Protocol of the Session on July 9, 2015

Es gibt zahlreiche Untersuchungen an Windenergieanlagen, die zu dem Ergebnis kommen, dass keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschall zu ermitteln sind. Ich zitiere aus dem Faktenpapier „Windenergie und Infraschall“ des hessischen Ministeriums für Wirtsschaft, Energie und Verkehr vom Mai 2015: „Ein wissenschaftlich eindeutiger Zusammenhang zwischen Infraschall durch Windenergieanlagen und gesundheitlicher Belastung ist nicht herstellbar.“

Wenn man vergleicht, wo wir Menschen sonst noch Infraschall ausgesetzt sind, dann braucht man wirklich kein Wissenschaftler zu sein, sehr geehrter Herr Kollege

Urban, um festzustellen, dass uns Infraschall durch Windenergieanlagen nicht wirklich gefährlich werden kann.

Die Infraschallbelastung beispielsweise beim Autofahren mit 130 Stundenkilometern auf der Autobahn ist um ein Vielfaches höher, und wenn Sie Ihr hinteres Autofenster aufmachen, dann ist die Infraschallbelastung einhundertmillionenfach höher als durch jede Windenergieanlage. In der Konsequenz müssten Sie ein sofortiges Tempolimit auf Autobahnen fordern und den Autofahrern vorschreiben, dass sie in Zukunft alle Fenster geschlossen halten sollen.

(Jörg Urban, AfD: Machen wir!)

Richtig. Ein weiteres Beispiel: Die Messung der Landesanstalt für Umwelt und Naturschutz von BadenWürttemberg hat ergeben, dass bei Bürogebäuden der Infraschallpegel höher ist, als würden Sie in 150 Meter Entfernung an einer Windenergieanlage stehen. Das hätte zur Konsequenz, wir müssten heute sofort den Sächsischen Landtag räumen und Sie müssten ein Moratorium für alle Büroarbeitsplätze fordern.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, diese beiden Beispiele zeigen aus meiner Sicht, worum es Ihnen geht. Ihnen geht es nicht um Gesundheitsschutz, Ihnen geht es auch nicht um die Menschen, Ihnen geht es in dieser Debatte um blanken Populismus.

(Jawohl-Rufe und Beifall bei der AfD)

So etwas, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der AfD-Fraktion, werden wir nicht mittragen. Wir nehmen die Sorgen und Nöte der Bürger ernst. Wir werden diese aber auch nicht künstlich aufbauschen. Wir wollen stattdessen – ich hatte es vorhin angedeutet – mit unserem Konzept für mehr Bürgerbeteiligung auch im Windenergiebereich dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger zukünftig an dem Gewinn beteiligt werden und dass die Energiewende in Sachsen auch in Sachen Windenergie in Zukunft Wirklichkeit wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Martin Dulig)

Meine Damen und Herren, nun folgt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abg. Dr. Lippold. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wünschen sich also ein Moratorium für den weiteren Ausbau der Windenergie in Sachsen, meine Damen und Herren von der AfD. 2014 gingen in Sachsen 14 Windkraftanlagen ans Netz und die Gesamtzahl der Anlagen ging dabei gegenüber 2013 sogar wesentlich zurück, weil mehrere alte Anlagen im Rahmen des Repowerings gegen leistungsstärkere neue Anlagen ersetzt wurden. Damit fängt die handwerkliche Schluderei

in diesem Zweisatzantrag, den wir von Ihrer Fraktion gewohnt sind, schon mal an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meinen Sie nun den Neubau von Anlagen, das Repowering, neue Standorte, die Gesamtzahl der Anlagen oder die installierte Erzeugungskapazität? Ich glaube, das ist Ihnen auch völlig egal, solange es am Stammtisch gut klingt: Moratorium.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich verstehe Ihre Forderung einmal so, dass Sie in Sachsen keine weiteren Windkraftanlagen mehr errichtet sehen wollen. Sie meinen, das sei notwendig, weil kein rechtssicherer Nachweis erbracht sei – ich zitiere –, „dass durch den Betrieb von Windenergieanlagen keine nach den gesetzlichen Rechtsnormen des Freistaates Sachsen unzulässigen Beeinträchtigungen für Menschen und Tiere ausgehen“. Nach dem kurzen Schaudern über den Gebrauch der deutschen Sprache, die Ihnen doch sonst immer so wichtig ist,

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

kommen wir einmal zum Kern. Sie meinen also, solange nicht mit abschließender Sicherheit wissenschaftlich geklärt sei, dass keine Beeinträchtigungen auftreten können, dürfe man solche Anlagen nicht genehmigen. Das müsste ja dann grundsätzlich für alle genehmigungspflichtigen Anlagen gelten.

