Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte zuerst um Nachsicht, dass ich es nicht mit Anschreien, sondern mit Argumenten versuche.
Es ist der Debatte mehr gedient, wenn man es so macht. Zweitens komme ich auf die Zahlen zu sprechen: Ich habe mich über manche Fragestellungen gewundert. In der Zeit, in der es Google gibt, hätten Sie die Hälfte Ihrer Fragen beantworten können.
www.statistik.arbeitsagentur.de eingegeben hätten, dann hätten Sie die Hälfte Ihrer Fragen gleich beantworten können.
Überlegen Sie doch einmal, dass Sie nicht alles fragen müssen. Es ist berechtigt, dass Sie die statistischen Zahlen wissen möchten. Schauen Sie einfach auf die statistischen Seiten der Arbeitsagentur. Dort finden Sie alle Daten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen die Zahlen nennen. Sie haben Sie offensichtlich nicht gelesen. Ich möchte Ihnen einmal mitteilen, wie es um unseren Arbeitsmarkt bestellt ist. Wir wissen, dass es das Ziel sein muss, dass Menschen in Arbeit sind, selbstständig für sich sorgen und ihre Familie selbst ernähren können.
Wir haben derzeit eine Arbeitslosenquote von 7,9 %. Vor zehn Jahren, als Hartz IV eingeführt worden ist, hatten wir 10 % mehr, da lagen wir bei 18 %.
Wer hätte damals gedacht – wenn da jemand auf die Idee gekommen wäre und hätte gesagt –, dass die Arbeitslosenquote in zehn Jahren in Sachsen einmal einstellig sein wird? Dann hätte ich gesagt, das gibt es gar nicht, das ist unrealistisch. Jetzt sehen wir, wie toll sich dieser Arbeitsmarkt in Sachsen entwickelt hat.
Und dann sagen Sie, die Langzeitarbeitslosen haben davon gar nicht profitiert. Entschuldigung, die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in diesem Zeitraum um
500 000 gesunken. Wir haben eine halbe Million Langzeitarbeitslose weniger. Dann können Sie sich mal den aktuellen Monat August anschauen. Da haben wir 6 000 Langzeitarbeitslose weniger und den Bezug von SGB III, also die, die kurzzeitig arbeitslos sind,
5 900 weniger. Wir sehen also, dass die Langzeitarbeitslosen ebenfalls von diesen Arbeitsmarktreformen profitieren. Sie kommen auch stärker rein.
Dann sagen Sie, ja, da sind dann vielleicht Minijobs entstanden. Dann müssen Sie sich einmal die Entwicklung des Arbeitszeitvolumens anschauen, der Arbeitsstunden, die in Deutschland aufgebracht worden sind. Und auch dort sehen wir, dass die Zahl der Arbeitsstunden in Deutschland gestiegen ist. Es ist also nicht so, dass da nur schlechte Jobs entstanden sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten bei der Einführung circa 5 Millionen Arbeitslose in Deutschland gehabt. Wir sind jetzt bei 2,8 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Sie können es auch an den Grundsicherungsempfängern festmachen. 2006 hatten wir 7,3 Millionen Euro, jetzt sind wir bei 6,1 Millionen Euro. Auch dort ist eine Absenkung zu sehen.
Wir haben in Deutschland noch nie so viele erwerbstätige Menschen gehabt wie heute. Das ist die Realität, und das ist nicht einfach nur vom Himmel gefallen. Da brauchen Sie nur nach Frankreich zu schauen, wo Sie auch einen relativ verkrusteten Arbeitsmarkt haben. Hier ist die Entwicklung sehr schnell. Wenn die Politik nicht die richtigen Entscheidungen trifft, kann dies auch in die andere Richtung gehen. Wenn ich mir die Zahl der Asylbewerber anschaue, dann ist sie wahrscheinlich auch deswegen nicht so hoch, weil die Sozialleistungen so miserabel sind und die Jobaussichten so schlecht, sondern das ganze Gegenteil davon ist richtig.
