Auf diesem Wege ist es gelungen, die Arbeit der Mehrgenerationenhäuser für 2016 im Bundeshaushalt zu verankern. Nach der Rahmenvereinbarung soll auch der generationenübergreifende Ansatz in die soziale Arbeit vor Ort
integriert und regional bedarfsorientiert weiterentwickelt werden. Deshalb sollen die Mehrgenerationenhäuser in die landesspezifischen und kommunalen Infrastrukturplanungen eingebettet werden. Diese Aspekte sind uns in Sachsen nicht neu. Sie sind uns wichtig, daher wurde bereits im Jahr 2013 eine Studie in Auftrag gegeben, die die Standortbestimmung der Mehrgenerationenhäuser in die sächsische Sozialwissenschaft vornehmen und Empfehlungen zu deren Profilierung und Etablierung vorlegen sollte.
Das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik empfiehlt in seiner Studie – auch diese wurde bereits zitiert –, eine landesweite integrierte Sozialplanung anzustreben, die auch die Mehrgenerationenhäuser und deren Angebote berücksichtigt. In Umsetzung der Ergebnisse der Studie wird ein Modellprojekt zur Einbindung der Mehrgenerationenhäuser in die soziale Infrastruktur des Freistaates Sachsen durchgeführt. Dafür stehen im Doppelhaushalt insgesamt 180 000 Euro zur Verfügung. Ein Antrag liegt ebenfalls bereits beim KSV vor. Mit diesem Modellprojekt soll exemplarisch im Landkreis Görlitz und in der Stadt Chemnitz erprobt werden, wie die Mehrgenerationenhäuser Eingang in die sozialräumliche Planung finden können. Das Projekt soll zum 1. Oktober 2015 starten und bis Ende 2016 laufen.
Meine Damen und Herren, zum Schluss noch einmal aus der Sicht der Staatsregierung: Wir halten die Mehrgenerationenhäuser als Orte der Begegnung aller Generationen – gerade auch für den ländlichen Raum – für ein sehr wichtiges Angebot. Wir stehen zu den Mehrgenerationenhäusern, und wir wollen, dass die Finanzierung und der Erhalt der Mehrgerationenhäuser auch langfristig gesichert sind.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Wer hält das Schlusswort? – Frau Abg. Dietzschold. Bitte sehr, Frau Dietzschold.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Redner haben heute hier betont, wie wichtig die Mehrgenerationenhäuser im Freistaat Sachsen sind und dass sie eine wichtige Anlaufstelle für Menschen aller Generationen sind. Durch ihre vielfältigen, am lokalen Bedarf ausgerichteten Angebote schaffen sie es, den unterschiedlichen Bedürfnissen von Familien, Jüngeren und Älteren Rechnung zu tragen und für ein Miteinander durch ehrenamtliches Engagement mitzuhelfen.
Der Freistaat Sachsen hat sich in der Vergangenheit wiederholt zur Wichtigkeit der Mehrgenerationenhäuser positioniert, und ich danke Frau Ministerin Klepsch, dass sie das jetzt noch einmal so deutlich gesagt hat. Wir wollen, dass wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Förderung im Bundeshaushalt so eingestellt wird, und deshalb haben wir auch diesen Antrag gemeinsam mit der Koalitionsfraktion eingereicht, um die Häuser weiter dauerhaft zu etablieren und das erfolgreiche Konzept der Mehrgenerationenhäuser weiterzuentwickeln und die Finanzierung zu verstetigen.
Vielen Dank, Frau Dietzschold. – Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache 6/1270. Punktweise Abstimmung ist begehrt.
Herr Spangenberg, ich versuche jetzt wiederzugeben, was ich verstanden habe. Sie wünschen die Abstimmung in zwei Blöcken: in dem ersten Block die Abstimmung zu Punkt I bis II, 1 und dann eine zweite Abstimmung II, 2 bis 4. Habe ich das richtig verstanden?
Meine Damen und Herren! Zunächst die Abstimmung über Punkt I und Punkt II, Ziffer 1 der Drucksache 6/1270. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit ist Einstimmigkeit festzustellen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über Punkt II, Ziffern 2 bis 4 der genannten Drucksache. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen, Stimmen dagegen ist dem Punkt II, Ziffern 2 bis 4 mehrheitlich zugestimmt worden, meine Damen und Herren.
Damit komme ich zur Schlussabstimmung über die Drucksache 6/1270. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und keinen Gegenstimmen ist die Drucksache 6/1270 beschlossen, und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Die Aussprache erfolgt in der Reihenfolge DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Bartl. Herr Bartl, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Inzwischen wird uns allen hier im Hohen Haus bewusst sein, dass sich diese Republik – und auch der Freistaat Sachsen – in einer Situation befindet, die ganz zweifellos zu den anspruchsvollsten und kompliziertesten der letzten Jahrzehnte zählt.
