Die Mikroelektronik ist für Sachsen eine Multiplikatorindustrie. Auf jeden Beschäftigten in der Halbleiterindustrie kommen, statistisch gesehen, 1,8 Arbeitsplätze in der Region, bei Dienstleistern und Zulieferern. An jedem Euro, den die Mikroelektronikbranche im Freistaat verdient, hängen weitere 2 Euro Umsatz bei Partnern.
Bereits heute steht Sachsen an der Spitze der Halbleiter- und Chipentwicklung in Europa. Vor dem Hintergrund der Computerspionage-Affären im Bundeskanzleramt und Bundestag in den letzten Wochen sollte sich die sächsische Halbleiterindustrie überlegen, ob sie sich nicht breiter aufstellt. Hier könnten sich neue und global gefragte Geschäftsfelder ergeben.
Wir haben gelernt, dass Chipsätze kompromittiert, das heißt manipuliert werden können. Dies geschieht heimlich und bleibt unentdeckt. Das Computersystem des Bundestages ist dafür ein hässliches Beispiel. Eine Folge solcher Manipulation kann sein, dass alle Tastaturanschläge eines Computers direkt, ohne Umwege über das Betriebssystem an die Netzwerkkarte weitergeleitet werden. Die Verschlüsselung von Daten und E-Mails kann davor nicht schützen.
Leider haben sich alle deutschen Chiphersteller aus der Entwicklung und Produktion im Bereich der Kommuniaktion verabschiedet. Letztes Beispiel ist der vollständige
Verkauf von Nokia Siemens Networks an Nokia. Infineon beschäftigt sich heute hauptsächlich mit den Sektoren Energie und Automobil. Alle relevante Hardware in diesem Bereich führen wir heute aus dem Ausland ein: Intel – USA, AMD – USA, Huawei – China, Cisco – USA, Nokia – Finnland, Alcatel-Lucent – Frankreich, USA.
Die Staatsregierung sollte darüber nachdenken, ob die sächsische Vorreiterstellung in der Chipproduktion nicht die perfekte Grundlage ist, einen neuen Markt zu erschließen: sichere Hardware, mit offenen und nachvollziehbaren Quellcodes. Entsprechende Marktmodelle gibt es bereits. Der Bedarf an sicherer Hardware ist weltweit vorhanden: in kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ihre Innovationen schützen möchten, in großen Konzernen, Behörden, Regierungen und NGOs. Eine Finanzierung über Leasing und Lizenzverträge wäre eine gute Idee.
Die Beihilfevorschriften der EU setzen einer Förderung allerdings Grenzen. Als schmerzliches Beispiel verweise ich auf die Tatsache, dass AMD sein Forschungszentrum im Staat New York und eben nicht in Dresden gebaut hat. Die Förderrichtlinien der EU haben den Standort Deutschland verhindert. Die Interventionen der Bundesregierung haben daran nichts geändert.
Das neue Institut der Fraunhofer-Gesellschaft, über das wir hier sprechen, ist ein Ergebnis der Vorgängerregierung. Eine Strategie des Wirtschaftsministeriums fehlt bisher. Wir sind auf die Konzepte gespannt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon viel zum Wissenschaftsstandort gehört. Wir haben gestern diskutiert, und als Wissenschaftspolitikern finde ich es natürlich richtig und wichtig, aber ich war dennoch etwas erstaunt über die Aktuelle Debatte zu diesem Thema. Denn als Lückenfüller eignet sich dieses Thema nicht.
Wollten Sie also über das Nationale Leistungszentrum Fraunhofer sprechen, dann kommt die Aktuelle Debatte etwas zu spät und gleichzeitig zu früh. Zu spät deshalb, weil am 17. Juni das Zentrum eröffnet worden ist, zu früh deshalb, weil wir noch gar nicht wissen, wie es in zwei Jahren weitergeht. Es befindet sich momentan tatsächlich nur in einer Pilotphase. Oder wollten Sie generell über den Wissenschaftsstandort Sachsen sprechen, dann ist sicherlich der Titel zu einem Nationalen Leistungszentrum etwas zu kurz gegriffen.
Deswegen gehe ich der Reihe nach vor: Nationales Leistungszentrum Fraunhofer Dresden. 18 Standorte – wir
haben es schon gehört – hat die Fraunhofer-Gesellschaft, die das Projekt initiiert hat, drei davon in Sachsen identifiziert. Sie sollen in einem Projektverbund zur Förderung von Profilregionen teilnehmen. Das Nationale Leistungszentrum Funktionsintegration mikro-/nanoelektronischer Systeme in Dresden ist das erste, das in dieser Pilotphase, vom Freistaat in zwei Jahren unterstützt, gefördert wird. Wir begrüßen natürlich diese Unterstützung, die auf die Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft zurückgeht, weil es richtig ist, Zentren zu schaffen, die im Verbund forschen.
Erfolgreiche Forschung macht eben nicht mehr an der Eingangstür einer Hochschule oder einer Forschungseinrichtung halt, sondern der Verbund ist wichtig. Sie macht auch nicht halt an Landesgrenzen. Es ist erfreulich, dass dieser Gedanke langsam auch in der Politik greift, die immer sehr in Zuständigkeiten und Landesgrenzen denkt.
