ich natürlich von ganzem Herzen zu. Doch frage ich mich, wo sich diese Vereinbarungen im Koalitionsvertrag niederschlagen. Was tun denn die Ministerien im Einzelnen, um Gleichstellungspolitik zu implementieren? Frau Buddeberg sagte dazu, dass die Regierung da völlig konzeptlos und freischwebend agiert.

Schaue ich mir einmal an, was die Ressorts momentan machen: Herr Unland zum Beispiel hat Anfang des Jahres auf eine Kleine Anfrage von Frau Jähnigen zum geschlechtergerechten Haushalt geantwortet, das brauchen wir nicht, weil ein Haushalt geschlechtsneutral sei. Nein, das ist er nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Schauen wir ins Innenministerium: Wenn man auf der Homepage nach Gleichstellung sucht, gibt es nicht wirklich ein Ergebnis. Wichtig wäre doch zum Beispiel ein Konzept bei der Polizei. Oder wie sieht es im Wirtschafts- und Arbeitsministerium aus? Wie sieht es aus mit der Förderung von Existenzgründungen oder Anwerbung von Investitionen in Bezug auf Frauen? Ich habe nur kleine Beispiele herausgegriffen, aber sie zeigen eines: In Gleichstellungsfragen gibt es doch bestimmt in einzelnen Aspekten und in einzelnen Ministerien Ansätze. Sie werkeln alle vor sich hin. Es gibt niemanden, der die Fäden in der Hand hält und der einen Fahrplan hat. Umso wichtiger ist es doch, dass Gleichstellungspolitik nicht konzept- und systemlos ist, sondern dass es einen Ansatz gibt, um gemeinsam zu handeln. Umso wichtiger ist es, dass es ein Konzept gibt. Der vorliegende Antrag schlägt ja genau dieses vor.

In der Stellungnahme der Staatsregierung sind die genannten Ziele richtig dargestellt; sie gehen in die richtige Richtung. Der vorliegende Antrag untermauert das ja auch und ergänzt dies an wichtigen Stellen. Dass das Ganze kein Hexenwerk ist, sieht man, wenn man über den sächsischen Tellerrand hinwegschaut. Nämlich Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt – alles ostdeutsche Bundesländer – haben genau so ein Konzept. Abgesehen von Brandenburg sind diese ja auch nicht „verdächtig“, weil dort überall CDU und SPD regieren. Also, liebe Kolleginnen von CDU und SPD, ich würde mich freuen, wenn Sie den Antrag der LINKEN unterstützen würden. Es würde zu unserem gemeinsamen Anliegen zur Gleichstellung der Geschlechter beitragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die erste Runde ist absolviert. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Wortmeldungen für eine zweite Runde? – Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung ist aufgefordert. Frau Staatsministerin Köpping, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleichstellung von Frauen und Männern betrifft alle Lebensbereiche und ist als Querschnittsaufgabe in allen Ministerien abzubilden. Diese Feststellung haben wir im Koalitionsvertrag getroffen, und diese Aussage entnehme ich auch den Worten meiner Vorredner.

Frauen und Männer sollen ihre Aufgaben in Familie, Beruf und Gesellschaft gleichberechtigt und partnerschaftlich wahrnehmen können. Dazu müssen bestehende Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Bestehende Lohndifferenzen zwischen Frauen und Männern müssen abgebaut werden. Dazu soll eine moderne, lebenslauforientierte Zeitpolitik beitragen, die es Frauen und Männern ermöglicht, Beruf, Familie und Ehrenamt als Engagement zu vereinbaren.

Führungspositionen in der öffentlichen Verwaltung sind möglichst gleichberechtigt durch Frauen und Männer zu besetzen. Das Sächsische Frauenförderungsgesetz soll zu einem modernen Gleichstellungsgesetz weiterentwickelt werden. Die bestehenden Angebote der Frauen- und Kinderschutzhäuser, der Interventionsstellen sowie der Täterberatungsstellen sollen flächendeckend ausgebaut, finanziert und unterstützt werden. Dieses gilt gleichfalls für die Arbeit der landesweiten Frauenvereine und verbände sowie der Frauen- und Mädchenprojekte. Die Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen soll gestärkt werden.

Die Handlungsfelder für die Staatsregierung sind damit abgesteckt. Die gleichstellungspolitischen Kernaufgaben sind: Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauenförderung im öffentlichen Dienst, Klärung gleichstellungsrelevanter Fragen der Schul- und Hochschulbildung, der sozialen Sicherung, der gesundheitlichen Versorgung und der Gesundheitsförderung, Hilfe und Prävention bei geschlechterbezogener Gewalt insbesondere gegen Frauen und Mädchen, kontinuierliche Zusammenarbeit mit den gleichstellungspolitischen Verbänden und Vereinen,

Unterstützung der Frauen im ländlichen Raum sowie Beförderung der Gleichstellungspolitik auf der Ebene der Landkreise und Kommunen.