Dass täglich Tausende Menschen nach Deutschland kommen, die ihre Heimat wegen Krieg, Not und Verfolgung verlassen müssen und deshalb eine Bleibe und ein menschenwürdiges Leben, bevorzugt in Deutschland, finden wollen, führt objektiv zu gewaltigen Umbrüchen, die uns auch vor grundsätzliche und in ihrer Wirkung nachhaltige Entscheidungen stellen.
Allenthalben wird in dieser Situation danach gerufen, pragmatische Lösungen zu ergreifen, zu entformalisieren usw. Das alles ist ein Stück weit berechtigt und richtig, darf aber um Himmels Willen nicht bedeuten und darauf hinauslaufen, dass wir elementare Grundrechte, die im Kern die Verfasstheit dieser Republik ausmachen, aufgeben oder nur partiell zur Disposition stellen. Das betrifft nicht zuletzt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit als eines der essenziellsten verfassungsmäßigen Grundrechte überhaupt.
Der Antrag, den wir heute zur Behandlung aufrufen, ist deshalb überhaupt nicht geeignet, aufeinander einzuschlagen. Pragmatisch gesehen, vermag es durchaus Gründe dafür gegeben haben, dass zunächst der Polizeipräsident von Dresden, Dieter Kroll, mit einer am 18. Januar 2015, 12 Uhr, erlassenen sogenannten Allgemeinverfügung in Eilzuständigkeit für den 19. Januar 2015, 0 bis 24 Uhr, alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge innerhalb der Ortsgrenzen der Landeshauptstadt Dresden untersagt hat.
Einfach handlungsorientiert könnte man auch das als verkappte Allgemeinverfügung daherkommende, vom Landratsamt Sächsische Schweiz–Osterzgebirge für
Freitag, den 30.07.2015, 16 Uhr bis Mitternacht, verhängte Demonstrationsverbot im Umkreis der Flüchtlingsunterkunft in Freital nach Ankündigung gewaltiger Auseinandersetzungen in sozialen Netzwerken rechtfertigen.
Keiner behauptet – auch wir nicht –, dass die Polizeidirektion Dresden bzw. das Landratsamt Sächsische Schweiz–Osterzgebirge in Pirna leichten Fußes per
weiterer „Allgemeinverfügung anlässlich der aktuellen Gefährdungslage für Versammlungen in Heidenau“ vom 28. August 2015, 14 Uhr, bis 31. August 2015, 6 Uhr – mithin über 64 Stunden –, ein Verbot aller öffentlichen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel für das gesamte Gebiet der Stadt Heidenau verhängte und die sofortige Vollziehung im vermeintlichen öffentlichen Interesse anordnete.
Aus pragmatischer Sicht nach dem Prinzip der vermeintlichen Zweckmäßigkeit sind alle drei Fälle auch für manche Bürgerin und manchen Bürger, insbesondere den sogenannten Anliegern im Bereich potenzieller Versammlungsorte, durchaus nachvollziehbar. Aber nicht nur im Lichte des 25. Jahrestages der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands und jenes Aufbruchs von 1989 in den ostdeutschen Ländern, sondern auch aus Sicht der gesamten Demokratieentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland seit 1949 ist der eingeschlagene Weg gehäufter Totalsuspendierungen der Versammlungsfreiheit völlig unannehmbar.
In einer freiheitlichen demokratischen Verfassungsordnung ist das Versammlungs- und Demonstrationsrecht ein aktives Statusrecht. Es eröffnet eine wesentliche Möglichkeit zur Teilnahme am komplexen Prozess der politischen Willensbildung. Es macht Demokratie sichtbar und glaubwürdig, Volkssouveränität praktizierbar. Es beseitigt das Gefühl, anonymer oder staatlicher Macht ausgeliefert zu sein. Das alles sind Attribute, die man in einschlägigen Kommentaren zum Versammlungsgesetz bereits in der Einleitung nachlesen kann. Das Versammlungsrecht ist, wie es ein früherer Verfassungsrechtler ausdrückte, die Luftröhre der Demokratie.
