Protocol of the Session on June 10, 2015

(Christian Piwarz, CDU: Nein, so was …!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Ich rufe zur zweiten Runde auf. Die CDU-Fraktion beginnt; Herr Abg. Schiemann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich ist es immer eine Freude, wenn ich freundliche Menschen um mich herum habe.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie sind hier auch im Sächsischen Landtag!)

Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass sich im Sächsischen Landtag jemand gefunden hat, der diesen Antrag auf den Weg gebracht hat. Es macht schon etwas wehmütig, dass es nur Katzenjammer gibt, dass nicht andere Fraktionen auch auf die Idee gekommen sind. Jeder hat das Recht, diese Idee mitzuverfolgen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Weil der Antrag dann von der Koalition abgelehnt worden wäre!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb kann man ja auch die Gemeinsamkeiten suchen, die sicherlich auch von den Vorrednern in dem Antrag besprochen worden sind.

Ich muss noch auf einen anderen Aspekt hinweisen: Die Bundesrepublik Deutschland, aber auch die deutschen Länder stehen zur sozialen Marktwirtschaft, der sozialen Marktwirtschaft als einzigem Garanten einer ausgewogenen Gesellschaft. Deshalb brauchen wir wirksame Instrumente, die möglichen Neoliberalisierungen durch die Europäische Union entgegenstehen. Auch hier gilt: Zentralisierung verhindert Subsidiarität; aber Subsidiarität, Eigenverantwortung ist die einzige Chance, eine Europäische Union auch für die Zukunft zu erhalten. Zentralisierung in der EU darf nicht zur Bedrohung der wirtschaftlichen Grundlagen werden, die den Staat Bundesrepublik Deutschland, aber vielleicht auch andere Nationalstaaten betrifft und in ihrer Fortentwicklung hemmt.

Deshalb muss es auch künftig eine kritische Begleitung aller europäischen Entwicklungen und Vorschläge geben. Sicher ist es zu begrüßen, dass es erst im Rahmen des europäischen Semesters auch zur Vergleichbarkeit der Entwicklung in den europäischen Nationalstaaten kommt. Vergleichbarkeit bedeutet jedoch nicht Gleichsetzung oder Gleichmacherei von Ungleichem.

Jeder Staat in Europa muss sich mit seiner Volkswirtschaft behaupten. Dazu gibt es nachhaltige Grundlagen, die historisch in den jeweiligen Volkswirtschaften entstanden sind. Im Freistaat Sachsen und in den anderen deutschen Ländern sind es Stabilisatoren wie die Handwerker und die Selbstständigen, die in Rede stehenden freien Berufe, die Landwirte, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, aber auch die Großunternehmen.

Fachkräfte, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden durch eigenen Einsatz in einer vorbildlichen Berufsausbildung qualifiziert und ausgebildet. Das darf nicht zur Disposition gestellt werden. Im Freistaat Sachsen werden mehr als 80 % aller Lehrlinge von Handwerkern und im Bereich der freien Berufe ausgebildet. Das ist in vielen Nationalstaaten Europas überhaupt nicht der Fall. Wir dürfen nicht dabei zusehen, dass diese Entwicklung in der weiteren Diskussion in Gefahr gerät. Es gehört auch zur Selbstverantwortung derjenigen, dass sie für ihren Berufsnachwuchs selbst sorgen.

Die Bewertung des europäischen Semesters hat dazu beigetragen, dass es Fortschritte im Verständnis der Nationalstaaten gibt. Die Nationalstaaten müssen aber ihre Besonderheiten bei der Schaffung von Wachstum und bei der Sicherung von Arbeitsplätzen behalten.

Wenn es um Annäherung geht, dann kann damit wohl nicht gemeint sein, dass gute Ausbildung oder eine subsidiäre Wirtschaftsstruktur aufzugeben sind. Maßstab können nicht die Staaten sein, die keine Berufsausbildung aufweisen, sondern es müssen Maßstäbe für die Europäische Union in den Bereichen gesetzt werden, in denen es

eine vorbildliche Entwicklung zur Absicherung des Fachkräftebedarfs gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Europäische Kommission stärker nach Überwachung und Kontrollen ruft, dann muss sie sich selbst fragen, ob eine weitere Regelungsflut zur Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen beiträgt oder diese eher behindert. Deshalb soll Europa nur das regeln, wozu die Nationalstaaten nicht in der Lage sind. Ich glaube, dieser Grundsatz hängt mit dem ursprünglichen subsidiären Grundsatz zusammen. Es wäre ein deutliches Signal und notwendig, dass sich Europa dazu viel stärker positioniert. Die Ressourcen für Kontrollen sind dann eher zur Aufdeckung von Straftaten und für die entsprechende Strafverfolgung zu nutzen.