Verbundprojekte sind also wichtig. Deshalb stellt sich mir die Frage, warum eigentlich der Standort Freiberg, der große Erfahrungen bei der Forschung im Halbleiterbereich, bei der Solarpanelforschung und in der Chipforschung hat, nicht einbezogen wurde.
Auch in Leipzig/Halle wurde vor fast einem Jahr unter Anwesenheit der Ministerpräsidenten aus Sachsen-Anhalt und Sachsen ein weiteres Leistungszentrum Chemie und Biosystemtechnik angekündigt. Herr Tillich hat die Unterstützung des Freistaates zugesichert. Im Falle des Zentrums in Leipzig findet sich im Doppelhaushalt 2015/2016 trotz der schönen Worte leider keine Anschubfinanzierung. Es werden mindestens zwei Jahre vergehen, bis dort ein Projekt angegangen werden kann. Oder ist es vielleicht gar nicht mehr gewollt, weil es jetzt das Nationale Leistungszentrum in Dresden gibt?
Vielleicht könnten Sie als Staatsregierung etwas Klarheit schaffen, wie und wann das länderübergreifende Verbundprojekt auf den Weg gebracht wird. Bevor wir zu viel feiern, sei gesagt: Auch das Nationale Leistungszentrum in Dresden ist, wie gesagt, nur ein Pilotprojekt. Es gibt eine Anschubfinanzierung. Diese läuft aber nur zwei Jahre, und danach – es wurde schon gesagt – wird auf das Bundesprogramm zur Förderung von Profilregionen verwiesen. Dieses Programm existiert aber noch gar nicht. Wann es kommt und wie es ausgestattet ist, wissen wir nicht.
Ich denke, wir müssen aufpassen, dass es uns dabei nicht so geht wie beim Translationszentrum für Regenerative Medizin in Leipzig. Dort sehe ich auch ganz klar die Landesregierung in Verantwortung.
Zum zweiten Punkt: Wissenschaftsstandort Sachsen fördern, weiterentwickeln. Ja, das ist ja auch Titel der Aktuellen Debatte. Es ist richtig, dass wir darauf eingehen. Und dann geht es eben nicht nur um die gute Struktur von Fraunhofer, Max Planck, Helmholtz, Leibniz, sondern dann reden wir auch über die Forschung an unseren
Hochschulen. Es ist wichtig, dass es auch eine landesseitige Förderung der themenfreien Forschung gibt – Holger Mann hat darauf hingewiesen –, aber genau hier hat sich die Landesregierung im Doppelhaushalt nicht mit Ruhm bekleckert.
Die themenfreie Forschungsförderung wurde im letzten Doppelhaushalt von 11,8 Millionen Euro pro Jahr auf 5,6 Millionen Euro 2015 und 9,6 Millionen Euro 2016 gekürzt. Unserem Änderungsantrag, der dies geheilt hätte, haben Sie leider nicht zugestimmt.
Gute Wissenschaft braucht gute Arbeitsbedingungen. Darüber haben wir gestern sehr ausgiebig gesprochen, zur Genüge diskutiert, und ich denke, darin sind wir uns alle einig. Prekäre Arbeitsbedingungen verhindern Kreativität und Dynamik in der Wissenschaft, und das müssen wir ändern. In diesem Zusammenhang steht auch, dass der Freistaat in der Pflicht ist, seine Hochschulen finanziell ordentlich auszustatten.
Drittmittelprojekte sind gut und wichtig, aber wenn die solide Grundfinanzierung fehlt, ist die Qualität von Wissenschaft und Lehre in Gefahr. In Sachsen – das haben wir gesehen – liegen wir immer noch unterdurchschnittlich zur Grundfinanzierung der anderen Länder.
Deshalb ist es unsere Forderung, die wir auch in den Doppelhaushalt eingebracht haben: Die BAföG-Mittel in die Grundfinanzierung an die Hochschulen zu geben ist immer noch der richtige Weg. Ich erneuere das hier; das war ja leider in den Haushaltsverhandlungen nicht möglich.
Als Fazit bleibt zu sagen: Ja, wir brauchen eine Verbundforschung. Wir brauchen eine nachhaltige Förderung, eine finanzielle Förderung, und wir brauchen eine systemübergreifende Forschung.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hätten auch etwas früher über das Thema des Nationalen Leistungszentrums sprechen können und auch wollen, aber manchmal passt es eben nicht zusammen. Aus diesem Grund sprechen wir jetzt im Juli-Plenum darüber. Es ist nie zu spät und auch nie zu früh, über den Wissenschaftsstandort Sachsen zu sprechen. Ich freue mich über die Sachlichkeit der Beiträge, die hier gekommen sind.
Ich will noch einmal darauf abheben: Das, was uns in Sachsen noch an Ausbaupotenzial zur Verfügung steht,
ist, dass wir unseren guten Wissenschaftsstandort noch stärker mit dem Wirtschaftsstandort Sachsen verzahnen können und müssen. Es ist wichtig, dass wir nicht nur die wissenschaftlichen Einrichtungen haben, sondern dass sich deren Erkenntnisse auch möglichst in Produkte und Dienstleistungen, die in Sachsen hergestellt werden, niederschlagen.