Wenn in der Bundesrepublik eine genehmigungspflichtige Anlage errichtet werden soll, dann muss zuvor in einem sehr aufwendigen Genehmigungsverfahren auf der Grundlage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes mit seinen Durchführungsverordnungen und Verwaltungsvorschriften geprüft und oberhalb gewisser Schwellen auch eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.

Vorrangiges Ziel ist dabei die Begrenzung von Emissionen. Die gesetzliche Begrenzung von Emissionen ist immer ein Eingriff in die Handlungs-, namentlich die Gewerbefreiheit. Folglich dürfen sie nicht um ihrer selbst willen begrenzt werden, sondern nur nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip – analog zu ihrer tatsächlichen Schädlichkeit, das heißt, ihrer konkreten Einwirkung auf Umwelt und menschliche Gesundheit.

Nun ist dazu abschließende wissenschaftliche Erkenntnis nicht zu erwarten, einfach weil wissenschaftliche Erkenntnis niemals abschließend ist. Aber der Mangel an abschließenden Erkenntnissen ist, weil allgegenwärtig, natürlich vom Gesetzentwurf berücksichtigt worden. Deshalb ist der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz eben nicht auf ewig vor neuen Anforderungen an die immissionsschutzrechtliche Sicherheit gefeit. Es können auch nach der Genehmigung noch Anordnungen getroffen werden, um die Betreibergrundpflichten des BImSchGesetzes durchzusetzen.

Eine allgemeine Betreibergrundpflicht zitiere ich aus § 5 Abs. 1 des Gesetzes: „Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus der Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.“

Es bedarf somit keiner Moratorien zu Technologien, die zum Genehmigungszeitpunkt genehmigungsfähig sind, weil man neue Erkenntnisse zu schwerwiegenden Gefährdungen auch später noch über nachträgliche Anordnungen berücksichtigen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Jörg Vieweg, SPD)

Diese Regelungen sind sinnvoll und haben sich überall in der Industrie bewährt. Würde man es anders halten, dürfte man nämlich gar nichts mehr genehmigen. Mit der Logik, jede Anlage zu verbieten, die nicht mit letzter Sicherheit anstatt mit der Sicherheit des Standes von Wissenschaft und Technik Schutz vor Beeinträchtigung bietet, würden wir jetzt wirklich noch auf Bäumen hocken und mit Nüssen werfen, meine Damen und Herren,

(Beifall bei den GRÜNEN)

was offensichtlich nicht der Fall ist – obwohl, wenn ich mir den letzten AfD-Parteitag in Erinnerung rufe …

(Beifall bei den GRÜNEN – Uwe Wurlitzer, AfD: Jawohl, da ist er!)

Angesichts dessen, was dort an Ungeheuerlichkeiten, Vorurteilen und Pöpeleien in die Welt schwappte, meine Damen und Herren, sollten Sie sich das mit der Nichtzulässigkeit von Gesundheitsexperimenten an großen Teilen der sächsischen Bevölkerung, die Sie in Ihrer Antragsbegründung ausführen, wirklich noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Es gibt auch eine psychische Gesundheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Doch zurück zum Thema Windenergie. 2012 waren 55 300 Menschen in der Branche direkt beschäftigt – übrigens zweieinhalb mal so viele wie in der deutschen Braunkohlenwirtschaft, mindestens 109 000 unter Einbeziehung der indirekten Beschäftigung und der größte Teil im Segment der Herstellung neuer Anlagen. Die Bruttowertschöpfung lag bei 10,7 Milliarden Euro, darunter fast 5 Milliarden Euro im Export von Anlagen und Ausrüstungen. Wir erleben nämlich durch dramatisch gefallene Kosten im Bereich der erneuerbaren Energien weltweit einen beispiellosen Boom bei solchen Anlagen und Ausrüstungen. Hier entsteht ein spannender Wachstumsmarkt auch für die deutsche Industrie.

