Wie gehen unsere Partnerländer mit der wachsenden illegalen Einwanderung um? Vielleicht könnte sich die sächsische Regierung und Ihr Ministerium, Herr Ulbig, die eine oder andere Anregung holen. Griechenland, Bulgarien, Ungarn und jetzt auch England sichern ihre Grenzen mit baulichen Maßnahmen. Tschechien erwägt den Einsatz der Armee zur Grenzsicherung. Dänemark führt verstärkte Grenzkontrollen ein. In Italien gibt es fast ausschließlich Sachleistungen für Asylbewerber und nur minimale Geldleistungen. Polen und die baltischen Staaten nehmen grundsätzlich sehr wenige Asylsuchende
auf und wenn, dann nur Christen. Australien führt sämtliche Asylverfahren in Nachbarländern durch. Illegal Eingereiste werden dorthin ausgeflogen.
Sind diese Länder rassistisch? Sind es rechtlose Diktaturen? Oder sind die Bürger und Politiker dieser Länder herzlose rechte Hetzer ohne Weltoffenheit und mit Kälte und Hass im Herzen? Nein, diese Länder sind unsere Partner, Demokratien und Rechtsstaaten, mit denen wir politisch, wirtschaftlich und auch militärisch zusammenarbeiten. Der einzige Unterschied zu Deutschland dürfte sein, dass die Politiker dort nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern schnell und beherzt reagieren.
Die bisherige Asylpolitik in Deutschland bestand aus offenen Grenzen und Duldung für die meisten der illegal Eingereisten. Diese Politik hat Anreize zur Armutsmigration gesetzt. Sie ist mit verantwortlich für den derzeitigen Migrationssturm.
Dass es so nicht weitergehen kann, verstehen inzwischen auch eingefleischte Asylfanatiker. Selbst Rupert Neudeck, das Gesicht von Cap Anamur, begreift: „Aber wir können nicht alle armen Menschen der Welt aufnehmen.“ Auch Winfried Kretschmann, der Grüne-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht die harte Wahrheit aus: „Es kommen Menschen zu uns, die vor Armut und Perspektivlosigkeit fliehen und dennoch nicht bleiben können.“ Wenn die Lage nicht so ernst wäre, könnte man sich freuen, dass die Realität nun auch diese hartnäckigen Realitätsverweigerer eingeholt hat.
Die Integration asylberechtigter Flüchtlinge in unsere Gesellschaft ist eine große Aufgabe. Aber sie ist nicht das eigentliche Problem. Diese Integration ist leistbar, wenn wir das Hauptproblem lösen, die massenhafte illegale Einwanderung von Menschen ohne wirkliche Asylgründe.
Was erwarten die Bürger von der Regierung? In allererster Linie erwarten die Bürger klare und ehrliche Zielsetzungen der Regierung. Sie wollen wissen, wohin die Regierung das Schiff steuert. Will Ihre Regierung tatsächlich die Zuwanderung von Armuts- und Wirtschaftsflüchtlingen in unsere Sozialsysteme? Wo sollen im Jahr 2016 die 40 000 zusätzlichen Einwanderer untergebracht werden und wo die weiteren 40 000 Neubürger im Jahr 2017? Wo sollen die zusätzlichen 40 000 Arbeitsplätze entstehen und wo weitere 40 000 Arbeitsplätze im Jahr 2017? Wie sieht Ihr Plan aus, und was ist Ihr Plan, wenn es nicht 40 000 sind, sondern wenn es 60 000, 80 000 oder 100 000 Neubürger werden?
