Protocol of the Session on September 17, 2015

Ich stelle nun die Drucksache 6/2660 zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, zeigt das jetzt an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Danke. Bei Stimmen dafür und ohne Stimmenthaltungen ist die Drucksache 6/2660 nicht beschlossen.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 9

Keine weiteren Staustufen in der Elbe

Drucksache 6/2183, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Aussprache erfolgt, wie gehabt, in der Reihenfolge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, danach CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffnet die Aussprache Herr Abg. Günther.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Warum dieser Antrag? Warum interessieren wir uns als GRÜNE für den Schutz der Elbe? Welche Probleme haben wir mit einem weiteren Ausbau und auch mit Staustufen?

Vielleicht muss man erst einmal die Gesamtbedeutung der Elbe für Sachsen in den Fokus nehmen. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts sind in ganz Europa und vor allem in Deutschland alle großen Ströme nach und nach zu Wasserstraßen ausgebaut worden. Sie sind kanalisiert und genutzt worden, mit all den bekannten Folgen, die wir kennen, dass zum Beispiel kein Raum mehr für Hochwasserschutz vorhanden ist oder dass die Auen verschwunden sind.

Da stellt die Elbe eine europäische Besonderheit dar. Sie ist der einzige dieser großen Ströme, der nach wie vor auf

600 Kilometern Länge zwischen Aussig in Böhmen bis Geesthacht kurz vor Hamburg frei fließen kann. Das gibt es sonst nirgendwo mehr. Während etwa das Bundesamt für Naturschutz festgestellt hat, dass seit dem 19. Jahrhundert an allen großen Strömen nur noch 10 bis 20 % der historischen Auenflächen verfügbar sind, hat auch hier die Elbe eine Besonderheit. Da ist nämlich im Umland noch ganz viel unverbaut, mit einem Riesenpotenzial, was Hochwasserschutz und Stauräume anbelangt, aber auch für den Naturschutz. Sie sind reaktivierbar.

Die Elbe ist ein besonderer Fall, auch naturschutzfachlich. Das äußert sich auch in bestimmten Punkten. Es hat sich nämlich die ökologische Dynamik mit Blick auf die verschiedenen Wasserstände und das Fließverhalten erhalten. Deswegen finden wir an der Elbe einen außerordentlich hohen naturschutzfachlichen Reichtum: nämlich über 1 000 Pflanzen-, 250 Vogel- und 40 Fischarten.

Das hat dazu geführt, dass – als man die EU-Wasserrahmenrichtlinie festlegte – man nicht nur die Elbe als einzigen großen Strom, sondern auch als natürliches Gewässer qualifiziert hat. Eine weitere Besonderheit ist, dass sich an der Elbe lückenlos Naturschutzgebiete verschiedenster Qualität aneinanderreihen. Diese fügen sich aufgrund verschiedener Überlagerungen fast lückenlos zu europäischen Schutzgebieten – FFH-Vogelschutzgebiete – zusammen. Das sind insgesamt 222 Schutzgebiete, die gezählt wurden. Die Elbe ist wirklich ein ökologischer Leuchtturm. Das gilt insbesondere für Sachsen. Das ist ein hohes Gut, das es – aus unserer Sicht – zu schützen gilt.

Welche Folgen hat es, wenn man an der Elbe weiter herumbaut und Entwicklungen nachholt, die man seit dem 19. Jahrhundert an anderen Strömen schon durchexerziert hat? Man muss Folgendes wissen: Etwa die Hälfte aller Maßnahmen, die jährlich an der Elbe stattfinden, führen zu Sohleerosionen. Es geht um Baggerarbeiten zur Vertiefung, damit der Fluss schiffbar bleibt.

(Frank Kupfer, CDU: Ist doch Käse! – Ines Springer, CDU: Das kann man nicht mit anhören, diesen Quatsch!)