Genau in diesem Moment kommen Sie mit der Forderung, wir sollten unsere eigenen hoch entwickelten Anlagen für nicht sicher genug erklären, um hier bei uns auch

nur eine einzige errichten zu können – und zwar nicht etwa, weil Erkenntnisse vorlägen, die der Genehmigungsfähigkeit im Wege stünden, sondern weil keine abschließenden Erkenntnisse zur Beeinträchtigung vorliegen. Also gegen Windmühlen kämpfen, das ist ein geflügeltes Wort geworden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist die bekannteste Episode in Miguel de Cervantes berühmtem Roman über seine Figur Don Quijote. Der rasante Fortschritt trieb damals gesellschaftliche Veränderungen voran und Cervantes sah in der lächerlichen Auflehnung des Möchtegernritters gegen die Windmühlen das ideale Symbol für den Machtverlust des Überkommenen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der AfD, es gab hier im Parlament schon einmal einen Don Quijote, der mit dem Kampf gegen die Windmühlen versuchte, die 5-ProzentHürde zu überspringen. Er ist dabei mit seiner Truppe genauso vom Pferd gefallen wie das historische Vorbild. Und Sie versuchen nun, sich das von diesen Leuten und ihren Wanderpredigern aufgebaute und gepflegte Protestpotenzial einzuverleiben.

(Jörg Urban, AfD: Meinen Sie die FDP?)

Die vom letzten Don Quijote genutzten Lanzen gegen die Windmühlen drohen Ihnen gerade abhanden zu kommen; denn die Strategie der Verhinderungsplanung über pauschale Mindestabstände will die Koalition nicht fortsetzen, wie wir soeben noch einmal gehört haben. Auch die Ausbaubremse im Energie- und Klimaprogramm will sie wohl lösen. Im Regierungshandeln warten wir freilich noch auf eine Umsetzung und wenn ich mir die von der CDU in letzter Zeit auf regionaler Ebene angestrebten Beschlüsse zur Windenergieplanung anschaue und Ihr neues energiepolitisches Eckpunktepapier, dann bin ich allerdings zunehmend gespannt, wie Sie diese Kuh vom Eis bekommen wollen, meine Damen und Herren von der Koalition.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie jedenfalls, meine Damen und Herren von der AfDFraktion, müssen damit rechnen, dass die 10-H-Lanze bereits beim Sturz des letzten Don Quijote vom Pferd zerbrochen worden ist, und genau deshalb kommen Sie jetzt mit Ihrer Moratoriumsforderung.

(Dr. Stefan Dreher, AfD: War das jetzt intelligent?)

Was immer man sich auch von den Dingen, die Sie aus den Zusammenhängen gerissen als Begründung anführen, genauer anschaut – es bleibt nichts übrig, was irgendein Abweichen von den bewährten Vorgaben des BundesImmissionsschutzgesetzes und seiner regelmäßig fortgeschriebenen Durchführungsverordnungen und Verwaltungsvorschriften auch nur ansatzweise begründen könnte.

Als in Deutschland die Eisenbahn Einzug hielt, wurde vor geistigen Schäden angesichts der schnellen Fortbewegung gewarnt. Die Bauern gingen mit Mistgabeln gegen Landvermesser vor, weil sie fürchteten, ihre Kühe würden angesichts der Dampfrösser weniger Milch geben. Wenige Jahre später entdeckten dieselben Bauern in der Eisenbahn eine willkommene Möglichkeit, ihre Milch besser und frischer in die Städte zu verkaufen.

Wenn Sie, Herr Kollege Urban, mit Ihrer Verweigerung gegenüber den Veränderungen des Energiewendezeitalters in Wirtschaft und Gesellschaft nun Ihren Kampf gegen die Windmühlen mit einer Moratoriumsforderung durchsetzen wollen, so können Sie das Ende bereits bei Cervantes nachlesen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde.

Gibt es Bedarf für eine zweite Runde? – Für die AfDFraktion Herr Abg. Wild. Sie haben das Wort.