Oder wollen Sie das, was die thüringische CDU fordert? Ich zitiere: „Die Landesregierung ist in der Pflicht, gesetzestreu zu handeln und abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimatländer zurückzuführen.“ Wollen Sie, Herr Ulbig, die Abschiebung von jährlich 25 000 bis 30 000 unberechtigten Emigranten organisieren, und wie wollen
Sie das organisieren? Die Bürger wollen glaubhafte Antworten. Sie sind bisher diese Antworten schuldig geblieben. Ihren Ausführungen konnte ich weder eine klare Aussage in die eine noch in die andere Richtung entnehmen. Ihr aktuelles Maßnahmenpaket Asylpolitik bleibt eine Ansammlung von Einzelmaßnahmen, die den Problemen hinterherläuft. Wie sagte Ihr einstiger Parteifreund Uwe Greve vor 20 Jahren so treffend über die verhängnisvolle Politik der CDU? Ich zitiere: „Sie agieren nicht, sie reagieren. Wer aber nur reagiert, ist für die Staatsführung auf Dauer nicht qualifiziert.“
Die Fraktion der AfD hat viele Vorschläge zur Lösung der Asylproblematik gemacht. Die Regierungsfraktionen haben einige übernommen. Übernehmen Sie auch die restlichen. Kehren Sie zum Sachleistungsprinzip zurück. Schaffen Sie funktionierende Abschiebekorridore und setzen Sie Schengen außer Kraft.
Die AfD und viele Wähler – Ihre und unsere – erwarten von der Regierung ein klares, zeitlich umrissenes Konzept, wie die ungebremste Armutsmigration in unser Land gestoppt werden soll, im Interesse der wirklich bedürftigen Flüchtlinge und im Interesse der sächsischen Bürger.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zu Beginn meiner Rede etwas Persönliches. Ich freue mich, dass Sie noch hier sitzen, Herr Ministerpräsident. Ich habe mich auch darüber gefreut, dass Sie heute in Ihrem Statement den Dank an die Menschen ausgesprochen haben, die sich seit Langem und unaufgeregt für das Thema Asyl engagieren. Ich bin Chemnitzerin, und es freut mich, dass Sie nach Ihrem Besuch in Chemnitz heute erneut auch meine Heimatstadt Chemnitz als so ein Beispiel dargestellt haben. Das, was die Chemnitzer Stadtgesellschaft seit vielen Jahren unaufgeregt leistet, wenn es um den menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten geht, ist nicht hoch genug anzuerkennen.
Die mit einer Zeltstadt verbundenen Probleme kennt Chemnitz seit Jahren. Mediale Öffentlichkeit und politische Reaktionen in der Landespolitik allerdings gibt es erst, seitdem auch in Dresden eine Zeltstadt steht.
Ich möchte einige Bemerkungen zu dem machen, was Kollege Hartmann, der leider nicht mehr im Saal ist, in seinem Redebeitrag gesagt hat.
Ich hatte eigentlich gehofft, dass die heutige Debatte, abgesehen von der AfD, frei bleibt von politischen Relativierungen, die so manche Debatte zum Thema Asyl in
dieser Legislatur geprägt haben. Leider ist es dem Meister der politischen Relativierung, Herrn Kollegen Hartmann, nicht gelungen, die Debatte davon freizuhalten. Ich möchte das nur an einem einzigen Punkt festmachen.
Herr Hartmann hat darauf verwiesen, dass es laut Staatsregierung keine Asylsuchenden geben würde, die unter Bäumen schlafen, wie das in anderen Ländern der Fall sei. Ich vermute einmal, dass er zum Beispiel auf die Zustände in Berlin abstellt. Ich muss Ihnen sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen: In der Nacht vom 23. zum 24. Juli war ich vor der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz. Ich musste erleben, wie eine Gruppe von circa 30 Leuten, Familien, Frauen, Männer und Kinder, auf der Straße vor der Erstaufnahmeeinrichtung bis früh 6 Uhr übernachten musste. In benachbarten Wiesen lagen Menschen, für die wir noch Decken organisiert haben, weil die Erstaufnahmeeinrichtung nicht bereit war, für diese Nacht ihre Tore zu öffnen. Auch das ist – das müssen wir zur Kenntnis nehmen – sächsische Realität.
