Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Schlusswort hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Frau Abg. Jähnigen. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Ulbig! Sie haben mir mit Ihren Ausführungen
noch einmal bewiesen, wie wichtig unser Antrag ist. Zum einen sind Sie gar nicht auf die Beispiele eingegangen, die ich vorgetragen habe.
Zum anderen: Das Verfahren in Dresden hat länger als zwei Jahre gedauert, also mit zahlreichen Gesprächen, Widerspruch, noch einem Gespräch usw. Ich finde, das ist verdammt lang, um sein Recht zu erlangen, zumal wenn man beim Verwaltungsgericht auf eine solche Sache noch einen Kostenvorschuss leisten muss.
Wenn Sie sich den Tenor der Gerichtsentscheidung ansehen, dann werden Sie lesen, dass das Gericht ganz klar gesagt hat, es geht nicht um den Familien-, sondern um den Ehebegriff. In keiner Ehe werden die Eltern gefragt, welcher genetischen Herkunft ihre Kinder sind, die sie in ihrer Ehe zusammen großziehen. Genau diese Frage darf man auch bei eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht stellen. Das sind keine Patchworkfamilien, sondern feste Beziehungen, und es geht eben nicht um die genetische Herkunft, Herr Minister. Sie haben es auch noch nicht verstanden. Lesen Sie es bitte in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach:
Diese Beziehungen sind gleichzustellen. Genau deshalb, weil das so wichtig ist, wollen wir, dass Ihr Ministerium die Rechtsprechung aufarbeitet und für alle Kommunen Anwendungshinweise für die betroffenen Bereiche erarbeitet. Sie können diese auch gleich noch im Landtag austeilen lassen, damit jeder vor Ort nachhaken kann.
Es ist notwendig, was wir vorschlagen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es ist dringend notwendig, um den Koalitionsvertrag umzusetzen. Auf dass wir nicht wieder nach Ablauf dieser Legislaturperiode so dasitzen wie nach der vergangenen Legislaturperiode, in der die Gleichberechtigung der eingetragenen Lebenspartnerschaft auch schon einmal umgesetzt werden sollte. Beschleunigen Sie diese Mühlen, die zu langsam mahlen!
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache 6/1254. Wer zustimmen möchte, der zeigt das jetzt bitte an. – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ohne Stimmenthaltungen und bei zahlreichen Stimmen dafür ist die Drucksache dennoch nicht beschlossen worden. Meine Damen und Herren, dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die einreichende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und für die Fraktion Herr Abg. Lippmann. – Sie haben das Wort, Herr Lippmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Hoffnung, nämlich dass Sachsen nicht das letzte Bundesland sein wird, das sich einmal dazu durchringt, eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete einzuführen. Bereits jetzt gehört Sachsen zu einer Minderheit von Bundesländern, die die Kennzeichnung von Polizeibediensteten durch eine Nummer, durch einen NummernBuchstaben-Code oder durch ein Namensschild noch nicht eingeführt oder geplant hat. Sachsen rühmt sich doch sonst seiner Vorreiterrolle. Ich habe die Hoffnung, dass sich Sachsen auf den Weg zu einer modernen und transparenten Polizei macht – deswegen schlagen wir diesen Gesetzentwurf vor –, zu der aus unserer Sicht ohne Zweifel eine Kennzeichnungspflicht gehört.
Unser Vorschlag sieht vor, dass die Bediensteten im Regelfall ein Namensschild mit Vor- und Nachnamen zu tragen haben. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Ausnahmen, mit denen wir Einwänden begegnen werden. Dazu aber später.
Wir GRÜNE sehen die Notwendigkeit für die Einführung einer Kennzeichnungspflicht, wie wir sie in diesem Hause schon mehrfach vorgetragen haben, als umso dringlicher an, da aufgrund der Entwicklung beim Bund und in anderen Bundesländern Sachsen tatsächlich langsam in das Hintertreffen gerät, und tun dies aus einer tiefen rechtsliberalen Rechtsstaatsauffassung heraus. Der Staat ist für die Menschen da und ein Gebilde der Menschen. Dementsprechend hat er den Menschen gegenüber zuordenbar und transparent aufzutreten.
