Protocol of the Session on June 10, 2015

Hinsichtlich § 8 Abs. 1 des Parlamentsinformationsgesetzes stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage der praktischen Umsetzbarkeit.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Im Internet machen Sie es doch!)

Die Staatsregierung soll zu allen Angelegenheiten, in denen sie informieren muss, eine angemessene Frist zur Stellungnahme einräumen. Als angemessen definiert der Entwurf dabei eine Frist, die so bemessen ist, dass sich der Landtag ausreichend mit der Vorlage befassen kann. In Bundesratsangelegenheiten stehen aber in der Regel nur wenige Tage für die Vorbereitung der Ausschusssitzungen des Bundesrates zur Verfügung. Die Tagesord

nung für eine Ausschusssitzung wird etwa 14 Tage im Voraus festgelegt. Änderungsanträge gehen erst wenige Tage vor den Sitzungen ein. Ob derartig kurze Fristen nach der Legaldefinition des Entwurfs als angemessen anzusehen wären, erscheint höchst zweifelhaft. Die Mitwirkung des Freistaates Sachsen in den Ausschüssen des Bundesrates müsste demnach praktisch eingestellt werden.

Im § 4 begründet der Entwurf des Parlamentsinformationsgesetzes eine Pflicht der Staatsregierung, über in ihrem Auftrag erstellte Gutachten zu berichten. Der Schutz des Kernbereiches exekutiver Willensbildung ist aber auch hier nicht ausdrücklich verankert. Auf meine Ausführungen zu diesem Problem in der vorangegangenen Debatte nehme ich hier Bezug.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch hier bitte ich, die Bedenken der Staatsregierung zu erwägen und gegebenenfalls zu berücksichtigen.

Vielen Dank

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zur Abstimmung. Aufgerufen

ist das Gesetz zur Verbesserung der Informationsbeziehungen zwischen dem Sächsischen Landtag und der Staatsregierung – insbesondere in Angelegenheiten der Europäischen Union, Drucksache 6/421, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Abgestimmt wird auf der Grundlage des Gesetzentwurfes. Auch hierzu liegen keine Änderungsanträge vor, weswegen ich Ihnen vorschlagen möchte, dass ich die Bestandteile des Gesetzentwurfes en bloc aufrufe und zur Abstimmung bringe. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das kann ich nicht feststellen.

Dann verfahre ich so: Überschrift, Artikel 1 Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen, Artikel 2 Gesetz über die Unterrichtung des Landtages durch die Staatsregierung im Freistaat Sachsen, Artikel 3 Inkrafttreten. Wer diesen Bestandteilen seine Zustimmung geben möchte, hebt jetzt die Hand. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür haben die genannten Teile des Gesetzentwurfes nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Damit erübrigt sich eine Schlussabstimmung, und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Europäisches Semester kritisch begleiten –

Freie Berufe in Sachsen unterstützen

Drucksache 6/1778, Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung:. CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.

Für die CDU-Fraktion beginnt die Aussprache Herr Abg. Hippold. Bitte, Sie haben das Wort, Herr Hippold.

Sehr geehrter Herr Präsident! Mein sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen des Europäischen Semesters und ebenso im Zuge der Transparenzinitiative hat die KOM die Mitgliedsstaaten aufgefordert, das Berufsrecht der regulierten, freien Berufe, unter welches unter anderem Rechtsanwälte, Ärzte Architekten und Ingenieure fallen, zu überprüfen.

Diese Aufforderung bezieht sich auf der einen Seite auf die Berufszugangs- und auf der anderen Seite auf die Berufsausübungsregelungen. Es soll geprüft werden, ob die in den Mitgliedsstaaten geltenden Beschränkungen für die Aufnahme und die Ausübung der jeweiligen Berufe mit der Europäischen Berufsanerkennungsrichtlinie

vereinbar sind.

Ich möchte in meiner Rede auf die praktischen Auswirkungen dieser Forderungen eingehen. Mein Kollege Marko Schiemann wird in der zweiten Runde auf das

Europäische Semester an sich und auf das Verfahren, das damit im Zusammenhang steht, eingehen.