Den Anträgen und Redebeiträgen ist zu entnehmen, dass die Staatsregierung die Frage von Flucht und Asyl als gemeinsame Aufgabe von Politik, Verwaltung und Bevölkerung begreift. Aus der Sicht der GRÜNEN ist das eine Selbstverständlichkeit. Allerdings ist festzustellen, dass die Realität leider noch anders aussieht. Weder findet der politische Diskurs, der heute mehrfach angekündigt wurde, statt, noch ist es so, dass die Hilferufe aus den Städten und Landkreisen, die uns in den letzten Wochen und Monaten andauernd erreicht haben, aufhören. Auch heute ist es noch so, dass vor allem das unkoordinierte Handeln der oberen Unterbringungsbehörde in den Kommunen und Landkreisen, die sich für die dezentrale Unterbringung der ihnen zugewiesenen Asylsuchenden einsetzen, erhebliche Schwierigkeiten bereitet.
Wir haben zurzeit die Situation – und hier spreche ich von Chemnitz –, dass Vertreter von Immobilienfonds mit leer stehenden Gewerbeflächen im Portfolio durch die Städte und Landkreise ziehen und ihre Schrottimmobilien anbieten. Wollen die nicht, zieht man weiter zum Land. Ja, die Chemnitzer Oberbürgermeisterin hat recht: Alles, was ein Dach hat, wird zurzeit vom Freistaat angemietet. So, verehrte Kolleginnen und Kollegen, kann keine koordinierte Unterbringung gelingen.
Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben heute mit Ihrer Fachregierungserklärung auch nicht unbedingt zur Aufhellung der Frage beigetragen, was Sie in dieser Beziehung künftig besser machen wollen. Ich bin viel im Land unterwegs und kann Ihnen sagen, dass es um das Vertrauensverhältnis zum Innenminister in den kommunalen Verwaltungen Sachsens nicht gerade gut bestellt ist.
Auch wenn Frau Köpping den Lenkungsausschuss, in dem die Vertreter der Städte und Landkreise sitzen, lobt, muss man doch konstatieren, dass er keine wirkliche Durchsetzungskraft hat, von Handlungsvollmacht ganz zu schweigen. Insofern nehmen wir positiv zur Kenntnis, dass im Entschließungsantrag der Regierungskoalition
Der Handlungsbedarf beim Thema Unterbringung der Asylsuchenden ist offensichtlich. Ich will mich nur auf wenige Sätze beschränken. Der Entschließungsantrag der Koalition und der Antrag der LINKEN und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschreiben den dringendsten Handlungsbedarf.
Was brauchen wir? Wir brauchen eine Optimierung der Abläufe. Die katastrophalen Bedingungen in den Zeltstädten, Turnhallen und sonstigen Notunterkünften müssen beendet werden. Ab Oktober – und nicht erst ab November, wie wir heute von Minister Ulbig hören konnten –, brauchen wir winterfeste Unterkünfte. Es sagen alle Hilfsorganisationen, dass bei uns im Oktober Schneeeinbrüche möglich sind. Es ist nicht zu akzeptieren, dass der November als Frist für die Abschaffung der Zeltstädte gesetzt wird.
Das allein, verehrte Kolleginnen und Kollegen, reicht nicht. Wie schaffen wir es, zu einer Logistik der Abläufe in der Erstaufnahme zu kommen, die einen schnelleren Auszug aus den Unterkünften befördert? Wie kann dann die Integration gelingen?
Ja, Kollegin Köpping, da gebe ich Ihnen recht: Bei der ganzen Frage und Diskussion um das Thema Asyl dürfen wir nicht vergessen, dass auch die Frage der Integration derjenigen, die bei uns bleiben, wichtig ist.
Ich habe in Bautzen das Spreehotel besucht. Viele von Ihnen werden es kennen. Das ist eine Unterkunft für über 100 Asylsuchende. Da warten Flüchtlinge monatelang auf die Bearbeitung ihrer Anträge. Drei Monate Bearbeitungszeit in der Erstaufnahmeeinrichtung – wo ist das tatsächlich der Fall? Allen ist klar, dass diese Flüchtlinge am Ende des Verfahrens ein Bleiberecht haben werden. Aber monatelang ist es für die Flüchtlinge nicht möglich, einen Sprachkurs zu besuchen. Sie können sich keine Wohnung suchen, keiner Arbeit nachgehen. Auch der Familiennachzug verzögert sich weiter.