Nach diesem Prinzip verfahren sowohl die Steuerverwaltung – jeder Steuerbescheid ist namentlich unterschrieben
als auch andere Teile der Verwaltung. Dass es ausgerechnet die Träger des staatlichen Gewaltmonopols sind, bei denen eine Kennzeichnung in Sachsen bisher nicht durchsetzbar war, ist für uns ein Zustand, den wir nicht hinnehmen wollen.
Dies führt in der Folge häufig dazu, dass, rechtsstaatlich bedenklich, staatliche Aufgabenträger in Form der Polizei nicht für ein mögliches Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden können, weil schlicht die Nichtidentifizierbarkeit Ermittlungen und Strafverfahren faktisch ins Leere laufen lassen.
Es entspricht einem Verständnis von einer modernen Polizei und einem transparenten staatlichen Handeln, wenn Polizeibedienstete Bürgerinnen und Bürgern offen gegenübertreten.
Das ist auch kein großes Novum. Viele Polizeibedienstete tragen bereits heute ganz selbstverständlich bei Teilen ihrer Diensthandlungen ein Namensschild oder stellen sich namentlich den Personen, die sie einer Maßnahme unterziehen, vor. Im gesamten angloamerikanischen Raum ist die Kennzeichnung von Polizeibediensteten seit vielen Jahren üblich, übrigens ohne die immer befürchteten Konsequenzen. Dort ist ein nicht identifizierbarer Polizist faktisch unvorstellbar.
In vielen unserer Nachbarländer, etwa in Belgien, Frankreich, Italien, Polen und Tschechien, gilt eine Kennzeichnungspflicht, und selbst im chinesischen Hongkong tragen Polizistinnen und Polizisten eine Kennzeichnung. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch in anderen Bundesländern, die zumindest in diesem Punkt eine modernere Staatsauffassung als Sachsen haben, das Tragen eines Nummern- und Namenschildes Usus geworden ist. So tragen mittlerweile Polizeibedienstete in Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein eine individualisierbare Kennzeichnung, ebenso in Brandenburg, wo die Polizeikennzeichnung seinerzeit bekanntermaßen mit einer Gesetzesinitiative der CDU umgesetzt wurde.
In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen werden entsprechende Gesetzentwürfe zur Polizeikennzeichnung gerade bearbeitet bzw. wird die Kennzeichnung demnächst eingeführt.
Auch in Hessen tragen Polizeibedienstete mittlerweile eine fünfstellige Nummer. Innenminister Peter Beuth, bekanntermaßen CDU, hat die notwendige Anschaffung von neuer Polizeikleidung gleich mit der Einführung der Kennzeichnung verbunden. Seine Begründung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dürfte Sie hier eigentlich überzeugen – ich zitiere Herrn Beuth –: „Wir wollen denen, die friedlich protestieren, einen Vertrauensvorschuss einräumen, damit sie sich von denen entsolidarisieren, die Gewalt suchen.“ – Das ist doch eine typische Haltung der CDU.
Wenn ein Innenminister der CDU dies als eine geeignete Maßnahme ansieht, dann wundert es mich, dass dies in Sachsen offensichtlich nicht durchsetzbar ist.
Nachdem wir den Gesetzentwurf vor zwei Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt haben, erfuhren wir eine große Resonanz.
Beispielsweise hat die „LVZ“ eine Online-Umfrage zur Kennzeichnung durchgeführt. Das für mich erstaunliche Ergebnis – auch wenn man auf die Ergebnisse von Online-Befragungen nicht so viel geben sollte, aber sie sind immer ein guter Hinweis – ist äußerst positiv: An der Umfrage haben sich 555 Personen beteiligt und davon waren 335 für die Einführung einer Kennzeichnungspflicht, und das, obwohl bei Online-Umfragen bekanntermaßen auch eine Vielzahl von Personen aus dem rechten Spektrum unterwegs ist.