Sie haben hier etwas von Leid erzählt, Entschuldigung. Wenn das Leid so hoch wäre, hier in Deutschland, dann würde das nicht dazu führen, dass bei uns die Asylbewerberzahlen besonders hoch sind. Denn politischer Verfolgung wird nicht nur in Deutschland entgegengetreten, sondern auch in ganz vielen anderen Ländern der Welt.
Aber lassen Sie mich noch einmal auf den Arbeitsmarkt zurückkommen. Wie war es vor zehn Jahren? Vor zehn Jahren, 2005, sind in Deutschland täglich 2 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Im vergangenen Jahr sind täglich 1 100 neue Jobs entstanden. Das können Sie die letzten Jahre fortführen. Es sind immer wieder neue Jobs entstanden. Da sagen Sie im Entschließungsantrag, diese positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt liegt an den gesunkenen Rohstoffpreisen. Das ist der einzige Grund, den Sie anführen. Das ist vollkommener Blödsinn. Bei den Rohstoffpreisen, insbesondere was Erdöl betrifft, sprechen wir über eine Entwicklung, die jetzt erst seit einigen Monaten aktuell ist, aber doch nicht seit zehn Jahren.
Wenn die Staatsregierung dann schreibt – das möchte ich in ihrer Großen Anfrage als Antwort unterschreiben –: „Nach Auffassung der Staatsregierung ist die beste Arbeitsmarktpolitik eine gute Wirtschafts- und Standortpolitik. Dadurch entstehen wettbewerbsfähige Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Diese müssen Priorität
haben.“, dann ist das die richtige Schwerpunktsetzung. Denn wir wollen, dass Menschen in Arbeit kommen, wir wollen, dass Menschen aus der Sozialhilfe herausgehen, denn das ist gut für die Gesellschaft.
Damals habe ich gesagt, dass wir zum ersten Mal ein westdeutsches Bundesland in der Arbeitslosenzahl überholt haben. Das war Bremen. Wir hatten also eine geringere Arbeitslosenquote als Bremen vor fünf Jahren. Wir haben im vorigen Monat zum ersten Mal das größte westdeutsche Bundesland überholt, Nordrhein-Westfalen. Wir haben in Sachsen eine geringere Arbeitslosenquote als in Nordrhein-Westfalen. Wer hätte das vor zehn Jahren gedacht?
(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Haben Sie auch irgendwo einmal den demografischen Faktor mit berücksichtigt?)
Der demografische Faktor schlägt in allen Bundesländern zu, den gibt es in allen Bundesländern. Herr Gebhardt, weil ich wusste, dass Sie das sagen, hatte ich vorhin nicht nur die Arbeitslosenzahl angebracht, indem ich gesagt habe, die Zahl der Arbeitslosen ist deutlich gesunken, von 18 % auf 7,9 % in Sachsen, sondern ich habe gleichzeitig gesagt, dass die Zahl der Jobs der Erwerbstätigen auf ein enorm hohes Niveau gestiegen ist, wie wir es in Deutschland noch nie hatten. Da können wir mit der Demografie relativ wenig anfangen, weil mehr Jobs einfach mehr Jobs sind. Das steht dann auch in Relevanz dazu, dass dadurch die Arbeitslosenquote sinkt.
Wir brauchen nicht nur den Arbeitsmarkt anzusehen, sondern wir sollten auch einmal auf die Ausbildungsstellen schauen. Deutschland ist das Land in der Europäischen Union mit der geringsten Arbeitslosigkeit. Es gibt kein Land mit einer solch geringen Jugendarbeitslosigkeit wie in Deutschland. Die Zahl der jungen Menschen, die Hartz IV beziehen, ist um die Hälfte gesunken, von 300 000 auf 150 000. Gerade junge Menschen haben ganz besonders stark davon profitiert. Sie können sich das auch anschauen. Wir haben in Sachsen mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. Wir haben in Sachsen derzeit rund 5 700 Ausbildungsstellen, die nicht besetzt sind, 4 % mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig haben wir natürlich auch unversorgte Bewerber, 4 100. Allerdings gibt es auch hier einen deutlichen Rückgang um 6 % im Vergleich zum Vorjahr.