Gleichwohl muss die Gleichstellungspolitik als Prozess verstanden werden. Die gleichstellungspolitischen Kernaufgaben werden fortlaufend angepasst, wobei die Zielsetzung erhalten bleibt. In dem Bestreben, die Chancen

gleichheit von Frauen und Männern zu fördern, wird nicht nachgelassen werden. Die begonnenen Maßnahmen werden fortgesetzt und ständig auf ihre Wirksamkeit überprüft. Um die Zielstellungen umzusetzen, ist es notwendig, neue Maßnahmen zu aktivieren. Der Geschäftsbereich Gleichstellung und Integration passt sich diesen Erfordernissen fortlaufend an und nimmt innerhalb des Prozesses zudem eine koordinierende Funktion wahr.

Die jeweiligen Ressorts entscheiden jedoch eigenverantwortlich darüber, wie Gleichstellung und Chancengleichheit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben im jeweiligen Geschäftsbereich umgesetzt und unterstützt werden. Mit einem modernen Gleichstellungsgesetz werden wir das Sächsische Frauenfördergesetz 2016 überarbeiten und weiterentwickeln. Ein inhaltlicher Schwerpunkt wird dabei die Förderung der Frauen im öffentlichen Dienst sein.

Frauen und Männer sollen ihre Aufgabe in Familie und Beruf gleichberechtigt und partnerschaftlich wahrnehmen. Dazu müssen bestehende Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Diese betreffen in vielen Bereichen immer noch Frauen, aber eben auch Männer. Diesen Aspekt haben wir erkannt. Deshalb wollen wir Männer- und Frauenpolitik gleichberechtigt unter dem Dach der sächsischen Gleichstellungspolitik verankern. Zudem verfolgen wir das Ziel, die Rolle der Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten zu stärken.

Gegenwärtig laufende Projekte und Initiativen, die in der Förderrichtlinie „Chancengleichheit“ verankert sind, werden aufgrund der positiven Evaluierungsergebnisse fortgesetzt. Wir werden die Förderung von Gleichstellungsprojekten über die Richtlinie „Chancengleichheit“ künftig auch für männerpolitische Projekte öffnen. Zum 1. September 2015 haben wir die Landesfachstellen für Männerarbeit etabliert, die männerpolitische Netzwerke und Projekte in allen Teilen Sachsens initiieren, ausbauen und koordinieren werden. Die Partner für die laufenden und anstehenden Aufgaben sind gut aufgestellt und arbeiten eng mit der Staatsregierung zusammen.

Mit der konstituierenden Sitzung am 28. September 2015 hat der neue Sächsische Gleichstellungsbeirat seine Arbeit aufgenommen. Ziel der Arbeit des Sächsischen Gleichstellungsbeirates ist es, zur Verwirklichung von Gleichberechtigung und Chancengleichheit, zur Verbesserung der Situation der Frauen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen sowie die Zusammenarbeit der im Freistaat tätigen Akteure im Bereich der Gleichstellung zu fördern.

Die Chancengleichheit von Frauen und Männern haben wir noch lange nicht erreicht. Dafür brauchen wir weiterhin gute Ideen zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wirksame Instrumente, um die Lohndifferenzen zwischen Frau und Mann zu beseitigen, und eine Strategie für mehr Frauen in Führungspositionen. Auch die Prävention häuslicher Gewalt gehört zu den wichtigen Aufgabengebieten, ebenfalls die Akzeptanz für die bestehende Vielfalt an Lebensentwürfen in der Gesellschaft.

Noch in diesem Jahr wird die novellierte Richtlinie „Chancengleichheit“ in Kraft treten. Der Aktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensweisen soll im I. Quartal 2016 vorliegen. Das Sächsische Gleichstellungsgesetz wird im Jahr 2016 vorgelegt werden können. Daran wird sichtbar, dass die Verwirklichung von Gleichberechtigung und Chancengleichheit nach Artikel 8 der Sächsischen Verfassung sowie die Verbesserung der Situation von Frauen und Männern in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft als Schwerpunktaufgabe der Staatsregierung anzusehen ist. Eines zusätzlichen ressortübergreifenden frauen- und gleichstellungspolitischen Handlungskonzeptes bedarf es daher nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Das Schlusswort hat die Fraktion DIE LINKE, Frau Abg. Buddeberg. Bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Kuge, es ist schön, dass Sie mich darauf hinweisen wollten, dass dieser Antrag schon einmal in sehr ähnlicher Form vorgelegen hat. Aber es freut mich zu hören, dass Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben. Das ist aber kein Geheimnis, und daraus habe ich auch kein Geheimnis gemacht. Nur zu behaupten, weil dieser Antrag zu dieser Zeit von der Mehrheit abgelehnt wurde, wäre er nicht notwendig, halte ich für absurd und für ein merkwürdiges Demokratieverständnis. Immerhin ist eine der einbringenden Fraktionen jetzt mit in der Regierung. Da ist es vielleicht naheliegend, noch einmal nachzufragen, wie Sie sich heute zu diesem Antrag verhalten, und auch noch einmal die Notwendigkeit zu begründen.