Im Hinblick auf die Haushaltsdisziplin und die Entwicklung der Wirtschaft gehört Deutschland zu den Musterschülern der Europäischen Union und ist deshalb Beitragszahler Nummer 1, das heißt, Deutschland ist einer der wichtigsten Garanten dafür, dass es dieser Europäischen Union gelingt, ihre Zukunftsfähigkeit zu erhalten.

Gerade deshalb gab es in den länderspezifischen Empfehlungen nur vier Schwerpunkte: erstens wachstumsfördernde Finanzpolitik und Bewahrung der gesunden öffentlichen Finanzlage, zweitens Stärkung der Inlandsnachfrage, drittens gesamtwirtschaftliche Kosten des Umbaus des Energiesystems gering halten und viertens Maßnahmen zur weiteren Belebung des Wettbewerbs im Dienstleistungssektor prüfen. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf aber nicht bedeuten: geringe Löhne, geringe Qualifikation und geringe Standards. Das dürfen keine Grundlagen für die Zukunftsfähigkeit in den Staaten der Europäischen Union sein.

Es muss weiterhin möglich sein, gerechtfertigte und verhältnismäßige Regulierungen zu erhalten, die zum Beispiel die Qualität einer Dienstleistung oder Ausbildungsplätze sichern, einen angemessenen Verbraucherschutz gewährleisten, sozialen oder gesundheitspolitischen Zwecken dienen oder die Unabhängigkeit der Berufsausübung wahren.

Die nationalen Besonderheiten beim Europäischen Semester müssen stärker beachtet werden.

Damit Deutschland weiter Musterschüler und der größte Beitragszahler bleibt, dürfen die Grundlagen der erfolgreichen Wirtschaftsstruktur nicht gefährdet und aufgegeben werden. Ich freue mich auf die Zustimmung zu dem Antrag, über den wir jetzt hier gemeinsam diskutiert haben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Herr Schiemann. – Meine Damen und Herren, gibt es noch weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen in der zweiten Runde? – Das sehe ich nicht. Wird von der CDUFraktion eine dritte Runde gewünscht, Herr Hippold? –

Auch nicht. Dann frage ich die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Herr Staatsminister Dulig. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst herzlichen Dank für diesen Antrag,

(Lachen des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

der uns hier noch einmal dazu bringt, ein klares Bekenntnis zu den freien Berufen abzugeben.

Es gibt schon einige Besonderheiten bei den freien Berufen. Mit dem Antrag wollen wir genau das anerkennen: die Besonderheiten der freien Berufe anerkennen, sie wertschätzen und unterstützen.

Freiberufler sind Dienstleister mit Besonderheiten. Sie verfügen in ihrem Fach über herausgehobenes Wissen, Erfahrung und Talent und lassen Patienten, Mandanten und Klienten davon profitieren.

Die freien Berufe stehen für hohe Professionalität, Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl, strenge Selbstkontrolle, Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit.

Wir haben freie Berufe in vier Kategorien. Dazu zählt der heilberufliche Bereich zum Beispiel mit Ärzten, Zahnmedizinern, Apothekern und Physiotherapeuten. Wir haben den rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Bereich mit den Anwälten, Notaren, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Wir haben den technisch-naturwissenschaftlichen Bereich mit den Architekten, Ingenieuren, Biologen oder Informatikern, und wir haben den kulturellen Bereich: Autoren, Lektoren, Regisseure oder Künstler. Von der Qualität ihrer Arbeit hängt meist mehr ab als nur der Preis. Es geht eben um Gesundheit, Recht, Freiheit oder Kunst, um individuelle Dinge, die sich nicht nur in Euro und Cent bewerten lassen. Sie prägen das tagtägliche Leben des Einzelnen, weil sie für Werte wie Rechtschutz, Gesundheit und Kultur stehen.