Dazu passt ganz gut, dass in diesem Jahr der Technologiebericht 2015 vorgestellt wurde, bei dem ich die Ehre hatte, im Begleitgremium mitzuwirken. Sachsen hat sich an dieser Stelle im Vergleich zu den anderen Bundesländern immer weiter nach vorn gearbeitet. Im Innovationsindex liegt Sachsen auf Rang 4 von 16 Bundesländern. Vor uns liegen Baden-Württemberg, Bayern und Berlin, weil dort im Bereich der Kreativwirtschaft und Informationstechnologie einiges läuft. Rang 4 ist dahin gehend schon ein sehr gutes Ergebnis. Im Bereich der Bundesprogramme liegen sächsische Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen immer mit auf Spitzenplätzen.
Woran es nach wie vor etwas krankt, ist der Anteil der Privatwirtschaft bei Forschung und Entwicklung. Er liegt gegenwärtig bei 45 %, und diesen müssen wir steigern. Wir müssen die Unternehmen in die Lage versetzen, dass nicht nur öffentliche Forschung stattfindet, sondern dass wir diesen Wissenschaftsstandort aus der Kraft der Unternehmen heraus weiter entwickeln. Es ist bereits angesprochen worden, dass wir in den nächsten Jahren und in der nächsten EU-Förderperiode finanziell sicherlich nicht mehr so gut ausgestattet werden.
Wichtig ist auch – letzte Woche hatten wir die Innovationskonferenz am Flughafen in Dresden, auf der futureSAX dargestellt hat, was es an Gründungspotenzial aus den Hochschulen gibt –, dass wir diese Kompetenzen und dieses Potenzial noch stärker heben. Die Staatsregierung unterstützt das Ganze mit neuen Instrumenten, wie Technologiegründerstipendien, mit einem künftig aufgelegten Risikokapitalfonds für technologie- und wissensbasierte Start-ups und mit einem Programm zur Förderung von Unternehmensgründungen aus der Wissenschaft. Das sind wichtige Bereiche, die helfen, dass man solche Speerspitzen, solche Leuchttürme wie das Leistungszentrum mit unserer Wirtschaftslandschaft verzahnt.
Von einigen aus der Opposition ist kritisch angemerkt worden: Jetzt haben wir dieses Pilotprojekt – das ist alles schön und gut –, aber wie sieht es denn mit der Nachhaltigkeit aus? Dazu muss man sagen: Es ist in der Wissenschaft immer ein dynamischer Prozess. Frau Maicher ist zu Recht darauf eingegangen, dass wir da keine Landesgrenzen haben und dass sich die Welt weiterdreht, wenn ich das einmal frei interpretieren darf. So ist es auch mit solch einem Leistungszentrum und den Exzellenzinitiativen. Dabei werden wir in nächster Zeit noch eine Dynamik erleben. In diesem Zusammenhang muss sich das Leistungszentrum entsprechend bewähren und dann wird es auch mit einer Verstetigung klappen.
Um das Thema Exzellenz kurz zu streifen, so glaube ich, dass man künftig eher in Richtung der Clusterförderung kommen sollte. Wenn man die TU Chemnitz, an das Cluster MERGE denkt, dann ist das ein Bereich, mit dem Sachsen im bundesweiten Maßstab durchaus an der Spitze steht. Es ist auch sinnvoller, dass man sich Cluster gezielt herausgreift und diese entwickelt, wie es bei Mikro- und Nanotechnologie gemacht wird, als dass man ganze Institutionen unter das Stichwort der Exzellenz zu bringen versucht.
Frau Dr. Muster ist darauf eingegangen, wir müssten doch mehr tun, dass wir sichere Hardware in Sachsen produzieren. Da müssen wir gar nicht so weit blicken. In Dresden gibt es die Firma Secunet, die dieses Thema schon in die Praxis umsetzt und Bundesbehörden mit Software und sicherer Hardware ausstattet. Von daher haben wir Unternehmen in diesem Bereich.
Zur Kritik von Frau Maicher in Bezug auf die Forschungsförderung ist zu sagen: Man kann dort immer mehr machen, und ich würde auch immer mehr machen wollen. Aber wir wissen alle, welche Aufgaben der Freistaat gegenwärtig zu bewältigen hat. Wir haben den Entwurf der Staatsregierung an dieser Stelle deutlich nachgebessert, und das sollte man zur Kenntnis nehmen. Die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen schätzen es sehr, dass wir den Entwurf im Bereich der Forschungsförderung deutlich verbessert haben.
Letzter Satz: Wir werden das Thema Wissenschaftsstandort immer wieder, auch im Rahmen Aktueller Debatten, behandeln müssen, –
– weil es letztlich ein Bereich ist, in den wir investieren, um Steuerzahler zu generieren. Von daher ist es ein wichtiges und richtiges Thema, und ich freue mich, dass wir es heute in der Aktuellen Debatte behandeln konnten.