Protocol of the Session on September 17, 2015

Darüber hinaus ist es auch so, dass das, was von der AfD hinsichtlich der Abschiebung vorgetragen wurde, sachlich falsch ist. Der Freistaat Sachsen hat in diesem Jahr – wir sind im September – mittlerweile circa 800 Abschiebungen vollzogen. Im letzten Jahr waren es über 1 000. Insoweit kann ich nicht erkennen, dass wir unter dem Ergebnis des Vorjahres bleiben sollen. Das ist aber auch nicht der Kern der Diskussion.

Kern der Diskussion ist die Frage eines geordneten und rechtsstaatlichen Verfahrens, das sich auf der Grundlage der geltenden gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Natürlich ist es – das sei deutlich gesagt – legitim, darüber zu diskutieren, welche Veränderungen notwendig sind, um auf die aktuelle Entwicklung reagieren zu können – aber bitte in einem sachlichen rechtsstaatlichen Verfahren und unter Anerkennung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Dann einfach so zu tun, als ob man jetzt der Weisheit letzten Schluss gefunden habe – was Maßnahmen angeht, die in diesem Hohen Hause längst vollzogen sind –, das ist in der Tat, mit Verlaub, nicht gerade sonderlich kreativ.

Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung, bevor Sie hier mit der Verfassung und dem Eid herumwandern: Ich habe diesen Eid ebenso geschworen, und ich muss Ihnen sagen, dass genau diese Verantwortung vor dem Freistaat und vor dem sächsischen Volk es bedingen, dass ich etwas weiter denke, als ich von meiner Haustür aus blicken kann. Dieser Freistaat ist Teil eines föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland, eines von 16 Bundeslän

dern, und ist in eine Bundesrepublik gefasst, die eines von 28 Mitgliedsstaaten innerhalb der Europäischen Union ist.

Wir bewegen uns innerhalb verbindender vertraglicher Regelungen. Im Übrigen sei auf die Tatsache hingewiesen, dass auch der Freistaat Sachsen noch zu 40 % von Transferleistungen im Bereich des Solidarpakts der alten Bundesländer lebt. Insofern ist es auch eine Verantwortung gegenüber dem sächsischen Volk, Themen nicht kurz zu denken, sondern in ihrer gesamten Komplexität – zumindest dann, wenn ich in einem Land lebe, das als solches für sich in Anspruch nimmt, als VizeExportweltmeister von der internationalen Staatengemeinschaft zu profitieren.

Da können Sie gerne Öl ins Feuer gießen, aber Ihre Antworten greifen an dieser Stelle signifikant zu kurz.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Herr Barth, Sie wünschen?

Eine Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Hartmann.

Bitte.

Herr Hartmann, in aller gebotenen Sachlichkeit: Die Asylbewerberzahlen werden sich etwa vervierfachen. Die Abschiebezahlen – ob es jetzt 678 sind oder derzeit 800, darüber will ich mich nicht mit Ihnen streiten – werden in jedem Fall stagnieren. Das ist eine realistische Aussage für dieses Jahr. Unsere Sorge in der AfD-Fraktion ist, dass im Bereich der Abschiebung der Rechtsstaat nicht mehr wirksam umgesetzt wird.

An Herrn Pallas gerichtet will ich einfach sagen – –

Herr Barth, das geht zu weit. Sie haben – –

Herr Hartmann, ich will Ihnen auch sagen: Unsere Fraktion steht für den rechtsstaatlichen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens. Nach der Entscheidung über einen Asylantrag wird nach unserer Meinung derzeit unzureichend Rückführung betrieben. Das ist auch Hauptinhalt dieses Antrags; das möchte ich noch einmal deutlich betonen. Das hat nichts mit Rassismus zu tun.

(Beifall bei der AfD)

Herr Barth, Sie kennen sich in juristischen Fragen aus. Ich möchte Sie sehr herzlich bitten, das Instrument der Kurzintervention nicht zu missbrauchen. Beim nächsten Mal gibt es einen Ordnungsruf.

(André Barth, AfD: Entschuldigung!)

Herr Hartmann, bitte.

Ich würde dann die Gelegenheit ergreifen und kurz darauf reagieren. Ich möchte klarstellen, dass ich Ihrer Fraktion nicht unterstelle, nicht rechtsstaatlich zu handeln; das ist auch nicht Gegenstand des Themas. Natürlich – das können Sie auch in den Positionspapieren der CDU nachlesen – liegt ein wesentlicher Fokus der aktuellen Diskussion auf der Frage, wie die Rückführung von Asylbewerbern in einer anderen Konstellation hinzubekommen ist, sprich: eine Erhöhung der Abschiebezahlen. Das ist aber nicht Gegenstand Ihres Antrages.