Freiberufler erbringen Dienstleistungen im unmittelbaren und höchstpersönlichen Lebensbereich. Das erfordert durchaus ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Freiberuflern und Klienten, zwischen Patienten und Freiberuflern oder zwischen Mandanten und Freiberuflern. Deshalb sind Werte wie Qualität, aber auch Verbraucherschutz nicht wegzudenken. Wir setzen auf das bestehende System der Qualitätssicherung aus sachnaher Selbstverwaltung, hochwertiger Ausbildung, lebenslanger Weiterbildung, kostenregulierenden Honorarordnungen und neutralitätssichernden Fremdkapitalbeschränkungen – das wurde schon angesprochen.

Die berufsspezifischen Besonderheiten der freien Berufe haben ihre Berechtigung als Garanten anerkannt hoher Dienstleistungsstandards.

Ich halte die Einschätzung der EU-Kommission schon für fraglich, die meint, die Deregulierung der freien Berufe bringe Wettbewerbs- und Wachstumseffekte. Wir sehen

die Wachstumspotenziale in der hohen Qualität der freiberuflichen Dienstleistung selbst. Genau deshalb setzen wir uns dafür ein – und auch deshalb dieser Antrag.

Wir haben bei den in Sachsen freiberuflich tätigen Dienstleistungsunternehmen einen stetigen Umsatzanstieg,

allein im vierten Quartal 2014 um 5,3 % gegenüber dem Vorjahresquartal und sogar um 46 % gegenüber dem Basisjahr 2010.

Auch die Zahl der Beschäftigten hat sich Ende des Jahres 2014 um 3,2 % gegenüber dem Wert des Vorjahres erhöht. Die Beschäftigtenzahlen sind kontinuierlich gestiegen. Ende des Jahres 2014 waren im Bereich der freiberuflichen wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen 12 % mehr Personen tätig als im Basisjahr 2010.

Die freien Berufe erwirtschaften rund 10,1 % des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland. Sie sind wichtige Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe und eine der wichtigsten Triebfedern für Innovationen. Wir als Gesellschaft sind auf ihre Vertrauensdienstleistungen angewiesen.

Eine auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik muss die besondere Stellung der freien Berufe im Dienstleistungssektor berücksichtigen. Regulierende und kontrollierende Mechanismen, wie von der Selbstverwaltung vorgesehen, gehören als unverzichtbare Qualitätsgaranten dazu. Deshalb unsere Unterstützung für den Antrag.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns heute hier für die freien Berufe starkmachen, weil es anderweitige Bestrebungen der Europäische Kommission gibt, dann eben auch aus der Erfahrung, die wir beim Thema Handwerk und Meister schon gesammelt haben. Wir sind der Meinung, dass es darum geht, die hohen Qualitätsstandards auch gegenüber der Europäischen Kommission aufrechtzuerhalten. Das hat uns stark gemacht und das müssen wir auch bewahren und dürfen es nicht kleinreden. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, daraus zu schließen, dass man wieder nur eine nationale Wirtschaftspolitik machen sollte, wie die AfD-Fraktion es gerade gefordert hat, geht an der Sache komplett vorbei. Was heißt denn nationale Wirtschaft? Heißt das, dass wir die ausländischen Unternehmen nicht berücksichtigen? Das ist doch Quatsch. Gerade wir als Sächsische Staatsregierung setzen auf Internationalisierung. Egal, ob jetzt ausländische Investoren nach Sachsen kommen oder ob wir unsere Unternehmen anhalten, stärker auf Export orientiert zu sein. Das heißt, es ist überhaupt kein Widerspruch, eine Europäische Kommission für falsche Entscheidungen oder für falsche Wegmarken zu kritisieren und trotzdem für ein Europa und für Internationalisierung zu stehen.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Zu guter Letzt, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN: Vielleicht hätten Sie sich einen anderen Antrag aussuchen müssen, um Ihre Generalkritik an der politischen Kultur festzumachen. Sie haben sich damit selbst kleiner gemacht als Sie sind.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war einfach nur weinerlich. Sie haben doch den Antrag selbst in Nordrhein-Westfalen mit eingebracht, es war doch mit Ihre Initiative, und jetzt das Wohl und Wehe der sächsischen Demokratie und der politischen Kultur daran festzumachen, wie wir mit diesem Antrag umgehen, damit haben Sie sich selbst kleiner gemacht, als es notwendig ist.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Lassen Sie uns doch einfach mit der Zustimmung zu diesem Antrag ein starkes Signal aus dem Sächsischen Landtag für die freien Berufe in Sachsen senden.

Vielen Dank.