Fakt ist, dass es sich nach unserer Auffassung bei dem Vorschlag der Kommission um einen Angriff auf das bewährte System der beruflichen Selbstverwaltung und den Kammern in Deutschland handelt, und zwar auch dann, wenn mit der Lieferung der geforderten Daten noch keine unmittelbare Auswirkung auf die freien Berufe gegeben ist. Erkennbar wird dies dadurch, dass die KOM selbst in den von ihr vorgelegten Empfehlungen Hürden für die Erbringung freiberuflicher Leistungen und darüber hinaus Markteintrittshindernisse kritisiert. Außerdem ist aus Sicht der KOM der Wettbewerb durch die in Deutschland geltenden verbindlichen Gebührenordnungen eingeschränkt. Es wird empfohlen, die Pflichtmitgliedschaften in den Kammern sowie deren Selbstverwaltung zu lockern, um diese Hürden abzubauen.

Nun ist das Ziel dieser Forderungen aus unserer Sicht leicht zu durchschauen. Der KOM und den anderen europäischen Ländern geht es darum, den deutschen Markt für freiberufliche Leistungen zu öffnen. Ein solches Vorhaben an sich ist sicherlich nicht grundsätzlich problematisch, und es ist auch richtig, dass die KOM die Einhaltung der Verträge überwacht. Jedoch ist zu befürch

ten, dass dabei nicht die hohen deutschen Standards mit ihren begründeten Anforderungen an die Berufsausübung, die Ausbildung und Weiterbildung, die Selbstverwaltung, die Werbungs- und Fremdkapitalbeschränkung sowie die Kosten- und Honorarordnung gelten sollen. Vielmehr sollen geringere Standards gesetzt werden, die zu einem vermeintlich größeren Wettbewerb führen sollen, aber nicht der Qualität und dem Verbraucherschutz dienen.

Genau die benannten zentralen Instrumente dienen aber der Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Gemeinwohl. Genau aus diesem Grund lehnen wir solche Bestrebungen auch ab, meine Damen und Herren.

In Sachsen sind circa 80 000 Menschen freiberuflich tätig. Knapp die Hälfte derer, nämlich 35 000 Freiberufler, sind in 16 Einzelverbänden organisiert. Die Spannweite der Berufe reicht dabei von Ärzten über Diplompsychologen, über Rechtsanwälte und Notare bis hin zu Ingenieuren und Architekten. Schon hieraus wird ersichtlich, welche Bedeutung die freien Berufe für unser Wirtschaftssystem haben.

Nun wird auch sehr oft argumentiert, dass eine größtmögliche Liberalisierung in diesem Sektor dazu beitragen könnte, den Fachkräftemangel zu beheben oder aber eben zu bremsen. Als Begründung wird hierbei die hohe Arbeitslosigkeit in anderen europäischen Regionen angeführt. Wer in dieser Art und Weise argumentiert, verkennt jedoch völlig, worum es sich bei der Regulierung der freien Berufe in Sachsen und in Deutschland handelt. Entscheidend ist, das anerkannt hohe Qualitätsniveau der freien Berufe gegen simple Vereinheitlichungen aufgrund europäischer Regelungen zu schützen.

Die Erbringung von Dienstleistungen durch unzureichend qualifizierte Konkurrenz mag auf den ersten Blick billiger erscheinen, könnte aber mit Blick auf mögliche Folgeschäden, Qualitätsmängel, Funktionsstörungen oder gar Gefährdung der Gesundheit oder der Öffentlichkeit fatale Auswirkungen haben. Die Kosten eines solchen Vorschlags würden also seinen Nutzen übersteigen. Oder anders formuliert: So wie Hubraum nur durch Hubraum zu ersetzen ist, können auch Fachkräfte nur durch neue Fachkräfte ersetzt werden und nicht durch eine Scheinliberalisierung.

Überlegungen, wonach Deregulierungen im Bereich der freien Berufe Wachstumsimpulse erzeugen könnten, müssten zunächst belegt werden. Für diesen aus unserer Sicht falschen Ansatz gibt es keine stichhaltigen Datenerfassungen und Belege.