Dadurch wird der Fluss und das Wasser schneller und tiefer. Der Elbepegel zwischen Riesa und Magdeburg hat sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts schon um zwei Meter vertieft. Früher wurde eine Dränage gelegt, um diese trocken zu legen. Das ist auch die Wirkung an der Elbe. Es fehlt das Wasser rechts und links. Das hat Folgen für die Land- und Forstwirtschaft. Es hat eben auch Folgen für den Naturschutz – nämlich für die Auen, die wir dort noch haben. Sie sind zumindest reaktivierbar. Es hat aber auch für die Bauwerke an der Elbe Folgen. Sie wurden für andere Pegelstände errichtet. Es werden auch Brücken unterspült. Ebenso werden die Bauwerke, die die Schiffbarkeit erst ermöglichen sollen, wie die Buhnen unterspült.

Es stellt sich somit das Problem, dass man diese Bauwerke ständig unterhalten muss. Damit es nicht so schlimm

ist, weil der Fluss vertieft wird, werden jährlich knapp 100 000 Tonnen Kies als Geschiebe hinzugegeben. Das ist mit hohen Kosten verbunden. Es hat aber offensichtlich relativ wenig Wirkung.

Jetzt droht ein neues Problem: der weitere Bau von Staustufen. Was würde das bedeuten? Das sind insbesondere Staustufen auf böhmischer Seite.

(Frank Heidan, CDU: Wo denn?)

Wie bitte? Möchten Sie eine Zwischenfrage stellen? – Gut.

Wenn eine Staustufe auf böhmischer Seite unmittelbar an ein FFH-Gebiet auf sächsischer Seite angrenzend gebaut wird, dann führt es erstens dazu, dass die Weichholzaue, die dort vorhanden ist, absäuft. Sie ist dann nicht mehr vorhanden. Durch das Aufstauen sinken auch die Wassergüte und der Sauerstoffgehalt. Das führt zu einem erhöhten Algenwachstum. Die Elbe wird trüber, brauner und insgesamt schleimiger.

Herr Günther, gestatten Sie zwei Zwischenfragen?

Ja, ich gestatte die Zwischenfragen.

Zunächst darf Herr Fraktionsvorsitzender Kupfer seine Frage stellen, bitte.

Herr Kollege, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft – damals noch unter meiner Führung – eine eindeutige Stellungnahme zum Bau der Staustufe in Děčín abgegeben hat, die die Umweltauswirkungen auf den Freistaat Sachsen detailliert ausführte?

Das nehme ich zur Kenntnis. Sie werden erkennen, was die Ausführungen zur geplanten Wassertiefe damit zu tun haben. Ich kann es auch vorwegnehmen: Es gibt einen deutlichen Widerspruch. Entweder ist man für eine Tiefe von 1,60 Meter oder gegen die Staustufen. Das ist ein Widerspruch in sich. 1,60 Meter an der Elbe ist ohne eine Kette von Staustufen schlichtweg nicht darstellbar. Es fehlt einzig und allein das Wasser.

Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage? – Ja. Herr Heidan, bitte.

Herr Kollege, Sie schreiben in Ihrem Antrag etwas von einem Ausbau. Ist Ihnen bekannt, dass ein weiterer Ausbau der Elbe stattfindet? Wenn Sie auf die Staustufen im böhmischen Bereich der Elbe zu sprechen kommen, möchte ich gern Folgendes wissen: Welche politischen Auswirkungen hat Ihr Antrag? Wir befinden uns hier im Sächsischen Landtag. Welche Gedanken bringen Sie dazu, dass wir uns über böhmische Staustufen auf böhmischer Seite unterhalten müssen?

Haben Sie die Frage verstanden?