Ihr Antrag schlägt Maßnahmen vor, die schon umgesetzt sind. Sie verkaufen quasi alten Wein aus neuen Schläuchen und denken, dass Sie damit eine Super-Performance liefern. Sie schlagen vor, etwas zu tun, was mit dem Haushaltsgesetz vollzogen ist, nämlich Ruhestandsbeamte weiter in den Dienst zu nehmen. Aus diesem Vorschlag, der so alt ist, dass Sie ihn quasi gar nicht mehr bringen müssten, fangen Sie wieder an, eine Asyldebatte zu beginnen über Themen, in denen Sie mit uns keinen Dissens haben – um sich hier als ich weiß nicht was darzustellen und zu generieren.

Das ist wahrlich nicht notwendig und geht am Thema vorbei. Im Hinblick auf Ihren Antrag bleibt es dabei: Man kann ihn nur ablehnen, weil er nichts Erhellendes, Neues oder Zukunftsweisendes beinhaltet.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war die Erwiderung auf die Kurzintervention.

Meine Damen und Herren, für die Aussprache liegen mir keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen vor. Wünscht dennoch eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter, das Wort zu ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Nun frage ich die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Selbstverständlich, Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Aus Sicht der Staatsregierung möchte ich natürlich und selbstverständlich ein Stück weit eine Einordnung vornehmen, ohne all das, was hier in der Debatte eine Rolle gespielt hat, zu wiederholen.

Die Staatsregierung hat das Thema Rückführung längst im Fokus. Wir haben uns unter anderem gerade vorgestern im Kabinett wieder mit diesem Thema auseinandergesetzt. Es hat dazu eine Vorlage gegeben, weil uns natürlich klar ist, dass das Bestandteil eines Asylverfahrens ist.

Wir wissen: Das Asylrecht ist ein hohes Gut. Aber das Ergebnis von rechtsstaatlichen Verfahren muss dann auch akzeptiert werden. Deshalb gilt: Populismus hilft hier keinem weiter. Wir waren uns im Kabinett einig, dass wir das Thema Rückführung aus unterschiedlichen Perspektiven nicht nur betrachten, sondern auch angehen müssen.

Wenn wir die Zahlen, die immer angesprochen werden, einmal mit den Zahlen Bayerns vergleichen, liegen wir gar nicht so schlecht. Aber wir erkennen, dass in Bayern der Anteil derjenigen, die rückgeführt werden, aufgrund freiwilliger Rückkehrmaßnahmen deutlich höher ist als bei uns.

Deshalb haben wir uns mit dem Thema freiwillige Ausreise intensiv auseinandergesetzt; denn es gilt, auch an dieser Stelle anzusetzen und Überzeugungsarbeit zu leisten, um zum Thema Perspektiven für die Rückkehr in die Heimat auch Anreize zu geben. Da ist die Förderung zu intensivieren, und wir gehen folgende Schritte: Einerseits haben wir im Innenministerium Beratungsstellen für Rück- oder Weiterreisewillige direkt aus den Erstaufnahmeeinrichtungen. Dabei geht es insbesondere um Rückkehrhilfen der International Organisation for Migration und um die Unterstützung, Antragstellung und Organisation dieser.

Gleichzeitig wird sich Kollegin Köpping darum kümmern, einen mobilen Beratungsdienst für Flüchtlinge, die sich in kommunalen Einrichtungen befinden, einzurichten. Es ist ganz wichtig, dass wir diese beiden Ideen haben, und die Förderung dazu wird derzeit entsprechend abgestimmt, ganz klar. Es gehört zu diesem Themenkomplex aber auch dazu, dass diejenigen, die durch ein rechtsstaatliches Verfahren am Ende keine Bleibeperspektive haben, ausreisepflichtig sind. Dieser Pflicht können Sie freiwillig nachkommen, über den Teil habe ich gesprochen. Aber diejenigen, die das nicht freiwillig tun, müssen damit leben, dass der Staat diese Ausreisepflicht entsprechend durchsetzt.