Festhalten möchte ich an dieser Stelle auch, dass eine Änderung des Systems in die von der KOM angestrebte Richtung weitreichende Auswirkungen auf den Verbraucherschutz hätte. Wir als Verbraucher, die in Deutschland die Dienstleistungen eines Arztes, eines Rechtsanwalts, eines Ingenieurs oder aber einer Hebamme in Anspruch nehmen, können sicher sein, auf fachlich höchstem Niveau bedient zu werden. Auch wenn es bekanntermaßen keinen hundertprozentigen Schutz vor Mängeln darstellt, ist dies jedoch die Basis für einen bewährten,

reibungslosen und vertrauensvollen Umgang miteinander. Der Verlierer einer Deregulierungswelle stünde bereits heute fest. Das wäre der Verbraucher, der sich nicht mehr sicher sein kann, ob Qualität und Preis tatsächlich miteinander harmonieren und ob er grundsätzlich eine qualitativ hochwertige Dienstleistung, zum Beispiel zum Erhalt seiner Gesundheit, erhält.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das deutsche System der freien Berufe mit der Selbstverwaltung in den Kammern hat noch weitere Vorteile: Die anerkannten Systeme reduzieren Kosten für den Staat, da dieser sich nicht um Aus- und Fortbildung kümmern muss und die Berufsträger selbst dafür Sorge tragen, dass die Standesregeln, der gesetzliche Rahmen und die Qualitätsanforderungen eingehalten werden.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Man könnte sogar noch einen Schritt weitergehen: Könnte das deutsche Kammersystem nicht ein Exportschlager für Europa sein?

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich glaube, wir sollten die Diskussion noch viel selbstbewusster führen, als wir es in der Vergangenheit getan haben.

(Frank Heidan, CDU: Nicht nur das Kammersystem, sondern auch die Berufsausbildung!)

Warum muss uns Europa denn deregulieren? Könnte nicht viel eher das bewährte deutsche System ein Vorbild für andere Mitgliedstaaten sein? Ist es nicht denkbar, dass es manchem europäischen Land besser gehen würde, wenn man sich an unserem System orientiert hätte? – Ich denke schon.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die SPD-Fraktion Herr Abg. Baum. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mittlerweile muss man es schon fast extra betonen: Europa ist gut für Sachsen und Sachsen profitiert von Europa!

Europa heißt freier Austausch von Waren, freier Austausch von Dienstleistungen und heißt vor allem, dass sich jeder Mensch frei in Europa bewegen und arbeiten darf. Deshalb ist es nicht nur notwendig, sondern auch die Voraussetzung, dass jegliche Berufsqualifikationen, die in einem europäischen Mitgliedsstaat erworben wurden, auch in anderen Mitgliedsländern anerkannt werden. Darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig.

Einig sind wir uns auch darüber, dass die durchaus hohen Standards, die hierzulande gelten, nicht aufgeweicht werden dürfen.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Ich bin froh, dass dieses Hohe Haus das bereits mit seinem Beschluss „Meisterbrief erhalten!“, Drucksache 6/453, am 18. Dezember 2014 bekräftigt hat.

Zum Hintergrund unseres Antrages: Die Europäische Kommission hat im Rahmen des sogenannten vierten Europäischen Semesters analysiert, dass in Deutschland in den vergangenen Monaten die politischen Maßnahmen zur Belebung des Wettbewerbs in den freien Berufen und das Produktionswachstum in den freiberuflichen Dienstleistungen zu gering gewesen sei und entsprechend Spielraum bestehe, um die Entwicklung der Beschäftigung in den freien Berufen zu verbessern.

Diese Feststellung ist der Ausgangspunkt unseres Antrages. Doch was hat es mit dem Europäischen Semester auf sich? Es ist ein Verfahren zur Überwachung der Haushalts- und Wirtschaftspolitik in den EU-Staaten, ein Instrument, das im Jahr 2011 im Zusammenhang mit der Staatsschulden- und Finanzkrise in Europa eingeführt wurde.