die Hand. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.
Die Aussprache erfolgt in der Reihenfolge: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, danach die CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.
Danke schön. Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit Tagen, seit Wochen, seit Monaten – immer wieder hören wir die gleichen Meldungen, immer wieder erschüttern rassistische Hetze und Angriffe auf Gemeinschaftsunterkünfte von Flüchtlingen und Asylsuchenden den Freistaat Sachsen.
Als wir den Antrag „Asylsuchende und Flüchtlinge in Sachsen vor rassistischen Überfällen schützen“ vor zwei Wochen unter dem Eindruck des wütenden Mobs in Freital geschrieben hatten, ahnten wir nicht, dass schon am Wochenende darauf in Meißen eine geplante Flüchtlingsunterkunft brennen würde. Und doch – das sagen wir Ihnen mindestens seit dem Januar 2015 – haben wir solche Entwicklungen be- und gefürchtet. Teilweise ist diese Entwicklung heute Vormittag bereits Thema in der Aktuellen Debatte gewesen.
Die Zeit war etwas kurz, um vielleicht ein bisschen weiter die Situation in Sachsen zu beschreiben; deswegen möchte ich die Gelegenheit an dieser Stelle nutzen. Seit Anfang des Jahres dokumentiert die RAA, die Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie e. V., Träger der Opferberatung in Sachsen, 25 rassistische oder rechtsmotivierte Aktivitäten. Das sind die Zahlen für das 1. Halbjahr 2015 im gesamten Freistaat Sachsen.
Allein Bewohner der Asylbewerberunterkunft „Leonardo“ waren seit März 2015 circa zehnmal Ziel rassistischer Anschläge. Weitere Nachrichten über Vorfälle, die uns allein im Juni erreichten, haben wir im Antrag aufgezählt. Lassen Sie mich kurz zwei, drei dieser Vorfälle aus Freital benennen. Ich habe diese Informationen aus Freital bekommen und möchte das hier einmal vortragen:
13.03.: Circa 130 Asylgegner versammeln sich ohne Anmeldung in Freital und versuchen, in Gruppen das Heim anzugreifen. Die Polizei verhindert das.
19.04.: Brand im Asylbewerberheim in Schmiedeberg im Osterzgebirge. Bis heute ist unklar, was die Brandursache war.
30.04.: Steinwurf durch eine Scheibe des Heims im „Leonardo“ – zwei Verletzte, einer mit Schnittwunden im Gesicht.
Das ließe sich weiter so auflisten; darunter sind Böllerattacken, Gewaltattacken von Nazis, die am helllichten Tag mit Pfefferspray gegen Asylsuchende am Bahnhof in Freital vorgehen, auf diese eintreten und sie schlagen.
In Freital – auch diese Meldung möchte ich Ihnen nicht vorenthalten; sie ist auch in unserem Antrag zu finden – hat sich mittlerweile eine sogenannte rechte Bürgerwehr gegründet, die permanent Asylsuchende und Flüchtlinge, aber auch Unterstützer von der Willkommensinitiative in Freital im Fokus hat. Streckenweise sind Fotos von Asylsuchenden hochgeladen worden, in den sozialen Netzwerken Bewegungsprofile erstellt worden. Sie haben vielleicht an der einen oder anderen Stelle in den Medien darüber gelesen.
Nach unserer Einschätzung gibt es eine permanente Bedrohungslage in Freital mindestens seit Anfang März. Wie wir mittlerweile wissen – Kollegin Köditz hat heute Morgen auf die Brennstoffanschläge verwiesen –, gab es auch Brennstoffanschläge im Freistaat Sachsen, die zunächst als Böllerattacken, oder wie auch immer man es bezeichnen mag, dokumentiert wurden.
Lassen Sie mich zu dem zurückkommen, was ich mit der Opferberatung besprochen habe, um zum Beispiel einen Blick auf die Situation in Chemnitz zu werfen. Die Opferberatung in Chemnitz hat mir bestätigt, dass es bei den Angriffen im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren eine bestimmte Entwicklung gibt.
Hatten wir in den Jahren davor die höchste Zahl der Übergriffe auf politisch Andersdenkende, das heißt zum Teil alternativ denkende Jugendliche, Leute, die nicht auf derselben Wellenlänge waren – in Chemnitz ist das zum Beispiel das alternative Jugendprojekt „Kompott“, das immer wieder Ziel solcher Angriffe gewesen ist –, so hat sich das Verhältnis sozusagen gewandelt. Heute hat die Mehrzahl der Angriffe ein rassistisches Motiv. Die politisch motivierten Angriffe betragen circa noch ein Drittel.
Bereits im Januar hatten wir die Staatsregierung mit unserem Antrag, den ich heute schon einmal genannt habe – ich glaube, ich werde das in diesem Haus ab und zu wieder tun –, aufgefordert, entschlossen und effektiv gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen. Die Ereignisse von Hoyerswerda dürfen sich nicht wiederholen. Wir hatten die Staatsregierung aufgefordert, zu prüfen, wie hoch sie die Gefahr einschätzt, dass von Pegida, Legida, Friegida, diesen ganzen -gida-Demonstrationen, gewalttätige Übergriffe gegen Menschen mit Migrationshintergrund ausgehen könnten.