Ich habe vor Kurzem darüber gesprochen, dass ein gerechtes Asylsystem immer von der Balance von Humanität und Ordnungspolitik lebt. Deshalb muss auch geltendes Recht durchgesetzt werden; denn wir reden über Solidarität für Flüchtlinge, und deswegen müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass ein solches Verfahren entsprechend zu Ende gebracht wird. Wer jedoch trotz eines negativen Asylbescheids nicht ausreist, muss mit Zwangsmaßnahmen rechnen. Dazu wird es in der neuen Struktur der zentralen Ausländerbehörde ein Referat geben, das sich personell verstärkt mit diesem Themenkomplex auseinandersetzt.

Es ist klar, dass es erst dann, wenn die Verfahren so weit sind, polizeiliche Aufgabe ist, das am Ende auch durchzusetzen. Ich kann Ihnen sagen, dass wir innerhalb der sächsischen Polizei, ganz besonders innerhalb der Bereitschaftspolizei, die entsprechenden Organisationen haben und in der Lage sind, aktiv zu werden.

Wenn wir in den Antrag schauen, will ich nur wiederholen, was von vielen angesprochen worden ist, dass wir eine ganze Menge schon im Haushaltsplan haben und dass das Thema Mobilisierung von Kollegen, die eigentlich in den Ruhestand gehen wollten, noch ansteht. Herr Stange, da ist noch nicht aller Tage Abend.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Das ist immer so!)

Wir wollen uns am Ende einmal mit den Zahlen auseinandersetzen. Ich habe vor Kurzem mit den Polizeipräsidenten gesprochen und habe sie persönlich gebeten, die Gespräche noch einmal zu führen, um die Zahl, die wir Ihnen zum Halbjahr in Ihrer Anfrage mitteilen konnten, noch einmal zu erhöhen. Nach allem, was ich derzeit höre, sieht es gar nicht so schlecht aus, dass über eine persönliche Ansprache durchaus die Bereitschaft erhöht werden kann, bei diesem Thema etwas zu machen, sodass wir die Mobilität und die Verfügbarkeit in der sächsischen Polizei erhöhen können. Deshalb kann ich Ihnen sagen, diesen Antrag braucht es weiß Gott nicht. Die Staatsregierung empfiehlt, ihn abzulehnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Herr Abg. Wippel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Die Erwiderungen auf unseren Antrag sind teilweise unterirdisch gewesen. Uns an dieser Stelle Rechtspopulismus vorzuwerfen, uns die Rechtsstaatlichkeit abzusprechen, ist völliger Unsinn. Mit keiner einzigen Silbe haben wir etwas geäußert, was in diese Richtung geht.

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Einzige, was wir fordern, ist die Durchsetzung des Rechtsstaates. Kollege Lippmann, ich habe Ihnen skizziert, wie sich der Mangel an Polizei auswirkt. Das ist ein ganzer Strauß, da sind wir uns alle einig. Das ist ein sehr wichtiges Thema, das man sofort angehen kann und das über die Abschiebung hinaus Wirkung entfaltet, weil es an die Ursachen von Missverständnissen herangeht.

Ich komme jetzt zu einem gewissen Problem, das wir haben. Uns ist leider ein Fehler bei der Antragstellung

unterlaufen. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Wir sind nicht detailgenau in diesen Antrag hineingegangen und ich werde ihn jetzt nicht bis ins Letzte verteidigen.

(Zuruf von der SPD)

Nein, die Richtung ist die richtige. Wir mussten uns eines Besseren belehren lassen, dass es im Haushalt schon drinsteht. Das freut mich sehr. Allerdings bitte ich trotzdem die Staatsregierung, Instrumente zu schaffen und extra dafür zu werben, dass mehr Kollegen sich dafür bereit erklären. Es sind Gespräche gefragt, bitte nehmen Sie Geld in die Hand, machen Sie das reizvoll. Ich weiß, wie die Stimmung ist. Es wird gesagt: Für diesen Laden möchte ich nicht mehr arbeiten. Diese Menschen bekommt man nur über Motivation und auch Geld ist ein Teil der Motivation. In diese Richtung sollte es gehen. Wir wollten einen Anschub leisten und trotzdem werbe ich um Zustimmung zu unserem Antrag, auch mit dem Wissen, das wir jetzt haben.

(Beifall bei der AfD – Widerspruch des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Ich mache mir das jetzt nicht so schwer. Ich habe Sie so verstanden, Herr Wippel, dass Sie den Antrag zurücknehmen, aber es war dann doch nicht so.

(Sebastian Wippel, AfD: Nein!)