Was ich damit sagen will, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist, dass die Richtung stimmt, dass es deutlich mehr Licht auf dem Arbeitsmarkt gibt. So viel Licht, wie das von uns keiner vor zehn Jahren gedacht hätte! Da
war keiner so optimistisch, dass er auf die Idee gekommen wäre, dass wir einmal eine einstellige Arbeitslosenquote haben, und dass wir über Fachkräftemangel in diesem Landtag diskutieren, hätte keiner gedacht. Diesem Luxusproblem dürfen wir uns zum Glück auch in diesem Haus stellen.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will vor dem Problem und vor den Herausforderungen nicht die Augen verschließen. Die Arbeitslosenquote ist immer noch höher als im Durchschnitt der westdeutschen Länder. Daran müssen wir arbeiten. Wer 60 Jahre alt oder etwas älter ist, wer behindert oder vielleicht sogar suchtkrank ist, der hat es in unserem Land ganz schwer, Arbeit zu finden. Das gehört auch zur Wahrheit. Wir haben auch eine neue Herausforderung, wie Sie wissen. Wir wollen, dass Asylbewerber, dass Flüchtlinge, die bei uns bleiben, auch in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das ist eine riesige Herausforderung, der wir uns in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren stellen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorteil der Debatte ist, auch einmal zurückzuschauen, wie es eigentlich einmal vor zehn Jahren war. Wie war da eigentlich dieses System organisiert? Das vergisst man ja relativ schnell. Wer damals Sozialhilfe bezogen hat, für den hat sich das Arbeitsamt überhaupt nicht interessiert. Der hat auch kein Stellenangebot erhalten. Der war als Langzeitarbeitsloser abgestempelt. Das war die Realität. Heute haben wir Jobcenter, die sich auch um Langzeitarbeitslose kümmern. Ich weiß nicht, Frau Schaper, was daran falsch sein soll.
Schauen wir auch einmal die individuelle Betreuung an. Wir haben jetzt gesetzlich festgelegt, dass sich ein Mitarbeiter in der Arbeitsverwaltung um 75 Jugendliche und junge Arbeitslose kümmern soll. Das gab es damals nicht. Die waren vollkommen überfordert, und man konnte individuell überhaupt nichts machen. Ich finde, dass das ein Vorteil ist. Das hat dazu geführt, dass man sich mit Jugendlichen und den anderen Erwerbslosen viel besser beschäftigen konnte. Man konnte Jobangebote für sie herausfinden, die für sie passfähig sind.
Oder nehmen wir einmal die Bürokratie. Wie war das vor zehn Jahren? Wenn da ein Langzeitarbeitsloser auf die Idee kam, einen neuen Kühlschrank zu brauchen oder etwas anderes, dann ist er auf das Amt gegangen, hat einen Zettel ausgefüllt und gesagt, bitte, ich brauche einen neuen Kühlschrank. Dann gab es irgendeinen Sachbearbeiter, der entschieden hat, ob derjenige einen Kühlschrank bekommt oder nicht. Was haben wir gemacht? Wir haben die Sätze pauschalisiert, dass derjenige selbst entscheiden kann, ob er sich einen Kühlschrank kauft oder nicht. Ich finde, dass dies wesentlich mehr der Menschenwürde entspricht, als das früher der Fall war,
Außerdem haben wir Bürokratie eingespart und das Personal vermittelt, anstatt für solche Dinge Personal vorzuhalten.
Lieblingsthema „Höhe der Hartz-IV-Sätze“. Hier ist DIE LINKE immer schnell dabei zu sagen, legen wir doch einmal einen Hunderter drauf. Das machen sie auch diesmal.