Wir haben auch wissen wollen, welche konkreten Sicherheitskonzepte entwickelt worden sind, um Übergriffe zu verhindern. Sie alle werden sich noch an diese Debatte erinnern. Die Staatsregierung antwortete, dass sie keine Anhaltspunkte dafür sehe, dass von den Versammlungen Übergriffe ausgehen könnten. Offensichtlich sah sie auch keine Notwendigkeit, zumindest bis zum heutigen Zeitpunkt, Sicherheitskonzepte zum Schutz von Menschen in Flüchtlingsunterkünften und Asylbewerberheimen zu entwickeln. Das ist nach unserer Auffassung, nach Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, eine eklatante Unterschätzung von rechtsextrem und rassistisch motivierter Gewalt im Freistaat Sachsen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind gerade die Demonstrationen, von denen wir hier gesprochen haben, es sind die Teilnehmer solcher Aufmärsche, und es sind die Anführer und Anstifter dieser rassistischen Aufläufe. Sie kennen den Namen Lutz Bachmann. Es gibt in Freital auch noch andere Namen, – –
von denen ein hohes Gefahrenpotenzial für Asylbewerber und Menschen mit Migrationshintergrund in Sachsen ausgeht.
Der Verfassungsschutzbericht des Bundes ist in der letzten Woche vorgestellt worden. Ich habe sehr aufmerk
sam zur Kenntnis genommen, was Bundesinnenminister de Maizière über den Anstieg von Gewalttaten dabei berichtet hat. Ich habe auch der Analyse genau zugehört. Wir konnten vernehmen, dass die rechtsextrem motivierten Gewalttaten um 23 % gestiegen sind und dass wir damit in der Bundesrepublik – im Freistaat haben wir ähnliche Entwicklungen – den höchsten Wert seit 2008 zu verzeichnen haben. Die fremdenfeindlich motivierten Straftaten betragen absolut 512. Das ist der höchste Stand seit 2001. Kollege Hartmann als ehemaliger Polizist wird das wissen. 2001 war das Jahr, in dem diese Kategorie, politisch motivierte Kriminalität, überhaupt eingeführt wurde. Das ist eine sehr, sehr ernst zu nehmende Entwicklung. Jeder zweite Rechtsextremist – das trifft auf die Zahl derer zu, die im Freistaat Sachsen beobachtet werden – ist heute gewaltorientiert.
Der Verfassungsschutzbericht des Bundes – auch das muss an dieser Stelle gesagt werden – spricht von sogenannter Selbstradikalisierung einzelner Personen. Er spricht auch von einem hohen Gefährdungspotenzial und einer Gefahr der Eskalation der Asylproteste.
Solche Worte, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, habe ich zwar vom Bundesinnenminister de Maizière gehört, aber leider noch nicht an dieser Stelle. Wir müssen feststellen: Es sind die Verharmlosungen der Staatsregierung bis heute hinsichtlich der rassistischen Grundstimmung, die auch in unserer Gesellschaft, die auch in Sachsen vorhanden ist, es ist das Leugnen von Gefahren durch diese Stimmung, und es sind mit Ressentiments geladene Interviews und Statements selbst aus der Spitzenpolitik, die dieses Gefahrenpotenzial befeuern und die Lunte zum Entzünden des Pulverfasses verkürzen.
Unser Antrag kann natürlich das Grundproblem in der Gesellschaft und die bisher fehlende Haltung der Staatsregierung und einiger politischer Akteure nicht ändern. Er kann jedoch dazu beitragen, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund in Sachsen wieder etwas sicherer fühlen können. Insofern, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, haben wir heute schon mit einer gewissen Genugtuung und Freude – Freude ist vielleicht das falsche Wort – zur Kenntnis genommen, dass Herr Merbitz, den ich übrigens sehr schätze, weil ich ihn aus einer sehr guten Zusammenarbeit über viele Jahre hinweg gut kenne, und das Operative Abwehrzentrum Maßnahmen ergriffen haben, die genau unserem Antrag entsprechen. Sie haben die Meldung vielleicht verfolgt. Es wird in Freital und vor Gemeinschaftsunterkünften zu einem Einsatz von Zivilfahndern kommen. Es wird eine mobile Einsatz- und Fahndungsgruppe inklusive szenekundiger Beamter
geben, die sich vor Gemeinschaftsunterkünften aufhalten werden, die dort Kontrollen machen und die künftig erkennen sollen, wo sich zum Beispiel ein Bedrohungspotenzial sammelt.
Ich bin sehr froh, dass man so auf unseren Antrag – aber das ist vielleicht ein bisschen sarkastisch gemeint –, dass man so auf die Bedrohungslage insbesondere in Freital
Frau Zais, Sie haben hier rassistische Angriffe in Freital aufgeführt. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Asylbewerberheim Schmiedeberg in Dippoldiswalde liegt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass der Brand in dem Heim innen entstanden ist, in zwei Zimmern gleichzeitig, und dass bis zum heutigen Tage nicht ermittelt worden ist, ob es sich hierbei um eine rassistisch motivierte Straftat gehandelt hat. Insofern bitte ich bei Ihrer Aufzählung um Gründlichkeit und Genauigkeit.
Ich weiß nicht, was die Zielrichtung Ihrer Kurzintervention sein soll. Das, was Sie hier von sich gegeben haben, habe ich nicht behauptet. Im Gegenteil, ich habe als Beispiele die zwei anderen Brandanschläge genannt, so in Brand-Erbisdorf oder in Freital, wo die Ursachen auch zunächst nicht ermittelt worden waren und sich heute herausgestellt hat, dass dies sehr wohl Angriffe gewesen sind. Es wissen alle, dass bei Schmiedeberg die Ursache noch nicht klar ist. Aber auf der anderen Seite ist es egal, wie der Brand gelegt wurde. Das Gefährdungspotenzial ist vorhanden. Wir haben Asylunterkünfte – dazu habe ich mich in Freital auch kundig gemacht –, und dort wissen die Menschen, die zu uns nach Sachsen kommen, im Ernstfall nicht, wie sie die Polizei erreichen. Ihnen ist nicht klar, welches Telefon zu benutzen ist. Da fehlt auch viel an Information. Aber auch das gehört zu einem Sicherheitskonzept dazu.