Sie haben weiter ausgeführt, dass doch schon etwas passiert sei. Was genau das war, haben Sie im Einzelnen hier nicht ausgeführt. Sie haben nur auf den Koalitionsvertrag verwiesen. Aber ich glaube, das wissen alle hier im Haus: Diese Vorhaben zur Gleichstellung, die im Koalitionsvertrag stehen, gehen nicht auf das Konto der CDU, sondern auf das Konto der SPD; sich dann damit zu schmücken ist schon etwas absurd.

(Daniela Kuge, CDU: Sie waren ja nicht dabei, oder? – Zuruf von der CDU: Es hat ein Umdenkprozess stattgefunden!)

Ja, vielleicht hat auch ein Umdenkprozess stattgefunden. Das ist aber bis jetzt beim Verhalten der CDU nicht zu sehen.

Ob eine Analyse herausgeschmissenes Geld ist – man kann sich natürlich hierher stellen und das behaupten. Andererseits bewegt sich wenig vorwärts. Ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass die Analyse hervorbringen würde – und da würde ich jede Wette eingehen –, dass sie nicht sinnlos ist, sondern dass sich daraus konkrete Handlungsfelder ableiten lassen würden, mit denen man weiterarbeiten kann. Das ist genau das, was unser Antrag fordert.

Zur SPD: Wenn Sie sich daran stoßen, dass wir Ihnen nicht den 29., sondern den 28. Februar hier hineingeschrieben haben, hätten sie auf uns zukommen können. Wir wären gesprächsbereit gewesen. Daran hätte es nicht scheitern müssen. Aber ernsthaft: Wenn Sie sagen, Sie hätten länger Zeit gebraucht, hätte ich mir gewünscht, dass Sie einen Änderungsantrag einbringen und sagen, wir wollen das Handlungskonzept, aber später. Wir schlagen einen anderen Zeitrahmen vor, und dann stimmen wir dem zu. Das passiert hier leider nicht.

Ich glaube Ihnen – und auch Ihnen, Frau Köpping, auch wenn Sie mir gerade nicht zuhören –, dass Sie die Vorhaben umsetzen wollen. Das habe ich auch in meiner Rede gesagt. Ich glaube nicht, dass es Ihnen an gutem Willen mangelt. Ich bin aber sehr sicher der Meinung, dass dafür, diese Vorhaben umzusetzen und Sie darin zu unterstützen, ein ressortübergreifendes Handlungskonzept hilfreich und nicht kontraproduktiv wäre. Sie haben noch einmal aufgeführt, welche gleichstellungspolitischen Vorhaben stattfinden. Das sind alles verschiedene Bausteine. Trotzdem wird sich nur durch guten Willen und ignorierendes Zähneknirschen der CDU nichts verändern, sondern wir müssen systematisch vorgehen und viel konkreter werden, als dies bisher der Fall war.

Nur noch ein Wort zur Zusammenarbeit mit den Sozialpartnerinnen und Sozialpartnern: Das steht auch in unse

rem Antrag. Ich bin in meiner Rede nicht darauf eingegangen. Aber hier muss – wie an vielen anderen Stellen – das Rad nicht neu erfunden werden. Wir können auf Expertise von außerhalb gut zurückgreifen und auch – das wurde in der Rede der GRÜNEN von Frau Meier gesagt –

Bitte zum Schluss kommen.

– auf die Konzepte in anderen Bundesländern, die dort bereits vorliegen. Davon kann man profitieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/1692 zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, hebt jetzt die Hand. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren, dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Mehr Telearbeitsplätze in der sächsischen Verwaltung

Drucksache 6/2800, Antrag der Fraktion AfD

Die Aussprache erfolgt wie folgt: AfD, CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung. Meine Damen und Herren, wir beginnen mit der Aussprache. Für die AfD-Fraktion spricht Frau Abg. Dr. Petry. Sie haben das Wort, Frau Dr. Petry.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion bringt in diesem Plenum einen Antrag für mehr Telearbeit in der sächsischen Verwaltung ein und ersucht in diesem die Staatsregierung darum, in Anlehnung an das Pilotprojekt „Pilotierung alternierender Telearbeit im Landesamt für Steuern und Finanzen und in den Finanzämtern“ weitere Pilotprojekte durchzuführen, dieses zu evaluieren, Kosten festzustellen und schließlich ressortübergreifend einheitliche Kriterien für die Genehmigung solcher Arbeitsplätze festzustellen.

Aktuell, so heißt es auf eine Kleine Anfrage, gibt es in Sachsen keine hundertprozentigen Telearbeitsplätze. 299 Bedienstete haben teilweise in Telearbeit ihre Anstellung in sächsischen Behörden. Davon üben 41 Bedienstete mit wenigstens 75 % und 96 mit wenigstens 50 % ihrer wöchentlichen Gesamtarbeitszeit Telearbeit aus.