60 % Zustimmung für einen Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion finde ich bemerkenswert. Das liegt sicherlich auch daran, dass wir in den letzten Monaten immer wieder mit Fällen konfrontiert waren, in denen es massive Vorwürfe gegen die Polizei insbesondere beim tatsächlichen Handeln bei Großeinsatzlagen gab.
Wir haben offensichtlich einen Nerv getroffen; denn viele Menschen auf der Straße machen Erfahrungen mit einer Polizei, die ihnen faktisch anonym gegenübertritt. Dabei ist es eigentlich auch in Sachsen nicht angedacht, dass die Polizei anonym auftritt. Bereits jetzt muss sich entsprechend dem Sächsischen Polizeigesetz jeder Polizist gegenüber dem Betroffenen einer Maßnahme ausweisen. Dies ist Ausfluss einer rechtsstaatlichen Auffassung, dass es eine anonyme Staatsmacht nicht geben darf. Doch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, machen Sie einmal bei Gelegenheit den Test.
Fragen Sie den nächsten Beamten bei einer Verkehrskontrolle oder anderen Diensthandlungen mal nach seinem Dienstausweis. Sie werden erstaunliche Antworten bekommen. Von der Nachfrage, warum Sie den sehen wollen, über die in Unkenntnis der Rechtslage erfolgte Auskunft, den müsse er Ihnen nicht zeigen, bis hin zu verwunderlichen Aussagen wie die, er habe ihn gar nicht dabei – so ziemlich alles ist in diesem Spektrum vertreten.
Ich selbst habe bei Maßnahmen während des Demonstrationsgeschehens noch nie, auch nicht auf mehrfache Nachfragen, einen Polizeiausweis zu Gesicht bekommen. Auch die Tatsache, dass sächsische Polizeibedienstete nicht bereit sind, ihrer Ausweispflicht nachzukommen, spricht umso mehr für die Einführung einer Kennzeichnungspflicht, die die Folge hat, dass die Identifizierbarkeit nicht mehr im Belieben des Beamten steht. Ich weiß, dass in der weiteren Beratung dieses Gesetzentwurfs wieder
die üblichen Tiraden kommen, und es wird das bekannte Lied gesungen, wir würden Polizistinnen und Polizisten an den Pranger stellen.
Ich bitte insbesondere Sie, liebe Kollegen von der CDUFraktion, zur Kenntnis zu nehmen, dass auch die Nichtkennzeichnung der Polizei und das dem Bürger Gegenübertreten als uniformierte nicht identifizierbare Masse den entscheidenden Nachteil hat, dass bei einem Fehlverhalten eines einzelnen Beamten immer die gesamte Polizei von Teilen der Bevölkerung in Misskredit gebracht wird.
Die Polizei selbst muss ein Interesse daran haben, dass schwarze Schafe unter ihnen möglichst schnell identifiziert werden können, und bekanntermaßen ist dies in einem Ermittlungsverfahren alles andere als einfach.
Lassen Sie mich zum Schluss ausführen, dass wir mit unserem Gesetzentwurf so ziemlich allen Bedenken Rechnung getragen und eine ausgewogene Grundlage zum Schutz der Polizeibediensteten vorgeschlagen haben. Bei Großeinsatzlagen wird das Namensschild durch eine individuell zuordenbare Nummern-Buchstaben
Kombination ersetzt, die überdies jederzeit wechselbar sein soll. Auch kann außerhalb von geschlossenen Einsätzen das Namensschild durch eine Nummer ersetzt werden, wenn im Einzelfall erhebliche Nachteile durch das Führen des Namensschildes, also auch im regulären Dienst, zu befürchten sind. Bei der Gefahr für Leib und
Leben kann im Ernstfall sogar ganz auf eine Kennzeichnung verzichtet werden. Wie gesagt, wir haben nahezu die kompletten Bedenken der letzten Jahre in diesen Gesetzentwurf aufgenommen und bringen daher einen Gesetzentwurf ein, der weit über die Schutzstandards vieler Länder hinausgeht – übrigens auch über jene Schutzstandards des Gesetzentwurfs, den die CDU in Brandenburg mitgetragen hat.