Statt ständig populistisch nach mehr Abschiebung und Leistungskürzung zu rufen, sollte sich Sachsen dafür einsetzen, diese offensichtlich bürokratischen und lebensfremden Hürden beim Zugang zu Sprachkursen, Arbeit und Wohnung abzubauen.
Dort passiert nach Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einfach noch zu wenig. Es wird geredet. Wir erwarten, dass gehandelt wird.
Welche staatsgefährdende Wirkung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hätte eine unabhängige Asylverfahrensberatung? Bis heute erschließt sich uns nicht, warum die Koalition ablehnt, was in anderen Ländern erfolgreich praktiziert wird und tatsächlich zur Beschleunigung und nicht zur Verlängerung der Abläufe beiträgt. Gleiches trifft auf die Arbeit des Sächsischen Flüchtlingsrates zu.
Wenn Sie es heute mit der gesamtgesellschaftlichen Ansprache ernst meinen, dann sollten Sie auch mit der Stigmatisierung und Kriminalisierung der engagierten Arbeit von sächsischen Flüchtlingshilfsorganisationen Schluss machen.
Hinsichtlich der Kommunikation in die Bevölkerung – hier spreche ich Sie, Herr Innenminister, direkt an – brauchen wir einen ehrlichen Umgang mit den Fakten. Sie, Herr Ulbig, begründen einen Großteil Ihrer – aus unserer Sicht inakzeptablen – Vorschläge bezüglich des Asylrechts mit dem Verweis darauf – dies haben Sie heute erneut getan –, dass zwei Drittel aller Asylanträge abgelehnt werden. Ich weiß nicht, woher Sie diese Zahl haben. Die bereinigte Schutzquote liegt derzeit in Deutschland bei 47,8 %. Das heißt, jeder Zweite erhält bereits im behördlichen Verfahren eine Aufenthaltserlaubnis. Dazu kommen die abgelehnten Asylsuchenden, zum Beispiel aus Afghanistan, die in Deutschland geduldet werden und später, zum Beispiel aufgrund ihrer Integrationsleistungen, ein Bleiberecht erhalten. Circa 10 % Erfolgsquote – auch das gehört zur Information – im Klageverfahren erhöhten die Schutzquote auf derzeit über 50 %. Diese Zahlen müssen wir doch zur Kenntnis nehmen.
Die Schutzquote wird sich weiter erhöhen. Sie als Innenminister können sich doch nicht die Argumente derer zu eigen machen, die die Abwehr von Flüchtlingen statt der Durchsetzung des Grundrechts auf Asyl und Einhaltung der völkerrechtlichen und humanitären Verpflichtungen Deutschlands wollen.
Sie, Herr Ulbig, sind dafür da, den Rechtsstaat zu verteidigen. Das ist Ihr Job, und diesen sollten Sie ausfüllen; denn die Frage, wer bleiben darf, wird nicht am Stammtisch oder auf der Straße entschieden.
Meine Damen und Herren, wir gehen in die zweite Runde, und ich rufe wiederum die Linksfraktion auf; Frau Abg. Nagel, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte verbliebene Kolleginnen und Kollegen! Ein heißer Sommer liegt hinter uns, und eine Beruhigung der Situation ist kaum in Sicht. Mit brachialer Härte artikulierten sich dieser Tage, Wochen, ja Monate rassistische Einstellungen aus der sächsischen Bevölkerung. Es vergeht keine Woche, in der nicht mindestens ein Angriff auf eine Unterkunft von geflüchteten Menschen geschieht, in der nicht Hassparolen in den öffentlichen oder den digitalen Raum getragen werden. Ja, die Zahl der Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und auch aus Perspektivlosigkeit aus ihren Ländern fliehen, wächst. Damit wachsen auch Unsicherheit und Skepsis in Teilen der ansässigen Bevölkerung.