Unsere Fraktion sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hatten schon nach dem sogenannten präventiven Versammlungsverbot für die Landeshauptstadt am 19. Januar 2015 in jeweiligen Anträgen gefordert – auch vor dem Hintergrund der bundesweiten Kritik an diesem Vorgehen –, zur uneingeschränkten Garantie und zum wirkungsvollen Schutz des in Artikel 8 des Grundgesetzes bzw. in Artikel 23 der Sächsischen Verfassung verankerten Grundrechts auf Versammlungsfreiheit
In Behandlung der beiden Anträge zu Drucksache 6/773 und 6/774 führte der Verfassungs- und Rechtsausschuss unter Teilnahme des mitberatenden Innenausschusses am 20. Mai 2015 eine öffentliche Expertenanhörung durch, die nicht nur hoch spannend und sachbezogen war, weil
neben vier ausgewiesenen Verfassungsrechtswissenschaftlern auch konkrete Praxisanwender – wie der Polizeipräsident von Dresden, Dieter Kroll, selbst – den Abgeordneten Rede und Antwort standen.
Im Ergebnis – nachzulesen im mit Anlagen 98 Seiten umfassenden Protokoll vom 4. Juni 2015 – warnten nahezu alle Sachverständigen, soweit sie diese polizeiliche Allgemeinverfügung nicht für grundsätzlich verfassungswidrig erklärten, zumindest nachdrücklich davor, der Versuchung, mittels allgemeiner Verbotsverfügungen in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu grätschen, weiterhin nachzugeben.
Allein, dieser Ruf aus dem Verhandlungsgang des Parlaments blieb ungehört. Noch bevor der Verfassungs- und Rechtsausschuss bzw. der Innenausschuss die abschließenden Behandlungen zu jenen Anträgen von Ende Januar 2015 vorgenommen und ihre Beschlussempfehlungen dem Landtagsplenum vorgelegt haben, hat sich inzwischen in wenigstens zwei Fällen die Verhängung präventiver Versammlungsverbote wiederholt – zuletzt Ende August, nachdem das Bündnis „Dresden Nazifrei“ in Begegnung auf die bundesweit und international debattierten Ausschreitungen und Krawalle neonazistischer und ausländerfeindlicher Kräfte in Heidenau für den 28. August eine Versammlung in Gestalt eines sogenannten Willkommensfestes für die in der Sammelunterkunft in Heidenau untergebrachten Geflüchteten angemeldet hat.
Dass das Sächsische Verwaltungsgericht Dresden in Entscheidung über einen gegen diese Verbotsverfügung gerichteten Eilantrag eines potenziellen Versammlungsteilnehmers mit Beschluss vom 28. August 2015 den Bescheid des Landratsamtes Pirna aufhob, war gut und war richtig. Auch gut war, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 29. August 2015 den am Vortag ergangenen Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes aufgehoben hat, der in Entscheidung über eine Beschwerde des Landratsamtes Sächsische Schweiz in Heidenau das verhängte allgemeine Verbot zur Durchführung von Versammlungen wieder in Kraft setzte.
Somit konnten am besagten Wochenende die angemeldeten Versammlungen in Heidenau nach Maßgabe des allgemeinen Versammlungsrechts stattfinden, wobei
keineswegs verschwiegen oder unbeachtet bleiben soll, dass noch während der Verbotsgeltung unter Teilhabe des sächsischen Innenministeriums das untersagte Willkommensfest für die betreuten Flüchtlinge möglich wurde.
Es ist jetzt nicht mal so entscheidend, dass das Bundesverfassungsgericht ausweislich der Beschlussbegründung einen polizeilichen Notstand, auf welchem die allgemeine Verbotsverfügung gestützt war, weder für die Veranstaltung unter dem Motto „Dresden Nazifrei“ noch allgemein feststellen konnte. Wörtlich das Verfassungsgericht: „Dafür, dass auch unter Berücksichtigung von polizeilicher Unterstützung durch die anderen Länder und den Bund, deren Bereitstellung, soweit ersichtlich, nicht infrage gestellt wird, jede Durchführung von Versamm
lungen in Heidenau für das ganze Wochenende zu einem nicht beherrschbaren Notstand führt, ist auch sonst substantiiert nichts erkennbar.“ – Feststellung Verfassungsgericht.
Das Maßgebliche ist für uns, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungsgründen nochmals eindeutig klargezogen hat, dass bei Abwägung vermeintlicher Sicherheitsinteressen zum einen und der Reichweite der Grund- und Freiheitsrechte zum anderen im Zweifelsfall immer die Freiheitsrechte den Vorrang haben. Die nochmalige Botschaft dieser Entscheidung, die wir nun endlich ins Stammbuch aller Entscheidungsträger im Umgang mit dem Versammlungsrecht im Freistaat Sachsen geschrieben wissen wollen, ist: Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht muss im Sinne der allgemeinen Freiheitsvermutung, die nach dem Grundgesetz und der Sächsischen Verfassung herrscht, interpretiert werden. Das muss das Herangehen bei der Entscheidung sein.