Ja, Sie können den Antrag gern noch einmal lesen. Es geht darum, dass wir das Ziel, unterhalb von Dresden 1,60 Meter an 345 Tagen im Jahr zu erreichen, aufgeben, weil es schlichtweg nicht möglich ist. Wir GRÜNEN erfinden das nicht. Das ist eine Aussage, die seit dem Jahr 2013 existiert. Das Bundesverkehrsministerium trägt regelmäßig vor, dass mehr als 1,20 Meter schlichtweg nicht vorhanden sind. Eine Erhöhung von 1,20 Meter auf 1,60 Meter schafft man nicht dadurch, dass ausgebaggert und ausgebaut wird. Einen tieferen Wasserstand würde ich nur durch Staustufen erreichen. Das ist genau das Widersinnige der aktuellen Politik: Ich kann nicht einerseits fordern, keine Staustufen zu bauen, und andererseits an einer Tiefe von 1,60 Meter festhalten.

(Zuruf des Abg. Frank Heidan, CDU)

Es ist ein sinnloses Ziel, weil es in sich widersprüchlich ist. Es hat aber Folgen, weil wir für dieses Phantomziel regelmäßig Millionen Euro am Rand der Elbe in den Sand setzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf tschechischer Seite wird aktuell – das belangt uns auch wieder – der Bau einer Staustufe geplant, um auf 1,90 Meter zu kommen, auch wenn an der restlichen Elbe realistisch 1,20 Meter vorhanden sind. Dafür sollen rund 250 Millionen ausgegeben werden. Es handelt sich größtenteils um EU-Gelder. Das belangt uns ebenso, weil wir alle EU-Bürger sind.

Vielleicht kommen wir einmal auf die wirtschaftliche Bedeutung der Elbe zu sprechen und warum man an einer Tiefe von 1,60 Meter festhält. 85 % der Binnenschifffahrt in Deutschland findet auf dem Rhein statt. Der Rest findet auf den Kanälen in Deutschland und den kanalisierten Flüssen wie Neckar, Main und Donau statt. Sie alle haben eine Mindestwassertiefe von 2,50 Meter.

Herr Günther, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Frau Springer, bitte.

Kollege Günther, sind Sie sich im Klaren darüber, dass seit dem Wiener Kongress die Elbe mit einem internationalen Vertrag belegt ist, der uns dazu verpflichtet, gewisse Rahmenbedingungen für die Elbe aufrechtzuerhalten, um unseren Nachbarn die Möglichkeit zu geben, den Fluss zu nutzen?

Richtig, das ist mir sehr wohl bewusst. Sie hätten ebenfalls den Versailler Vertrag anführen können. Das ist mir bekannt. Es steht aber nur darin, dass wir diesen Fluss dafür zur Verfügung stellen müssen. Es ist nirgendwo international festgelegt, dass

wir künstlich auf eine Tiefe kommen müssen, die einem modernen Frachtverkehr entspricht. Laut dem Bundesamt für Güterverkehr ist der Transport auf dem Fluss erst dann wirtschaftlich, wenn er dreilagig stattfindet. Das wären drei Container. Das setzt eine Mindestwassertiefe von zwei Metern voraus.

(Zuruf des Abg. Frank Heidan, CDU)

Wir haben nur 1,60 Meter. Diese braucht man für zwei Lagen. Das bedeutet, dass Schiffe dort fahren können. Es ist aber nicht wirtschaftlich und sinnvoll. Vielleicht beantwortet dies Ihre Frage.

(Ines Springer, CDU: Nein!)

Wir sind international nicht dazu verpflichtet, eine Schiffbarkeit sinnvoll zu machen und entsprechend Geld für Staustufen auszugeben. Das ist der Widerspruch, auf den ich Sie hier hinweisen möchte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss ebenfalls wissen, dass nicht nur der große Schifffahrtsverkehr an den anderen Flüssen stattfindet, wo wesentlich mehr Wasser vorhanden ist. Der Anteil der Elbe sinkt immer weiter. Im Moment sind es 0,2 %. Das ist deutschlandweit nahezu irrelevant.

(Ines Springer, CDU, steht am Mikrofon.)